Der Bombast-Soundtrack für Weihnachten
Der Einstieg in ein neues Meisterwerk der finnischen Sopran-Göttin Tarja ist sehr ruhig und steigert sich zum einem Bombastfeuerwerk, welches bereits nach wenigen Minuten Hühnerhaut erzeugt.
„O Come, O Come, Emmanuel“ ist einer der Songs, die schon beim ersten Reinhören ihre volle Wirkung entfalten. Anfangs wähnt man sich in einer Kirche und nimmt den Wiederhall in der wunderschönen Stimme Tarjas wahr, während mehr und mehr der Bombast des Orchesters einsetzt.
„From Spirits And Ghosts“ ist ein weiteres Weihnachtsalbum auf der eher rein klassischen Schiene von Tarja. Sie selber spricht von einer dunklen Weihnacht und liess sich inspirieren von denen, die an den Festtagen tendenziell alleine und in Trauer sind. Für all jene, die jemanden verloren haben und somit Weihnachten nicht mehr die Bedeutung hat. Wie es auch für Tarja nach dem Tod ihrer Mutter 2003 bis zur Geburt ihrer eigenen Tochter nicht mehr war, wie sie mir im Interview erzählte (zum Interview).
Doch schon vorweg, die Aufnahmen und Arrangements und vor allem Tarjas Stimme sind einfach zu schön, zum bombastisch und schlussendlich auch die Weihnachtslieder in der Basis ja zu fröhlich, dass ihr das gelingen würde. Noch nie schien für mich der Stern von Bethlehem heller beim Genuss von diesem Festschmaus für die Ohren. So zum Beispiel auch bei „We Three Kings“.
Unterstützung erhielt Tarja bei den Arrangements und Aufnahme bzw. Produktion durch den Filmmusik-Komponisten Jim Dooley. Der Filmmusikkomponist zeichnete auch bei den Rock-Alben von Tarja verantwortlich für die Orchester-Elemente. Bei diesem aktuellen Weihnachtsalbum war es eine alleinige Co-Produktion zwischen Tarja und ihm.
Entstanden ist daraus der Soundtrack für die Weihnachten oder gemäss Album-Titel für dunkle Weihnachten. Aber wie schon erwähnt, überwiegt ganz klar das Licht, die helle, glasklare teilweise auch Engelsstimme – z.B. bei „Deck The Halls“ von Tarja. Ihre legendäre Bühnenausstrahlung strahlt hier schon richtiggehend auch ab Konserve aus den Boxen.
Das Düstere kommt teilweise rüber in den tiefen Cellos, aber das episch-schöne, die Wärme dominiert ganz klar. So werden aus doch eher einfachen Weihnachtsliedern wie „O Tannenbaum, o Tannenbaum“ richtige Symphonien. In einer solcher Version hat man das wohl beliebteste Weihnachtslied der Kinder – zumindest im deutschen Sprachraum – noch nie gehört: Gegen Ende wähnt man sich im Finale von Pirates Of The Caribbean. Und es ist auf Deutsch gesungen. Darauf angesprochen muss Tarja deftig lachen, da bei der Aufnahme ihr ein Deutscher sagte, dass es sich anhöre, wie wenn eine alte Deutsche singt. Eigentlich rede so keiner mehr Deutsch. Tarja hat übrigens mehrere Jahre Deutsch gelernt und für eine Zeit ihn Deutschland studiert.
Wer nicht bei den ersten Songs schon Hühnerhaut kriegt, dann bestimmt bei „Amazing Grace“. OK, da kann man ja fast nicht falsch machen, bei diesem Übersong. Aber in einer solchen Version habe ich es noch nie gehört. Klar, mit Dudelsack wirkt das auch immer, aber mit Tarjas Stimme und dem einsetzenden Orchester bis zum bombastischen Abschluss übertrifft alles, was ich bisher an Versionen hörte. Wem hier die Körperbehaarung nicht stramm steht, der klaut wohl auch einem Kind den Schleckstengel aus dem Mund. Nach rund 3 Minuten fliegt man einfach nur noch. 45 Sekunden später entschwebt man ins All! Wenn es ein Highlight aus einem Album mit praktisch nur Highlights gibt, dann sicher Amazing Grace.
Tarja wollte aber nicht nur covern und aufmotzen, sondern auch einen eigenen Song beisteuern, der gut in dieses Konzept reinpasst. Und wenn man es nicht wüsste welcher, das ist, würde man es wohl kaum merken. „Together“ reiht sich nahtlos in den Strauss traditioneller Weihnachtslieder ein. Und er ist wohl der einzige Song des Albums, der zumindest textmässig dem Albumtitel gerecht wird.
Allgemein geht Tarja bei diesem Album auch kaum Risiken ein. Es ist über alles was Tarja bisher veröffentlich hat, sicher das mainstreamigste. International bekannte Weihnachtslieder – vor allem aus Gegenden wo Tarja auf schon eine sehr grosse Fanbase zählen kann (Europa, Lateinamerika) – und kräftig gepimpt mit Filmmusik-Arrangements. Kein Vergleich zum Beispiel mit „Henkäys Ikuisuudesta“, Tarjas erstem Weihnachtsalbum komplett auf Finnisch mit finnischen Liedern oder auch den Rockalben, die doch schon eine gewisse Vorliebe für Metal voraussetzen.
Wenn man was bemängeln kann – und damit schrammt Tarja einer knappen 10 vorbei – ist das letztes Drittel der Scheibe. Da flacht es ein bisschen ab und mit „Feliz Navidad“ und „We Wish You A Merry Christmas“ sind zwei etwas gar abgedroschene Weihnachtssongs dabei, die man gefühlt schon im Spätsommer in den Kaufhäusern und überall beduselt kriegt. Andererseits sehr stark, dass die anderen wohl bekanntesten Weihnachtssongs – Stille Nacht und Jingle Bells – gänzlich fehlen. Das wäre des Guten wohl zu viel gewesen.
Das Fanzit Tarja Turunen – From Spirits And Ghosts (Score For A Dark Christmas)
Ein zeitloses Album eigentlich für jeden und jede, die gerne auf bombastische, wunderschöne Musik und vor allem Gesang stehen. Und nebenbei an Weihnachten nicht nur immer das gleiche Gedudel hören wollen. Keine Frage ob ihr Nightwish oder Tarja oder beides mögt, ob ihr Metler oder Popper seid, das ist ein Pflichtkauf für alle. Und das perfekte Geschenk für die ganze Familie! Gott hat uns diesen Engel auf Erden mit dieser wunderschönen Stimme geschenkt, so lasst es uns annehmen und einfach nur geniessen.
Reinhören und portofrei bestellen (auch Vinyl)
Trackliste Tarja Turunen – From Spirits And Ghosts (Score For A Dark Christmas)
- O Come, O Come, Emmanuel
- Together
- We Three Kings
- Deck The Halls
- Pie Jesu
- Amazing Grace
- O Tannenbaum
- Have Yourself A Merry Little Christmas
- God Rest Ye Merry Gentlemen
- Feliz Navidad
- What Child Is This
- We Wish You a Merry Christmas