Vor der längeren Auszeit nochmals alles gegeben
Dutti: Die Wände des Zürcher Volkshauses bebten. «Schuld» daran waren vier Bands und ihr knallharter Sound. Zu hören gab’s die volle Knüppel-Dosis bestehend aus Metalcore und Melodic Death Metal. Am Ende zeigten Heaven Shall Burn dann aber ihren Kollegen ganz eindeutig, wer den Titel Herr im Haus verdient hat. Weitere Infos zu diesem lauten Mittwochabend entnehmt ihr dem nachfolgenden Metalinside-Bericht.
Dutti: Ich wage mich heute in meine persönliche Höhle des Löwen. Die Mucke diverser Core-Truppen gefällt mir eigentlich sehr gut, aber nichtsdestotrotz bleibe ich Live-Auftritten meistens fern. Wieso denn das? Tja, das Publikum ist das Problem. Mit diesen sogenannten «Core-Kiddies» habe ich das Heu selten auf derselben Bühne. Ihr wisst schon, diese oftmals dünnen, ausschliesslich farbige Tanktop-tragenden Spargeltarzane, die nervös und ohne Rücksichtnahme mit ihren Extremitäten fuchtelnd durch die Gegend hüpfen. Weitere Merkmale sind: Band-Caps, etliche Tattoos, zahlreiche Piercings und gigantische Plattenteller-ähnliche Dinger in den Ohren – besser bekannt als «Flesh Tunnel».
Domi: Ich kann dich gut verstehen Dutti, aber ich trenne die Musik vom Publikum. Der Musikstil gefällt mir sehr, publikumstechnisch bin ich aber dann – wohl im Gegensatz zu dir – eher in den hinteren Reihen aufzufinden. Auf den heutigen Tag freue ich mich schon lange und hoffe, dass das geschnürte Paket auch das hält, was es verspricht.
Dutti: Nach dieser kleinen «Lobrede» in Richtung Core-Publikum darf zurecht gefragt werden, weshalb ich mir das überhaupt antue. Ganz einfach – der Grund heisst Heaven Shall Burn (HSB). Die Thüringer-Truppe und offiziellen Circle Pit-Rekordhalter zählen zu meinem engeren Favoritenkreis. Insbesondere in den letzten paar Jährchen ist meine Bewunderung für Marcus Bischoff und seine Kollegen nochmals ordentlich gewachsen. Das liegt zum einen an den stets spektakulären Shows der Band und auf der anderen Seite am Killer-Silberling «Veto». Diese 2013er-Platte ist gespickt mit Abriss-Hymnen. Da die Jungs zudem angekündigt haben, nach dieser «The Final March»-Tour eine längere Pause einzulegen, wollte ich mir das heutige Konzert keinesfalls entgehen lassen. Aufgrund dieser Ausgangslage werden Begegnungen mit den «Core-Kiddies» für einmal ohne zu zögern in Kauf genommen.
Domi: Da kann ich dir nur beipflichten, auch bei mir ist die Bewunderung in den letzten Jahren nur gestiegen. Die Musik, der Lebensstil, die Einstellung, die Texte, einfach alles passt für mich. Zudem sind die Jungs noch sympathisch dazu und geben auf der Bühne sichtbar immer mehr als 100% Leistung.
An dieser Stelle möchte ich noch speziell anmerken, dass Metalinside die Ehre hatte am Abend des Konzertes ein Interview mit dem Drummer von HSB – Christian Bass – zu führen. Dies geschah im Tourbus hinter der Venue.
Ihr lest das Interview schon bald hier auf unserer Homepage – freut euch darauf.
Dies ist aber auch der Grund, wieso ich nur zu HSB persönlich in diesem Bericht meinen Senf abgeben kann, Herr Bass war so gesprächig, dass wir fast die Zeit vergessen haben.
Dutti: Neben dem Headliner sind mit In Hearts Wake, Whitechapel und August Burns Red noch drei weitere Akteure am Start. Metalinside ist im Doppelpack vertreten. Ich erhalte Verstärkung von meinem Kollegen Domi, der vor der Show mit einem Mitglied von Heaven Shall Burn ein Interview führen darf – wie ihr ja inzwischen bereits gelesen habt. Auf das Endprodukt darf man zurecht gespannt sein.
Parallel zum hiesigen Gig wären noch Avatar im Dynamo zu Gast. So muss sich die Zürcher Metal-Gemeinde zwischen zwei coolen Veranstaltungen entscheiden. Kurz nach Türöffnung kann im Volkshaus von einem Grossandrang noch keine Rede sein. Der Rest wird dann wohl später dazustossen. Puh! Bisher sind kaum «Core-Kiddies» zu sehen. Das freut das Dutti-Herz. Na dann, ab zur Bar; schliesslich muss die Versorgung mit Flüssignahrung ja irgendwie sichergestellt werden. Anschliessend geht’s hinein in den Bühnensaal. Wir platzieren uns – wie so oft – auf der rechten Seite. Exzellente Sicht auf das ganze Geschehen. Krachmacher Nummer eins wird demnächst loslegen.
In Hearts Wake
Dutti: Australier mögen’s gerne warm. Deswegen versuchen In Hearts Wake gleich von Beginn an die Thermometeranzeige nach oben zu treiben. Der melodiöse Metalcore des Quartetts weiss zu gefallen. Bereits jetzt sind erste Breakdowns zu hören. Sänger Jake Taylor tobt sich primär in den groben Gesangslagen aus, während Bassist Kyle Erich die klare Stimme bevorzugt. Allerdings wirkt er dabei nicht immer ganz sattelfest. Höhepunkt der halbstündigen Show ist Jakes Bad in der Menge. Gewöhnlich scheint dabei offenbar kein Thema zu sein, denn der Frontmann lässt sich in einem kleinen Gummiboot durch den Saal tragen, während er zusätzlich lässig mit einer Orange jongliert. Gegen Ende des Gigs kommt’s zu einem ersten Mosh Pit. Im Verlaufe des Abends werden sicherlich noch weitere folgen. Die knipsende Zunft dürfte über die Lichtverhältnisse alles andere als amüsiert sein – ein Mix aus grünem Blitzgewitter und Dunkelheit.
Whitechapel
Dutti: Eine amerikanische Band mit dem Namen eines Londoner Stadtviertels? Meine Damen und Herren, das sind Whitechapel. Wer sich für den Serienmörder Jack the Ripper interessiert, muss gezwungenermassen brutale Musik machen. Aufgrund dessen verwundert es niemanden so wirklich, dass die Jungs mit ihrem Deathcore keine Kompromisse machen. Sänger Phil Bozeman scheint mit einer monströsen Kehle ausgestattet zu sein. Beeindruckend, was der Kerl da so in sein Mikro grunzt. Basser Gabe Crisp ist ein echtes Biest, dem man im Dunkeln definitiv nicht begegnen möchte. Der Schrank-ähnliche Körper deutet darauf hin, dass da jemand seine Freizeit bevorzugt in der Mucki-Bude zu verbringen scheint. Die Soundqualität war bei In Hearts Wake etwas besser. Dafür dürfen sich Whitechapel an mehr Publikum erfreuen.
August Burns Red
Dutti: Der dritte Act im Bunde serviert der Zuhörerschaft vielsichtigen Metalcore mit gelegentlichen Ausflügen in die progressive Welt. Der Saal wird immer voller, doch wir haben auf unserer rechten Seite glücklicherweise nach wie vor einigermassen Luft zum Atmen. Energiebündel Jake Luhrs ist einmal mehr kaum zu bremsen. Mit seinen charismatischen Ansagen hat er die Masse fest im Griff. Die Truppe wird oftmals mit dem Christentum in Verbindung gebracht. Sämtliche Mitglieder sind gläubig. Klampfer JB Brubaker äusserste sic einst in einem Interview dazu und gab dort zu Protokoll, dass sie niemanden bekehren wollen. August Burns Red wolle lediglich unterhalten. Genau das gelingt den Amis während ihrer 40-minütigen Darbietung ganz gut. Das Publikum ist bestens aufgewärmt für den Headliner.
Heaven Shall Burn
Dutti: Nach dem brennenden August soll nun der Himmel in ein Flammenmeer getaucht werden. Die Thüringer-Fraktion fackelt diesbezüglich auch gar nicht lange. Sorry liebe Vorgruppen, das ist dann schon nach den ersten Klängen nochmals ein ganz anderes Niveau. Peitschendes Drum-Geprügel von Christian Bass und ein Marcus Bischoff, der sich gewohnt gnadenlos seine Seele aus dem Leib schreit – das sind die beiden Zugpferde der HSB-Maschinerie. So kennen und mögen es die Fans. Unter der Gitarren-Fraktion tummelt sich jedoch ein neues Gesicht. Máté Bodor hat den nach Rum stinkenden Alestorm-Kahn verlassen und sich einen Job in der Thüringer Metalcore-Fabrik gesichert. Aber aufgepasst, das gilt nur für diese «The Final March»-Tour. Sobald der eigentliche Klampfer Maik Weichert wieder fit ist, wird er an seine gewohnte Arbeitsstätte zurückkehren.
Mit «Downshifter» und «Bring The War Home» wird zu Beginn das aktuelle Werk «Wanderer» beworben. Danach wird aber sogleich auf älteres Material zurückgegriffen. Das inzwischen rappelvolle Volkshaus feiert munter mit. Viele freie Plätze gibt’s nicht mehr. Der Schweiss tropft schon fast von der Decke. Bald ist auch Marcus markant rotes Hemd ziemlich durchnässt. Schade übrigens, dass sie diesen edlen Zwirn nicht mehr im Merch-Sortiment haben. Da hätte ich meinem sonst primär schwarzen Kleiderschrankinhalt wieder einmal einen kleinen Farbtupfer beimischen können. Aber zurück zum Geschehen. Die witzigen Sprüche des Fronters – gepaart mit seinem markanten Thüringer-Dialekt – sorgen einmal mehr für beste Unterhaltung. Schlecht gelaunt habe ich Marcus eigentlich noch nie erlebt. Die Zuhörerschaft gehorcht ihm aufs Wort. Egal was verlangt wird, ohne Gemotze wird brav alles mitgemacht. So sind bald einmal die ersten Crowdsurfer zu sehen. Nun kommen die Security-Mitarbeiter an der Gitterfront also auch noch zu ihren Trainingseinheiten.
Domi: Allgemein zur Setlist kann ich schon hier mein Fazit ziehen; Perfekt gewählt! Das Volkshaus wird wortwörtlich zum «Tollhaus» als die ersten Klänge von HSB ertönen. In der Menschenmenge werden – wie gewohnt bei HSB-Gigs – ungewohnt grosse Circle Pits gestartet. So auch heute um die Mischpultinsel. Kein Wunder, dass viele Fans schon oben ohne rumhüpfen. Übrigens reisst die Stimmung über das ganze Konzert nicht ab und führt dazu, dass ein Riesenfest gefeiert werden darf.
Dutti: Die älteren Stücke sind heute Abend ganz eindeutig Trumpf. «This life, this future, we build a new foundation!» – bei «Land Of The Upright Ones» wird beispielsweise aus voller Kehle mitgegrölt. Da werden morgen einige ziemlich heiser zur Arbeit erscheinen. Untermauert werden die Songs immer wieder mit emporschiessenden Rauchsäulen. In grösseren Locations werden diese dann wohl durch Pyro-Effekte ersetzt. Ein Hardcore-Fan, der der Band offenbar seit Jahren stets nachreist, hat beim Edge Of Sanity-Cover «Black Tears» seinen grossen Auftritt. Er darf den Song gemeinsam mit seinen Helden auf der Bühne performen. Dabei stellt er sich nicht einmal sonderlich übel an. Nette Aktion! Bei der Soundqualität hapert’s dagegen leider ein bisschen. Hoffentlich kriegen die Techniker das rasch wieder hin.
Domi: Der Mix von älteren Songs gepaart mit den neusten Ergüssen machen auch heute aus meiner Sicht wieder die Stimmung aus. Natürlich kann auf der eher kleinen Bühne des Volkshauses nicht die grosse Bühnenschau aufgefahren werden. Aber das tut der Stimmung absolut keinen Abbruch. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, dass genau dies den Charme der HSB Familie heute ausmacht.
Dutti: Zum Ende des regulären Show-Teils hauen Heaven Shall Burn mit «Combat», «Voice Of The Voiceless» und «Hunters Will Be Hunted» nochmals ein wuchtiges Dreierpack raus. Das Publikum ist kaum mehr zu halten und es kommt sogar zu einem riesigen Circle Pit, der beinahe den ganzen Raum einnimmt. Typisch HSB. Publikumsaktivitäten in solchem Ausmass erlebt man eben nur während Auftritten der Thüringer-Abrissbirne. Das Hörvergnügen will kein Ende nehmen, denn die Herrschaften eröffnen den Zugaben-Block mit dem Kracher «Endzeit». Beim zarten Piano-Intro macht sich bei mir wirklich jedes Mal Hühnerhaut breit. Die Ruhe vor dem Sturm. Anschliessen entlädt sich die aufgestaute Energie in wilden Mosh Pits. «Godiva» wird gleich hinterhergejagt. Ein Stück, welches live immer gut rüberkommt. Den grandiosen Abschluss bildet dann das Blind Guardian-Cover «Valhalla», welches den Saal nochmals komplett ausflippen lässt. Da hätte jetzt eigentlich bloss noch gefehlt, dass Hansi Kürsch auf die Bühne sprintet und an der Gesangsfront mitmischt. Doch auch so werde diesen Auftritt in bester Erinnerung behalten.
Domi: Die letzten Songs des Konzerts steigern meine Sorge, dass ich am nächsten Tag mit einigen Problemen zur Arbeit erscheinen werden, ins Unermessliche. Ein Kracher jagt den nächsten, der Zugabenblock setzt dem Konzert die Krone auf. Ich bin immer wieder fasziniert, dass jedes Konzert – und ich habe doch schon einige von HSB erlebt – mit dieser Wucht in die Menge trifft. Manchmal scheint es mir unglaublich, was die Band auf der Bühne für Kraft entfesseln kann. Auch spürt man nach diesen vielen Jahren kaum etwas von Arroganz und dem Verlust der Fan-Nähe. Nein, Heaven Shall Burn war und ist meistens mit dem Publikum «eins» und das ist gut so.
Das Fanzit
Dutti: Ein packender Konzertabend, bei dem insbesondere In Hearts Wake und Heaven Shall Burn überzeugen konnten. Letztgenannte rissen die Hütte regelrecht ab und verdienten sich ihre selbstauferlegte Auszeit definitiv. Sobald die Batterien wieder vollständig aufgeladen sind, dürfen Marcus und seine Kollegen meinetwegen sehr gerne wieder zurückkehren. Zu meiner grossen Freude waren heute Abend praktisch keine «Core-Kiddies» anwesend. Das Publikum verhielt sich ganz generell sehr anständig – trotz zahlreicher Pit-Aktionen. Die Soundqualität hätte phasenweise ein bisschen besser sein dürfen. Und was meint Kollege Domi zu den einzelnen Darbietungen?
Domi: Soviel sei bereits verraten, Christian Bass hat uns im Interview verraten, dass die Pause so lange geht, wie sie als «gut» befunden wird. Man hat sich keine Termine gesetzt, will einfach mal einen Schritt zurück machen und die Batterien wieder auftanken. Was er uns ebenfalls verraten hat; Es ist geplant aus der Pause mit einem neuen Album zurückzukehren. Wenn das mal nicht gute und erfreuliche News sind, welche das HSB Herz höherschlagen lassen. So sind wohl alle Hardcore-Fans von Heaven Shall Burn nun traurig, dass man die Herren in nächster Zeit nicht mehr auf den Brettern der Bühnen sieht, die Freude aber auf ein Wiedersehen mit neuen Songs lässt auch diese Zeit sicher schnell vergehen. Mein Fanzit: Der Himmel hat heute nicht nur einmal gebrannt.
Setliste – In Hearts Wake
- Overthrow
- Breakaway
- Healer
- Departure (Death)
- Warcry
- Earthwalker
- Refuge
Setliste – Whitechapel
- I, Dementia
- Faces
- Elitist Ones
- Let Me Burn
- Mark Of The Blade
- Our Endless War
- The Saw Is the Law
- This Is Exile
Setliste – August Burns Red
- King Of Sorrow
- Empire
- The Frost
- Spirit Breaker
- Ghosts
- Invisible Enemy
- Dangerous
- Composure
- Float
- White Washed
Setliste – Heaven Shall Burn
- Downshifter
- Bring The War Home
- The Weapon They Fear
- The Dream Is Dead
- Land Of The Upright Ones
- Counterweight
- Black Tears (Edge Of Sanity-Cover)
- Corium
- The Final March
- Passage Of The Crane
- Profane Believers
- Combat
- Voice Of The Voiceless
- Hunters Will Be Hunted
- Endzeit*
- Godiva*
- Valhalla (Blind Guardian-Cover)*
*Zugabe