Die Punk-Helden Rise Against testen die Stabilität der Halle 622
Zwei schwache Vorgruppen und ein solider Headliner – so könnte man den Dienstagabend in Oerlikon eigentlich schlank zusammenfassen. Allerdings genügen diese wenigen Zeilen nicht zur sauberen Abbildung aller Ereignisse. Deswegen gibt’s die weiteren Details im nun folgenden Metalinside-Bericht nachzulesen.
Seit Anfang dieses Jahres sind der Zürcher Konzerthallenlandschaft zwei neuer Spieler beigetreten: Die Samsung Hall in Dübendorf und die Halle 622 in Oerlikon. Der Letztgenannten statte ich am heutigen Abend zum ersten Mal einen Besuch ab. Zu Beginn stellen sich selbstverständlich die üblichen Fragen. Wie sieht das Ding aus? Stimmt die Soundqualität? etc. Gemäss offiziellen Angaben soll die Location Kapazität für bis zu 3’500 Besucher bieten. In einer riesigen Eingangshalle befinden sich Bars, der Merchandise-Stand und auch die sanitären Anlagen. Über eine Treppe gelangt man in die obere Etage und zu den Sitzplätzen. Allerdings interessieren mich diese nicht sonderlich. Nach wie vor sind an Konzerten Stehplätze meine erste Wahl. Dafür schreiten mein Grüppchen und ich in den nächsten Raum. Hier wird die eigentliche Action bald stattfinden. Ein langgezogener, grosser Schlauch, an dessen Ende sich die Bühne befindet. Wir platzieren auf der linken Seite in Zapfhahnnähe und beobachten die Szenerie aus der Distanz. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt sind ziemlich viele Nasen anwesend. Bei gewissen Teilen des Publikums frage ich mich allerdings, ob die überhaupt alt genug sind, um Alkohol zu konsumieren.
Von der Speisekarte des heutigen Abends ist mir lediglich der Hauptgang ein Begriff. Pears und Sleeping With Sirens sagen mir dagegen nichts. Die Headliner von Rise Against sind eigentlich stets ein sicherer Wert mit soliden Shows. Einzig unser letztes Aufeinandertreffen in der Eishalle Deutweg in Winterthur ist mir nicht in bester Erinnerung geblieben. Mieser Sound und eine durchzogene Performance. Das wird sich hoffentlich nicht wiederholen. Die aktuelle Tour der Punk-Helden geht übrigens hier und heute zu Ende. Also bitte meine Herren, nochmals sämtliche Kraftreserven anzapfen und Vollgas geben.
Pears
Die aus New Orleans stammenden Hardcore-Punker Pears kümmern sich um den Auftakt. Leider tun sie dies aus meiner Sicht nicht sonderlich überzeugend. Sänger Zach Quinn hüpft mit nacktem Oberkörper wie ein Gummiball auf der Bühne herum. Während sein Gesang mit den klaren-punkigen Passagen noch einigermassen akzeptabel rüberkommt, klingen die Screams eher so, als hätte er sich beim Hochziehen seines Hosenreisverschlusses sein bestes Stück eingeklemmt. Im Sound der Truppe sind Elemente von Metallica, Volbeat und Blink 182 enthalten – alles irgendwie gepaart mit einer ordentlichen Dosis «American Pie»-Feeling. Selbst ein kurzes Gastspiel von Rise Against Lead-Klampfer Zach Blair kann die schmeichelhafte Performance nicht wirklich aufwerten. Das Publikum wirkt ebenfalls noch zurückhaltend. Lediglich aus den vordersten Reihen ertönt ab und zu ein wenig Groupie-Gekreische. Nein, an diese 30 Minuten werde ich mich später kaum zurückerinnern.
Sleeping With Sirens
Auch der nächste Act stammt aus den Vereinigten Staaten. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern machen sie deutlich mehr Tempo und Stimmung. Doch ich bleibe nach wie im Salzsäulen-Modus. Die Stimme vom Frontbürschen Kellin Quinn gefällt mir überhaupt nicht. Eine Mischung aus Keuchhusten und unvollendetem Stimmbruch. Zudem verstehe ich nicht, was er genau mit seinem Emo-ähnlichen Look bezwecken möchte. Naja, der Mehrheit in der Halle scheint die Darbietung offenbar genehm zu sein. Ich wende mich bevorzugt der nächsten Blondine zu und stimme mich gedanklich schon einmal auf den hoffentlich bald folgenden Auftritt des Headliners ein.
Rise Against
Die melodiösen US-Punker verfügen seit eh und je über eine treue Anhängerschaft. Nach wie vor können sich viele mit dieser rebellischen Mucke identifizieren. Deswegen stellt die gut besuchte Halle 622 heute Abend für mich definitiv keine Überraschung dar. Der charismatische Frontmann Tim McIlrath und seine drei Kollegen legen gleich mal los wie die Feuerwehr. Sofort wird klar, wer hier der Chef im Haus ist. «Chamber The Cartridge» stammt von der 2006er-Scheibe «The Sufferer & The Witness», auf welcher unter anderem Tierrechte und Umweltschutz wichtige Themen sind. Das folgende «Ready To Fall» ist ebenfalls auf diesem Silberling enthalten. Als Showelemente werden auf beiden Seiten kleine Videowände verwendet. Tim’s Stimmorgan scheint in Bestform zu sein. Sowohl seine Schreie als auch die klar gesungenen Passagen sitzen problemlos. Auch das Publikum ist nun voll bei der Sache und gibt alles.
Mit «The Violence» wird dann schliesslich erstmals an diesem Abend das aktuellste Werk «Wolves» ins Rampenlicht gerückt. Zweifelsohne eine typische Rise Against-Hymne. Beim gefühlvollen «I Don’t Want To Be Here Anymore» wird die Band beim Refrain tatkräftig von der Zuhörerschaft unterstützt. Ein echter Hühnerhaut-Moment. Die Band ist bestens gelaunt. Trotz all des Lobes für die Halle 622 muss ich allerdings ganz klar sagen, dass die Soundqualität nicht mit derjenigen der Samsung Hall mithalten kann. Da gibt’s definitiv noch Luft nach oben. Doch Rise Against sind nicht aufzuhalten. Mit «Satellite» und «Prayer Of The Refugee» schickt der Vierer nach und nach auch die bekannteren Nummern ins Rennen. Starke Sache! Schade nur, dass bei Letztgenanntem Stück kurzzeitig der gesamte Sound ausfällt. Glücklicherweise kann das Problem rasch behoben werden.
Danach folgt die Tim-Solo-Show. Nur mit einer Akustikgitarre bewaffnet trägt er die Tracks «Swing Life Away», «People Live Here» und «Hero Of War» dem Publikum in intimer Manier vor. Das macht er souverän. Doch leider führt exakt dieser Teil zu einem Bruch des bisherigen Auftrittverlaufs. Stimmung und Publikum schlafen gleichermassen ein. Allenfalls hätten es die Jungs bei einem ruhigeren Stück belassen sollen, denn nach diesem Akustik-Einschub ist die Darbietung nicht mehr dieselbe. Selbst die Wiederaufnahme des Tempos beim Track «Help Is On The Way» kann daran nichts ändern. Mein Grüppchen halten noch ein Weilchen durch und verlassen schliesslich bei den Klängen zu «Give It All» die Halle. Somit verpassen wir lediglich den Zugaben-Block.
Das Fanzit
Die beiden Support-Acts des heutigen Abends waren leider nicht viel wert. Dafür waren Rise Against um so stärker und liessen sich auch von gelegentlichen Soundproblemen kaum aufhalten. Einzig der Akustik-Mittelteil raubte dem sonst gelungenen Auftritt unglücklicherweise ein wenig die Kraft. Die Halle 622 erwies sich an diesem Abend als tolle Gastgeberin. Ich freue mich schon auf die kommenden Konzertevents hier in Zürich-Oerlikon.
Cheers
Dutti \m/
Setliste – Rise Against
- Chamber The Cartridge
- Ready to Fall
- The Violence
- I Don’t Want To Be Here Anymore
- Under The Knife
- Satellite
- Collapse (Post-Amerika)
- House On Fire
- Prayer Of The Refugee
- Swing Life Away
- People Live Here
- Hero Of War
- Help Is On The Way
- The First Drop
- Survive
- Wolves
- Give It All
- Audience Of One*
- Savior*
*Zugabe