Die CH-Version von Arch Enemy – oder doch mehr?
Der oben erwähnte Vergleich kommt oftmals zur Sprache, wenn man über die Truppe Irony Of Fate (IoF) spricht. Allerdings ist die 2014 in Burgdorf gegründete Band definitiv kein simpler Abklatsch der Schweden. Neben Melodic Death Metal lassen sie nämlich auch Elemente des Thrash und Groove Metal in ihr musikalisches Schaffen einfliessen.
Von den Live-Qualitäten des Quintetts konnte nicht nur ich mich in der Vergangenheit bereits mehrmals überzeugen, denn Irony Of Fate legten einen wahren Konzertmarathon zurück. Regelmässig sicherten sie sich Auftrittschancen und spielten sich dadurch bei diversen Leuten auf deren Metal-Radar. Talent und Potenzial sind eindeutig vorhanden, darüber sind sich die Kritiker einig. Nun geht die Band einen Schritt weiter und wird am 27. Juli ihr Debütwerk «Pray For Freedom… Prepare For Extinction» veröffentlichen. Wie sich das Ding so anhört, werde ich für euch nun gerne herausfinden.
Das Album – «Pray For Freedom… Prepare For Extinction»
Das Intro übernimmt der Track «Doomsday Clock». Der Vorbote einer drohenden Apokalypse. Im Hintergrund tobt ein Gewitter. Auch das Ticken einer Uhr ist deutlich zu hören. Der Tag des Jüngsten Gerichts wird mit dramatischem Sound angekündigt. Das passt hervorragend zur Botschaft des Plattentitels. Freiheit hat aus Sicht von Irony Of Fate einen gewichtigen Preis: Die Auslöschung. Ob die ganze Geschichte ähnlich düster weitergehen wird?
Bei der Auferstehung («Resurrection») dürfen die fünf Musiker erstmals zeigen, was sie so alles auf dem Kasten haben. Während Drummer Gregor Bucher munter auf seine Felle eindrischt, beissen sich insbesondere Frontmädel Cveti Stojmenovas abgrundtiefe Growls in den Gehörgängen der Zuhörerschaft fest. Unwissende wären wohl schockiert, wenn man ihnen mitteilen würde, dass diese Töne tatsächlich aus einer weiblichen Kehle stammen. Im letzten Drittel spielt sich dann auch noch die Saitenköniginnen-Abteilung – bestehend aus Lars Gygax und Raffael Kühni ins Rampenlicht. Packender Auftakt, der in ein komplett ruhiges Outro mündet.
«The Curse» startet mit harten Bass-Klängen von Tom Zürcher, ehe anschliessend wieder Gitarren und Drums übernehmen. Tempomässig geht’s hier ordentlich zur Sache. Die Nummer verfügt über einen äusserst eingängigen Rhythmus, der wohl so manche Nackenmuskulatur aus der Reserve locken wird. Das eine oder andere mitreissende Gitarren-Solo wurde ebenfalls in die Songstruktur eingebaut. Gegen Ende funktioniert Gregor sein Instrument kurzerhand zum Maschinengewehr um und feuert ein paar rasante Drum-Salven ab.
Auch der nächste Track wartet mit einer längeren Laufzeit auf. «Oceans Of Doom» dauert nämlich ganze sechseinhalb Minuten. Abermals wird der Fuss mit vollem Elan auf dem Gaspedal platziert. Was hier allerdings besonders heraussticht, sind die melodiösen Refrain-Passagen – eine angenehme Abwechslung zum ansonsten eher radikalen «Drauf-Los-Geknüpple». In der zweiten Hälfte wird dann nochmals eine Schippe draufgelegt. Die Riff-Fraktion wird richtgehend von der Leine gelassen. Dass es anschliessend zu einem kleinen Breakdown kommt, spricht zusätzlich für den Facettenreichtum des Songs. Auf YouTube existiert dazu übrigens bereits ein Videoclip. Dort hat die Community in den Kommentaren wie gewohnt bereits gewütet. Von «Awesome» bis zu «Kindergarten-Metal» sind da schon einige Meinungen zu lesen.
Bei «Destruction» gilt das Motto: Nomen est omen. Die Halswirbel der Zuhörerschaft werden erneut richtig hart rangenommen. Der Irony Of Fate-Express düst ungebremst durch die Gegend. Wie bereits zuvor erwähnt, werden die Berner häufig mit Arch Enemy verglichen. Cveti wandelt gesangstechnisch allerdings eher auf den Pfaden vom ehemaligen Frontschreihals Angela Gossow. In «When Worlds Collide» stecken abermals zahlreiche Hochgeschwindigkeits-Passagen. Doch beginnt sich da etwa so langsam ein Negativaspekt abzuzeichnen? Die letzten beiden analysierten Stücke wirken phasenweise ziemlich ähnlich. Bei insgesamt 14 Tracks erwartet der geneigte Zuhörer mit der Zeit gezwungenermassen ein bisschen Abwechslung. Irony Of Fate müssen aufpassen, dass sie nicht zu rasch in ein eintöniges Fahrtwasser abdriften. Für ein Fazit ist es jedoch zu früh. Schliesslich folgen ja noch acht weitere Lieder.
Aufgrund der anfänglichen Riffs von «New Generation» taucht vor meinem geistigen Auge sofort ein Name auf: Lamb Of God. Das groovt richtig! Da ist sie ja, die zuvor soeben angesprochene Abwechslung. Tempovariationen und wildes Gitarrengekreische zum Schluss runden die ganze Angelegenheit sinnvoll ab. Nachdem die neue Generation vorgestellt wurde, muss sich diese nun von den auferlegten Fesseln befreien. «Unleashed Your Chains» brüllt einem Cveti da mit voller Wucht entgegen. Sie entführt unsere Gehörgänge in die höllischen Untiefen ihrer Kehle. Mein Warnschuss scheint Früchte zu tragen, denn auch hier kann man sich über mangelnde Abwechslung in der Songstruktur keinesfalls beklagen. Zurecht ist der Track bereits jetzt schon ein Dauergast in den jeweiligen Irony Of Fate-Setlisten.
Interessanterweise hat das nun folgende «The Wanderer» auf Platte nicht die selbe Wirkung wie während Live-Shows. Mir fehlt hier irgendwie die Durchschlagskraft. Glücklicherweise stehen bald diverse IoF-Auftritte an, bei denen man sich von der angesprochenen Power überzeugen kann. Beim darauffolgenden «Where All Daylight Dies» erhält Cveti am Gesang Unterstützung durch den englischen Musiker Chris Clancy. Dieser hat der Truppe auch beim Mixen und Mastering ihrer Debütplatte unter die Arme gegriffen. Scheinbar scheint der Gast den Fünfer bei diesem Track nochmals beflügelt zu haben, denn das Ding ist richtig gut geworden. Die unterschiedlichen Gesangsstimmen harmonieren super zusammen.
«Falling Away» entpuppt sich dann wieder als kleiner Dämpfer. Gehört leider in die Kategorie Einheitsbrei. Da vermögen andere Stücke auf dem Album locker weitaus mehr zu überzeugen. Dafür sieht’s bei «Six Feet Deep» schon wieder deutlich besser aus. Dieser Track macht nämlich sowohl während Konzerten als auch auf Platte Freude. Auf einen gemächlichen Beginn folgt eine rasante Temposteigerung. Das bedeutet viel Arbeit für die headbangende Zunft.
Mit «Epitaph» (zu Deutsch Nachruf oder Grabinschrift) steuern wir langsam aber sicher auf die Zielgerade zu. Der Track ist nochmals ein echter Brocken mit einer Spielzeit von über sechseinhalb Minuten. Erneut ein Stück, dass mich nicht so wirklich vom Hocker haut. Mit «Sleeping Death» sind wir dann definitiv am Ende des Albums angelangt. Lockere Bass-Klänge prägen den Beginn des Tracks. Das wird für einmal verhältnismässig niedrig gehalten. Da bewegt sich die Truppe ja beinahe schon im Doom Metal-Bereich. Komplett ohne ein paar Doublebass-Salven kommt Gregor dann allerdings trotzdem nicht aus. Neben Doom-Elementen könnten gewisse Passagen ebenfalls dem Schwarzmetall-Sektor zugeordnet werden. Irony Of Fate stellen hiermit abermals unter Beweis, dass sie durchaus in der Lage sind, abwechslungsreiche Songs rauszuhauen.
Das Fanzit
Insgesamt darf «Pray For Freedom… Prepare For Extinction» zurecht als gelungenes Debütwerk bezeichnet werden. Irony Of Fate stellen ihr Talent zweifelsohne unter Beweis. Wenn sie diesen Weg konsequent weitergehen, könnten sie in der Szene noch für ordentlich Furore sorgen. Um einen simplen Arch Enemy-Abklatsch handelt es sich hier übrigens nicht. Die Berner setzen zwar schwergewichtig auf Melodic Death Metal, lassen aber auch Elemente von anderen metallischen Subgenres in ihr musikalisches Schaffen einfliessen. Schwächen weist das Album hauptsächlich im Bereich Song-Anzahl auf. Bei den 14 Nummern haben sich nämlich auch ein paar Streichkandidaten eingeschlichen, die aufgrund von mangelnder Abwechslung keine Bereicherung zum Rest darstellen. Zu den Perlen zählen dagegen «Oceans Of Doom», «New Generation», «Unleashed Your Chains» und auch das Chris Clancy-Kollaborationsstück «Where All Daylight Dies».
Die Veröffentlichung ist zwar auf den 27. Juli angesetzt, allerdings laden die Berner bereits eine Woche zu einer vorgezogenen Plattentaufe ein. Tatort wäre die Kane’s Karaoke-Bar im schaffhausischen Beringen. Aber auch später gibt’s noch einige Gelegenheiten, die Truppe live in Aktion zu erleben. Empfehlenswert wäre da beispielsweise ebenfalls der Auftritt im Vorprogramm von den Burning Witches und Nervosa in der Luzerner Schüür. Dieser frauenreiche Abend wird am 30. August über die Bühne gehen.
Trackliste Irony Of Fate – Pray For Freedom… Prepare For Extinction
- Doomsday Clock
- Resurrection
- The Curse
- Oceans Of Doom
- Destruction
- When Worlds Collide
- New Generation
- Unleashed Your Chains
- The Wanderer
- Where All Daylight Dies (Feat. Chris Clancy)
- Falling Away
- Six Feet Deep
- Epitaph
- Sleeping Death
Line Up – Irony Of Fate
- Raffael Kühni : Guitar
- Lars Gygax : Guitar
- Gregor Bucher: Drums
- Cveti Stojmenova: Vocals
- Tom Zürcher: Bass