Marmor, Stein und Eisen bricht, aber für Saxon gilt das nicht
Saxon sind ein Phänomen. Obwohl die Schwermetaller nie dieselbe Popularitätsstufe wie ihre NWOBHM-Kollegen Iron Maiden oder Judas Priest erreich haben, zählen sie meiner Meinung nach trotzdem zu den besten Bands unseres Planeten.
Live sind Byford und seine Kollegen eine echte Wucht. Schlechte Saxon-Shows? Nix da! Stets werden exzellente Performances abgeliefert. Doch leider kann niemand so genau abschätzen, wie lange uns die 1977 gegründete Truppe noch erhalten bleiben wird. Im Dezember 2014 erlitt Drummer Nigel Glockler eine Hirnblutung, von welcher er sich glücklicherweise wieder vollständig erholt hat. Es scheint beinahe so, als würde die Saxon-Maschinerie zu keinem Zeitpunkt ins Stocken geraten. Anfang Februar haben die Herren mit «Thunderbolt» ihr 22. (!) Studioalbum veröffentlicht. Eine beachtliche Leistung. Die Qualität dieses metallischen Blitzgewitters wird jetzt mittels der nachfolgenden Albumkritik ermittelt.
Das Album – «Thunderbolt»
Das rund 90 Sekunden dauernde Intro-Stück «Olympus Rising» sorgt schon einmal für die richtige Stimmung. Gitarren und Drums wärmen sich auf. Da liegt etwas in der Luft. Alles brennt darauf, endlich loslegen zu dürfen. Untermalt wird dies von dezentem Chorgesang im Hintergrund. Beim anschliessenden Titel-Track werden diese Kräfte dann vollends entfesselt. Ein Parade-Song der Marke Saxon. Doug Scarratt und Paul Quinn wissen genau, an welchen Stellen sie ihre Saitenköniginnen zu berühren haben. Frontmann Biff ist stimmlich gewohnt stark unterwegs. Lediglich dem Refrain fehlt ein bisschen die Durchschlagskraft. Das einzige Manko für eine ansonsten grundsolide Komposition.
«The Secret Of Flight» setzt zu Beginn auf die epische Schiene. Danach folgt erneut exzellente Arbeit an der Gitarren-Front. Diese Riffs sind unglaublich packend. Biff singt wie ein junger Gott. Bei den Drums scheint hingegen vorerst noch die Handbremse ein wenig angezogen worden zu sein. Da ging das Getrommle bei der Vorgängerscheibe «Battering Ram» aus dem Jahre 2015 schon etwas rasanter zu und her. Als nächstes folgt ein Vampir-Walzer – «Nosferatu (The Vampires Waltz)». Das orgelmässige Intro erinnert tatsächlich an einen Aufenthalt in Graf Draculas Burg. Das Erschaffen solch bombastischer Heavy Metal-Melodien hat den Briten noch selten irgendwelche Schwierigkeiten bereitet. Ein waschechter Hörgenuss.
Nun wird’s emotional. «They Played Rock And Roll» ist eine Hommage an die legendären Motörhead und ihr verstorbenes Aushängeschild Lemmy Kilmister. Beide Bands waren gut befreundet und etliche Male gemeinsam auf Tour. Die Gitarren- und Schlagzeug-Klänge könnten hier effektiv gerade so gut aus der «motörhead’schen» Schmiede stammen. In der Hälfte des Tracks gibt’s einen kurzen Moment für die Tränendrüsen. Lemmys raue Stimme erklingt und sagt die magischen Worte «We are Motörhead and we play Rock ‘N’ Roll!». Dieser Einspieler ist das sogenannte Tüpfelchen auf dem «i». Gedanklich schliesst sich der Zuhörer dieser musikalischen Verbeugung nur allzu gerne an.
Damit hat wohl niemand gerechnet. Bei «The Predator» haben sich Saxon Verstärkung für die Mikrofon-Abteilung geholt. Sind da etwa Growls zu hören? Tatsächlich! Die können zweifelsohne nur aus einer Kehle stammen. Das ist ganz klar Johan Hegg von Amon Amarth. Eine durchaus interessante Zusammenarbeit. Da prallen schon zwei sehr unterschiedliche Stimmwelten aufeinander. Aber es passt irgendwie. Als Anhänger beide Bands bin ich hell begeistert. Definitiv ein Anspieltipp dieses Albums. Nichtsdestotrotz werden wohl nicht alle Saxon-Anhänger mit diesem Gastspiel gleichermassen zufrieden sein.
Nur so voller Metal strotzt schliesslich «Sons Of Odin». Mehrmals brüllt Biff voller Innbrunst «Valhalla» in sein Mikro. Saxon müssten mich ehrlich gesagt nicht zwei Mal bitten. Ohne zu zögern würde ich ihnen in die goldene Halle folgen. Richtig mitreissend kommt dann aber «Sniper» um die Ecke. Die Headbanger kommen nun vollends auf ihre Kosten. Das hohe Tempo macht ebenfalls ordentlich Laune. Paul leistet einmal mehr überragende Arbeit an der Gitarre. «Pull the trigger. Take this shot. Sniper!». Diese Worte bleiben einem Problemlos im Gedächtnis. Auch «A Wizard’s Tale» geht in eine ähnliche Richtung und entpuppt sich als solide Hörgeschichte.
Urplötzlich landen wir auf der Rennstrecke. Im Hintergrund sind aufheulende Motoren und quietschende Reifen hörbar. Willkommen bei «Speed Merchants». Passend zur Thematik drückt die Instrument-Fraktion mit vollem Elan auf das Gaspedal. Coole Sache. Die Roadies erhalten gegen Ende ebenfalls noch eine Würdigung. Dies geschieht mit dem Stück «Roadie’s Song». Saxon verstehen ihr Handwerk, daran bestehen kaum Zweifel. Dann Abschluss bildet schliesslich eine sogenannte Raw-Version von «Nosferatu (The Vampires Waltz)». Ebenfalls eine hörenswerte Angelegenheit.
Das Fanzit
Ihre Meisterwerke mögen Saxon bereits vor etlichen Jahren veröffentlich haben. Eingerostet sind sie im Jahre 2018 allerdings noch überhaupt nicht. «Thunderbolt» ist eine gelungene Scheibe, welche die ohnehin schon ellenlange Diskografie-Liste der Briten problemlos um ein paar zusätzliche Hymnen erweitert. Frontmann Biff Byford ist stimmlich nach wie vor in Topform. Sonderlob gebührt zudem den beiden Gitarristen Paul Quinn und Doug Scarratt, welche hier ihr grandioses Handwerk abermals zur Schau stellen. Neben den gewohnt starken Nummern enthält das Album jedoch auch die eine oder andere Überraschung. Ich denke da beispielweise an den unerwarteten Gastauftritt von Johan Hegg. Man darf zurecht gespannt sein, wie das neue Material live rüberkommen wird.
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Trackliste Saxon – Thunderbolt
- Olympus Rising
- Thunderbolt
- The Secret Of Flight
- Nosferatu (The Vampires Waltz)
- They Played Rock And Roll
- Predator (feat. Johan Hegg)
- Sons Of Odin
- Sniper
- A Wizard’s Tale
- Speed Merchants
- Roadie’s Song
- Nosferatu (The Vampires Waltz) (Raw Version)
Line Up – Saxon
- Paul Quinn – Guitars
- Biff Byford – Vocals
- Nigel Glockler – Drums
- Nibbs Carter – Bass