Eine Metal Kreuzfahrt Schweizer Art
Bereits zum sechsten Mal wird im Seetal ein kleines Schiff von feierwütigen Metalheads geentert – eine Mini-Kreuzfahrt mit entsprechender musikalischer Untermalung auf dem Hallwilersee! Metalinside geht mit an Bord…
Hier Miami, Florida – da Meisterschwanden, Aargau. Hier die 70‘000 Tons of Metal – da das Metal Boat. Hier die „Independence of the Seas“ – da die „Seetal“. Hier über 3‘000 Metalheads aus über 70 Nationen – da 150 Fans, hauptsächlich aus der Deutschschweiz. Hier vier Bühnen und 60 Bands – da ein für die Musiker abgesperrter Bereich drei Bands. Zugegeben: Die Vergleiche sind natürlich nicht ganz fair. Doch eines haben beide Kreuzfahrten (wenn man bei dem Metal Boat davon sprechen will) gemeinsam: Sie machen Spass und überzeugen auf ganzer Linie!
Nach einer überaus mühsamen Autofahrt treffe ich gegen 18 Uhr bei bestem Wetter am Schiffsteg in Meisterschwanden ein. Einige schwarz gekleidete Leute sind schon da – scheint also, dass ich am richtigen Ort bin… Man kommt ins Gespräch, das Ice Rock Festival und der Auftritt von Dream Evil sind unter anderem ein Thema – unterschiedliche Meinungen werden da ausgiebig diskutiert.
Doch plötzlich sieht man in der Ferne ein Schiff und lustigerweise hört man sogar den Soundcheck bis zu uns. Kurz darauf ist die „Seetal“ bei uns und man darf an Bord – wo man grad ein Begrüssungsbier in die Hand gedrückt bekommt! Nette Geste!
Ich erkunde mal kurz das Schiff. Das geht schnell… Viele der Anwesenden platzieren sich auf dem Oberdeck und geniessen das grossartige Wetter. Im Unterdeck staune ich über die Aufbauten für die Musiker – Platz ist hier wirklich Mangelware und man fragt sich schon, wie sich ein Wirbelwind wie Markus Pohl hier zurechtfinden wird… Eine Bühne gibt es nicht – die Monitorboxen sind die Abgrenzung zwischen Bands und Fans! Eine äusserst intime Angelegenheit wird das hier, das ist schon mal glasklar… Somit ist mein Posten heute natürlich ganz vorne gefragt, man will ja neben etwas Headbangen auch ein paar (hoffentlich gute) Fotos machen. Das ist unter diesen Umständen zwar alles andere als einfach, aber irgendwie wird das schon gehen… Unterdessen legt das Schiffchen noch in Beinwil am See an und lädt den Rest des Partyvolkes auf. Und kurz darauf startet die musikalische Abendunterhaltung…
Emerald Sun
Die griechischen Power Metaller Emerald Sun haben die Ehre, das Metal Boat 2018 zu eröffnen. Der Beginn ist allerdings als solcher kaum zu erkennen, denn zuerst gibt’s nochmals kurzen Soundcheck. Dann scheint es so, als ob „Blast“ ebenfalls noch dazu gehört – doch dies entpuppt sich schliesslich bereits als Opener! Die meisten Zuschauer sitzen da noch oben in der Sonne und lassen sich die Mucke auf dem Oberdeck um die Ohren hauen. Somit sind es leider nur wenige Fans, die sich die Truppe um Stelios Tsakiridis wirklich anschauen. Schade, denn mit „Under The Curse Of Silence“ hat die Truppe ein richtig gutes neues Album am Start! Neben dem Opener werden hiervon auch „Kill Or Be Killed“ sowie „Weakness And Shame“ gespielt.
Trotz des bescheidenen Aufmarschs geben die sechs Südeuropäer Vollgas, neben Stelios stechen vor allem die beiden Gitarristen Johnnie Athanasiadi und Pavlos Georgiadis ins Auge, die mit viel Spass ihre Soli zocken.
Da heute das erste Mal drei Bands auf dem Metal Boat spielen (früher waren es jeweils nur zwei, wie mir der Macher Urs Lüscher verrät), müssen heute die Spielzeiten gestrafft werden, da spätestens um 22.30h Ruhe sein muss. Somit ist bereits der fünfte Song von Emerald Sun die Hymne „Metal Dome“, welche gleichbedeutend mit dem Ende ist. Schade – die Zuschauer fordern vehement noch eine Zugabe, doch die bleibt ihnen verwehrt. Kurz und heftig – es ist zu hoffen, dass die Truppe bald wieder in der Schweiz spielen wird!
Setliste Emerald Sun
- Blast
- Speak of the Devil
- Weakness and Shame
- Kill or Be Killed
- Metal Dome
Victorius
Aus dem Osten Deutschlands stammen Victorius. Die Jungs haben sich High Speed Fantasy Power Metal auf ihre Fahne geschrieben. Wer auf Gloryhammer steht, sollte sich DIESE Truppe auf keinen Fall entgehen lassen, denn die sind ähnlich schräg – im positiven Sinne! Was bei den Schotten die Einhörner, sind hier die Dinosaurier…
Mit „Dinosaur Warfare“ von ihrer gleichnamigen EP startet der Fünfer in ihren Set und mit ihrer Mucke treffen sie voll ins Nervenzentrum der Fans. 60 Minuten Vollgas, im Publikum sind die ersten bereits oben ohne am Feiern und schlussendlich haben die Jungs sogar noch etwas Spielzeit übrig, so dass sie auch noch „Lake Of Hope“ in ihren Set einbauen dürfen. Meine Herren, das geht hier richtig ab…
Die Setlist besteht zur Hälfte aus der erwähnten EP – und mit der bin ich (Schande über mich) nicht sehr vertraut. Noch nicht! Doch das schadet der guten Laune nicht, denn auch diese Songs sind typisch Victorius: Schnell, präzise, eingängig. Trotzdem sind meine persönlichen Highlights das geile „Empire Of The Dragonking“ sowie das abschliessende „Metalheart“. Von „Dreamchaser“ ist nichts im Programm, dies bleibt schlussendlich der einzige Wermutstropfen. Doch ausser mir scheint das eh niemanden zu stören – Victorius räumen hier gnadenlos ab! Ganz starke Leistung!
Setliste Victorius
- Dinosaur Warfare
- Legend of the Power Saurus
- Razorblade Raptor
- Empire of the Dragonking
- Blood Alliance
- Lazer Tooth Tiger
- Lake of Hope
- Metalheart
Mystic Prophecy
Das Bier ist ausgegangen! Kein Problem: Während der Umbaupause läuft die „Seetal“ kurz einen Hafen an, damit der Vorrat aufgefüllt werden kann… Langsam wird’s auch draussen dunkel – im Unterdeck ist dies schon länger der Fall. Chef Organisator Urs kündigt den Headliner an: Mystic Prophecy!
Seit vielen Jahren liefert die Truppe um Fronter RD Liapakis unverfälschten, puren Power Metal, der ab und zu auch die Grenze zum Thrash überschreitet. Und man fragt sich aufgrund der vielen Hymnen im Programm immer wieder, warum Mystic Prophecy nicht mehr Beachtung erhalten…
Aufgrund der Umstände muss auch die letzte Band des Tages ihr Programm kürzen, wie ein Blick auf die durchgestrichenen Songs auf der Setliste verrät. Nun ja – gleiche Spiesse für alle. Schade, aber auch durchaus logisch.
Mit „Kill The Beast“ und dem uralten „Savage Souls“ beginnt die Show. Und schon wird einiges klar: Gitarrist Markus Pohl hat zu wenig Platz für sein wildes Stage Acting – doch er macht das Beste daraus. Meine Fresse, der Kerl gibt Gas, als ob es kein Morgen gäbe! Joey Roxx am Bass versucht ebenfalls jeden Quadratzentimeter auszunutzen. Lia selbst ist heute für einmal ohne Hut unterwegs – auch ein eher seltener Anblick. Derweil haben einige (junge) Besucher offensichtlich zu schnell zu viel Bier getankt, sodass sie stellenweise nicht wissen, wie dumm sie tun müssen. In dem kleinen Raum ist einfach kein Platz für Moshpits – mehrmals räume ich fast Markus‘ Mikroständer ab oder kniee nieder vor Lia, weil irgendwelche das Gefühl haben, mir in den Rücken springen zu müssen. Der Konzertgenuss wird so massiv beeinträchtigt….
Mystic Prophecy hauen aber auch dermassen auf die Pauke, dass nicht nur meine Nackenmuskulatur Schwerstarbeit leistet. „KIllhammer“ killt, „ We Kill, You Die!“ killt ebenso und „Metal Brigade“ hat sich längst zu DER Hymne der Band entwickelt. Der Fronter – bekanntlich nicht gerade ein Riese – hat sich aufgrund der ebenerdigen „Bühne“ mittlerweile einen leeren Bierkasten geholt und nutzt den als Podest, um auch etwas in die hinteren Reihen sehen zu können. Er versucht zwischendurch auch die Wogen im angestachelten Publikum etwas zu glätten: „Wir wollen alle nur Spass haben!“
Das aktuelle Album von Mystic Prophecy ist ein lupenreines Coveralbum. Für einen der bekanntesten 80er Songs überhaupt, holt sich Lia den Chef Urs Lüscher auf die Bühne, der darf nun bei „Shadow On The Wall“ mitsingen. Tolle Geste, für die sowohl Urs wie auch die Band grossen Applaus erhält.
Wenn der Rabenherr auftaucht, dann ist das Ende nah… „Ravenlord“ läutet die Schlussphase ein, die mit dem obligaten „Paranoid“ beendet wird. Die Zuschauer wollen aber noch mehr, Urs gibt grünes Licht und so schafft es immerhin „Evil Empires“ doch noch in den Set, denn dies war einer der durchgestrichenen Titel…
Nach einer Stunde ist das Spektakel zu Ende, Mystic Prophecy hinterlassen die Fans, die mehrheitlich in Schweiss gebadet und zufrieden sind – und die „Seetal“ nimmt nun Kurs auf Beinwil, wo die ersten Fans von Bord gehen werden. In der Zwischenzeit sind alle Bands irgendwo zu sehen, wie sie mit den Fans plaudern, Autogramme geben, für Fotos zur Verfügung stehen. Alles äusserst entspannt und familiär – so soll es sein! Für Emerald Sun, Victorius und Msytic Prophecy war das heute zudem der Start ihrer gemeinsamen Deutschland Tour – und den darf man zweifellos als „geglückt“ bezeichnen…
Setliste Mystic Prophecy
- Kill the Beast
- Savage Souls
- Killhammer
- Burning Out
- We Kill! You Die!
- The Crucifix
- Metal Brigade
- Shadow on the Wall
- War Panzer
- Ravenlord
- Paranoid
- Evil Empires*
*Zugabe
Das Fanzit
Meine vierte Kreuzfahrt innerhalb eines halben Jahres. Gut, das heute als „Kreuzfahrt“ zu bezeichnen, ist vielleicht etwas übertrieben. Doch Spass hat es dennoch gemacht! Prima Organisation, spezielles Ambiente, drei starke Bands, die allesamt überzeugen – kein Wunder, war das Metal Boat 2018 recht früh restlos ausverkauft… Metalherz, was willst Du mehr?
An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an Urs und Remy, dass ich hier dabei sein durfte!