Crossover-Legenden in Zürich
Am Donnerstagabend trafen Elemente des Hip-Hop, Rap, Hardcore und Heavy Metal in einer interessanten Mischung aufeinander. Diese wird gemeinhin auch als Crossover bezeichnet. Ein sehr prägendes Aushängeschild dieses Genres sind Body Count. Wie sich Ice-T und seine Kumpels im Komplex 457 angestellt haben, könnt ihr in meinem Metalinside-Bericht nachlesen.
Jan Delay, Bligg, Marc Sway und Baba Shrimps – das heutige Programm von Rock The Ring hat für die Rocker und Metalköpfe nicht wirklich etwas zu bieten. Glücklicherweise gibt’s genügend Alternativen. Eine davon ist zwar ebenfalls durch Rap und Hip-Hop-Elemente geprägt, aber genau dieser werde ich beiwohnen. In Altstetten treiben nämlich die Herrschaften von Body Count ihr Unwesen. Seit bald 30 Jahren ist die Truppe aktiv. Das prägendste Stück der Amis ist zweifelsohne der Track «Cop Killer», der sich auf der Debütscheibe der Band befindet. Zurzeit der Veröffentlichung kam es in Los Angeles zu heftigen Rassenunruhen. Am Pranger stand immer wieder die übertriebene Polizeigewalt gegenüber der farbigen Bevölkerung. Eine Thematik, die – wenn wir ehrlich sind – selbst heute noch in den USA äusserst aktuell ist.
Ich bin mit der Musik von Body Count nicht wirklich vertraut und deswegen sehr gespannt auf den heutigen Auftritt. Vor dem Komplex tummeln sich die Menschen in Scharen. Die einen qualmen noch ein paar «Lungenbrötli» und andere zischen gemütlich ein Dosenbierchen. Die meisten scheinen wohl das angenehme Wetter geniessen zu wollen. Im Innern der Location tummeln sich vorerst bloss kleine Grüppchen. Der Support-Act Powerstroke kommt deswegen wahrscheinlich nicht in den Genuss eines vollen Konzertsaals. Der pflichtbewusste Metaljournalist ist jedoch brav einsatzbereit – selbstverständlich mit dem obligaten Hopfentrunk in der Hand.
Powerstroke
Punkt 20 Uhr legen die belgischen Crossover-Metaller los. Oha, stehen da etwa die Zwillingsbrüder von Joakim Brodén (Sabaton) und Tom Araya (Slayer) auf der Bühne? Sänger Bavo Coene und Basser Mark de Smit weisen definitiv überraschende Ähnlichkeiten zu den zuvor erwähnten Herren auf. Die Belgier drücken ordentlich auf die Tube und heizen den leider noch überschaubaren Publikumsreihen ziemlich ein. Bavo verfügt über einen sehr variablen Gesang; phasenweise sind da sogar ein paar bitterböse Growls mit dabei. Die Soundqualität erlebt Hochs und Tiefs – was im Komplex unglücklicherweise regelmässig vorkommt. Nichtsdestotrotz kann das Quintett mit seinem halbstündigen Auftritt durchaus zufrieden sein.
Body Count
Die komplette Bühne wird während der Umbauphase mit gelbem «Crime Scene Do Not Cross»-Absperrband dekoriert – eine Requisite aus den uns bestens bekannten Krimi-Serien der Marke «C.S.I.» oder «Law & Order». Bei Letztgenannter figuriert Body Count-Boss Ice-T als «Detective Fin Tutuola» seit 2000 in einer der Hauptrollen. Polizeisirenen und blau leuchtende Scheinwerfer künden schliesslich die Ankunft der Gang an. Unter tosendem Applaus betreten die Amis die Bühne. Der Konzertsaal ist inzwischen rappelvoll. Da haben doch noch einige Fans den Weg ins Innere der Location gefunden. Einer wilden Sause steht nix mehr im Wege. Wird nun munter darauf los gerappt? Weit gefehlt! Body Count starten mit Coverversionen der Slayer-Hymnen «Raining Blood» und «Postmortem». Hoppla Schorsch, ein sackstarker Auftakt! Sofort herrscht bei der Zuhörerschaft eine ausgelassene Stimmung. Die ersten Moshpits lassen nicht lange auf sich warten.
Anführer Ice-T trägt standardgemäss ein L.A.-Cap auf dem Schädel. Klampfer Juan of the Dead lässt derweil mit seinem Skelett-Gesichtstuch den knallharten Gangster raushängen. Er ist übrigens das einzige, hellhäutige Bandmitglied. Wer mich persönlich sehr beeindruckt, ist Lead-Gitarrist Ernie-C. Unglaublich, was der kleine Wirbelwind so alles aus seiner Saitenkönigin herauskitzelt. Respekt! Hier ist ein echter Künstler am Werk. An der Gesangsfront erhält «Ice motherfucking T, Bitch» (so solle man ihn gemäss eigener Aussage bitte künftig ansprechen) Unterstützung von Sean E. Sean und Little Ice-T. Richtig gelesen, hierbei handelt es sich um den Sohnemann des Bandkopfes.
Zwischen den einzelnen Songs erweist sich der Rapper als talentierter Entertainer. Der hat ja tonnenweise coole Sprüche auf dem Kasten. Selbstverständlich darf auch der exzessive Gebrauch des ominöses «MF-Wortes» nicht fehlen. Zudem schmeisst er immer wieder Wasserflaschen ins durstige Publikum. Der ganze Raum hat sich inzwischen in eine waschechte Sauna verwandelt. Da ist man für jede Abkühlung äusserst dankbar. Der Body Count-Frontmann erkundigt sich dann nach dem jüngsten Besucher im Raum. Ein 13-jähriger Junge meldet sich. Er und sein Vater erhalten Applaus vom Publikum und Ice-T meint, dass sie heute Abend definitiv dem richtigen Event beiwohnen würden. Anschliessend möchte er uns den aus seiner Sicht jüngsten BC-Anhänger vorstellen: Sein Töchterchen Chanel. Das zweijährige Mädchen rennt zufrieden auf der Bühne herum und verbringt dann den Song «Talk Shit, Get Shot» auf den Schultern ihres Bruders. Grundsätzlich eine schöne Sache. Dass die Kleine offenbar keinen Gehörschutz trägt, finde ich dann aber doch ziemlich verantwortungslos.
Im Anschluss sind all unsere Mittelfinger gefragt. Es wird Zeit für den wohl umstrittensten Song in der gesamten Body Count-Diskographie: «Cop Killer». Das Komplex verwandelt sich in ein wildes Tollhaus. Voller Einsatz beim Publikum. Diese Moshpits sind definitiv nix für die zartbesaiteten Mitmenschen unter uns. Danach endet der obligate Show-Teil. Ice-T sei aber zu faul für das «hinter-die-Bühne-geh»-Spiel. Stattdessen stellt er uns eine neue Methode namens «Virtual Encore» vor. Wie diese funktioniert? Tja, die Band bleibt mit ihren Rücken zu uns auf der Bühne, das Licht wird ausgeschaltet und dann ist Krach machen angesagt. Funktioniert problemlos. Als Belohnung gibt’s nochmals drei Stücke hinterher. Dies sei nun die Aftershow-Party und die Band könne eh machen, was sie möchte. Definitiv beendet wird der Gig mit dem Track «This Is Why We Ride». Bei der Verabschiedung darf ebenfalls noch Ice-T Gattin Coco ihre ausgeprägten Rundungen im Rampenlicht präsentieren und durch die Gegend stöckeln.
Das Fanzit
Die Belgier von Powerstroke sorgten für ein gelungenes Einheizer-Programm. Body Count legten anschliessend einen soliden Auftritt aufs Parkett, der mich allerdings nicht durchgehend überzeugen konnte. Ein paar langweiligere Passagen waren leider mit von der Partie. Zudem fiel die Spielzeit von 80 Minuten am Ende doch etwas dürftig aus. Hätte gerne mehr sein dürfen. Ice-T entpuppte sich jedoch als der geborene «Gangsta-Entertainer» und Ernie-C sicherte sich den Titel «zappliger Gitarrengott». Glücklicherweise war die Soundqualität während des Auftritts des Headliners einigermassen erträglich. Komplimente verdiente sich auch das Publikum. Die Fans waren unglaublich textsicher und stets einsatzbereit. Gerüchtehalber hatte sich einer sogar im Moshpit das Bein gebrochen. Autsch! Gute Besserung an dieser Stelle.
Setliste – Powerstroke
- Earth And Beyond
- Golddiggers And Manwhores
- A Fire In The Sky
- Blood Oasis
- Cross My Heart
- Ain’t Over ‚Till The Fat Lady Sings
- Done Deal
Setliste – Body Count
- Raining Blood / Postmortem (Slayer-Cover)
- Bowels Of The Devil
- Manslaughter
- No Lives Matter
- Body Count
- Necessary Evil
- Drive By
- Voodoo
- There Goes The Neighborhood
- Drum Solo
- Black Hoodie
- Talk Shit, Get Shot
- Cop Killer
- Institutionalized (Suicidal Tendencies-Cover)*
- Born Dead*
- This Is Why We Ride*
*Zugabe