Santiano - Theater Spirgarten Zürich 2017
Sa, 4. November 2017

Santiano

Theater Spirgarten (Zürich, CH)
25.11.2017
Santiano - Theater Spirgarten Zürich 2017

Leinen los, volle Fahrt, Santiano! 

Die deutschen Shanty-Rocker begeisterten am Samstag die Massen im ausverkauften Theater Spirgarten in Zürich. Die Seemänner gaben knapp zwei Stunden lang Vollgas. Die Zeiten als simple Party-Truppe sind definitiv vorbei. Alles Weitere entnehmt ihr wie gewohnt dem nun folgenden Metalinside-Bericht. 

Wie bitte? Du gehst zu Santiano? Aussagen dieser Art musste ich mir bezüglich meines heutigen Veranstaltungsbesuchs im Vorfeld diverse Male anhören. Einige meiner metallischen Kumpanen konnten meine Entscheidung nicht wirklich nachvollziehen. Insbesondere aus dem Grund, da an diesem Abend ja parallel dazu die Reiter-Mania die Prattelner Konzertfabrik Z7 wohl in Schutt und Asche legen wird. Um diese Veranstaltung wird sich allerdings Metalinside-Boss pam höchstpersönlich kümmern. Somit kann ich mich sorglos auf die anstehende Seemänner-Show fokussieren. Metal-Dutti macht sowieso stets sein eigenes Ding und lässt sich dabei nicht von fremden Meinungen aus dem Konzept bringen.

Santiano bin ich bisher eigentlich ausschliesslich am Wacken Open Air begegnet. Dort sorgte die Crew jeweils auf den kleineren Bühnen stets für ausgelassene Stimmung. Inzwischen sind ein paar Jährchen vergangen und die Band hat sich konstant weiterentwickelt. Mitte Oktober wurde mit «Im Auge des Sturms» bereits das vierte Studioalbum veröffentlicht. Zudem haben die Herren schon drei Mal den deutschen Musikpreis ECHO abgeräumt. Immer grössere Konzerttourneen stehen auf dem Programm. Ausverkaufte Hallen sind längst keine Seltenheit mehr. Doch wie bereits erwähnt rufen diese Erfolge auch automatisch Kritiker auf den Plan. Santiano wurden beispielsweise unter anderem als «nervtötende Schlager-Pop-Mainstream-Cover-Playback-Gruppe» bezeichnet. Doch echte Seemänner lassen sich von solch harschen Worten natürlich nicht von der Planke schubsen. Und so setzen die Schleswig-Holsteiner in diesem Herbst zur Eroberung der Schweiz und Österreich an. Heute Abend soll nun also Zürich geentert werden.

Für mich steht mit dieser Veranstaltung gleichzeitig auch das Entdecken einer neuen Location an. Das Theater Spirgarten befindet sich in einem BEST WESTERN Hotel in Zürich-Altstetten. So stehe ich kurz vor 18.30 Uhr in einer Lobby voller schwarzgekleideter Menschen. Ein durchaus interessantes Bild. Und hier sollen tatsächlich einmal Frei.Wild aufgetreten sein? Neben dem Eingang befindet sich eine kleine Merchandise-Ecke mit ansprechenden Artikeln. Santiano ziehen offenbar ein buntgemischtes Publikum an. Von Jung bis Alt, von Rocker bis Bünzli – da ist effektiv alles vertreten. Irgendwie scheinen mich all diese Eindrücke zu verwirren, denn an der Hotelbar bestelle ich doch tatsächlich ein – Achtung jetzt kommt’s – Cola Zero. Immerhin kann die PET-Flasche problemlos in den Saal mitgenommen werden. Das wäre bei einem Bierchen allenfalls anders gewesen. Eventuell bin ich diesbezüglich einfach noch negativ durch das Theater 11 in Zürich-Oerlikon geprägt. Veranstalter actnews hat mir ganz zu hinderst im Raum eine Sitzmöglichkeit – jep, es handelt sich um eine bestuhlte Angelegenheit – reserviert. Ist das schlecht? Keinesfalls, denn von hier aus habe ich eine geniale Aus- und Übersicht. Ich scheine heute Abend allerdings der einzige Schreiberling zu sein. Das Anfertigen von Lichtbildern und Filmchen ist übrigens nicht gestattet. Wahrscheinlich können die harten Seemänner mit diesem modernen Schnickschnack nicht sonderlich viel anfangen. Ununterbrochen strömen Menschen durch die Eingangspforten. Ob die ganze Sache hier wohl pünktlich beginnt?

Santiano

Kurz nach halb acht wird es dunkel und episches Wellenrauschen dröhnt aus den Boxen. Zeit in See zu stechen! Nach dem gelungenen Intro fällt der Vorhang und gibt den Blick frei auf die ganze Santiano-Crew. Mit «Lieder der Freiheit» starten die Herrschaften in ihr Set. Eine mitreissende Hymne, deren Melodie direkt unter die Haut geht. Zweifelsohne eine Stärke der Shanty-Rocker. Das Publikum ist von Beginn weg hellwach und klatscht fleissig mit. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt hält es einige schon nicht mehr auf ihren Sitzen. Respekt an dieses Engagement! Auf den irischen Folk greift die Truppe ebenfalls sehr gerne zurück. Das zeigt sich hervorragend an den Stücken «Johnny Boy» und «Land Of Green». Dabei blüht insbesondere Geiger Peter David Sage – der ja ursprünglich aus England stammt – auf. Seine Gesangsparts nimmt er voller Inbrunst wahr.

Danach folgt mit «Santiano» bereits die nächste Über-Hymne. Zuvor richtet Frontmann Björn Both noch ein paar Worte ans Publikum. «Lasst euch eure Freiheit nicht nehmen, egal, wer oder was da kommt!». Starkes Statement. Ein Seitenhieb gegen Politik und Terror. Sichtlich motiviert singen die Fans anschliessend tatkräftig mit. «Leinen los, volle Fahrt, Santiano!». Eine Erklärung für das längere Fernbleiben von der Schweiz hat der Kapitän vom Dienst übrigens ebenfalls parat: Es sei nun einmal ziemlich anstrengend, einen 27-Master durchs Gebirge zu ziehen.

Das Hitfeuerwerk will nicht enden. Bei «Bis in alle Ewigkeit (Walhalla)» lacht das Wikingerherz und «Gott muss ein Seemann sein» ist wahrscheinlich aktuell eines der besten Santiano-Stücke überhaupt. Den Herrschaften gelingt ein optimaler Spagat zwischen Balladen und Saufliedern. Die Zuhörerschaft würdigt dies nach wie vor mit sehr viel Aktivität. Es wird munter geschunkelt, gejohlt, geklatscht und getanzt. Zwecks Schonung der Stimmbänder genehmigt sich Björn zwischendurch etwas Ingwertee. Aber er muss die Gesangslast ja nicht alleine auf den Schultern tragen. In dieser Band können nämlich so ziemlich alle Mitglieder singen.

Gegen Ende der Show geht’s mit «Könnt ihr mich hören» nochmals ordentlich zur Sache. Die aktuellste Single der Shanty-Rocker ist ein waschechter Kracher. Direkt im Anschluss folgt ein interessantes Duell zwischen Björn an der Gitarre und Peter mit seiner Geige. Mangelnde Spielfreude kann man den ergrauten Seebären definitiv nicht vorwerfen. Mit «Es gibt nur Wasser» schicken sie dann abermals einen gelungenen Stimmungsmacher ins Rennen. Nun muss das Publikum erneut seine Gesangskünste unter Beweis stellen. Dieses Mal entpuppen sich Gitarrist Hans-Timm Hinrichsen und Tamburin-Meister Axel Stosberg als Pausenclowns. Danach verschwindet die Truppe hinter der Bühne. Doch die Zugabe-Rufe wollen nicht enden und so setzt die Schiffscrew schon bald zur Ehrenrunde an. Diese besteht aus «The Irish Rover», «Kinder des Kolumbus» und dem gefühlvollen «Hoch Im Norden». Ein wunderschöner Abschluss, bei welchem der Zuschauerschaft ein Stückchen Santiano-Heimat nähergebracht wird. Der ganze Raum verwandelt sich dabei in ein Meer aus Smartphone-Lichtern. Bei der anschliessenden finalen Verbeugung ernten die Musiker nochmals tosenden Applaus.

Das Fanzit

Santiano konnten am heutigen Abend absolut überzeugen. Mit einer solch starken Show hätte ich ehrlichgesagt nicht gerechnet. Die Truppe hat sich zweifelsohne weiterentwickelt. Im heutigen Set waren zahlreiche, geniale Hymnen am Start. Die Akustik des Theatersaals vermochte ebenfalls zu überzeugen. Aus diesem Grund war die Soundqualität schlichtweg top. Santiano durften sich zudem an einem überaus aktiven Publikum erfreuen. In Sachen Organisation verlief ebenfalls alles nach Plan. Dankeschön an dieser Stelle an den Veranstalter actnews. In diesem Sinne: Ahoi – und bis zum nächsten Mal! (Gemäss Frontmann Björn Both soll bereits für den Februar des kommenden Jahres eine neue Tour geplant sein).

Cheers

Dutti \m/

Setliste – Santiano

  1. Lieder der Freiheit
  2. Salz auf unserer Haut
  3. Johnny Boy
  4. Frei wie der Wind
  5. Land Of Green
  6. Santiano
  7. Auf nach Californio
  8. Der Alte und das Meer
  9. Joho und ne Buddel voll Rum
  10. Weh mir
  11. Bis in alle Ewigkeit (Walhalla)
  12. Rungholt
  13. Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren
  14. Die letzte Fahrt
  15. Gott muss ein Seemann sein
  16. Rolling The Woodpile
  17. Seemann
  18. Blow Boys Blow
  19. Diggi Liggi Lo
  20. Könnt Ihr mich hören
  21. Es gibt nur Wasser
  22. The Irish Rover*
  23. Kinder des Kolumbus*
  24. Hoch im Norden*

*Zugabe


Wie fandet ihr das Konzert?

25.11.2017
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