Frauen-Power im Hall Of Fame
Gleich drei Female Fronted-Bands gastierten am Samstagabend im Hall Of Fame in Wetzikon. Fast alle vermochten dank starken Leistungen zu überzeugen. Leider fiel der Publikumsaufmarsch dagegen ein weiteres Mal ziemlich dürftig aus. Was die Abwesenden verpasst haben, gibt’s im nun folgenden Metalinside-Bericht nachzulesen.
Nach wie vor gelten von Frauen angeführte Bands aus dem Rock und Metal-Bereich als Sensation. Dies wird sich wahrscheinlich auch nicht sonderlich rasch ändern. Für Marketingexperten sind solche Kapellen allerdings wahre Goldgruben. Bei Fotos wird die jeweilige Dame beispielsweise jeweils schön ins Zentrum gerückt und dabei äusserst attraktiv dargestellt. Und schon klingeln die Kassen. Es ist in der Tat so, dass viele dieser Mädels echte Augenweiden sind. Aussehen ist jedoch nicht alles. Bei mangelndem Talent verschwinden solche Bands ebenso rasch wieder in der Versenkung, wie frauenlose Gruppen. Glücklicherweise treten am heutigen Abend drei Bands im HoF auf, die sowohl gleichermassen mit Schönheit als auch musikalischem Können gesegnet sind. Kobra And The Lotus versuchen sich dieses Mal sogar als Headliner. Es wird sich zeigen, ob dieses Vorhaben Erfolgspotenzial aufweist. Secret Rule kennen die heutige Austragungsstätte bestens. Schliesslich waren sie bereits im vergangenen Oktober als Serenity-Support in diesen Gemäuern zu Gast. Ravenscry – der dritte Act im Bunde – sagt mir hingegen gar nichts. Ich hoffe nichtsdestotrotz auf ein gelungenes Kennenlernen.
Im Innern des Hall Of Fame kommen mein Grüppchen und ich beinahe gar nicht aus dem Begrüssungsstrudel heraus. Man kennt sich. Aber der grosse Publikumsansturm bleibt bis jetzt noch aus. Diesbezüglich hatte ich im Vorfeld ehrlichgesagt schon gewisse Befürchtungen. Kobra And The Lotus sind hierzulande bisher nämlich ausschliesslich als Support-Act in Erscheinung getreten. Auch die beiden anderen Akteure gelten jetzt nicht gerade als Genreberühmtheiten. Aber hey, manchmal muss man schlichtweg über seinen Schatten springen und auch eher unbekannteren Truppen eine Chance geben. Unglücklicherweise bekundet das Schweizer Publikum genau damit häufig Mühe. Bleibt zu hoffen, dass sich am Ende trotzdem noch ein paar Nasen mehr nach Wetzikon verirren.
Ravenscry
Die Mailänder Rocker Ravenscry eröffnen den Konzertreigen um 20.30 Uhr. Gleich zu Beginn fällt auf, dass Drummer Simon Carminati den Auftritt hinter einer Glaswand verbringen muss (den beiden nach ihm spielenden Kollegen wird wohl dasselbe Schicksal blühen). Das ist eine Geschichte in Zusammenhang mit der Soundtechnik, mit der man die Schlagzeug-Dominanz jeweils ein wenig zurückschraubt. Die kopflose Gitarre von Federico Schiavon sorgt vereinzelt für Lacher. Könnte mir bitte bei Gelegenheit ein Profi erklären, was eigentlich der Sinn solcher «headless» Klampfen ist? Ich tappe diesbezüglich nämlich ziemlich im Dunkeln. Der Hauptfokus des vorwiegend männlichen Publikums richtet sich jedoch wenig überraschend bald einmal auf Frontmädel Giulia Stefani. Ihr zartes Stimmchen hat zweifelsohne etwas Schulmädchenhaftes an sich. Schlecht klingt das nicht, aber mir fehlt irgendwie der sogenannte «Pupf». Dem wird glücklicherweise gegen Ende des Auftritts Abhilfe geschaffen. Das Mädel hat ja doch noch ein paar Asse im Ärmel. Urplötzlich klingt sie stellenweise beinahe wie gewisse Göttinnen des Symphonic Metal. Warum nicht gleich so? Jetzt werde ich mir wohl trotzdem an der Merchandise-Ecke eine Scheibe der Truppe für das vertiefte, heimische Hörstudium besorgen müssen.
Secret Rule
Wir bleiben gleich im Land von Pizza und Pasta. Von Mailand aus düsen wir mit unserem Automobil rund 600 Kilometer gen Süden und enden schliesslich in der Ewigen Stadt. Den genau von dort stammen die nächsten Akteure des heutigen Abends. Auch bei Secret Rule ist die Dame am Mikrofon die treibende Kraft. Im Gegensatz zu ihrer Kollegin von Ravenscry wirkt Angela Di Vincenzo reifer und routinierter. Auch sie wurde vom Schöpfer mit einem wundervollen Stimmorgan ausgestattet. Secret Rule haben den Fuss von Beginn auf dem Gaspedal und können das Publikum ohne Schwierigkeiten mitreissen. Dabei steht allen Mitgliedern die Spielfreude deutlich in die Gesichter geschrieben. Gitarrist Andy Menario ist hochmotiviert und scheint die Musik mit jeder Faser seines Körpers zu fühlen. Der brillentragende Basser Michele Raspanti macht mit seinen Faxen hingegen ab und an auf Pausenclown (Anm. von pam: … und erinnert irgendwie zumindest optisch an Polo National Hofer).
Diese Truppe muss man zurecht auf dem Radar haben. Ihr melodiöser Metal hat definitiv viel Potenzial. Beim kürzlich erschienenen, neusten Silberling «The Key To The World» wurde mit interessanten Persönlichkeiten aus der Branche zusammengearbeitet. Namentlich handelt es sich dabei um den Sonata Arctica-Tastenklimperer Henrik Klingenberg und die ehemalige Sirenia-Frontröhre Ailyn Giménez. Zudem hatte Serenity-Bassist Fabio D’Amore bei der Albumproduktion seine Finger im Spiel. Secret Rule scheinen somit in Sachen Vernetzung die richtigen Schritte zu tätigen. In knapp zwei Monaten werden die Römer übrigens bereits wieder auf der hiesigen Bühne stehen. Dann beehrt nämlich die «Symphonic Metal Nights»-Tour erstmals das Hall Of Fame.
Kobra And The Lotus
Ich bin heute Abend nicht der einzige Metalinsider vor Ort. Boss pam lauert schon die ganze Zeit mit seiner Kamera bewaffnet im Fotograben und sammelt fleissig Bildmaterial. Er dürfte sich ebenfalls riesig auf den nun auftretenden Headliner freuen (pam: Oh ja, in der Tat. Denn Kobra Paige und ihre Jungs sind bei mir schon länger sehr hoch im Kurs. Ich find die Stimme von ihr einfach überragend und im Metal vom Stil her ziemlich einmalig – die Linda Perry des Metals). Nach dem Italo-Doppelpack gibt’s jetzt eine ordentliche Dosis kanadischen Heavy Metal auf die Lauscher. Leider hat das Publikum nicht wirklich viel Zuwachs erhalten und so sehen sich Kobra And The Lotus einer eher schwachbesetzten Kulisse gegenüber (pam: Ich hätte auch etwas mehr Aufmarsch erwartet, aber die Band selbst ist sehr zufrieden. In Italien muss es scheinbar wirklich schlimm gewesen sein). Hoffentlich lässt sich die Truppe dadurch nicht aus dem Konzept bringen. Die anwesende Fan-Schar macht nichtsdestotrotz brav Stimmung. Um meine Laune steht es ebenfalls bestens. Komischerweise habe ich immer wieder ein Bier in der Hand. Schenkt man den Gerüchten glauben, möchten wohl einige meinen gestrigen Geburtstag heute nochmals ein wenig nachfeiern.
Mit Kobra Paige steht nach meinem Empfinden glasklar der atemberaubendste Hingucker des ganzen Abends auf der Bühne. Lange blonde Mähne, ein in einem sexy Outfit verpacktes, wohlgeformtes Figürchen und eine unglaubliche Ausstrahlung. Das Paradebeispiel einer genialen Frontfrau. Hinzu kommt noch der alles andere als unwichtige Gesang. Die voluminöse, kräftige Stimme der Blondine gilt als äusserst markant und sucht meines Erachtens in dieser Metal-Genre-Ecke momentan ihresgleichen (pam: Oops, entschuldige, bin dir da etwas weiter oben zuvorgekommen 😉 . Sie zieht die Zuhörerschaft sofort in ihren Bann. Doch auch ihre männlichen Kollegen können sich sehen lassen. Schiessbudenmeister Marcus Lee ist ein muskelbepacktes Tier. In Sachen Gesichtsbehaarung scheint es für Bassist Brad Kennedy nur ein Vorbild gegeben zu haben: Lemmy Kilmister. Die Gitarren-Parts werden von den Herren Andrea Martongelli (pam: Der Italiener begleitet die Band auf der aktuellen Europa-Tour und ist kein fixes Mitglied) und Jasio Kulakowski übernommen. Der Italiener gehört eigentlich nicht zum Band-Stamm und scheint 2017 einfach als Aushilfskraft zum Zug zu kommen (pam: Ah, verdammt, man sollte jeweils zuerst ein paar Zeilen weiter lesen, bevor man kommentiert …). Jasio ist dagegen schon länger mit an Bord und brilliert auch heute wieder mit seinen genialen Soli.
Im Fokus der Setliste steht primär das aktuellste Werk «Prevail I», welches seit Frühling dieses Jahres in den Plattenläden eures Vertrauens erhältlich ist. Wie der Albumname bereits verrät, wird dann – voraussichtlich 2018 – noch ein zweiter Teil folgen. «Prevail I» erhielt in der Metal-Medienwelt mehrheitlich gute Kritiken und gilt als bisher stärkstes Werk der kanadischen Schwermetaller. So sind es dann wenig überraschend Stücke wie «You Don’t Know» oder das gefühlvolle «Light Me Up», die vom Publikum intensiv gefeiert werden. Das soll aber keinesfalls heissen, dass Frau Paige und ihre Jungs in der Vergangenheit nur Müll rausgehauen haben. «Soldier» von der 2014er-Platte «High Priestess» ist ein echter Kracher (pam: DER Übersong!). Einen weiteren Leckerbissen heben sich Kobra And The Lotus bis zum Finale auf. Als letztes Stück des Zugaben-Blocks schicken sie nämlich «50 Shades Of Evil» ins Rennen, welches mit heulenden Saitenköniginnen und hohem Tempo punkten kann. Durchaus ein gelungener Abschluss für einen starken Headliner-Auftritt (pam: Wen ich heute als einzigen Song vermisse, ist der ebenfalls Bärenstarke Gassenhauer „Welcome To My Funeral“).
Das Fanzit
Die Mädels gaben heute Abend definitiv den Ton an. Besonders überzeugend wirkten die Bands Secret Rule und Kobra And The Lotus. Das lag allerdings nicht nur an den Frontdamen Angle Di Vincenzo und Kobra Paige. Die Soundqualität war ebenfalls top. Überaus schade empfand ich dagegen den schwachen Publikumsaufmarsch. Da üben Kobra And The Lotus als Headliner wohl noch zu wenig Anziehungskraft aus. Nichtsdestotrotz hat sich die Truppe gegenüber ihren Anfängen klar weiterentwickelt und gesteigert. Somit dürfen sie optimistisch in die Zukunft blicken. Gut besuchte Hallen sind bloss noch eine Frage der Zeit.
Cheers
Dutti \m/
Setliste – Ravenscry
- Hypermnesia
- Coral
- The Mission
- The Witness
- Oscillation
- Nobody
- Missing Words
Setliste – Secret Rule
- The Key (Intro)
- The Song Of The Universe
- The Saviour
- Dolls
- Imaginary World
- Secret Place
- Are You Gone?
- Lost Child
- Empty World
- I Don’t Wanna Be
- Twin Flames
Setliste – Kobra And The Lotus
- Gotham
- TriggerPulse
- Specimen X (The Mortal Chamber)
- Hold On
- Warhorse
- Light Me Up
- Soldier
- Forever One
- Drum Solo
- Led Zepp
- I Am, I Am
- You Don’t Know
- Hell On Earth
- Energy Ball
- Victim
- Prevail
- Heartbeat*
- Lost In The Shadows*
- 50 Shades Of Evil*
*Zugabe