Expellow – We Held The Line (CD Cover Artwork)
So, 4. März 2018

Expellow – Interview

30.03.2018
Expellow – We Held The Line (CD Cover Artwork)

Am Sonntagnachmittag, 4.3.2018 empfängt mich die Metalcoretruppe Expellow in ihrem Bandraum, um mir Fragen zu ihrem neuen Album zu beantworten. Anwesend ist die ganze Band bestehend aus Mik (v), Gudi (g), Nici (g), Taz (b) und Moritz (d) Nachfolgend könnt ihr eine zusammengefasste und leicht umstrukturierte Version des sehr unterhaltsamen stündigen Gesprächs lesen. 

Metalinside.ch (Raphi): Hallo zusammen. Vielen Dank, dass ihr euch Zeit für ein paar Fragen nehmte.

Alle: Hi Raphi. Machen wir doch gern.

MI: Euer neues Album trägt den Titel „We held the Line“. Woher kommt der Titel?

Mik: Der Titel stammt von mir und ist der militärische Ausdruck für „Wir haben die Stellung gehalten“. Viele Lyrics auf dem Album stammen aus der Zeit meiner Depression und sind sehr kämpferisch gehalten. Es geht darum die Stellung zu halten, stark zu sein und deshalb passt der positive Titel perfekt. Trotzdem weist er darauf hin, dass das Dasein nicht immer positiv ist und es viele Schwierigkeiten im Leben gibt.

MI: Habt ihr auch musikalisch die Stellung gehalten?

Gudi: Ich denke, das darf man prinzipiell schon so sagen. Wir haben eigentlich wie immer gemacht, worauf wir Lust haben und haben nie versucht, uns irgendwo einzuordnen. Insofern passt der Titel auch in dieser Hinsicht. Wir hatten auch lange Zeit noch andere Titel in der Diskussion. Am Ende sahen wir aber ein, dass der Name als Titel für uns und unser rund zehnjähriges Bestehen passt. Wir haben diese Zeit durchgehalten. Viele andere hätten wahrscheinlich bereits aufgegeben mit solchen Turbulenzen.

MI: Was für Turbulenzen hattet ihr denn?

Mik: Turbulenzen gibt es immer und überall, wo fünf Personen gemeinsam an einem zeit- und kostenintensiven Projekt arbeiten und sich wie wir wöchentlich oder sogar mehr sehen. Wir organisieren und initieren viel selber und machen das nun bereits über zehn Jahre hinweg. Da ist es normal, dass wir uns verändern und natürlich hat jeder von uns auch eine persönliche Entwicklung durchgemacht. Doch wir haben immer noch einen gemeinsamen Nenner und abgesehen von Sergio (Belfanti, ehemaliger Gitarrist, Anm. d. Red.) hat sich niemand von der Band wegentwickelt. Und genau die Tatsache, dass wir uns immer wieder musikalisch finden und eine gute Chemie zwischen den Bandmitgliedern haben, funktioniert halt nicht in jeder Konstellation.

MI: Bleiben wir doch gleich beim Stichwort Selbstorganisation. Was habt ihr beim neuen Album alles selber gemacht?

Nici: Also eigentlich macht Gudi alles.

Gudi: Das wichtigste ist natürlich das Songwriting. Seit 2015 sind wir da an der Arbeit und da stammt tatsächlich ein grosser Teil von mir. Aber seit Nici im Sommer jenes Jahres zu uns gestossen ist, hat er sich auch gut eingebracht und in der Zukunft werden von seiner Seite sicher noch mehr Inputs folgen. Taz sitzt eigentlich seit 2 Jahren jeden Mittwoch mit mir zusammen in unserem Studio und gemeinsam feilen wir an unseren Ideen. Er hat ein aussergewöhnliches Gespür für die Längen und Anzahl Wiederholungen von einzelnen Teilen. Dieses Grundkonstrukt versieht Mik danach mit ihren Lyrics und Moritz entwickelt die Drums weiter und überarbeitet die Songabläufe nochmals. Ausserdem haben wir die ganze Vorproduktion selber gemacht. Auch die eigentlichen Aufnahmen sind in unserem eigenen Studio in Eigenriege durchgeführt worden. Das Editieren habe ich dann übernommen ebenso wie das Mischen, wobei ich bei letzterem Unterstützung hatte: danke Gabriel Zürcher.

Moritz: Mit unserer letzten CD Modern Age Credo hatten wir auch viel dazu gelernt. Bei unserem Debut The Silent Days are over war die Herangehensweise noch sehr rudimentär, aber beim letzten Album haben wir dann gesehen in welche Richtung wir uns entwickeln wollen bezüglich Zusammenarbeit. Da haben wir auch gemerkt, dass wir in Bezug auf die Organisation alle etwas beitragen müssen und nicht alles einer Person aufbürden können und sollten.

MI: Tönt nach einer gut durchdachten Organisation…

Moritz: Das schon, aber trotzdem haben wir gegen Ende hin gemerkt, wie uns die Zeit davonläuft und wir mussten aufpassen, dass wir uns nicht Details verrennen…

Mik: …und auch die beste Organisation schützt bisweilen nicht davor, zweimal denselben Fehler zu machen, wie zum Beispiel das Werk 21 (Location der Plattentaufe, Anm. d. Red.) viel zu spät zu reservieren (alle lachen). Das war bereits bei der letzten Plattentaufe ein Gemurkse. Diese Mal war es eigentlich pures Glück, dass es doch noch geklappt hat mit dem 6. April. Ansonsten wäre es wohl Juli geworden.

Moritz: In solchen Fällen sind wir schon froh, um die Kontakte, die wir auf unserem bisherigen Weg knüpfen konnten und manchmal den rettenden Anker für unser sinkendes Schiff sind.

MI: Sprechen wir nochmals über Änderungen gegenüber früher. Wieso habt ihr dieses Mal kein Intro auf dem Album?

Nici: Wir hatten tatsächlich mal eine Introidee, aber daraus ist dann der Titelsong entstanden. Der hat jetzt ein Intro, aber wir wollten ihn nicht an den Anfang stellen. Wir wollten gleich voll loslegen. Das hat natürlich auch marketingtechnische Vorteile. Wenn du einem Promoter die CD schickst und er sich zuerst durch ein Zweiminütiges Intro hören muss, hängt er vielleicht eher ab, als wenn es gleich mit dem für uns typischen Sound losgeht. Ich persönlich find das auch super, wenn ich die CD im Auto einlege und es geht gleich voll los.

MI: Wie macht ihr das live? Bis jetzt hatte ihr ja bei euren Auftritten meist ein Intro.

Mik: Wir hatten auch schon Shows, wo wir einfach begonnen haben zu spielen und das hat eigentlich ganz gut funktioniert. Ausserdem gibt uns das mehr Freiraum, wie wir den Anfang einer Show gestalten.

Gudi: Einige unserer Songs haben auch eine Art Intro und mit diesen lässt sich ein Auftritt gut beginnen. Die Konzerte ohne Intro sind bis jetzt ein wenig aus der Not heraus entstanden. Häufig heisst es vom Veranstalter ungefähr: „Ihr habt 30 Minuten Zeit, aber wir sind etwas in Verzug mit der Zeit also schaut doch, dass ihr schon nach 28 Minuten fertig seid“ und dann lassen wir lieber das Intro weg, als einen Song aus dem Set kippen zu müssen.

MI: Ein grosser Auftritt steht euch ja am bereits erwähnten 6. April mit der Plattentaufe des neuen Albums bevor. Was erwartet uns an diesem Abend im Werk 21 spezielles?

Nici: Die Show wird definitiv anders. Ich war in Deutschland und habe so lustige Konfettikanonen gekauft. Die bringe ich mit, da könnt ihr euch darauf gefasst machen. Ich hoffe nur, ich vergesse die Dinger nicht.

Mik: Eines der Highlights sind sicher die Gastsänger. Wir haben auf We Held The Line Beiträge von Lukas Villiger von The Kate Effect sowie TC und Sumo von Vale Tudo. Alle drei werden an der Plattentaufe da sein und die Bühne mit uns teilen bei den entsprechenden Songs, das ist für mich etwas vom coolsten an dieser Show. Ausserdem haben wir eine richtig lange Setlist und spielen auch einige ältere Songs.

Gudi: Wer übrigens noch ein Ticket will, sollte sich besser bald eines zulegen. Der Vorverkauf läuft.

MI: Gewisse Songs spielt ihr aber fast nie live. Mögt ihr die nicht mehr?

Moritz: Meistens ist es so ein Demokratieding. Wir sind eine sehr demokratische Band und oft enden unsere Diskussionen in einer Abstimmung. Irgendwann kommen wir bei der Erstellung einer Setlist meist an einen Punkt, wo wir uns nicht finden können und dann wird abgestimmt. Manchmal gibt es auch ein Veto und jemand möchte ein Lied nicht spielen, weil er ihm nicht mehr gefällt. Dann bringt es ja auch nichts, wenn wir den Song dann spielen und ein Teil der Band muss auf der Bühne künstlich so tun, als ob es ihm Spass machen würde. Und deshalb nehmen wir dann zum Beispiel „End-E.M.A“ von der Setlist. Wieso auch immer er es auf das letzte Album geschafft hat… (alle lachen)

Gudi: Das war so ein Resteinfall damals. Mir gefällt er eigentlich noch, auch wenn er etwas stumpf ist, aber das ist dann eben ein demokratischer Entscheid. Vom neuen Album werden wir aber bis auf das Outro sämtliche Songs spielen. Auch das war zu Beginn noch anders geplant und ist durch einen demokratischen Entscheid zustande gekommen.

MI: Was ist mit den ganz alten Songs von eurem Debutalbum?

Moritz: Da spüren wir einfach, dass wir bereits zehn Jahre auf dem Buckel haben. Erst gerade vor einigen Tagen haben wir uns zum Beispiel für zwei Open Airs beworben und dort mussten wir eine ganze Seite mit Angaben zu allem möglichen ausfüllen. Da wurde mir das erste Mal bewusst, dass unser zehnjähriges Bestehen vielleicht gar kein so positives Argument ist. Eine solche Zeit schürt doch die Erwartung, dass die Band bereits sehr viel erreicht hat, das sie vorweisen kann.

Nici: Können wir doch: uns gibt es noch!

Moritz: Wir können schon einiges vorweisen und ich bin auch stolz auf das, was wir erreicht haben. Aber bei so einem Open Air musst du dann plötzlich Links beifügen zu den letzten fünf Reviews und die Anzahl an Followern auf Facebook und Instagram angeben. Wir sind halt eine Hobbyband und da ist die Weiterentwicklung der Band auch immer ein langwieriger Prozess. Deshalb haben wir seit dem Erscheinen unseres ersten Albums einen grossen Wandel gemacht und können uns nicht mehr so wirklich mit diesen Songs identifizieren. Wahrscheinlich sind wir einfach aus dieser Zeit herausgewachsen und darum landen sie dann nicht mehr auf der Setlist.

Mik: Zu Zeiten von The Silent Days Are Over (dem Debutalbum, Anm. d. Red.) war unsere Fanbase auch noch um einiges kleiner. Viele Fans stiessen erst mit Modern Age Credo zu uns und dort sind diejenigen Songs drauf, welche die meisten Leute kennen. Die Songs von unserem Debutalbum von 2011 kennt ein grosser Teil des Publikums gar nicht oder interessiert sich nicht dafür.

MI: Aber es hat doch einige gute Songs darunter.

Gudi: Ich glaube, wir haben heute einfach einen anderen Anspruch. Früher hatten wir viele ganz komische Tempiwechsel. Zum Beispiel nach der Strophe eine kurze Pause und zack mit 20 bpm schneller weiter. Früher war das für uns ok, wenn wir dann bei einem Auftritt für fünf Sekunden etwas „geschwommen“ sind, bevor wir uns rhythmisch wieder gefunden haben. Heute würden wir uns nicht mehr trauen, so etwas live zu bringen. Aber wenn ich die Tracklist des ersten Album anschaue, sehe ich da schon drei Songs, die wir eigentlich wieder mal spielen könnten: „Green Hell Experience“, „The Paranoid will fly“ und eventuell „Despite the acid Rain“.

Mik: Damals waren wir einfach noch nicht so gut darin, die einzelnen Einflüsse und Einfälle miteinander zu verbinden. Da hat es für uns auch gereicht einen Ton lange genug klingen zu lassen, damit der Hörer etwas im Ungewissen ist, um danach einen komplett anderen Part anzuhängen.

Gudi: Sagen wir einfach, das war damals en vogue. (alle lachen). Heute haben wir das viel besser im Griff.

MI: Wenn ihr das besser im Griff habt, habt ihr sicher auch einen Lieblingssong auf dem neuen Album.

Moritz: Bei mir hat sich „We held the Line“ ziemlich schnell etabliert, aber mittlerweile habe ich immer mehr bemerkt, dass „Fuck Shit Up“ richtig gut ist. Die Gangshouts kommen dort so richtig gut zur Geltung.

Mik: Mir geht es ähnlich. „We held the Line“ finde ich zum Anhören zwar nicht den besten, aber es ist einer meiner Favoriten für Auftritte. Er ist sehr emotional für mich. „Fuck Shit Up“ gefällt mir zum Hören besser. Der hat den besten Breakdown und wie gesagt die richtig starken Gangshouts. Für mich auch sehr speziell sind die beiden Songs mit Featurings, „Hometown“ und „Set ablaze“.

Taz: Bei mir ändert sich das wöchentlich. „Cathedrals“ war ganz lang einer meiner Lieblingssongs. Momentan würde ich mich für „(Not) The Daughter You Wanted“ entscheiden, vermutlich einer unserer härtesten Songs. Der entspricht einfach am meisten meinem Musikgeschmack.

Gudi: Meiner ist „The Fame Paradox“. Mir gefällt das groovige und punkige Feeling besonders in diesem Refrainartigen Teil. Da fühle ich mich wieder wie mit 16 Jahren. Zum Spielen ist er ausserdem sehr gemütlich.

Nici: Noch bevor ich bei Expellow eingestiegen bin, hat mir Mik einen Song gezeigt, an dem die Band zu diesem Zeitpunkt gerade arbeitete. Das war ein Teil von „The Fame Paradox“ und der ist einfach nur genial. Als ich bei Expellow eingestiegen bin, war meine Bedingung, dass wir diesen Song fertig machen. Zum Spielen gefallen mir aber „Cathedrals“ und vor allem „Heavy Rain“ ebenfalls sehr gut.

Das lassen wir doch gleich als Schlusswort so stehen. Ich danke euch vielmals für die tolle Gesprächsrunde!

Autor
30.03.2018
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