Am Mittwochabend, 18.10.2017 reise ich per Videoanruf eine Stunde in die Vergangenheit nach Irland und unterhalte mich mit Keith Fay von Cruachan über Folk Metal und das neue Album „Nine Years of Blood“. Nachfolgend könnt ihr eine zusammengefasste und leicht umstrukturierte Version des rund halbstündigen Gesprächs lesen.
Metalinside (Raphi): Guten Abend Keith. Wie geht’s?
Keith: Hi, mir geht’s gut, der Hurrikan ist ja mittlerweile weitergezogen.
MI: Zum Glück. Ihr arbeitet ja an einem neuen Album, wie geht die Arbeit voran?
Keith: Die Aufnahmen sind abgeschlossen und auch sonst geht die Arbeit gut voran. Zurzeit gibt es noch einige kleine Änderungen, die wir mit dem Producer besprochen haben und jetzt umsetzen möchten. Das Album wird den Titel „Nine Years of Blood“ tragen und sollte im Januar 2018 veröffentlich werden. Es wird sicher als CD, vielleicht auch als Digipak erscheinen. Da es sich 2018 um unser 25-jähriges Bandjubiläum handeln wird, gibt es vielleicht sogar eine limitierte Special Edition mit Backpatch oder so etwas in die Richtung. Unser Label Trollzorn ist da momentan gerade an der Ideenfindung, denn CDs zu verkaufen ist in der heutigen Zeit eine schwierige Sache.
MI: Es handelt sich dabei um ein Konzeptalbum, richtig? Wie habt ihr das Konzept umgesetzt?
Keith: Ganz genau, es ist ein Konzeptalbum, welches sich inhaltlich mit dem Neunjährigen Krieg in Irland beschäftigt. Damals kämpfte Irland gegen England und schaffte es, seinen Rivalen beinahe in die Knie zu zwingen, verlor den Krieg aber schlussendlich doch. Wenn der Konflikt anders ausgegangen wäre, dann hätte sich vermutlich Irland zu einem global aktiven Empire entwickelt, so wie das mit England später geschehen ist. Es handelte sich um einen sehr komplexen Konflikt, mit vielen Einflüssen und Hintergründen. Wir fokussieren uns deshalb auf die wichtigsten Schlachten und die interessantesten Personen, die involviert waren.
MI: Recherchierst du diese Hintergründe extra für die Alben oder interessiert dich Geschichte sowieso?
Keith: Als Kind hat mich die keltische und irische Geschichte begonnen wirklich zu interessieren und ich habe angefangen viel darüber zu lesen. Damals war es also wie eine Art Hobby. Das Interesse ist immer geblieben, mit dem Alter bin ich jedoch etwas faul geworden und ich lese um einiges weniger als früher. Aber das gelesene Wissen ist immer noch in meinem Kopf vorhanden. Ich muss deshalb nicht mehr so viel recherchieren, wenn es um die Texte und das Konzept eines neuen Albums geht.
MI: Ich finde es jeweils toll, wenn du an den Konzerten ganz kurz einige Worte zum Hintergrund erzählst. Da merkt man, was alles in den Texten steckt.
Keith: Weisst du, es ist immer schwierig abzuschätzen, wie viel ich auf der Bühne reden soll. Manche Leute finden es interessant, die Hintergründe zu den Songs erzählt zu bekommen, andere wollen weniger Gerede und mehr Musik (schmunzelt). Ich muss mich da manchmal zurückhalten und mir in Erinnerung rufen, dass es auch Publikum gibt, das erscheint, um zu feiern und nicht, um mir zuzuhören. Das ist natürlich von Konzert zu Konzert unterschiedlich und deshalb auch schwierig einzuschätzen. An den grossen Festivals wie dem Hellfest interessiert die Leute der Hintergrund zu den Songs zum Beispiel eher weniger.
MI: Das neue Album stellt ja zudem den Abschluss der sogenannten Blut-Trilogie dar. Wie sind den die beiden vorherigen Alben und „Nine Years of Blood“ verbunden? Gibt es vielleicht als Bonustrack einen dritten Song über Brian Boru?
Keith: Das ist sehr enttäuschend (lacht). Es gibt keine tiefere Verbindung, nur das Wort Blut im Titel und als generell wiederkehrendes Thema. Wir haben die drei Alben eher so nebenbei als Trilogie bezeichnet, als das vollständig auszuarbeiten. Sehr enttäuschend, ich weiss (lacht immer noch). Das mit Brian Boru ist eine interessante Idee. Er ist ein sehr faszinierender und spannender Charakter, der einen grossen Einfluss auf die irische Geschichte hatte. Wir hatten Brian Borus Marsch auf „Tuatha Na Gael“ und auf „Pagan“ gibt es ebenfalls einen Song über ihn. Gut möglich, dass wir wieder einmal von ihm singen, aber auf dem nächsten Album wird er nicht vorkommen.
MI: „Tuatha Na Gael“, euer Debut, ist ein gutes Stichwort. Ihr seid Pioniere des Folk Metal und jetzt dann bald 25 Jahre aktiv. Es kommt nicht selten vor, dass Fans von so lange aktiven Bands die Frühwerke gegenüber neuerem Material bevorzugen. Bei euch ist dies aber genau umgekehrt. Woran liegt das?
Keith: Je älter du wirst, desto besser beherrschst du selbstverständlich dein Handwerk, aber ich glaube nicht, dass der Erfolg unserer neueren Alben darauf zurückzuführen ist. Ich denke eher, dass es damit zusammenhängt, dass wir auf den neuen Alben keine weiblichen Vocals mehr drauf haben. Sehr viele Fans beklagten sich natürlich als Karen (Gilligan, ehemalige Sängerin; Anm.d.Red.) die Band verliess. Aber wir entschieden uns, sie nicht zu ersetzen und in Zukunft nur noch meine Vocals zu verwenden. Diese Ausrichtung brachte uns soundmässig wieder näher zu unserem Debutalbum und hat deshalb sicher viele Fans sehr angesprochen. „The Morrigan’s Call“ war als Album in der alten Besetzung diesem ursprünglichen Stil bereits sehr ähnlich, aber mit den beiden neuesten Alben erleben wir gerade eine Art Renaissance unserer goldenen Zeit.
MI: In den erwähnten 25 Jahren hat der Folk Metal einen grossen Boom erfahren, war eine Weile lang extrem populär und hat sich nun wieder etwas aus dem Rampenlicht zurückgezogen. In welcher Zeit hast du dich am wohlsten gefühlt?
Keith: Nun, als ich 1991 mit Cruachan startete, war ich erst 15 Jahre alt. Aber ich bin mit Folk Musik aufgewachsen und so gesehen, ist diese Musik für mich schon immer dagewesen. Als dann der Folk Metal so richtig gross wurde, waren wir eigentlich nicht wirklich betroffen davon. Wir hatten immer unsere kleine, treue Fanbase und das hat sich über die Jahre nie gross verändert. Auch jetzt wo dieser Boom wieder abgeklungen ist, haben wir grösstenteils immer noch dieselben Fans. Ich finde es toll, dass andere Bands wie zum Beispiel Finntroll richtig gross geworden sind. Für uns wäre es jedoch gar nicht möglich gewesen, die Band als Vollzeitjob zu betreiben, wir hatten immer zu viel um die Ohren mit Kindern, Familie und Beruf. Zu touren ist jeweils auch anstrengend und ich würde gar nicht ständig touren wollen. Für mich stimmt es so, ich bin glücklich mit der Situation, wie sie ist. Es freut mich, dass unser Sound auch jetzt noch immer relevant und so modern ist, wie Folk Metal eben sein kann.
MI: Was ist denn für dich genau Folk Metal?
Keith: Hmmmm, das ist nicht einfach zu beantworten. Häufig wird ja Skyclad’s „The Wayward Son of Mother Earth“ im Zusammenhang mit der Entstehung des Folk Metals erwähnt. Allerdings waren die Folkeinflüsse bereits vorher in der Musik zu finden einfach um einiges subtiler. Zum Beispiel bei Iron Maiden’s frühen Werken (summt einige Riffs im 6/8-Takt). Bei Martin Walkyier’s frühere Band Sabbat sind ebenfalls viele Folkeinflüsse zu finden, wenn man danach sucht. Auch Bathory gehört für mich auf eine eigene Weise dazu, obwohl sie einen anderen Ansatz hatten. All die Bands aus Deutschland mit ihren Dudelsäcken wie zum Beispiel In Extremo sind dann wieder eine ganz andere grossartige Ausprägung des Folk Metal. Ich denke dass, das verbindende Element die Melodien sind. Wenn eine Band Folk Musik als Grundlage verwendet, dann ist es für mich Folk Metal. Es braucht dazu auch nicht zwingend typische Folk Instrumente wie Violine oder Flöte, wichtig sind ausschliesslich die Melodien.
MI: In der Schweiz haben wir natürlich auch einige Folk Metal Bands. Wart ihr schon mal hier auf Tour?
Keith: Ja, tatsächlich haben wir es vor 15 Jahren einmal auf einer kleinen Tour in die Schweiz geschafft. Mir hat es sehr gut gefallen da, aber bisher ergab sich leider keine Gelegenheit mehr für einen Auftritt bei euch. Aber wir sind immer noch aktiv als Band, es ist also gut möglich, dass wir irgendwann zurückkehren und in der Schweiz wieder ein Konzert spielen können. Wir sind ja bereits auf der ganzen Welt herumgekommen.
MI: Und in welchen Teilen der Welt hast du den Folk Metal als besonders verbreitet erlebt?
Keith: Gemessen an den Fans ist er auf der ganzen Welt verbreitet. Europa ist natürlich eine der Regionen, in der es sehr viele Folk Metal-Bands und auch sehr viele Fans gibt. Besonders erwähnenswert im europäischen Kontext ist zum Beispiel Rumänien, wo wir vor ungefähr zwei Wochen gespielt haben. Da haben wir echt tolle Reaktionen erlebt und gemerkt, dass Folk Metal dort sehr beliebt ist. Ausserhalb Europas stechen vor allem Südamerika und Russland heraus. In Südamerika gibt es einige echt gute Bands, die zum Teil sogar irischen Folk als Grundgerüst verwenden, so wie wir das tun. Als ich das erste Mal davon hörte, war das eine echte Überraschung. In Russland ist Cruachan richtig berühmt geworden, da muss es also auch viele Folk Metal-Fans geben. Als wir auf unserer Tour in Pskov waren, wollten wir in einem Geschäft in der Nähe der Konzerthalle einkaufen. Dort waren überall Cruachan-Fans und die Security musste den Shop schliessen, damit wir hineingehen und unser Bier oder was auch immer kaufen konnten. All die Fans haben durch die Scheiben von draussen hereingeschaut, wir haben uns dabei wie Michael Jackson gefühlt (lacht). In Irland und England ist Folk Metal dafür nicht so gross. Ich erinnere mich, als wir das Album Folk-Lore veröffentlicht haben, hat uns das Terrorizer-Magazin eine 1 von 10 gegeben. Sie haben das ganze Genre überhaupt nicht verstanden damals.
MI: Aber trotzdem werdet ihr euer 25 jähriges Jubiläum in Irland feiern, oder?
Keith: In Dublin, um ganz genau zu sein. Wir haben eine richtig coole Show im Sinn. Das Datum ist noch nicht festgelegt und auch die Location steht noch nicht definitiv fest. Es wäre toll, wenn Skyclad mit uns auftreten könnte. Wir haben sie all die Jahre niemals getroffen, bis wir vor zwei Wochen in Spanien zusammen an einem Festival gespielt haben. Es hat sich angefühlt, als würden wir lange verlorene Freunde treffen. Karen, die mit ihrer Familie in der Nähe wohnt, wird sicher als Gast dabei sein ebenso wie John Clohessy und Joe Farell, die früher bei uns Bass respektive Schlagzeug gespielt haben. Es wird eine grosse, einmalige Show werden und sie wird die einzige ihrer Art sein.
MI: Dann wünsche ich euch zum Abschluss ganz gutes Gelingen und ein erfolgreiches Jubiläumsjahr. Herzlichen Dank für das unkomplizierte und interessante Gespräch!