Düstere Musik im Dynamo-«Folterkeller»
An diesem Donnerstagabend verirrten sich einige schwarzgekleidete Gestalten ins Werk 21. Das Dynamo-Gewölbe lockte mit den beiden deutschen Bands The Vision Bleak und Nocte Obducta sowie der belgischen Kapelle Saille die Massen zu sich in die Dunkelheit hinab. Details eines erfolgreichen Konzertabends gibt’s wie gewohnt im nun folgenden Bericht nachzulesen.
Den intensiven Konzert-Oktober beginne ich mit einem Gastspiel im Zürcher Dynamo. Immerhin ist mir eine der drei heute aufspielenden Truppen ein Begriff. Saille konnten mich an der 2016er-Ausgabe des Summer Breeze Open Airs dank eines gelungenen Auftritts zu später Stunde auf der kleinen Camel-Stage überzeugen. Mit einem so baldigen Wiedersehen hätte ich ehrlichgesagt nicht gerechnet. Vorfreude ist somit redlich vorhanden.
Doch wie wird es dieses Mal in Sachen Zuschauer aussehen? An meinen Besuch im Werk 21 erinnere ich mich diesbezüglich nicht sonderlich gerne zurück. Serious Black und Co. mussten vor einer kümmerlichen Masse – sprich rund 30 Nasen – auftreten. Das wünsche ich den Künstlern des heutigen Abends ehrlichgesagt nicht. Doch bereits nach dem Betreten der Location lösen sich meine Befürchtungen schlagartig in Luft auf. Da scheint sich offenbar der eine oder andere Publikumsmagnet in der Programm-Affiche zu verbergen. Beim Barpersonal herrscht ebenfalls bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine ausgezeichnete Stimmung. Grosses Kino für sämtliche Beobachter. Zwischen den Spässchen bleibt glücklicherweise noch Zeit, um mir eine kühle Blondine zu servieren. Nun bin ich bestens gerüstet für den ersten Act des Abends.
SAILLE
Dabei handelt es sich wie bereits erwähnt um die mir bekannten Belgier von Saille. Der markante Mikroständer von Sänger Xavier De Schuyter sticht einem sofort ins Auge – ein Teufelsdreizack mit einem grossen «S» in der Mitte. Die Jungs fackeln nicht lange und Drummer Kevin De Leener feuert seine ersten Blastbeat-Salven ab. Ein fulminantes Geballere. Saille servieren der Masse bösen Schwarzmetal mit diversen Tempovariationen. Das bedeutet natürlich ziemlich viel Arbeit für die anwesenden Nackenmuskeln. Xavier krächzt sich seine pechschwarze Seele aus dem Leib. Geiles Stimmorgan!
Die Jungs sind der deutschen Sprache absolut mächtig. Immer wieder fordern sie das Publikum auf, etwas näher an die Spielstätte heranzutreten. Diese hartnäckigen Aufforderungen fruchten allerdings erst im letzten Drittel ihres Auftritts. Die altbekannte, schweizerische Zurückhaltung hat wieder zugeschlagen. Soundtechnisch gibt’s eigentlich nichts zu bemängeln. Dem Herrn Techniker scheint allerdings noch nicht alles zu passen, denn er wagt 1-2 Abstecher auf die Bühne.
Die Schwarzmetaller berücksichtigen in ihrer Setliste sämtliche ihrer vier Studioalben. Mich beeindruckt insbesondere der Track «Fhtagn» vom 2013-Silberling «Ritu». Scheint eine kleine Hommage an das mysteriöse Wesen «Cthulhu» zu sein. Das ganze Gewölbe brüllt den Namen jedenfalls während des Refrains lauthals mit – äusserst beeindruckend. Saille haben definitiv vorgelegt. Nun müssen die anderen beiden Truppen nachziehen.
Die kurze Pause nutze ich für einen ersten Abstecher an den Merchandise-Stand. Auswahl gibt’s zumindest genug. Aber noch kann ich mich nicht für einen Kauf begeistern. Zudem will man die erworbenen Sammelstücke ja nicht den ganzen Abend mit sich herumschleppen. Dafür bringt mir das finnische Verkaufsmädel ein neues Wort in ihrer Landessprache bei. Somit darf ich nun auch «Vittu» zu meinem – in diesem Gebiet doch eher begrenzten – Wortschatz dazuzählen (die Übersetzung lasse ich an dieser Stelle mal weg).
NOCTE OBDUCTA
Zur Einstimmung dröhnen aus der Boxen einige Hymnen (z.B. «Monstrance Clock») der schwedischen Papst-Metaller Ghost. Und auch in Sachen Bühneneffekte scheinen Parallelen zwischen der «Papa Emeritus-Kapelle» und Nocte Odbucta zu bestehen. Denn auch die Deutschen setzen auf den überaus markanten Weihrauch-Geruch. Glücklicherweise wird man als Zuschauer nicht komplett eingenebelt und hat nach wie vor gute Sicht auf das Bühnentreiben.
Der Bandname bedeutet ungefähr so viel wie «unter dem Schleier der Nacht». Die Truppe ballert uns facettenreichen Black Metal um die Gehörgänge. Mit sechs Leuten ist die Bewegungsfreiheit auf der doch eher kleinen Werk 21-Spielfläche ziemlich eingeschränkt. So bekommen die Zuschauer beispielsweise während des gesamten Auftritts bloss den Rücken des Ananas-Hemd tragenden Bassisten Heidig zu sehen. Unglücklich, aber offenbar logistiktechnisch schlichtweg nicht anders lösbar. Frontkrächzer Torsten verfügt ebenfalls über ein bitterböses Stimmorgan. Die Texte werden beinahe ausschliesslich in deutscher Sprache vorgetragen, was der ganzen Geschichte meiner Meinung nach nochmals zusätzliche Wucht verleiht. Zu Beginn ist sein Mikro leider noch etwas zu leise. Dieses Problem wird aber glücklicherweise ziemlich rasch behoben.
Das gemeinsame Zusammenleben der drei Bands während dieser Tour scheint zu funktionieren, denn plötzlich steht der spindeldürre Saille-Basser Kristof Van Iseghem neben mir und feuert seine Musiker-Kollegen lautstark an. Auch die Fans scheinen mit dem Dargebotenen äusserst zufrieden zu sein. Am Ende entsteht sogar noch ein kleiner Mosh Pit in der Raummitte.
THE VISION BLEAK
Zwei Bands haben abgeliefert. Wie reagiert nun der Headliner? Können The Vision Bleak mit diesen tollen Leistungen mithalten? Zumindest haben sie ein bereits sehr gut aufgewärmtes Publikum vor sich. Wie leider zu oft konnte ich mich im Vorfeld zu wenig mit der Band auseinandersetzen. Deswegen bin ich überrascht, als anstatt des erwarteten Duos plötzlich insgesamt sechs Musiker auf der Bühne stehen. Mit Babs von Caladmor ist sogar ein wenig lokale Metal-Prominenz in Form einer Background-Sängerin am Start. Der primäre Fokus liegt aber primär auf den Herren Allen B. Konstanz und Ulf Theodor Schwadorf.
Der Mann am mit Efeu übersäten Mikrofonständer strahlt durchaus eine gewisse Bühnenpräsenz aus und scheint zudem ein cooler Kerl zu sein. Die nun immer mehr eskalierende Masse im Gewölbe ist ihm jedenfalls absolut hörig. Ihre Werke bezeichnen die Deutschen als «Horror Metal». Aber da steckt – nicht zuletzt dank Allen – ebenfalls eine ordentliche Portion Gothic Metal mit drin. Die passende Ergänzung dazu liefert da Babs mit ihrem hühnerhauterzeugenden Opern-Gesang. Teilweise werden sogar orchestrale Elemente eingebaut, welche der ganzen Sache definitiv einen Hauch von Epik verleihen. Deshalb ist die Streicherin auf der Bühne alles andere als fehl am Platz.
The Vision Bleak haben bereits sechs «full-length» Platten auf dem Markt und können für die Setliste des heutigen Abends somit problemlos aus dem Vollen schöpfen. Die Horror-Thematik spiegelt sich in so manchem Stück wieder. «The Spirit Of The Dead», «The Night Of The Living Dead» oder «Deathship Symphony» können dazu als Beispiele dienen. Sie liefern ohne Zweifel eine würdige Headliner-Show ab.
FAZIT
Besten Dank an die Meh Suff!-Crew für die Durchführung dieses gelungenen Konzertabends. Es hat definitiv alles gepasst. Ich durfte abermals drei interessante Gruppen kennenlernen und mich somit in einer Genre-Ecke weiterbilden, die sonst eigentlich nicht zu meinen Stärken zählt. Die Musiker konnten sich ausserdem an einem gut besuchten Werk 21 erfreuen. Die Soundqualität vermochte ebenfalls zu überzeugen.
Cheers
Dutti \m/
Setliste – Saille
- Benei Ha’Elohim
- Pandaemonium Gathers
- Emerald
- Walpurgis
- Fhtagn
- Maere
- Prometheus
- Haunter Of The Dark
Setliste – Nocte Obducta
- Intro
- Niemals gelebt
- Es fliesse Blut
- Trollgott
- Anis
- Die Pfähler
- Töchter des Mondes
- Solange euer Fleisch noch warm ist
- Liebster
- Am Waldrand
- Braineaters
- November / Und Pan spielt die Flöte (Desîhras Tagebuch, Kapitel II)
- Fick die Muse
Setliste – The Vision Bleak
- Spirits Of The Dead
- From Wolf To Peacock
- The Night Of The Living Dead
- Carpathia
- Into The Unknown
- Descend Into Maelstrom
- I Dined With The Swans
- The Kindred Of The Sunset
- Deathship Symphony
- The Whine Of The Cemetery Hound
- By Our Brotherhood With Seth
- Kutulu!*
- The Lone Night Rider*
*Zugabe