Oh, Johnny…
Jonathan Davis – Stimme und Aushängeschild der Nu Metal-Truppe Korn – gastierte am Montagabend im Z7 in Pratteln. Das Vorprogramm bestritten die Luzerner-Jungs von Sickret. In der leider schwach besuchten Halle wollte den ganzen Abend lang irgendwie kaum Stimmung aufkommen. Zudem hatte die knipsende Zunft mit etwas zu einseitigem, roten Scheinwerferlicht zu kämpfen. Die weiteren Details entnehmt ihr dem nachfolgenden Metalinside-Bericht.
Erneut steht eine intensive Konzertwoche auf dem Programm. Gestartet wird diese beinahe schon traditionsgemäss im einzig wahren Schweizer Metal-Tempel. Die Rede ist natürlich von der Konzertfabrik Z7. Wie gewohnt pilgere ich voller Erwartungen in den Nordwesten unseres Landes. In Kollaboration mit der Good News Productions AG konnte Jonathan Davis zu einem Gastspiel in Pratteln bewogen werden. Der Korn-Frontmann wird der Zuhörerschaft heute Abend Material seiner endlich veröffentlichten Debütscheibe «Black Labyrinth» präsentieren. Wieso endlich? Naja, die Erschaffung dieses Werks hat doch immerhin stolze zehn Jahre in Anspruch genommen. Ob diese Solo-Eskapaden des US-Amerikaners etwas taugen, wird sich innerhalb der nächsten Stunden zeigen. Ich konnte mir das Ding im Vorfeld leider nicht zu Gemüte führen. Aufgrund dessen kann ich die anstehende Show absolut unbelastet analysieren. Doch bevor der Meister das Kommando übernimmt, gehört die Bühne vorerst einmal einem Support-Act aus unseren Gefilden. Möge das gegenseitige Kennenlernen beginnen.
Sickret
Der heutige Gig zählt zwar bereits zur «Z7 Summer Nights»-Veranstaltungsreihe, findet allerdings trotzdem noch Indoor statt. Die grosse Freiluftbühne steht erst im kommenden Monat im Einsatz. Wettertechnisch hätte man die ganze Geschichte definitiv auch draussen durchführen können. Aber egal, der Fokus liegt nun einzig und allein auf den Männern aus Sursee (nein, das hat nix mit Nati-Stürmer Haris Seferovic zu tun). Sickret spielen Crossover, welcher mit Elementen aus den Bereichen Hardcore und Nu Metal angereichert ist. Habe ich so schon länger nicht mehr gehört. Vergleiche mit Limp Bizkit, Hatebreed oder Body Count sind nicht von der Hand zu weisen. Letztgenannte Truppe wird ja bald in Zürich auftreten, somit kann man sich heute soundtechnisch schon einmal ein bisschen einstimmen.
Fronter Timmy Michels und seine drei Kumpels geben während 40 Minuten vollen Einsatz, doch innerhalb der überschaubaren Menschentraube vor der Bühne will praktisch keine Stimmung aufkommen. Das Publikum nimmt eher eine abwartende Haltung ein. Einzig an vorderster Front sind ein paar Bewegungsfreude Besucher auszumachen. Schade, da hätte ich dem Quartett mehr gegönnt. Die heutige Setliste füllen sie ausschliesslich mit Nummern der 2016er-Platte «Hypocritical». Ein neues Album steht gemäss Timmy allerdings bereits in den Startlöchern. Im Herbst soll das Werk in der Braustation Sursee getauft werden. Anhänger der weiter oben erwähnten Stilrichtungen sollten sich den 29. September definitiv reservieren und dieser talentierten Truppe eine Chance geben.
Jonathan Davis
Um 21.15 Uhr hat der Star des Abends schliesslich seinen grossen Auftritt. Man hat heutzutage leider viel zu selten Gelegenheit, die Berühmtheiten der Szene im kleinen Rahmen erleben zu können. Jedoch hege ich den Verdacht, dass sich Mister Davis eine etwas besser besuchte Z7-Halle durchaus gewünscht hätte. Keine Ahnung, wo all die Musikfreunde abgeblieben sind. Tja, dann müssen eben alle Anwesenden bei der Stimmungserzeugung vollends aus sich hinausgehen. Zugegebenermassen ist dies in der Schweiz oftmals ein schwieriges Unterfangen. Aber eventuell kann Jonathan die Menge ja entsprechend animieren.
Meine Medien-Kollegen im Fotograben machen enttäuschte Gesichter, denn sie müssen ausschliesslich mit rotem Scheinwerferlicht vorliebnehmen. Brauchbares Bildmaterial ist unter diesen Voraussetzungen kaum erzeugbar. Wer im Verlaufe des Auftritts in Sachen Beleuchtung auf Abwechslung hofft, wird gnadenlos enttäuscht. Rot bleibt Trumpf. Bleibt zu hoffen, dass von aussen niemand das Z7 plötzlich mit einem Bordell verwechselt.
Jonathan (oder «Johnny» – wie ich in liebevoll nenne) agiert heute Abend ohne seinen unverkennbaren H.R. Giger-Mikrofonständer. Sein übliches Herumgefuchtel und die markante Gestik kommen jedoch fleissig zum Zug. So kennen wir den Sänger. Aus musikalischer Sicht haben seine Solo-Songs allerdings herzlich wenig mit Korn zu tun. Es geht deutlich ruhiger zu her. Gelegentlich sind sogar psychedelische Passagen enthalten. Zudem singt Johnny mehrheitlich klar. Das macht er zwar gewohnt stark, aber mich packt das Zeugs leider überhaupt nicht. Im Publikum ist die Stimmung ebenfalls meilenweit vom Siedepunkt entfernt. Da haben offenbar einige etwas anderes erwartet.
Zweifelsohne stehen da ein paar talentierte Musiker mit ihm auf der Bühne. Bei den Instrumenten wird aus dem Vollen geschöpft – es kommen unter anderem eine Geige und ein Kontrabass zum Einsatz. Bekannt ist mir aber lediglich der Herr am Schlagzeug. Ray Luzier trommelt sonst nämlich primär bei Korn. Gegen Ende der Show steht plötzlich eine spannende und unterhaltsame Jam Session an. Johnny gibt jeweils ein Genre vor und anschliessend müssen es seine Kollegen umsetzen. Scheinbar wird hier jeden Abend ein bisschen rotiert. Heute sind Country, Blues und Black Metal gefragt. Zugegebenermassen machen dabei alle Beteiligten einen souveränen Job. Im Anschluss muss ich allerdings langsam in Richtung Bahnhof abdüsen – der letzte Zug ruft.
Das Fanzit
Bei beiden Acts konnte das Publikum heute Abend kaum überzeugen. Stimmung schien ein Fremdwort zu sein. Von der Leistung fand ich den Auftritt von Sickret überzeugender als derjenige des Headliners. Es ist aber natürlich vollkommen legitim, dass Bandmitglieder gelegentlich ihren Soloprojekten nachgehen, um sich auch anderweitig auszuleben. Bleibt zu hoffen, dass Jonathan Davis dank diesem kleinen Ego-Trip genügend Kreativität für ein sackstarkes, neues Korn-Album sammeln kann. We will see.
Zum Schluss noch etwas in eigener Sache. Hätte die Enttäuschung dieses Abends nicht vermeiden können, in dem ich im Vorfeld mindestens einmal in «Black Labyrinth» reingehört hätte? Das kann durchaus sein, aber bei meiner Konzertkadenz bleibt für Vorbereitungen dieser Art oftmals kaum Zeit. Des Weiteren schaue ich mir das Zeugs sowieso lieber im Rahmen einer Live-Show an. Häufig klingen die Tracks dann nämlich besser als ab Konserve. Aber ich möchte da niemandem etwas vorscheiben. Jeder soll und darf diesbezüglich seine eigene Technik haben.
Setliste – Sickret
- Break Your Line
- Doomsday
- Hypocritical
- War
- 420
- Tortured
- Violator
- Pomme De Terre
Setliste – Jonathan Davis
- Underneath My Skin
- Everyone
- Forsaken
- Final Days
- What You Believe
- Basic Needs
- Slept So Long
- Medicate
- Your God
- System
- Please Tell Me
- Walk On By
- Jam Session
- Love On The Rocks (Neil Diamond-Cover)
- What It Is*
- Happiness*
*Zugabe