Metalinside.ch - Arch Enemy - Komplex 457 Zürich 2018 - Foto Vedi
Mo, 15. Januar 2018

Arch Enemy, Wintersun, Tribulation, Jinjer

Komplex 457 (Zürich, CH)
/ 23.01.2018

Ein überragender Konzertabend im Komplex 457 (ohne Ironie) 

Das vierfache Kracher-Paket bestehend aus Jinjer, Tribulation, Wintersun und Arch Enemy sorgte am Montagabend in Zürich-Altstetten für ordentlich Furore. Mitreissend, wuchtig, energievoll – eine hammermässige Angelegenheit. Für Komplex-Verhältnisse vermochte sogar die Soundqualität zu überzeugen. Weitere Details entnehmt ihr wie gewohnt dem nachfolgenden Metalinside-Bericht. 

In der Regel hat man am Montag nix zu feiern. Doch Veranstalter Good News hat die passende Medizin gegen den verhassten Wochenauftakt parat. Gleich vier Truppen wurden nach Zürich ins Komplex 457 eingeladen. Zweifelsohne sticht selbstverständlich der Headliner dieser Affiche besonders ins Auge. Dabei handelt es sich nämlich um die schwedischen Melodic Death Metaller Arch Enemy mit ihrer kanadischen Frontröhre Alissa White-Gluz. Wegen der Veröffentlichung der neusten Scheibe «Will To Power» im vergangenen Jahr war der blauhaarige Schreihals auf diversen Postern und Plakaten zu sehen. Auch heute ist der Alissa-Hype nach wie vor real. Bleibt zu hoffen, dass sie Arch Enemy noch lange erhalten bleibt. Natürlich hat das Mädel nicht nur Befürworter. Gewisse Metalinside-Kollegen sind sehr froh, dass ich mich für die heutige Show aufopfere. Aber Namen werden jetzt keine genannt. Zudem bin nicht alleine. Unser Knipser Vedi wird meinen Bericht mit dem notwendigen Bildmaterial ergänzen.

Um halb sechs treffe ich am Ort des Geschehens ein. Vier Bands verlangen natürlich automatisch einen frühen Showbeginn. Der erste Act wird schon bald ins Rennen gehen. Noch ist der Schuppen nicht zum Bersten voll. Allerdings bin ich zuversichtlich, dass sich dies im Laufe des Abends sicherlich ändern wird. Nichtsdestotrotz erspähe ich umgehend etliche bekannte Gesichter. Somit können das muntere Eintrinken und Diskutieren sorglos beginnen. Mit dem Band-Paket sind eigentlich alle zufrieden. Unsicherheit besteht hingegen einmal mehr wegen der Soundqualität des Komplex’. Diesbezüglich hat sich die Location bei vergangenen Events nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Und wie wird es heute? Das werden wir gleich herausfinden.

Jinjer

Beim Namen der ersten Gruppe muss ich irgendwie immer an Ginger-Ale denken. Egal, fokussieren wir uns lieber auf die Musik. Beim ukrainischen Quartett gibt ebenfalls ein Mädel den Takt an. Frontfrau Tatiana Shmailyuk verfügt über ein bitterböses Stimmorgan. Da bleibt mir glatt die Spucke weg. Das klingt ja stellenweise noch brutaler als bei Madame White-Gluz. Oha! Ein Hingucker ist sie ebenfalls. Da scheint sich auch der Lichttechniker zu denken. Die Aufmerksamkeit der Scheinwerfer gilt ausschliesslich dem Energiebündel in der Bühnenmitte. Klampfer Roman Ibramkhalilov und Bassist Eugene Kostyuk werden mehrheitlich im Dunklen gelassen. Das wird wohl für die Kollegen im Fotograben eine echte Herausforderung sein. Schlagzeuger Vladislav Ulasevish muss mit seiner Schiessbude übrigens auf der linken Seite Platz nehmen. In der Mitte wartet nämlich bereits – unter einer Blache versteckt – das Drumset von Arch Enemy auf seinen Einsatz.

Die Setliste besteht – mit Ausnahme von «Who Is Gonna Be The One» – ausschliesslich aus Stücken des aktuellen Silberlings «King Of Everything». Stiltechnisch ist die Gruppe nicht wirklich leicht einzuordnen. Da trifft Groove Metal auf progressive Elemente und ab und an kommt zusätzlich eine Prise Hardcore dazu. Tatiana beherrscht neben den Growls auch den klaren Gesang. Zudem gefällt mir ihr osteuropäischer Akzent während ihren englischen Ansagen zwischen den einzelnen Songs. Definitiv mitreissende 30 Minuten, die uns die Ukrainer hier servieren. Das Publikum macht ebenfalls fleissig Stimmung. Für mich steht jedenfalls fest, dass ich Jinjer unbedingt wiedersehen muss.

Tribulation

Die schwedischen Todesmetaller und Horrorliteraturliebhaber von Tribulation stehen als nächstes auf der musikalischen Speisekarte. Mit ihren Outfits und den geschminkten Gesichtern sehen sie für mich ein bisschen so aus wie eine Horde Vampire. Beim Gesang erkenne ich durchaus auch Elemente des Black Metal. Während bei Jinjer noch eine ausgezeichnete Stimmung herrschte, droht das Publikum bei diesem Auftritt nun beinahe einzudösen. Nein, das ist leider keine überzeugende Geschichte. Irgendwie hatte ich die Jungs wegen ihrer Show am Summer Breeze Open Air vor zwei Jahren besser in Erinnerung.

Wintersun

Anhänger der nächsten Truppe bin ich definitiv. Finnland und Metal, aus dieser Kombination gehen eigentlich meistens geniale Sachen hervor. Allerdings musste ich zuletzt mit den finnischen Melodic Death Helden von Wintersun hart ins Gericht gehen. Bei den diversen Live-Begegnungen im vergangenen Jahr war die Soundqualität grottenschlecht. Das nahm den Konzerten jeweils leider die Wirkung. Soll sich jetzt dieser Punkt ausgerechnet im Komplex zum Besseren wenden? Absolut! Zum meinem grossen Erstaunen ist effektiv genau das der Fall. Heute Abend stimmt einfach alles. Wintersun räumen richtig ab. Sackstarke Show! So muss das sein.

Frontmann Jari Mäenpääs Stimme haut mich regelrecht aus den Socken. Der Bandleader scheint den Moment ebenfalls zu geniessen und trägt ein schelmisches Grinsen im Gesicht. Unterstützung erhält er wie gewohnt von seiner mächtigen Saitenfraktion rund um Teemu Mäntysaari, Jukka Koskinen und Asim Searah. Im Hintergrund gibt Rolf Pilve mit seinen Drum-Sticks den Takt an. Offenbar haben die Finnen heute ein weiteres Mitglied am Start. Zumindest könnte man das denken. Während des ganzen Gigs latscht nämlich ein Kameramann auf der Bühne herum und versucht passende Filmaufnahmen zu ergattern. Mit der Zeit empfinde ich den jungen Mann jedoch als Störfaktor. Keine Frage, ich möchte Jari und Co. sicher nicht die Produktion einer Live-DVD verbieten, aber das hätte man sicherlich etwas eleganter lösen können (beispielsweise mit fixen Kameras auf den Seiten oder was weiss ich…).

Nichtsdestotrotz erlebe ich während diesen 60 Minuten die beste Wintersun-Show meines Lebens. Meinetwegen hätten die Herrschaften gerne noch viel länger weiterspielen dürfen. Die Songauswahl kann sich definitiv hören lassen. Besonders episch kommen heute die Hymnen «Sons Of Winter And Stars» und «Battle Against Time» rüber. Das Publikum ist wieder erwacht und feiert eine wilde Metal-Sause. Für das nächste Mal hätte ich dann gerne eine «An evening with Wintersun»-Show, danke.

Arch Enemy

Finnland hat vorgelegt, jetzt muss Schweden nachziehen. Der inzwischen rappelvolle Konzertsaal wartet gespannt auf die Darbietung des Headliners. Als das Intro-Stück «Set Flame To The Night» erklingt, beginnt die Menge zu johlen. Jetzt geht’s ab. «The World Is Yours» mit seinem «catchy» Refrain wird ins Rennen geschickt. Michael Amott und Jeff Loomis zupfen unermüdlich an ihren Saitenköniginnen herum. Als dann schliesslich Alissa das Rampenlicht betritt, sind die Fans nicht mehr zu halten. Überall fliegen Haare durch die Lüfte. Alle huldigen der blauhaarigen Königin (inklusiver weisser Strähnchen) des Melodic Death Metal. Selbstverständlich schiessen auch zahlreiche Smartphones in die Höhe. Jede und jeder versucht einen Schnappschuss der Kanadierin zu ergattern. Zum Glück habe ich Kollege Vedi mit Profi-Equipment im Graben. Er wird euch sicherlich hammergeiles Bildmaterial liefern.

Arch Enemy finden heute Abend einen gelungenen Mix aus alten Nummern und neuen Stücken. «Ravenous» von der 2001-Scheibe «Wages Of Sin» ist beispielsweise seit der Alissa-Ära ein regelrechter Dauergast auf der Setliste. Sie wird wohl nie vollends an die stimmliche Brutalität ihrer Vorgängerin Angela Gossow rankommen, dafür brilliert Madame White-Gluz mit gesanglicher Variation. Das zeigt sich bestens an der neuen Power-Ballade «Reason To Believe». Wie sehr habe ich gehofft, diese Nummer heute Abend zu hören zu bekommen. Danke dafür. Die klar gesungenen Passagen überzeugen auf ganzer Linie. Doch auch der Wechsel zu den Growls gelingt problemlos. Deshalb kann ich euch allen Entwarnung geben. Arch Enemy sind wegen solcher Experimente längst keine Pop-Band (und werden dies auch sicherlich niemals sein). Songs dieser Art machen zudem Lust auf das von Alissa angekündigte Solo-Projekt. Ich bin gespannt, wann es diesbezüglich weitergeht. Doch vorerst soll sie sich brav weiterhin auf Arch Enemy konzentrieren.

Bassist Sharlee D’Angelo empfinde ich heute Abend als ungewohnt aktiv und bewegungsfreudig. Beim Track «The Race» flitzen seine Finger im Eiltempo über die Saiten seines Tieftöners. Da kommt das blosse Beobachterauge kaum mit. Auch Drummer Daniel Erlandsson massakriert seine Schiessbude mit viel Elan. Die Schweden kommen praktisch ohne Show-Elemente aus. Einzig bei einem Stück gegen Ende des Auftritts flitzt die Frontröhre mit einer grossen schwarzen Flagge durch die Gegend und schwingt diese hin und her. Mit «Nemesis» erhält die ganze Geschichte nach rund 90 Minuten ein fulminantes Schlussfurioso. Schweissgebadet und kaputt verlassen wir anschliessend den Saal.

Das Fanzit

An Arch Enemy und Wintersun kam an diesem Abend niemand vorbei. Zwei überragende Shows von zwei genialen Bands. Die haben sich ihre Bestnoten absolut verdient. Auch Jinjer konnten überzeugen. Als einziger Schwachpunkt dieses überragenden Konzertabends entpuppten sich die Jungs von Tribulation. Überraschenderweise liess das Komplex dieses Mal in Sachen Soundqualität nichts anbrennen.

Cheers

Dutti \m/

Setliste – Jinjer

  1. Words Of Wisdom
  2. Sit Stay Roll Over
  3. I Speak Astronomy
  4. Just Another
  5. Pisces
  6. Who Is Gonna Be The One

Setliste – Wintersun

  1. Awaken From The Dark Slumber (Spring)
  2. Winter Madness
  3. Sons Of Winter And Stars
  4. Loneliness (Winter)
  5. Battle Against Time
  6. Time

Setliste – Arch Enemy

  1. Set Flame to the Night (Intro)
  2. The World Is Yours
  3. Ravenous
  4. Stolen Life
  5. The Race
  6. War Eternal
  7. My Apocalypse
  8. Blood In The Water
  9. No More Regrets
  10. You Will Know My Name
  11. Bloodstained Cross
  12. The Eagle Flies Alone
  13. Reason To Believe
  14. As The Pages Burn
  15. Intermezzo Liberté
  16. Dead Bury Their Dead
  17. We Will Rise
  18. Avalanche*
  19. Snow Bound*
  20. Nemesis*
  21. Fields of Desolation (Outro – instrumental)*

*Zugaben

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