Helloween sind zurück!
Ok, zugegeben: Helloween waren ja nie weg. Von daher stimmt der Titel nicht ganz. Also anders: Kai Hansen und Michi Kiske sind zurück bei Helloween. Jetzt passt’s!
Rückblick
Kaufi: Über die Band Helloween muss man dem geneigten Metal-Fan eigentlich kaum etwas erzählen. Gegründet 1984 in Hamburg, mischten die Jungspunde die Szene mit ihrem Speed Metal richtig auf, sie gehörten fraglos zur Spitze der aufstrebenden Bands dieser Zeit. Als dann Kai Hansen den Gesangsjob an Michi Kiske übergab und auch noch Iron Maiden Manager Rod Smallwood sich fortan um die Belange der Band kümmerte, war die Weltkarriere eigentlich in Greifweite. Vor allem das Album „Keeper Of The Seven Keys Pt 1“ gilt auch heute noch als absoluter Klassiker, wobei der Nachfolger „KOTSK Pt 2“ kaum schwächer ist. Doch wie so oft läuft nicht alles wie geplant. Zuerst stieg Kai Hansen aus und gründete Gamma Ray. Dann folgten rechtliche Probleme mit der alten Plattenfirma. Das experimentelle Album „Chameleon“ fiel bei den Fans gnadenlos durch (ich persönlich find’s allerdings bockstark!) und schlussendlich verliess auch Fronter und Aushängeschild Michael Kiske die Kürbisköpfe, und auch der Originaldrummer Ingo Schwichtenberg konnte aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr weitermachen. Sein trauriges Schicksal ist bekannt. Helloween schienen am Ende.
Neues Blut: Als Ersatz für Michi Kiske stiess Andi Deris von Pink Cream 69 zur Band. 1994 erschien „Master Of The Rings“, welches für viele Fans auch heute als eine der besten Scheiben der Band überhaupt gilt. Es folgten in für den Metal schwierigen Zeiten immer wieder (durchaus gute) Alben, aber keines konnte an die alten Erfolge anknüpfen. Auch gab es den einen oder anderen Wechsel im Line-Up, welches sich erst 2005 mit dem Einstieg von Drummer Dani Löble (notabene ein Schweizer!) stabilisiert und bis heute Bestand hat. In der Besetzung Deris / Weikath / Grosskopf / Löble / Gerstner hauen die Kürbisse 2007 mit „Gambling With The Devil“ und 2010 mit „7 Sinners“ zwei ihrer stärksten Alben der Neuzeit raus.
Während Kai Hansen parallel zu Helloween eine starke Karriere mit Gamma Ray hatte, war der alte Sänger Michael Kiske lange etwas aus dem Fokus der Fans verschwunden. Edguy’s Tobias Sammet hat ihn dann beim Start von Avantasia aus der Versenkung geholt und Kiske scheint daraufhin Blut geleckt zu haben. Plötzlich konnten die Fans seine Götterstimme immer mal wieder hören, das alles gipfelte dann in Unisonic. Da spielt auch ein gewisser Kai Hansen mit.
Viele alte Fans wünschten sich schon lange eine Reunion der alten Helloween. Als Gamma Ray als Support von Helloween auf Konzertrundreise waren, gab’s zumindest mal das Gastspiel von Kai bei seinen alten Kumpels. Und da Kiske mit Kai sowohl bei Avantasia wie auch mit Unisonic auf der Bühne stand resp. steht, wurde die Hoffnung weiter geschürt, dass da irgendwann die „Keeper“-Formation wieder zueinander findet. Und vor einem Jahr folgt endlich die lange ersehnte Ankündigung: Die Kürbisse sind wieder vereint – Helloween werden zu Pumpkins United!
Helloween künden eine also Reunion mit Michi Kiske und Kai Hansen an, doch was passiert denn mit den jetzigen Mitgliedern, vor allem mit Fronter Andi Deris? Muss der gar um seinen Job bangen? Ach was! Deris ist schliesslich der Sänger, der am längsten in der Band ist (seit 24 Jahren! Kiske hat’s auf 8 Jahre geschafft…). Sowohl Sascha Gerstner (heute mit schlimmster Frisur – Emo!) wie auch der kleine Fronter sind dabei, bei diesem Projekt hat’s für alle Platz! Und so warteten die Fans lange auf die Bekanntgabe der Tourdaten, die nur tröpfchenweise erschienen. Schlussendlich war auch der Termin in der Schweiz bekannt. Für Kollege Dutti wie auch für mich ist da natürlich die Anwesenheit absolute Pflicht! Wie auch für viele Nostalgiker und jüngere Fans – die Samsung Hall in Dübendorf ist jedenfalls sehr gut gefüllt an diesem nasskalten Freitagabend. Und alle sind sie gespannt, auf was jetzt folgt…
Das Konzert
Kaufi: Die knipsende Fraktion bekommt wie üblich die Vorgabe, dass man die ersten drei Songs fotografieren darf. Aber zur Beruhigung: „Der erste Song geht über zehn Minuten!“. Das muss also fast sicher „Halloween“ sein… Licht aus, Intro, Vorhang runter – da stehen sie alle! (Anm. Dutti: Für allgemeine Belustigung sorgt sicherlich die Wahl von Robbie Williams’ «Let Me Entertain You» als Intro-Dröhnung aus den Boxen. Doch etliche Kürbis-Freunde im Publikum erweisen sich bei dieser Pop-Nummer erstaunlich textsicher. Selbstverständlich soll der Fokus der heutigen Abendunterhaltung allerdings primär auf dem Metal-Genre liegen. Davon haben die wiedervereinten Kürbisse glücklicherweise mehr als genug zu bieten.)
Es ist wirklich wahr geworden: Kiske, Hansen, Weikath wieder vereint auf der Bühne! Natürlich sind auch die anderen Musiker dabei und das Publikum feiert euphorisch den genialen Opener, bei dem sich Kiske und Deris brüderlich den Gesang teilen.
Helloween lassen danach rein gar nichts anbrennen. Als zweiter Song steht bereits einer ihrer grössten Hits überhaupt auf dem Speiseplan: „Dr. Stein“! Mehr Anheizer geht nicht – die Fans am Bühnenrad schreien sich die Seele aus dem Leib. Dazu gibt’s den gigantischen Videoscreen im Hintergrund, auf dem passende Animationen gezeigt werden.
Andi und Michi kommen nach vorne und begrüssen erstmal die Schweizer. Vor ein paar Tagen noch in Südamerika, ist dies heute die erste Show in Europa. Und offenbar sind die Musiker allesamt gesundheitlich angeschlagen. „Kai hat die Pest, Weiki hat die Pest, ich habe die Pest…“ (Anm. Dutti: Macht Weiki eigentlich immer ein solch grimmiges Gesicht?) Allerdings verstehen es alle, dies recht gut zu kaschieren, vor allem Michi lässt sich nichts von allfälligen Problemen anmerken. Der Typ singt auch heute noch wie ein junger Gott!
Es werden noch zwei Typen angekündigt, welche etwas durchs Programm führen werden: Seth und Doc. Zwei Comic-Kürbisse, die fortan zwischen den Songs immer wieder Quatsch machen, sorgen für Auflockerung. Diese kurzen Videoclips sind wirklich gut und spassig gemacht! „I’m Alive!
Leicht ärgerlich für mich, dass ausgerechnet jetzt mit „If I Could Fly“ der einzige Song von „The Dark Ride“ gespielt wird – den verpasse ich komplett, weil das Fotozeugs erstmal verstaut werden muss. Mist. Bei „Are You Metal?“ bin ich dann – jetzt mit Hopfentee – endgültig angekommen, die erste Belastungsprobe der eigenen Stimmbänder. Helloween hüpfen derweil kreuz und quer durch ihre imposante Discographie. 15 Studioalben und eine EP, da ist Material vorhanden. Mit „Rise And Fall“ folgt eine Speed-Granate aus seligen „Keeper 2“ Zeiten, Nackentraining ist angesagt. „Waiting For The Thunder“ markiert den neuesten Song des Abends (das aktuelle Werk „My God Given Right“ wird komplett aussen vor gelassen) bevor mit „Perfect Gentleman“ das erste Schmankerl der „Master Of The Rings“ Scheibe an der Reihe ist.
Doch jetzt kommt Old School. Ich meine RICHTIG Old School! Deris und Kiske sind nicht mehr auf der Bühne, das Radio plärrt „Happy Happy Halloween“ – da startet Kai mit dem bekannten Schrei: „Starlight“! Es ist nun sein Auftritt, der Originalsänger singt ein Medley bestehend aus „Starlight“, „Ride The Sky“, „Judas“ (!!) und der vollen Version von „Heavy Metal (Is The Law)“. Waah – sowas habe auch ich noch nicht erlebt, das ist ganz geil! (Anm. Dutti: Kai scheint die vermeintliche Pest ziemlich übel erwischt zu haben. Er wirkt – zumindest vom Aussehen her – alles andere als fit. Das Lächeln wirkt ein bisschen gequält. Gesanglich gezwungenermassen keine Topleistung, aber der Kollege kämpft sich nichtsdestotrotz wacker durch die Noten. Ein echter Kürbis fürchtet schliesslich nicht einmal die garstige Pest).
Nach diesem Speed Metal Inferno wird die Pace etwas runtergefahren. Zeit für Balladen. „Forever And One (Neverland)“ finde ich jetzt nicht so toll, aber dass danach die Übernummer „A Tale That Wasn’t Right“ tatsächlich auch gespielt wird, ist Hammer! Einfach nur schön!
Nach „I Can“ folgt der Schreckmoment: Ein Drumsolo! Ach nö, muss das sein? Na gut, dann halt. Es ist zumindest erfreulich kurz gehalten. Doch dann: Auf dem Screen wird eine Videokassette eingeblendet mit der Anschrift „Drumsolo Ingo“! Und in diesem Moment nehme ich alles zurück. Die Kürbisse sind in der Tat vereint: Auch der 1995 verstorbene Ingo Schwichtenberg ist heute dabei! Auf dem Screen laufen Bilder von seinen Drumsolos und zuguterletzt spielen Löble und Ingo praktisch im Duett! Ganz grossen Respekt: Eine solche Hommage habe ich wahrlich noch nie gesehen! (Anm. Dutti: Wirklich ein sehr emotionaler Moment). Schade nur, dass ganz offensichtlich sehr viele Fans nichts anzufangen wissen damit und erst bei der letzten Einblendung „In Memoriam Ingo Schwichtenberg“ etwas Applaus spenden…
Das Publikum scheint generell eine etwas müdere Phase zu haben. Warum auch immer. Denn Titel wie das grandiose „Why“ oder auch „Power“ sind doch hörenswert? Naja – nach knapp zwei Stunden ist mit „How Many Tears“ das vorläufige Ende erreicht. Zum Glück übergibt hier Andi den Gesang recht schnell an Kai – denn dieser Track MUSS mit der Originalstimme veredelt werden, keine Frage! Schlussendlich sind allerdings dann doch alle drei Sänger beteiligt, dennoch ein hammermässiger Abschluss!
Es folgt ein mehr als ausgedehnter Zugabenblock. Und hier erwartet man natürlich nur noch pure Klassiker. Bitte sehr: „Eagles Fly Free“! Und bei allem Respekt vor Andi Deris: So wie Michi Kiske singt niemand diese Killernummer! Pure Nostalgie, untermalt von genialen Bildern auf dem Screen. Und das wird grad nochmals getoppt mit der nächsten Übernummer: „Keeper Of The Seven Keys“. (Anm. Dutti: Kiske meint hier vor dem Song leicht sarkastisch zu seiner Stimme: «Mal schauen, was noch rauskommt.». Im Gegensatz zu Kollege Kaufi höre ich jedoch auch bei ihm zwischenzeitlich die eine oder andere krankheitsbedingte Schwäche beim Singen. Aber ohne grosses Auffordern erhält er vom Publikum immer wieder tatkräftige Unterstützung. Coole Aktion. Künstler und Zuhörerschaft sind in dieser Schlussphase des Konzerts effektiv eine Einheit). Der musikalische Höhepunkt ist erreicht, besser wird das heute nicht mehr! Auch wenn die beiden populärsten Songs noch folgen…
„Future World“ und „I Want Out“ (mit grossen Ballons und obligatem Papierfötzeli ins Publikum blasen) räumen gnadenlos ab und auch hier ist’s einfach nur herrlich, dass man das noch einmal mit dieser Besetzung erleben darf! Meine Stimme leidet…
Das Fanzit
Nach weit über zweieinhalb Stunden Nostalgie ist Schluss. Für mich gehört diese Show jetzt schon zu den Top 3 des Jahres, keine Frage! Klar, ganz perfekt war’s nicht, aber wirklichen Grund zum Motzen gibt es nicht. Die Musiker allesamt top aufgelegt (trotz Krankheit), die Setlist äusserst ausgewogen und die Videoanimationen sind einfach cool. Und genau dies wäre eigentlich auch ein Minus-Punkt: Man konzentriert sich oft fast ZU sehr auf die Clips anstatt auf die Band – was eigentlich schade ist, denn die Band selbst hat das nicht verdient. Pumpkins United – ich hoffe, dass sie irgendwann nochmals in die Schweiz zurückkommen! Denn Wacken ist mir zu weit weg… (Anm. von pam: Ach ja? Dann wäre wohl die 70’000 Tons of Metal Cruise eher was für dich 😉 . )
Dutti: Überragend! Dieses Wörtchen sagt eigentlich schon alles. Mich haben die sackstarken Kürbisköpfe regelrecht aus den Socken gehauen. Eine dreistündige Show geht mit der Zeit zwar ordentlich an die Substanz, aber bei solcher Unterhaltungsqualität tut man sich das gerne ohne Reklamation an. Die Verknüpfung zwischen Musik und dem Einsatz der Videoleinwände ist den Herrschaften optimal geglückt. Glücklicherweise wurden sie von der südamerikanischen Pest nur teilweise ein wenig behindert. Ähnlich wie bei Kollege Kaufi reiht sich die heutige Veranstaltung ebenfalls bei meinen Höhepunkten des Konzertjahres 2017 ganz weit vorne ein. Die Soundqualität in der Samsung Hall vermochte abermals zu überzeugen. Mittlerweile finden zurecht immer mehr Rock- und Metal-Events in dieser Spielstätte statt. Wie’s mit Helloween beziehungsweise Pumpkins United weitergeht? Tja, diesbezüglich wird das Metalinside-Team definitiv mindestens ein Auge auf die ganze Geschichte haben. Jedenfalls hatten die Herrschaften sichtlich Spass gemeinsam auf der Bühne zu stehen.
Setliste Helloween
- Halloween
- Dr. Stein
- I’m Alive
- If I Could Fly
- Are You Metal?
- Rise and Fall
- Waiting for the Thunder
- Perfect Gentleman
- Starlight / Ride the Sky / Judas / Heavy Metal (Is the Law)
- Forever and One (Neverland)
- A Tale That Wasn’t Right
- I Can
- Drum Solo
- Livin‘ Ain’t No Crime / A Little Time
- Why?
- Sole Survivor
- Power
- How Many Tears
- Eagles Fly Free*
- Keeper Of The Seven Keys*
- Future World*
- I Want Out*
*Zugaben