Metalinside.ch - Evanescence - Samsung Hall Dübendorf 2018 - Foto pam
Di, 20. März 2018

Evanescence (mit Orchester)

Samsung Hall (Dübendorf, CH)
/ 30.03.2018

Evanescence einmal anders 

Die US-amerikanischen Alternative Rocker Evanescence verzauberten am Dienstagabend das Publikum in der Samsung Hall mit einer speziellen Orchester-Show. Vollends überzeugte die ganze Geschichte allerdings nicht. Hühnerhautaugenblicke und langweilige Passagen waren gleichermassen vertreten. Sämtliche Details entnehmt ihr dem nachfolgenden Metalinside-Bericht. 

Kollaborationen zwischen Orchestern und Bands aus dem Rock/Metal-Bereich sind heutzutage fürwahr keine Seltenheit mehr. Anlässlich der Tour zu ihrem vierten Silberling «Synthesis» haben sich nun auch Evanescence für eine solche Zusammenarbeit entschieden. Ein nachvollziehbarer Schritt, denn auf der Platte wurde den hauptsächlich alten Songs ein orchestrales Gewand angezogen. An sich eine nette Idee – wäre da nicht zusätzlich der gelegentliche Einsatz von elektronischen Elementen. Mit diesen kann ich mich kaum anfreunden. Damit entfernt sich die Truppe eigentlich mit grossen Schritten von ihren rockigen Wurzeln. Eine Live-Show ist allerdings im Vergleich zur CD nochmals eine ganz andere Angelegenheit. Vielleicht stellen die Amis meine Ansichten mit einer fulminanten Show auf den Kopf. Ich lasse mich jedenfalls gerne überraschen.

Um 19 Uhr treffe ich am Empfangsschalter der neuen Dübendorfer-Konzerthalle ein und nehme mein Journalistenticket entgegen. Die Akkreditierung über den Veranstalter Live Nation hat problemlos geklappt. Metalinside-Chef pam wird etwas später eintrudeln. Die Fotografen müssen nämlich erst um Viertel nach acht auf der Matte stehen (pam: Und auch da hat alles bestens geklappt – die Betreuung der zwei Fotografen durch Simon war exzellent). Im Foyer geht dann die muntere Begrüssungsorgie los. Überall trifft man auf vertraute Gesichter. Einige Besucher haben sich ziemlich herausgeputzt und die chice Abendgarderobe aus dem Schrank geholt. Nach dem ersten Hopfentrunk und ein paar angeregten Diskussionen mache ich mich schliesslich auf die Suche nach meinem Platz. Jep, der heutige Konzertabend findet im komplett bestuhlten Rahmen statt. «Reihe 13» steht da auf meinem Ticket. Doch Pech bringt mir diese definitiv nicht. Im Gegenteil, Ich habe sogar sehr gute Sicht auf die Bühne. Na dann, es darf gerne losgelegt werden.

Orchester Ouvertüre

Für die nächsten 20 Minuten gehört die Bühne ausschliesslich dem Orchester, welches eine klassische Ouvertüre zum Besten gibt. Das fühlt sich phasenweise definitiv so an, als würde man in der Oper sitzen. Unter anderem bekommt das Publikum Material der Komponistengrössen Mozart und Beethoven zu hören. Vor dem zweitletzten Stück entwickle ich offenbar hellseherische Fähigkeiten. «Irgendetwas von der «The Legend Of Zelda»-Videospielreihe würde jetzt sicher auch noch toll klingen», so zumindest die Gedanken meiner Hirnmasse. Und siehe da, tatsächlich beginnen die Damen und Herren auf der Bühne «Zelda’s Lullaby» (zu Deutsch «Zeldas Wiegenlied») zu spielen. Sofort ist mein ganzer Körper mit Hühnerhaut übersät. Diese Melodie ist einfach wunderschön. Nach dem nächsten Stück hat das Orchester seine erste Schicht erfolgreich hinter sich gebracht.

Pause. Weiter geht’s dann in einer halben Stunde mit dem Höhepunkt des Abends. Kollege pam begibt sich schon einmal zum Balkon. Scheinbar darf die knipsende Zunft ihre Schnappschüsse nur von dort oben schiessen (pam: Was gar nicht so übel ist. Auf jeden Fall viel besser als normalerweise bei „Front of House“ (FoH), bei dem man meist neben dem Mischpult steht und irgendwie durch die vielen Köpfe schiessen muss. Kollateralschäden mit Fotos voll sexy Hinterköpfen sind da selbst für einen der Grossen – rein auf die Körperlänge bezogen – der Zunft wie mich vorprogrammiert). Ich gönne mir währenddessen einen weiteren Gerstensaft und hole mir erste Feedback-Meldungen meiner Kollegen ab. Aus den Socken gehauen hat’s bisher offenbar niemanden so richtig. Hoffentlich ändert sich dies dann im zweiten Akt.

Evanescence (mit Orchester)

Um zehn vor neun wird es zum zweiten Mal dunkel im Saal. Die Orchester-Mannschaft ist bereits versammelt. Richtig laut wird es allerdings erst, als die einzelnen Evanescence-Mitglieder in Erscheinung treten. Den grössten Applaus erntet erwartungsgemäss Frontmädel Amy Lee, die sich zu Beginn in ihrem traumhaften Kleid an den Klavierflügel setzt. Das Tastengeklimpere scheint ihr ebenfalls zu liegen. Nach «Overture» bekommen die Fans bei «Never Go Back» erstmals die sackstarke Stimme der Sängerin zu hören. Diesbezüglich ist Amy nach wie vor eine Macht. Lange stillsitzen scheint dagegen nicht wirklich ihr Ding zu sein. Nach den ersten paar Zeilen erhebt sie sich und stolziert zum Mikrofonständer in der Bühnenmitte. Fortan gibt’s bloss noch gelegentliche Abstecher zurück an den Flügel. So hat der eigentliche Pianist dann doch noch etwas zu tun.

Die von der hübschen Dirigentin Susie Seiter befehligten Musiker werden uns mehrere Male als «your local orchestra» vorgestellt. Schade, dass der richtige Name des Orchesters nicht genannt wird. Wahrscheinlich kennt Amy diesen gar nicht. Aber es ist tatsächlich so, dass Evanescence in jeder Stadt mit Truppe aus der Umgebung gemeinsam musizieren. Einzig Susie gehört für diese Tour zu den festangestellten Mitarbeitern.

Leider werde ich mit der Neuinterpretation der Songs in den meisten Fällen nicht wirklich warm. Auch das Erkennen der einzelnen Stücke bereitet mir Schwierigkeiten. Schuld daran sind wohl die elektronischen Elemente, die in der heutigen Show unglücklicherweise des Öfteren vertreten sind. «Bring Me To Life» – der wohl bekannteste Hit der Band – lässt die Zuhörerschaft dann aber ziemlich ausflippen. Genial vorgetragen. Nichtsdestotrotz stellt sich mir die Frage, ob man den heutigen Abend nicht eher in «Amy Lee & Orchestra» umtaufen sollte. Die anderen Bandmitglieder sitzen – beinahe versteckt – hinter ihrer Frontfrau und wirken ein bisschen gelangweilt. Nur gelegentlich dürfen sie an ihren Klampfen herumzupfen. Jen Majura steuert zudem ab und an ein paar Backing Vocals bei. Die meiste Arbeit hat Drummer Will Hunt. Voller Motivation lässt er seine Sticks regelmässig munter herumwirbeln.

Gegen Ende der Show steht mit «My Immortal» der nächste Megahit auf der musikalischen Speisekarte. Wie Madame Lee uns jedoch mitteilt, handelt es sich dabei um ihren «least favorite song». Heutzutage habe er nicht mehr dieselbe Bedeutung, wie damals in seiner Entstehungsphase. Zweifelsohne ist und bleibt die Nummer aber definitiv eine hammermässige Ballade. Ein weiteres Mal sorgt Amys geniales Stimmorgan für massenhaft Hühnerhaut im Raum. Die restlichen Tracks und auch der Zugaben-Block zählen dann eher wieder zu den schwächeren Momenten der Show. Am Ende hinterlässt dieser 80-minütige Evanescence-Auftritt gemischte Gefühle bei mir – und damit scheine ich offenbar nicht ganz alleine dazustehen.

Das Fanzit

Das war zweifelsohne ein Konzerterlebnis der anderen Art. Allerdings hätte ich mir davon ehrlich gesagt etwas mehr erhofft. Bands wie Dimmu Borgir, Accept oder die gesamte «Rock meets Classic»-Crew haben in der Vergangenheit bewiesen, dass in Zusammenarbeit mit einem Orchester geniale Shows absolut möglich sind. Das ist Evanescence heute Abend nicht vollends gelungen. Nur Amys wundervolle Stimme allein ist längst noch kein Garant für einen durch und durch hammermässigen Auftritt. Die Elektro-Parts waren für mich leider mehrheitlich Störfaktoren. Bleibt zu hoffen, dass Frau Lee ihren Orchester-Traum nun ausgiebig ausleben konnte und wir die Truppe beim nächsten Mal wieder mit etwas mehr Dampf erleben dürfen. Im Juli des vergangenen Jahres haben Evanescence an den Z7 Summer Nights nämlich in eindrücklicher Manier gezeigt, dass sie das Rocken überhaupt noch nicht verlernt haben.

Cheers

Dutti \m/

Setliste – Orchester Ouvertüre

  1. La Chasse (Wolfgang Amadeus Mozart-Cover)
  2. Moonlight Sonata (Ludwig van Beethoven-Cover)
  3. Lacrimosa (Wolfgang Amadeus Mozart-Cover)
  4. Sally’s Song (Danny Elfman-Cover)
  5. Zelda’s Lullaby (Koji Kondo & Asuka Ohta-Cover)
  6. Together Again (Instrumental)

Setliste – Evanescence (mit Orchester)

  1. Overture
  2. Never Go Back
  3. Lacrymosa
  4. End Of The Dream
  5. My Heart Is Broken
  6. Lithium
  7. Bring Me To Life
  8. Unraveling
  9. Imaginary
  10. Secret Door
  11. Hi-Lo
  12. Lost In Paradise
  13. Your Star
  14. My Immortal
  15. The In-Between
  16. Imperfection
  17. Speak To Me (Amy Lee-Song)*
  18. Good Enough*
  19. Swimming Home*

*Zugabe

Fotos Evanescence (mit Orchester) – Samsung Hall 2018 (pam)


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/ 30.03.2018
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