Metal-Queen auf immer und ewig
Es ist schon wieder Ende Jahr und somit auch der traditionelle Besuch von Doro im Z7 fällig. Gefühlt seit Jahren gibt sich die Metal-Queen in Pratteln zum Jahresausklang die Ehre. Und wenn die Queen ruft, ist das gemeine Volk ja oft nicht weit – so auch ich.
Doro ist im Metal nicht nur die Queen, sondern auch eine Kuroisität. Nicht nur das sie ein Mädel ist und eigentlich seit den 80ern die einzige, die immer wirklich präsent war, sondern auch, dass es bei ihr ein sehr schmaler Grat zwischen eben Queen und einem ewigen Fan ist, der Metal mit den ganz Grossen der Branche machen will. Kein Frage für mich ist und bleibt sie die Queen. Aber wie sich auch heute wieder herausstellen wird, ist ihr Englisch – trotz Wohnsitz in den USA schon seit 1990 – immer noch mit einen starken Akzent geprägt und sie wirkt auf der Bühne trotz unendlicher Erfahrung manchmal auch etwas unbeholfen.
Doro kam schon sehr jung mit dem Metal in Berührung und hatte auch sehr früh schon grosse Erfolge mit ihrer ersten grossen Band Warlock. Mit dem Hardrock/Metal-Quintett war sie schon bald mit Grössen wie Judas Priest auf Tour, beim legendären Monsters of Rock in Donington (UK) dabei. Und irgendwie hat man das Gefühl, dass sie als junges Mädchen mit dem Metal verheiratet wurde und seit damals nicht mehr wirklich mitkriegte, was ausserhalb der Szene geht. Ihre Tourmangerin in der USA hatte mir auch mal auf die Frage ob Doro in einer Beziehung ist gesagt, dass Doro mit ihren Fans verheiratet sei. Da gibt es nichts anderes. Auch wenn es oft sehr abgedroschen – auch bei ihr – tönt, wenn ein Musiker sagt, er mache alles nur für die Fans, scheint es bei Niemanden so zu stimmen wie bei Doro. Sie versucht alle die Clichés, die sie selber als Fan erwartet, zu erfüllen. Und manchmal übertreibt sie damit ungewollt auch ein bisschen.
Doch jetzt aber das finale „aber“: Egal was man über sie denkt und sagt, sie bringt seit Jahrzehnten regelmässig gute Alben raus und überzeugt live mit einer genialen, konstanten Band für viel Spass, guten, druckvollen Sound. Das ist was schliesslich zählt und nicht meine Pseudo-Psychoanalyse. Und dafür und eigentlich auch für ihre naive Metal-Welt liebe ich sie. Deswegen – und nicht nur weil sie meist die Einzige war – gehört ihr die Krone der Metal-Queen.
nulldb
Während ich so Doro sezier, spielen die deutschen nulldb im Vorprogramm der Queen. Die Band wirkt sympathisch, engagiert und spielt ganz guten Sound. Doch da kommt es wieder, das „aber“. Ihr ansprechender Groove-Metal passt irgendwie überhaupt nicht zum deutschen Gesang im Stile einer Mittelalter-Kapelle wie Soltatio Mortis. Beides unabhängig von einenader ist ganz OK, aber die Kombi gefällt mir persönlich nicht.
Das gut, wohl zu 3/4 gefüllte Z7 hat heute einen hohen Altersschnitt. Und die gesetzten Doro Fans sind auch nicht da, um gross was Neues zu entdecken. Somit sind die Beifallskundgebungen eher höflich als überschwänglich. So verwundert auch die zu diesem Zeitpunkt – ziemlich am Anfang – gestellte Frage, ob wir noch Fit seien nicht. Warum denn nicht? Es gab ja noch kaum Publikumsaktivität und so geh ich mal davon aus, dass auch noch alle Fit sind; zumindest die, die es heute Abend überhaupt mal waren.
Gegen Ende kommt aber doch vermehrt organische Stimmung auf. Vor allem wenn anstelle Franky Kühlein der Basser Matze Hottinger eher tief singt wie bei „Endzeit“. Das Ganze geht dann mehr Richtung Neue Deutsche Härte. Das passt jetzt immer besser. Da wird auch der Applaus sofort lauter. Sie toppen das noch mit dem letzten Song „Roter Regen“. Was aber mitten drin überhaupt nicht geht, ist „All We Are“ anzustimmen. Hab noch nie eine Vorband erlebt, die es wagte den grössten Hit der Hauptband zu covern. Auch wenn es nur kurz war, für mich ein No-Go. Insbesondere, da es bei Doro Konzerten vielen oft an Geduld fehlt, bis der Klassiker – meist ja am Ende – kommt. Das „Master of Puppets“ Riff ganz am Ende find ich da schon cooler.
Alles in allem ein durchzogener Opener. Mir gefällt die Kombi von groovigem Metal mit Mittelalter-Gesang nicht. Mit den letzten beiden Songs – mit grösserer gesanglicher Beteiligung vom Bassisten Matze – kehrt sich das Ganze ins Positive. Mehr davon hätte sicher besser funktioniert und für mehr Stimmung gesorgt. Aber die Metal Queen braucht ja auch nicht wirklich Vorheizer, sie bringt das Z7 eh sehr schnell selber zum Kochen.
Doro
Die Queen startet zwar mit dem eher durchschnittlichen „Raise Your Fist In The Air“ (einer dieser fast zu kitschigen Cliché-Songs) eher verhalten, gibt aber gleich darauf mit ihren Jungs (Warlock-)Klassiker wie „I Rule The Ruins“ und „Burning The Witches“ zum Besten. Da ist der Mist eigentlich schon gekarrt. Jetzt gilt es einfach noch das Niveau zu halten und das tut sie. Mit wie gewohnt starker Unterstützung von den langjährigen Bandmitgliedern. Der Sound kommt ziemlich fett und die Songs wirken live öfters noch ein, zwei Stahl härter und schneller.
Wie im Intro erwähnt, bleibt sie ihrem starken Akzent im Englischen treu. Umso verwundlicher, dass sie mindestens die Hälfte der Ansagen auf Englisch macht. Sie erwähnt mehrere Male, dass Fans aus aller Welt (!) da seien – sie zählt zig Länder auf, ohne dabei Japan jeweils unerwähnt zu lassen. Hm, bei allem Respekt, aber ob da heute wirklich so viele da sind, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, wage ich jetzt etwas in Zweifel zu ziehen. Das sind dann die Momente, bei denen man denkt, Dornröschen, wach auf in der Realität. Aber der Gedanke ist dann jeweils schnell wieder weg, wen mann sie sieht, wie sie sich abrackert und eine gute Show bieten will und auch tut. Ach was, bleib für ewig in deiner Traumwelt, leb deinen Traum wie die letzten Jahrzehnte und wir kommen einfach in deine Welt. Dafür pilgern wir ja auch an deine Konzerte.
Irgendwie erinnert sie mich grad auch ein bisschen an Angy Burri selig. Für die die den Oberhäuptling der Schweiz nicht kennen: Angy hat als kleiner Bub gesagt, er sei ein Indianer. Knapp 70 Jahre später ist er gestorben. Immer noch als Indianer. Er hat seinen Traum konsequent gelebt, auch wenn er dabei immer auch etwas belächelt wurde. Ich bin überzeugt, Klein-Doro hat auch mal gesagt, ich werde mal eine Metal-Sängerin. Und sie wurde es. Und sie blieb es bis zum heutigen Tag. Sie zieht ihr Ding wie Angy gnadenlos durch, egal was die anderen denken und halt eben auch mit den Risiko ein bisschen den Blick für die Realität zu verlieren. Aber was kann es im Leben Grösseres geben, als konsequent seinen Traum zu leben?
Doch zurück zum heutigen Hit- und mit aktuell „The Revenge“ auch einem Riff-Feuerwerk. Der für mich beste Song von Doros letztem Album „Raise Your Fist“ geht sowohl ab Konserve als auch live ziemlich steil. Einer der härteren und schnelleren Songs im Katalog von Doro.
Schon früh im Set heisst es „Für immer – deep inside my heart …“. Nebst „All We Are“ Doros bzw. Warlocks grösster Hit und dabei wollte die Plattenfirma den Song damals gar nicht veröffentlichen … Es war gleichzeitig Doros erstes auf Deutsch gesungene Lied, was sich dann als Ursprung einer Tradition von vor allem deutsch gesungenen Balladen herausstellte. Vor ein paar Monaten veröffentlichte Doro eine ganze Sammlung ihrer deutschen Lieder gepresst auf einem Silberling. Mehr dazu später nochmals.
Zurück zu „Für Immer“. Die Ballade ist ja live ein todsicherer Wert. Doch heute setzt sie noch einen drauf. Es kommt ganz episch – vor allem die Drums mit ganz schön viel Hall. DER Hühnerhaut-Moment. Das Gitarren-Solo dazu später ähnlich episch und dann natürlich das obligate „ohohohoho“ mitgesinge.
Bis es dann mit „Earthshaker Rock“ ähnlich räblet wie schon bei The Revenge. Wenn Songtitel selbsterklärend sind. Lustig find ich bei Doro, dass sie ihre eigenen Echos auch immer selber singt. Der Moment bei dem man dem Christchind schreibt, er möge doch Doro ein Echo-Teil schenken. Aber lassen wir das, das gehört zu Doro wie der Akzent beim Englischen.
Während Earthshaker darf Johnny Dee dann noch ein bisschen Solo rumtrommeln. Nun, er ist schon seit 24 Jahren mit Doro unterwegs, da sei ihm dies gegönnt, aber wenn es einen nicht grad aus den Socken haut – gut ich bin eh nicht so Schlagzeugsoloaffin. Vor allem auf das „We Will Rock You“ hätte er verzichten können. Das ist sowas von abgelutscht und Doro haben ja selber genügend Mitsing-Kracher. Gut, immerhin ist Johnny während dem Ganzen für einmal schön im Spotlight und somit gibt es zur Ausnahme auch mal ein paar gute Fotos vom Drummer (Anm. der Redaktion: Johnny Dee fragt kurz später genau nach diesen Fotos und verwendet eines davon als Titelbild seiner Facebook-Seite).
Und dann kommt sie wieder, die Ansage von „fans from allover the world…“ (sie meint heute Abend…) und nutzt dies als Überleitung zu einem Festival in ihrer Heimat, bei dem es auch Fans aus aller Welt habe, dem Wacken Open Air. Sichtlich stolz erzählt sie einmal mehr, dass sie die Ehre hatte, die erste Wacken Hymne zu schreiben: „We Are The Metalheads“. Diese finde ich heute besser als auch schon. Fands früher zu abgedroschen, aber irgendwie passt das so ganz gut.
Weiter geht’s mit einer weiteren Ballade die explizit heute jemand von ihr für die „die hard fans“ gewünscht habe. Sie schaut dabei links an den Bühnenrand. Wer dort steht, ist für das Publikum nicht sichtbar, aber ich tippe da mal auf Z7 Chef Norbert.
Nach einem starken „Burn It Up“ folgt das Judas Cover „Breaking The Law“. Seit sie diesen – ganz geil mit Orchester an ihrem Bühnenjubiläum – live aufgenommen hat (veröffentlicht auf „Classic Diamonds“), gehört der Klassiker zum festen Live-Repertoire der Metal-Queen. Da gehen nicht alle mit mir einig, aber ich find die Version von Doro ganz geil. Und wie sie vor dem Lied sagt, auch wenn Udo – der mit ihr damals bei der Aufnahme mit sang – heute nicht im Z7 sei, aber sie möchte den Song trotzdem gerne spielen, da ihre erste grosse Tournee im Vorprogramm von Judas Priest war. Passt doch.
Obwohl wir uns gegen Ende des Konzerts zu bewegen, kommt nach einem „For Whom The Bell Tolls“ (Metallica) Intro der Überhit „All We Are“ doch etwas überraschend (früh). Das Tolle dabei und vom heutigen Abend, keiner hat zuvor nach „All We Are“ gerufen. Das ging an dieser Stätte auch schon mühsamer ab, als immer wieder – nach jedem Song – All We Are Rufe erschallten und Doro sich genötigt fühlte, jeweils zu sagen, dass dieser schon noch kommt, aber halt nicht jetzt schon. Einenweg, All We Are ist ein sicherer Wert. Eventuell zu sicher … irgendwie ging es da schon mehr ab und die Dezibel-Anzeige macht beim Mitsingen auch keine grossen Sprünge – kaum über 90dB. Schön, wenn sich Doro von diesem Vermächtnis ein bisschen emanzipieren konnte und das Konzert nicht auf diesen einen Song aufbaut.
Ja, und dann bleibt die Band einfach auf der Bühne und verzichtet auf die Zugabenspielchen. Find ich noch cool. Die Fans der ersten Reihe dürfen dann auch die nächsten Songs wünschen. Aber da hab ich etwas das Gefühl, dass Doro einfach so lange wartet, bis jemand einen spezifischen Song ruft. Aber genügend Haare in der Suppe gesucht, „True As Steel“ und „Herzblut“ sind ja mehr als gute Würze dazu.
Doro erzählt uns dann noch was von, dass wir ihre Helden seien und so spielt sie für uns noch „Heroes“ – genau, das was Lemmy mit Motörhead schon von David Bowie coverte und beim Wacken 2017 rauf und runter lief. Doro covert dies dann eher von ihrem Helden Lemmy als von Bowie. Es hört sich mehr nach der schon geilen Motörhead Version an. Nur singt sie es auf Deutsch … so wie auf der oben erwähnten neuen Scheibe. Dort ist „Helden“ auch verewigt. Doch leider nicht ganz so cool, wie es heute live rüberkommt. Ab Konserve hört es sich zu elektronisch an.
Nun, das wars und wenn wir schon bei Lemmy sind, kommt jetzt ab Band das Duett Doro-Lemmy „Still Hurts“. Die Band verlässt die Bühne … ausser Doro. Die schafft es nicht. Sie schaut wieder links von der Bühne und fragt, ob noch ein Song drinliegt. Sie kriegt ein OK. Also, Band zurück, die Chefin setzt Überstunden an. Sowas erlebt man nur bei Doro von Doro. Sehr, sehr cool.
Wieder geht’s mit dem Wünschen los und wir landen bei „Hellbound“. Also nochmals einen richtigen Rausschmeisser. Wenn schon denn schon. Dann wieder Still Hurts aus den Boxen, alle weg ausser Doro. Wieder schaut sie nach links und kriegt jetzt aber eine Absage. Das wars nach rund 2 Stunden definitiv. Sie bedankt sich dann nochmals ausgiebig bei den Fans aus aller Welt, sagt auch schön „Arrigato“, damit sie der Japaner auch versteht. Wo immer der sich auch versteckt.
Das Fanzit
Doro bietet viele Angriffsflächen aber egal was man denkt, was man schreibt, am Ende des Konzerts findet man einfach nur noch alles geil. Doro ist und bleibt die Metal-Queen mit einer druckvollen, energiegeladenen Band und tollen Live-Show. Ich hab schon mal in einer früheren Doro-Live-Review geschrieben, dass der grösste Fan auf der Bühne steht. Doro verkörpert nicht nur fast alle Metal-Clichés, sie lebt diese nicht nur, sondern vor allem in dieser Welt. In der geschützten Glaskugel, da darf man sich nicht wundern, wenn ein paar verwundert reinschauen. Um Doro zu lieben, muss man selber in die Glaskugel rein und wenn es nur für zwei Stunden ist. Es sind zwei Stunden, die sich immer wieder lohnen. Kurz: Es war schlichtweg einfach wieder geil. Ich huldige damit die Königin „Für Immer“.
Setliste Doro Z7 2017
- Raise Your Fist In The Air
- I Rule The Ruins
- Burning Fhe Witches
- Fight For Rock
- The Night of the Warlock
- Without You
- East Meets West
- Für Immer
- Earthshaker Rock
- Drum Solo
- Wacken Hymne (We Are the Metalheads)
- Love Me in Black
- Burn It Up
- Breaking The Law (Judas Priest Cover)
- All We Are
- True As Steel
- Herzblut
- Helden*
- Hellbound*
*Zugaben