Abenteuerliche Reisen nach Wetzikon
Kobra Paige und ihre Jungs stellten am Freitagabend im Hall Of Fame ihr neues Werk «Prevail II» vor. Aufgrund eines umgestürzten Baukrans hätte ich die Show um ein Haar nicht miterlebt. Wie ich der Winterthurer Apokalypse entkommen konnte und natürlich alles über die Qualität der musikalischen Darbietungen, könnt ihr in diesem Metalinside-Bericht nachlesen.
Hiobsbotschaft eine Stunde vor meinem Aufbruch ins Zürcher Oberland. Ein umgestürzter Baukran hat den gesamten Bahnhof Winterthur lahmgelegt. Keine Züge fahren rein oder raus. Apokalypse pur in der Eulachstadt. Nix geht mehr – und das pünktlich zum Feierabendverkehr. Verletzte scheint’s offenbar keine zu geben. Vielleicht kann das Problem ja rasch behoben werden. Zumindest hege ich diese Hoffnung und schaue mir gemütlich das WM-Fussballspiel zwischen dem Iran und Marokko an. Später am Abend treffen dann noch Spanien und Portugal im Giganten-Duell aufeinander, aber dieses Spiel wird wohl den Hall Of Fame-Konzerten zum Opfer fallen. Beim Verlassen meiner Wohnung zeigt mir die SBB-App nach wie vor nix schlaues an. Überall ist von Ausfällen und Unterbrüchen die Rede. Nichtsdestotrotz nehme ich den Bus in die Stadt und schaue mir das Ganze mal an.
Am Hauptbahnhof herrscht effektiv Ausnahmezustand. Rocknews-Kollege Lars ist ebenfalls gestrandet. Rasch wird klar, dass wir hier nicht wegkommen. Glücklicherweise fahren die Busse noch. Wir machen einen Ausflug nach Seen und versuchen von dort aus via Bauma nach Wetzikon zu gelangen. Diese Variante hat mir übrigens auch SBB-Lexikon Kaufi vorgeschlagen. Unglücklicherweise geht auch am Bahnhof Seen nichts mehr. Lars zieht sich auf einem Smartphone inzwischen das Duell zwischen Spanien und Portugal rein. Die ersten Tore sind bereits gefallen. Natürlich hat auch wieder der ominöse «CR7» getroffen. Währenddessen springe ich über meinen Schatten und lade die Uber-App herunter – meine letzte Hoffnung (und definitiv günstiger als die normalen Taxis). Es dauert ein bisschen, bis der Fahrer einen Weg zu uns findet. Scheinbar herrscht effektiv in ganz Winti Ausnahmezustand. Jetzt aber los! Ohne Hindernisse düsen wir nach Wetzikon. Hall Of Fame, wir kommen! (wenn auch mit ein bisschen Verspätung).
Ich vermute, dass Metalinside-Boss pam bereits in der Location weilt. Somit wird er euch dann hoffentlich ein bisschen mehr zum ersten Act des Abends erzählen können. Diesen drohen wir nämlich zu verpassen. Unser Uber-Fahrer ist glücklicherweise ein sympathischer und witziger Kerl. Kurze Zeit später treffen wir am Ort des Geschehens ein. Bar-Chefin Jessi verwöhnt uns sogleich mit ein paar Beruhigungs-Bierchen – herzlichen Dank dafür. Nun heisst’s aber subito: Augen auf die Bühne richten!
Wait Hell In Pain
Dutti: Von der ersten Italo-Kapelle bekomme ich gerade noch den letzten Song mit. Leider viel zu wenig, für ein aussagekräftiges Urteil. Das zierliche Frontmädel Kate Sale mit ihren langen, feuerroten Haaren und ihren Stiefeln ist zweifelsohne ein echter Hingucker. Werter Pam, was gibt’s sonst noch über Wait Hell in Pain zu berichten?
pam: Hm, jetzt bringst du mich in die Bredouille. Ich war nämlich froh, muss ich nicht über die Vorbands berichten. Denn zumindest Ravenscry hatte mich schon im letzten Herbst alles andere überzeugt und somit waren auch meine Erwartungen an Wait Hell In Pain nicht sehr hoch. Und leider bestätigen dies die Landsleute von Ravenscry auch. Die beiden Mädels (Sängerinnen der beiden Bands) sind zwar hübsch anzuschauen, aber ihr Gesang vermag mich überhaupt nicht zu überzeugen. Soundmässig hat es gute Momente, vor allem Basser Alfonso beweist immer wieder, dass er seinen Zweihänder gut im Griff hat. Aus meiner Sicht haben sie mehr Potential als Ravenscry inklusive der Sängerin, die allenfalls mit mehr Erfahrung noch einiges wettmachen kann. Aber vielleicht ist es auch nur Geschmackssache und somit bin ich jetzt einigermassen wieder fein raus 😉
Ravenscry
Dutti: Italo-Kapelle numero due kennt die hiesigen Gemäuer bestens. Gemeinsam mit dem heutigen Headliner waren sie nämlich schon im November des vergangenen Jahres Pasquale Salatinos Gäste. Ravenscry zocken eine Mischung aus Alternative Metal und Rock, welche zusätzlich mit gelegentlichen Progressive-Elementen angereichert wird. Im Gegensatz zum letzten Auftritt setzt Sängerin Giulia Stefani dieses Mal in Sachen Outfit auf den sportlichen Lara Croft-Look. Steht ihr gut.
Doch irgendwie haftet dem heutigen Freitag ein mühseliger Fluch an. Zuerst der Ausfall des Winterthurer Hauptbahnhofs und nun donnert Giulia plötzlich die Plexiglaswand ihres Drummers Simon Carminati auf den Schädel. Autsch! Glücklicherweise kann sie den Auftritt unverletzt fortsetzen. Puh! Gerade nochmals gut gegangen. Soundtechnisch wirken die Mailänder härter als auch schon. Nichtsdestotrotz fesselt mich die 40-minütige Show nicht durchgehend. Eventuell habe ich die Band in letzter Zeit zu oft gesehen. Neben dem Auftritt im letztjährigen November waren sie Mitte April dieses Jahres auch noch im Z7 zu Gast. Damals als Support-Act von Geoff Tate’s Operation: Mindcrime.
Kobra And The Lotus
Dutti: Während der Umbauphase dröhnt fleissig Amorphis aus den Boxen – und Songs des neusten Meisterwerks «Queen Of Time». Liebe HoF-Crew, holt diese Finnen bitte mal in euren Club. Ein ausverkauftes Haus läge dann durchaus im Bereich des Möglichen. Man darf ja noch träumen. Das Spiel zwischen Spanien und Portugal ist inzwischen zu Ende. Resultat: 3 : 3 – ein Remis. Definitiv das bisher beste Aufeinandertreffen dieser WM. Innerlich verfluche ich Cristiano Ronaldo für seinen Hattrick. Aber nun genug über König Fussball gequatscht. Fokussieren wir uns wieder auf die Musik.
Kobra And The Lotus starten um 22.40 Uhr in ihr Set. Eine Person sticht mir sofort ins Auge. Hmm, der werte Herr gehört aber eigentlich nicht zur Truppe. Seine strahlend weissen «Back To The Future»-Schuhe und seine pinke Klampfe fallen definitiv auf. Die Rede ist von Timo Somers, der ansonsten seine Brötchen hauptsächlich bei den niederländischen Symphonic Metallern Delain verdient. Das nenn ich mal eine grossartige Verstärkung. Für Kobra And The Lotus allerdings nichts Neues. Bereits damals im November hatten sie mit Andrea Martongelli einen Aushilfsgitarristen mit an Bord.
Nichtsdestotrotz bleiben die Blicke der meisten Besucher wie gewohnt an Frontmädel Kobra Paige kleben. Neben ihrem überragenden Stimmorgan punktet die Blondine heute Abend mit ihrem glitzernden Converse-Schuhwerk. Zudem ist ihr Dauerlächeln eine ziemlich ansteckende Angelegenheit. Es ist stets ein Vergnügen, eine solche Frohnatur auf der Bühne in Aktion erleben zu dürfen. Gesungen und gespielt werden hauptsächlich Stücke der beiden aktuellsten Werke «Prevail I» und «Prevail II». Abermals kommt die Vielseitigkeit von Frau Paiges Stimme hervorragend zur Geltung. Dadurch werden auch Samenlöser-Nummern der Marke «Light Me Up» zu einem echten Hörgenuss. Anschliessend werden Härtegrad und Tempo mit «Let Me Love You», «You Don’t Know» oder «Velvet Roses» wieder verschärft.
Bleiben die kanadischen Schwermetaller von technischen Schwierigkeiten verschont? Nope. Urplötzlich geht dem Mischpult der Saft aus. Kobra und Co. nehmen es allerdings mit Humor. Rasch wird der Stecker wieder angebracht und als grosser Retter eilt Hall Of Fame-Roadie Markus «Mac ‘N’ Roll» Keller herbei. Hier ein bisschen kleben, da noch ein bisschen Tape anbringen und schon läuft der Laden wieder. Die Show kann weitergehen. Im Zugaben-Block hauen KATL (so die aus meiner Sicht unschöne Abkürzung für Kobra And The Lotus) dann noch zwei sackstarke, altbekannte Hymnen raus: «Soldier» und «Forever One». Würdevoller Abschluss eines gelungenen Auftritts.
Das Fanzit
Dutti: Weder die erschwerte Anreise noch die zwei kleineren Missgeschicke auf der Bühne konnten uns diesen genialen Konzertabend verderben. So richtig enttäuscht hat mich leider erneut das Publikum. Viel zu wenig Seelen haben heute Abend den Weg ins HoF gefunden. Im Vergleich zur Kobra And The Lotus-Show konnte ich diesbezüglich keine wirkliche Verbesserung feststellen. Das tut mir sowohl für die auftretenden Truppen als auch für den Veranstalter leid. Pasquale und Crew holen immer wieder geniale Truppen ins Zürcher Oberland. Es wäre aus meiner Sicht ein herber Verlust, wenn der Laden aufgrund ausbleibender Gäste eines Tages plötzlich dicht machen müsste. Bleibt zu hoffen, dass es nie so weit kommen wird.
Wer dem Konzert heute wirklich nicht beiwohnen konnte, hat im Herbst nochmals Gelegenheit dazu, die Kanadier live zu erleben. Am 4. Oktober gastieren sie gemeinsam mit den Butcher Babies im Solothurner Kofmehl und ein paar Tage später werden beide Truppen am Metal Scar Festival in Sachseln (Kanton Obwalden) für Furore sorgen.
Setliste – Ravenscry
- Hypermnesia
- Coral
- The Mission
- The Big Trick
- The Witness
- Touching The Rain
- Living Today
- Back To The Hell
- Oscillation
- Nobody
- Missing Words
Setliste – Kobra And The Lotus
- Losing My Humanity
- TriggerPulse
- Specimen X (The Mortal Chamber)
- Light Me Up
- Let Me Love You
- Ribe
- My Immortal
- Human Empire
- You Don’t Know
- Velvet Roses
- Hell On Earth
- You’re Insane
- Gotham*
- Soldier*
- Forever One*
*Zugabe