Jag Älskar Sverige!
Nach vielen Jahren und Schwärmereien von Kollegen und Bekannten sowie unserem jeweiligen Fotografen vor Ort – Master Friedemann – schaffe ich es dieses Jahr endlich auch mal ans Sweden Rock Festival (SRF).
Mit dem angekündigten Line-up musste ich und meine Truppe auch nicht lange überlegen – vor allem auch im Vergleich zum gleichzeitig stattfindenden Greenfield Festival. Dazu kommt gemäss den eben erwähnten Schwärmereien die einzigartige, gemütliche und familiäre Atmosphäre. Nun, ob dem so sein wird, lest ihr in den nächsten Zeilen.
Pre-Camper-Cruise
Wir fliegen bereits am Montagmorgen nach Kopenhagen und von dort dann mit dem Zug über die Öresund-Brücke Richtung Malmö. In Hyllie werden wir abgeholt von unserem Camper-Vermieter. Das klappt ja alles am Schnürchen in dem gemäss die Ärzte «schönsten Land der Welt» (mit Palmen, Elephanten und ab und auch mal Hungersnöten … siehe Lyrics zu Jag Älskar Sverige). Mit dieser einzigarten Ode an die Schweden und natürlich viel weiterem Metal in den Speakern unserer zwei Wohnmobile fahren wir spontan der Küste entlang Richtung Sölvesborg im Südosten des grössten skandinavischen Landes. Landschaftlich find ich es weiter nördlich interessanter, aber so ein Camper und gute Freunde kompensieren da Einiges und so orientieren wir uns an den gut ausgebauten und sauberen Camperplätzen, Supermärken und natürlich den vom Staat betriebenen Systembolaget – der einzige Ort, wo man Alkohol über 3 Volumenprozent kaufen kann.
So eine Camperfahrt kann ich also schon mal allen empfehlen, insbesondere in Schweden und am Sweden Rock. Die meisten sind hier mit Wohnmobilen und Wohnwagen unterwegs, Zelte sieht man im Vergleich zu einem Schweizer/Deutschen Festival eher wenig.
Tag 1 – Mittwoch, 6. Juni 2018
Als meine Kollegen Ende 2017 nach ein paar Stunden des Vorverkaufsstarts ihre Festivalpässe kaufen, war der Mittwoch bereits ausgebucht. Dieser ist mehr so ein Warm-up ins Festival und es werden auch nur die Hälfte der Tickets verkauft, als für die restlichen Tage. Da wollen die lokalen Schweden wohl noch etwas unter sich bleiben. Gut, unser Fotograf Friedemann ist ja auch schon fast einer von denen, nachdem er schon drei, viermal am Sweden Rock war, und liefert uns zumindest auch schon Bildmaterial vom Mittwoch.
Fotos Sweden Rock Tag 1 (Friedemann) – Fotos von Three Dead Fingers, Astral Doors, Brian Downeys Alive, Cyhra, Nocturnal Rites, The Quireboys, F.K.Ü.
Tag 2 – Donnerstag, 7. Juni 2018
Wir fahren früh von unserem gemütlichen Campingplatz auf einer Insel in der Nähe von Sölvesborg los, damit wir auch noch einen anständigen Platz auf dem Festival-Camping erhalten. Das war weise, denn wir fahren praktisch ohne Stau direkt auf das riesige Gelände. Doch die ersten sind wir nicht. Die meisten waren scheinbar also schon am Mittwoch oder noch früher angereist. Wir sind so ziemlich am hinteren Ende. Aber kein Problem, die 15 – 20 Minuten bis zum Konzert-Gelände schaffen wir auch noch und ein bisschen Bewegung an Festivals schadet ja nie. Das viele Bier und Festivalfood muss ja auch irgendwie abgearbeitet werden. Gut, ein paar Kilos zusätzlich bleiben dann doch als Mitbringsel von Schweden hängen …
Aber jetzt genug Vorgeplänkel, los aufs Festivalgelände. Unser erster Fixtermin sind die Finnen Battle Beast. Die möchte ich nicht verpassen. Noora und ihre Jungs hatten mich mit ihrem Disco-Metal nicht nur ab Konserve, sondern vor allem auch live auf der 70’000 Tons of Metal Cruise 2018 restlos überzeugt. Etwas überrascht bin ich aber schon, dass die schon so früh loslegen müssen.
Während meine Truppe ihre Tickets für die Bändeli umtauscht, sich mit Festival-Merch eindeckt und den einen oder anderen sonstigen Verkaufsstand vor dem Haupteingang aufs Infield begutachtet, erhalte ich meine Pressebändel. Das klappt wie sonst auch alles einwandfrei. Die Organisation vom SRF ist top. Da kann man nur loben und nichts bemängeln.
Wir sind drin. Noch einfacher als zu Boris Beckers Zeiten … BB spielen auf der Sweden Stage, welche sich praktisch direkt beim Eingang befindet. Die ist gut gelegen, da das Gelände vor der Bühne leicht nach oben ansteigt. Zuoberst hat es eine Bar mit Terrasse, welche einen guten Überblick auf das ganze Gelände preisgibt und auch direkte Sicht runter zur Sweden Stage – dazu kommen ein paar Bäume am oberen Bereich, welche willkommene Schattenspender sind. Und hier gibt es das beste Bier mit dem tschechischen Staropramen und deren ungefilterten Version. Auch wenn es jetzt unglaublich überheblich tönt, aber zu den Bier- und Essens-Preisen kann ich nicht viel berichten. Ich habe mir den Umrechnungskurs nie so ganz merken können und ganz ehrlich, wenn ich es gewusst hätte, glaubt einer, wir hätten dann ein Bier mehr oder weniger getrunken? Wohl kaum. Am Ende des Tages braucht man wohl in etwa gleich viel wie bei einem Schweizer Festival. Wobei, der Food war glaub eher etwas günstiger, vor allem aber meist top.
Nun, erstes Mal zuprosten und auch ein bisschen Vorschweissen im Camper auf der Anfahrt, auf dem Campingplatz und auf dem Weg zum Festivalgelände macht die Blase voll. Da entdecken wir einen ersten Schwachpunkt vom SRF. Die WCs sind zwar im Infield absolut top. Alle mit Spülung, topsauber und nix Geruch. Da kann man nichts dazu jammern. Aaaaber, die sind auf zwei relative nahe beieinander Standorte zentriert. Die sind nicht grad in Bühnennähe, am ehesten noch bei der 4 Sound Stage. Ansonsten muss man doch immer etwas weiter laufen. Es gibt sonst keine Toi Tois oder so. Was einerseits ja cool ist, aber andererseits sind diese WC-Quartiere halt doch schon zu wenig verteilt. Bei jedem anderen Festival würde man da wohl extra bezahlen oder müsste irgendein VIP Ticket haben. Dies führt halt bei denen die stehend Pinkeln können – das sind vorwiegend Jungs – zu einer wilden Pinklerei. Kaum eine Absperrung kommt ungetränkt davon. Die die das abbauen und diese zusammenrollen müssen, beneide ich definitiv nicht. Bei den warmen Temperaturen ohne reinigende Gewitter stinkt einem das dann wohl relativ bald. Sogar Thomy von unserer Truppe lässt sich zum Wildpinkeln hinreissen. Aber eben, man will halt grad bei einem der grösseren Konzerte nicht um das halbe Gelände laufen, um Platz für mehr Öl (schwedisch für Bier) zu machen.
Weniger Spass machen die Toi Tois ausserhalb dem Festival-Infield. Die werden während den Festivaltagen nicht geleert. Nase und Auge finden das weniger toll.
Nun, die wie immer alles entscheidende Pinklerei-Frage auf Festivals hätten wir damit schon mal beantwortet. Es ist 12 Uhr, Zeit für das, was wirklich zählt: Musik.
Battle Beast – Sweden Stage
Zwei doch schon Schwergewichte spielen zum Zmittag gleichzeitig: Die Finnen Battle Beast und die Schweden Dark Tranquillity. Das ich den Sound von DT und vom Typ her auch den Sänger aber nicht sein Gesang mag, weiss man wohl schon von der einen oder anderen Review von mir. Und wie schon oben erwähnt, haben es mir Battle Beast dafür umso mehr angetan. Dort vor allem wegen dem Gesang. Die Stimme von Noora ist einfach der Hammer – vor allem auch grad live. Die bringt sie so richtig dreckig rüber. Nur der Disco-Metal von ihnen ist halt irgendwann auch gehört, was beim Melodic Death von DT weniger der Fall wäre. Also, egal, ich muss jetzt ja meine Schizophrenie hier nicht noch ausführlicher ausführen. Pam 1 entscheidet sich für die Sweden Stage – auch wenn dort die Finnen und nicht die Schweden draufstehen. Ach, jetzt wird’s noch kompliziert. Also Pam 2: Halts Maul, Battle Beast ist entschieden und da stehen wir jetzt auch. Vor der Sweden Stage.
Und ganz alleine sind wir zwei nicht. Das Konzertgelände zu früher Stunde und trotz lokaler Konkurrenz wortwörtlich um die Ecke (DT spielen auf der Rock Stage und die ist … gleich um die Ecke) ist pumpenvoll.
Battle Beast nehmen keine Umwege und legen gleich mit «Straight To The Heart» los. Sie beweisen von der ersten Sekunde an, dass sie auch auf grösseren Bühnen funktionieren und eine gute Show liefern. Auch wenn es von Vorteil ist, etwas näher bei der Bühne zu stehen, um die Powernudel Noora und ihre Intensität maximal zu sehen und zu spüren. Sie liefert wie erwartet wieder den Beweis, dass man auch mit ein paar Pfunden zu viel auf den Rippen richtig (… jetzt hätte ich fast «richtig fett abgehen …» geschrieben, das wäre ein ungewolltes Wortspiel zu viel gewesen, hm, das zweite Wort, dass mir in den Sinn kommt ist «voll» …) Gas geben und mit Sprüngen auch abheben kann.
Nicht nur für mich ist sie eine der grössten Entdeckungen aller Frontleute der letzten Jahre. Eine Natural-Born eben. Ihre Stimme ist brutal; egal ob sie clean singt, screamt, krächzt … es kommt gut und ohne übertriebene Anstrengung. Mit ihrem Bühnengwand macht sie auch alles richtig. Sie steht zu ihrem vollschlanken Körper und setzt diesen auch gezielt ein. Sie springt, kickt, verrenkt und macht. Da versteh ich auch wenn ein Kaufi von der Dame schwärmt.
Der Rest der Band – entschuldigt, aber mit so einer Frontdame ist es halt einfach der Rest und ihre Stimme macht bei Battle Beast mehr als 2/3 aus – macht ihren Job auch tadellos. Sehr cool das zweistimmige Soli bei «King For A Day». Nebst «Bastard Son Of Odin» – das gefällt den Schweden natürlich – der stimmungsmässige Höhepunkt und gleichzeitig mit «Beyond The Burning Skies» auch Abschluss einer guten Show. Die Bühne verlassen sie dann zu Top Gun’s «Danger Zone».
Das war der perfekte Einstieg in mein erstes Sweden Rock Festival. Gerne mehr davon.
Setliste Battle Beast
- Straight to the Heart
- Bringer of Pain
- Familiar Hell
- Let It Roar
- Black Ninja
- Far from Heaven
- Lost in Wars
- Touch in the Night
- Bastard Son of Odin
- King for a Day
- Beyond the Burning Skies
Fotos Battle Beast (Friedemann)
Avatarium – 4Sound Stage
Nach den Finnen Battle Beast schaue ich bei den Schweden Avatarium mit ebenfalls starker – und attraktiver – Frontfrau vorbei. Die Stimme von Jennie-Ann Smith hat mich schon auf der 70’000 Tons Ausgabe 2017 überzeugt. Aber der Sound irgendwo zwischen Folk und Classic Rock mit doomigem Einschlag und schweren, schleppenden Riffs im Stille Black Sabbaths ist bei den heissen Temperaturen nicht ganz einfach stehend hinzunehmen. Da versteh ich auch schon zum ersten Mal, warum die Schweden ihre Campingstühle aufs Gelände nehmen … mehr dazu immer wieder in diesem Bericht.
Passend zum Sound ist der schlichte, schwarze Bühnenhintergrund. Anfangs hält mich ihr Engelsgesang noch auf den Beinen, aber die Bleikugeln an den Füssen ziehen einen so ziemlich runter. Und so lauf ich den Hang hoch und lass mich ihr horizontal hin. Augen schliessen, sich dem Sound komplett hingeben. Und ein kleiner Powernap schadet nie. Wird ja noch ein langer Tag.
Fotos Avatarium (Friedemann)
In This Moment – Rock Stage
Bis es Zeit ist, eine neue Bühne und für mich auch eine neue Band zu entdecken. Die Amis mit ebenfalls starker Frontfrau und spezieller Stimme – Maria Brink – sind mir vom Namen her einen Begriff und in den Song «Whore» hatte ich schon mal ins Video reingeschaut und -gehört. War ganz OK, sehr einzigartig aber so ganz gepackt hat’s mich nicht. Mal schauen, ob sie es live schaffen.
Und Holy Festival God – was wird denn da für eine Messe zelebriert? Attila und seine Powerwölfe machen ja schon länger auf Metal-Messe, aber was wir hier in Trance erleben, toppt alles was ich in diese Richtung schon mal erlebt habe. An den offenen Mündern bei den ersten paar Songs zu urteilen, geht’s nicht nur mir so. Wir erleben eine Art Hexenmesse inklusive deren Verbrennung. Also performancemässig schlägt Maria mit ihren Mittänzerinnen oder besser gesagt, Hexenkolleginnen alles. Vor allem das eher billige Bühnenbild. Das kann mit ihrem Auftritt nicht mithalten.
Maria verrenkt sich und ihr Sprechgesang – diese Stimme ist des Teufels! – beanspruchen viel Energie … und die vielen Kostümwechsel auch Zeit, so dass ihre Mitmusiker auch mal etwas alleine Zocken können. Und so trau ich meinen Ohren nicht, als das Riff zu «For Whom The Bell Tolls» und später «Creeping Death» – beides Cover von Metallica – ertönen. Sehr coole, in ihrem eigenen Stil interpretierte Instrumentalversionen dieser Live-Kracher der Four Horsemen.
Ich habe noch das Glockengeläut von «For Whom The Bell Tolls» in den Ohren, als der Hochzeitsmarsch wagnerscher Prägung (Tätätätätäää, Tätäätää … oder so) ertönt. Es ist Zeit für eine corige, groovige Version von «Black Wedding» (das Cover auf Konserve übrigens mit Rob Halford eingesungen – siehe Video). Das wäre jetzt geil gewesen, wenn der Metal-God himself als Pfarrer auf der Bühne stehen würde und die Braut traut: Maria ganz in … schwarz, ist ja klar.
Wir erleben viel Theater, Show und für meinen Geschmack etwas zu wenig Musik. Aber die Dame hat sehr viel Talent in dem was sie tut. Das bleibt definitiv hängen. Und falls nicht, sorgt die nächsten Tage einer unserer Nachbarn – zumindest der mit den fettesten Boxen – dafür, dass so es so ist. Seine Playlist beschränkt sich auf gefühlt drei Songs. Einer davon ist «Whore» …
Auf jeden Fall war das ein ziemlich genialer Einstieg mit drei Mal Frauenpower in das Sweden Rock. Und In This Moment schlussendlich Wochen später dann doch noch als Silberlinge gekauft.
Fotos In This Moment (Friedemann)
Nazareth – Sweden Stage
Nach der Hexenmesse von In This Moment schaue ich grad nochmals im Mittelalter vorbei … zumindest hat man das Gefühl, dass die alten Herren von Nazareth aus dieser Zeit stammen. Gut, vom Bandnamen her könnte es noch etwas länger her sein. Aber egal, die haben ja schon auch ein bisschen Musikgeschichte geschrieben, bevor ich da jetzt weiter rumblasphemiere. Mir ist es aber definitiv zu lahm für ein Rock- und Metal-Festival. Immerhin Anreiz genug für einen guten Moment eines Powernäppchen in unserem Camper. Dream on.
Helloween (Pumpkins United) – Sweden Stage
Wir sind rechtzeitig zurück – 20 vor 8 – bei den deutschen Power-Metal-Legenden. Für mich ein erstes richtig grosses Festival-Highlight. Denn letztes Jahr hatte ich die Reunion-Show der Kürbisköpfe mit Gründer und Erstsänger Kai Hansen sowie Zweitsänger Michael Kiske – verpasst. Und somit bin ich super happy wie deren Musik, dass ich das jetzt noch nachholen kann.
Eröffnet wird diese Zeitreise an die Anfänge des Power-Metals mit, wie könnte es anders sein, «Halloween». Der epische 13-Minüter beweist, dass so eine United-Geschichte schon sehr cool sein kann – auch wenn nicht die ganze Länge gespielt wird. Dieser Song mit zwei bzw. drei Sängern ist schon sehr, sehr geil. Auch «Dr. Stein» zocken bzw. singen alle zusammen. Dann dürfen die Sänger vermehrt auch einzeln ran. Der Anfang macht Kiske mit «I’m Alive». Da ziehe ich meinen Hut vom eigentlich aktuellen Helloween Sänger Andi Deris – und das ja schon seit 1994 und somit länger als alle anderen Sänger – dass er seinen Vorgänger die Bühne so grosszügig überlässt. Es gibt ja schon auch Fans, die noch heute Kiske bevorzugen würden. Da würde wohl nicht jeder Sänger mitmachen.
Aber es ist nicht eine Kiske Show heute … es wird mehr und mehr zu einer Kai Hansen-Show. Er hat die meiste Präsenz, spielt praktisch jedes Solo zumindest teilweise mit und markiert auch auf der Bühne selbstbewusst, dass er mal Helloween gründete und war. Sehr geil ist jedoch, dass die Soli meist zwei oder sogar dreistimmig gespielt werden. Helloween haben ja nicht wirklich einen reinen Leadgitarristen. Jeder darf mal Figglen. Und so mit drei Gitarren kommt das schon verdammt cool. Dass Kai aber auch Soli bei Songs spielt, die nach seiner Zeit bei Helloween herauskamen, überrascht mich doch ein bisschen. Also nicht, dass man – und vor allem Tanja Veil – mich falsch versteht, ich mag Kai ja und was er musikmässig alles geleistet hat die letzten schon fast 4 Jahrzehnte, aber je länger die Show dauert, desto mehr wird mir das zu viel Hansen und zu wenig Helloween. Vor allem im Mittelteil der Show mit einem ewig langen Kai Hansen-Medley – «The guy who started it all» – bestehend aus den wirklich schnellen «Highspeed German Power Metal»-Nummern. Das ist ja alles gut und recht, aber dass dann Kai 3, 4 Songs lang alleine singt, finde ich bei zwei solchen Hammerstimmen die im Backstage versauern schon etwas … gelinde gesagt: Verschwendung.
Hansen darf dann noch alleine was akustisch dudeln – was grad sehr ein Füller ist. Ich checks nicht, da hat man zwei der besten Stimmen im Metal am Start und dann singt Hansen mehrere Songs nacheinander und macht dann auch noch auf Akustik-Intermezzo.
Fanzit bisher: Saustarker Beginn, schwacher bis langweiliger Mittelteil. Da langweilt sich wohl nicht nur ich – gut die Blödeleien vom Basser Markus Grosskopf und Gitarrist Michael Weikath gehören bei Helloween ja zum Standard-Repertoire. Aber ich staune schon, dass man Hansen so viel Auslauf gibt. Helloween ist ja nach wie vor kommerziell sicher erfolgreicher als alles andere was Hansen nach seiner Kürbis-Zeit auf die Beine gestellt hat. Da müsste doch eher Hansen hintenanstehen.
OK, immerhin darf jetzt Kiske wieder mal und nach über einer halben Stunde Pause schliesslich auch Deris. Frag mich, was der auf dieser Tour jeweils macht, bis er wieder dran ist. Da ist man auf Adrenalin und fährt ja wieder völlig runter.
So oder so, so richtig Stimmung gibt’s erst gegen Ende wieder mit «Eagle Fly Free» und dann den Anfangstönen zur «Keeper Of The Seven Keys» … dann wird die Band vorgestellt und weg ist die. Schade, wurde Keeper nicht ganz gezockt. Das wäre um einiges passender gewesen als der han’sche Mittelteil.
Die todsicheren Zugaben «Future World» und «I Want Out» stimmen mich dann wieder zufrieden. Nun, das Ganze ist für mich sehr durchzogen, ich habe definitiv mehr erwartet. Die «Hansen United» hatte einen sackstarken Einstieg, verschwendeteten Mittelteil und einen versöhnlichen Schluss.
Setliste Helloween – Pumpkins United
- Halloween
- Dr. Stein
- I’m Alive
- Waiting for the Thunder
- Starlight / Ride the Sky / Judas / Heavy Metal (Is the Law)
- A Little Time
- f I Could Fly
- Power
- How Many Tears
- Invitation
- Eagle Fly Free
- Keeper of the Seven Keys (nur Intro)
- Guitar Solo ((Kai Hansen, „In the Hall Of The Mountain King)
- Future World
- I Want Out
Fotos Helloween (Friedemann)
Iron Maiden – Festival Stage
Der grosse Headliner steht an. Meine Erwartungen sind riesig an die «Legacy of the Beast»-Tour. Es soll eine Best-of-Show im Stile von «Maiden England» 2013/2014 sein. Ich habe extra keine Setlisten von den bisherigen Shows in Skandinavien gecheckt. Der Start der Tour war in Tallinn. Ich will mich heute einfach einer grandiosen Show hingeben. Ich hoffe jetzt einfach, ich werde da jetzt nicht wie bei Helloween etwas enttäuscht.
«Doctor, Doctor» schallt aus den Boxen. Das Standard-Intro einer jeden Maiden-Show. Zwei Drill-Sergeants kommen im Kämpfer auf die Bühne und platzieren sich auf dieser am linken und rechten Rand. Boxen, Monitore und der vordere Teil des Schlagzeugs sind mit Tarnnetzen überzogen. Nicko wird man hinter seinen Kesseln also noch weniger als sonst sehen. Das erste riesige Backdrop deutet «Aces High» als Eröffnungssong an. Und schon kommt das Intro – die Ansprache von Winston Churchill mit dem legendären Schlusssatz «We will never surrender!». Tja, und was jetzt geschieht, ist wohl so ziemlich einmalig in der Welt der Live-Konzerte. Eine Spitfire – passend zum Song ein Jagdflugzeug aus dem zweiten Weltkrieg – wird in Originalgrösse (!!!) hochgezogen und schwebt jetzt einfach so mal über der Bühne und Köpfen der Band hoch und runter. Wir hatten ja schon Dampflokomotiven bei AC/DC oder den Bomber bei Motörhead, aber das lässt alles nach Kinderkram aussehen. Dieser Anblick alleine ist schon der ganze Eintritt werden. So viel schon vorweg, was die nächsten zwei Stunden geboten wird, toppt alles was ich bisher von Maiden oder sonst einer Band gesehen habe. Da kann auch eine Madonna, Lady Gaga oder Pink einpacken und einzig und allein AC/DC mithalten.
Die Band ist wie immer sehr gut drauf. Bruce rennt schon mit dem ersten Takt über die Bühne, hoch und runter – stilecht mit einer Pilotenkappe und -Brille. Das nächste Mal fliegt er wohl mit einem seiner eigenen alten Flieger aufs und übers Gelände. Hat er an einer Flugshow bzw. in Donington ja auch schon gemacht …
Der Sound ist perfekt – insbesondere auch die Drums. Wenn ich daran denke, als wir im Februar Nicko in seinem Rippli-Laden in Florida trafen … da wirkte er in seinen Badelatschen und Pluderhose wie in typischer Ami-Rentner der in den Süden flüchtet und dort vor allem Golf spielt – nur sein alter Jaguar gab seine Herkunft preis. Doch auf der Bühne hinter seinem Arsenal an Drums bringt’s der Typ schon noch ziemlich fett. Aber auch ein Steve Harris galoppiert seinen Bass wie eh und je und das mit einer meist unterschätzten Geschwindigkeit. Mit drei Gitarristen dürfen natürlich auch mehrstimmige Soli nicht fehlen. Ich bin mit Maiden ein Spätzünder aber jedes Mal, wenn ich die Band live erlebe, finde ich die Engländer noch ein bisschen genialer. Wenn man sich über die grösste Metal-Band aller Zeit unterhalten müsste, dann gäbe es mit Metallica und Maiden ein Kopf an Kopf-Rennen. Zumindest showmässig toppen Iron Maiden Metallica mit der jeweils aktuellen Tour um Längen. Und das sagt jetzt jemand, der Metallica über alles stellt.
Das nächste Backdrop zeigt einen Atompilz … richtig, «2 Minutes To Midnight» steht an. Der Song handelt von der atomaren Vernichtung der Menschheit bzw. dass die im Kalten Krieg mal kurz davor stand.
Bruce erzählt uns anschliessend, dass wir heute das letzte Konzert der Skandinavien-Tour erleben. Alle Shows seien restlos ausverkauft gewesen. Nicht ganz ohne Stolz bedankt er sich dafür. Die Legacy-Show erzähle eine Geschichte, die keiner weiteren Worte von ihm bedürften. Somit sei es das letzte Mal, dass er heute zu uns spreche. Gut, natürlich sage er noch ein bisschen «…shit like ‘scream for me Sweden’». Das hatte er heute schon mal … und wird auch bei diesem einzigen Mal bleiben. Maiden zelebrieren heute ihre Geschichte. Da braucht es in der Tat keine weiteren Worte.
Die Backdrops sind schon alle der Hammer – zum Beispiel auch zu «The Clansman». Denn höre ich heute zu ersten Mal live. Es kommen also durchaus auch weniger bekannte Songs zum Zug. Nicht eine reine Best-of-Show, sondern eine, die alle Ären der Band abdeckt. Auch die, als Bruce noch nicht oder für eine Zeit nicht mehr der Sänger war.
Bei «The Clansman» kann Bruce übrigens auch seine Fechtkünste live zum Besten geben. Fortsetzung folgt. Nämlich nach einem Intermezzo mit akustischem Bass von Steve mit «The Trooper». Eddie beehrt uns auf der Bühne. Und in der Vergangenheit war das übergrosse Bandmaskottchen ja jeweils sehr steif und schlaksig unterwegs. Doch Eddie 2018 zeigt Mimiken und bewegt sich sehr geschmeidig und real. Ein solcher Eddie habt ihr noch nie gesehen! Eddie is alive! Genial auch die Details von seiner zerschlissenen Trooper-Uniform und der Schussverletzung am Kopf. Einmal mehr: Mehr geht nicht.
Und so ein agiler Eddie stellt sich natürlich Bruce auch zum Fechtkampf bzw. er fordert ihn heraus. Bruce läuft ihm jedoch immer wieder davon und auch mal zwischen den Beinen hindurch bis er schliesslich die Schweden-Fahne schwingt und aus der Fahnenstange heraus auf Eddie schiesst. Dieser läuft irgendwann genervt davon. Hoffentlich hat das hinter der Bühne kein Nachspiel …
Nach The Trooper werden die die Tarnnetze entfernt. Auf der Zwischenbühne und auf den Schlagzeugbecken erscheinen jetzt die Bilder der Legacy Tour und im Hintergrund steht jetzt eine riesige Kathedrale mit den farbigen Kirchenfenstern mit den Eddie-Motiven. Kronleuchter werden heruntergelassen. Leute, so was müsst ihr live erleben! Das sieht man definitiv nicht alle Tage. Und wir erleben heute die zweite Messe am Sweden Rock.
Epische Songs wechseln sich mit Klassikern. Bei den längeren Bombast-Songs kommt auch immer wieder rüber wie komplex Maiden-Songs sein können. Auch wenn für viele Maiden immer gleich und simpel tönt, das steckt doch einiges mehr drin, als man denkt. Live nimmt man das noch viel mehr war als ab Konserve. Der Sound könnte nicht besser sein, aber das hatten wir glaub ich schon. Bass, Gitarre, Drums – das perfekte Zusammenspiel einer perfekt harmonierenden Band. Da zeigt sich die 40jährige Bühnenerfahrung. Da können nicht viele Bands alter Schule mithalten. Und wie schon erwähnt, die Jungs sind ja auch keine 20 mehr … Und wenn wir schon bei alter Schule sind: Ein Steve Harris verlässt während dem ganzen Set nie die Bühne! Er ist jede Sekunde präsent. Das kennt man ja sonst fast nur von Angus Young.
Und noch ein Zückerchen gefällig? Zu «Flight Of Icarus» fliegt dieser als riesige (aufgeblasene) Stahlfigur über der Bühne. Ich frag mich, wie man hier einfach mal so schnell einen Flieger aufhängt, dann dauernd überdimensionale Backdrops auswechselt etc. etc. Eine Maiden-Show ist auch eine logistische Meisterleistung. Gut, damit der Icarus auch endlich mal wieder runterkommt, dafür sorgt nicht die Sonne, sondern Bruce mit einem doppelten Flammenwerfer !!! Heiliges Flammenrohr, wie bedient man ein solches Ding, fackelt keinen Mitmusiker ab und singt gleichzeitig, ohne dass man in seiner Stimme kaum was merkt ?!? Der finale Absturz wird dann aber mit einem Feuer von oben symbolisiert. Einmal mehr: Ganz grosses Kino. Selten hat dieser Spruch besser zu einem Live-Konzert gepasst. Wir erleben heute das Maiden-Musical.
Nach der Hitze folgt die Hühnerhaut. «Fear Of The Dark» löst wie gewohnt so viel Hühnerhaut aus, dass jedem paarungswilligem Güggel die Federn strammstehen. Weitere Highlights sind jetzt mit einem Klassiker nach dem anderen «The Number Of The Beast» (dieses Mal ohne Eddie) und natürlich auch der Bandklassiker «Iron Maiden». Bei Letzterem sehen wir das aufgeblasene Beast von Legacy of the Beast (siehe auch unsere Review zum namensbringenden Game dieser Tour). Das ist – ihr ahnt es schon – einmal mehr schlichtweg bombastisch. Ich habe schon viel Aufgeblasenes gesehen. Zum allerersten Mal 1991 die Rosie von AC/DC. Maiden’s Beast toppt da wieder alles. Viel Feuer dazu bringt die Hölle auf die Bühne.
Die Zugaben bestehen aus «Evil That Men do», «Halloweed Be Thy Name» (episch!) und als definitiver Rausschmeisser kommt nochmals eine Mitsing-Hymne mit «Run To The Hills». Das habe ich mir fast gedacht oder noch mehr gewünscht. Besser kann man eine solche Bombast-Show nicht abschliessen. Oder in den Abschiedsworten von Bruce: «That was the legacy of the beast!»
Meine Worte dazu: Mehr geht nicht. Ich bin geflashed. Die Reise nach Schweden hat sich gelohnt und ich kann die Show im Hallenstadion am 10. Juli kaum erwarten. Wer da nicht hingeht ist selber schuld. Er verpasst nicht nur eine Maiden-Geschichte, sondern Musik-Geschichte!
Setliste Iron Maiden
- Doctor Doctor (Intro)
- Churchill’s Speech – Aces High
- Where Eagles Dare
- 2 Minutes to Midnight
- The Clansman
- The Trooper
- Revelations
- For the Greater Good of God
- The Wicker Man
- Sign of the Cross
- Flight of Icarus
- Fear of the Dark
- The Number of the Beast
- Iron Maiden
- The Evil That Men Do*
- Hallowed Be Thy Name*
- Run to the Hills*
*Zugaben
Kreator – Rock Stage
Eigentlich kann man nach einer solchen Show – die wir grad mit Maiden erlebt haben – nur noch schlafen gehen. Aber halt, das spielen ja noch die Thrash-Teutonen Kreator. Also so ganz einfach kann ich da nicht einfach vorbeilaufen … und bei einem Killer-Brett ohne Gefangene – bei Mille ist das ja Programm – wie beim Opener «Phantom Antichrist» bleibt man schnell mal hängen. Mit «Hail To The Hordes» als Dank an die treuen Fans, «Enemy Of God» und seinen legendären Ansagen zieht er und seine Mitknüppler nicht nur mich in den Bann. Mille will schliesslich, dass aus dem Sweden Rock ein «Sweden Masssaaaaakkkeeeeer» wird. Mit seiner kreischenden Stimme, Akzent und Mimik könnte man meinen, er meint das jeweils ernst, was er so von sich gibt. Nun, seien wir froh, hat sich der Pit noch nie gekillt. Gut, so bös sich das jeweils anhört, wenn dann anschliessend die Fötzelikanone losgeht, fühlt man sich grad wieder an einem Kindergeburtstag. Nach dem volksdümlichen Schlager die wohl dümmste Erfindung im Musikbusiness. Ich check den Nutzen echt nicht, dass man Papierfötzel und -Schlangen in die Natur herausschiesst, im Zeitalter von Littering und verseuchten Ozeanen. Was Dümmeres gibt’s für mich kaum.
Anyway, fröhlicher machen mich diese messerscharfen Riffs. Ich bin in den letzten Jahre vom Kostverächter zum richtigen Kreator-Fan geworden. Die letzten Alben sind alle Killer-Silberlinge.
Und auch showmässig wird einiges geboten. Im Thrash Metal sind sie da ganz vorne mit dabei. Angefangen bei Mille, aber auch die anderen Jungs sind sich im höheren Alter nicht zu schade, sich dem Genre entsprechend headbangend zu verhalten. Wenn ich sowas mit Megadeth oder Slayer vergleiche … Und schliesslich bieten sie auch ein Hammerbühnenbild. Auch sie haben Kirchenfenster – die hatten sie schon vor der aktuellen Maiden-Tour – aber diese dienen gleichzeitig als Screens, die je nach Song unterschiedlichen Inhalt zeigen. Ganz hinten hängt der Bandzombie – Violent Man – und forciert damit den 3D Effekt in die Tiefe des Bühnenbildes. Wirklich ganz geil. Hätte ich jetzt nicht grad das von Maiden gesehen, würde ich jetzt wohl noch ein paar Zeilen mehr schwärmen. Auf jeden Fall verdammt geil.
Zu «Satan Is Real» gibt’s passend auch schön Pyros – diese Höllenflammen wärmen angenehm. Es ist etwas kühler geworden nach Mitternacht. Aber grundsätzlich immer noch sehr angenehm, wenn man hört, dass man sonst eher in der Winterjacke als im Hoodie um diese Zeit dasteht. Da wollen wir uns also keine Sekunde beklagen.
Zu meinem Lieblings-Riff von «Hordes Of Chaos» dürfen nochmals Fötzeli durch die Luft fliegen. Super. Weniger Ironie dafür Emotionen löst die Zugabe «Fallen Brother» aus. Auf den Screens werden Musikhelden der Vergangenheit aus allen mögliche Genres – von Bon Scott, Cliff Burton, Dio, Lemmy bis zu Amy Winehouse – gezeigt. Nachdem dieser teilweise auf deutsch gesungene Song auf der Cruise noch an Martin Fischer von Celtic Frost gewidmet wurde, werden heute die drei in den letzten Jahren verstorbenen Motörheader Wurzel, Phil und natürlich Lemmy bedacht.
Traurig wollen wir aber nicht in Bett. So gibt’s noch zwei Absacker – «Betrayer» und schliesslich wie so oft am Ende «Pleasure To Kill». Mille meint dazu: «This is your last chance to kill each other (im Mosh-Pit)»! Ah, danke, dass wir noch eine Möglichkeit dazu erhalten. Für alle die, die es bisher nicht geschafft haben.
Das war’s dann definitiv. Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch die ganze Show erlebe, zu geflasht war ich nach Iron Maiden und zu müde vom ersten – heissen – Festival-Tag. Aber zu gut waren Kreator, so dass es kein Entrinnen gab. Und das war gut so. Denks für mich und begeb mich in das Land der Metal-Träume. Gute Nacht.
Setliste Kreator
- Phantom Antichrist
- Hail to the Hordes
- Enemy of God
- Satan Is Real
- Civilization Collapse
- People of the Lie
- Flag of Hate
- Phobia
- Gods of Violence
- Total Death
- From Flood into Fire
- Hordes of Chaos (A Necrologue for the Elite)
- Violent Revolution
- Totalitarian Terror
- Fallen Brother
- Betrayer
- Pleasure to Kill
Weitere Bandfotos Tag 2 (Friedemann) von Body Count, The Mick Clarke Band, H.E.A.T., The Raven Age, Dark Element, Hedda Hatar, Rose Tattoo
Tag 3 – Freitag, 8. Juni 2018
The Darkness – Festival Stage
«One Way Ticket To Hell And Back …». Ich starte gemütlich in den Freitag. Zmörgelen beim Camper, noch ein bisschen für Metalinside und sonst ein bisschen Schaffen. Mein erster Fixpunkt auf dem Festival-Gelände sind die Glam-Rocker von der Insel. Schon krass, als wäre es gestern gewesen, erinnere ich mich an die Band, die mit frischen und Retro-Glam-Rock vor ein paar Jahren die Welt in die 70er und 80er zurückkatapultierte. Wer hat deren Debut «Permission to Land» … nicht auch im Regal stehen? Aber so schnell die Rakete gen den Himmel flog, so schnell war sie vom Rader verschwunden. Zumindest auf meinem. Es blieb bei der einen CD im Regal. Doch heute nutz ich die Chance, die Band doch noch mal live zu erleben.
Es ist heute noch etwas wärmer bzw. für schwedische Verhältnisse noch heisser. Heiss sind auch die Bühnenklamotten der Bandmitglieder – inklusive einem Sack- Chacheli bei Sänger Justin Hawkins Groupie-Lutscher. Mehr Glam, mehr 70s geht nicht. Geil auch Gründungsmitglied und Basser Frankie Poullain mit seinem Afro und Hufeisen-Schnauzer.
Ich bin nicht so der Darkness-Kenner. Doch rein optisch, setz ich die Engländer ganz zuoberst aufs Visual-Ranking. Doch soundmässig ist es leider gar nicht mein Ding. Nach zwei, drei Songs hat man einfach genug von diesem hohen Geduddle des Sängers – der Dauer-Falsett-Gesang stellt ja sogar die Bee Gees in deren Disco-Ära in den Schatten. Eigentlich ging es mir ja schon bei der CD so. Das ist wohl der Grund, warum ich mir diese kaum je an einem Stück anhörte. Auch bei meinen Mit-Festivalaner gewinnen sie keinen Kranz und somit sind wir fast so schnell wieder weg, wie wir angekommen sind. Das war jetzt mal gar nix für unseren Geschmack. Denen die länger bleiben scheint’s aber zu gefallen und textsicher sind die mehrheitlich auch. Jedem das Seine und uns das Unsere.
Setliste The Darkness
- Solid Gold
- Growing on Me
- Black Shuck
- One Way Ticket
- Givin‘ Up
- Buccaneers of Hispaniola
- Barbarian
- Open Fire
- Love Is Only a Feeling
- Stuck in a Rut
- Get Your Hands Off My Woman
- Japanese Prisoner of Love
- I Believe in a Thing Called Love
- Love on the Rocks With No Ice
Fotos The Darkness (Friedemann)
Turbonegro – Rock Stage
Wieder so eine Band, die wohl jeder kennt, aber wohl auch fast jeder nie live gesehen hat. Wer kennt die Turbojugend nicht? Genau, die mit ihrem Jeansjäggli und dem markanten Logo auf dem Rücken: Lederkäppi und Turbojugend Schriftzug und darunter deren Homebase (Orte, die man meist nicht mal vom Hörensagen kennt, oder hat jemand schon mal Turbojugend Zürich gesehen? Oder Berlin? Rom? Paris?). Egal, aussehen tut das schon sehr cool.
Ob ich das Aussehen der Band cool finde, bin ich mir noch nicht ganz so sicher. Schon alles sehr gewagt. Die Village People des Rock n’ Roll. Ohne zu werten, aber die reine Schwulenband (was sie aber gemäss Wikipedia nicht sind). Der aufgeblasene – was für ein Wortspiel – Penis, der offensiv in den vorderen Reihen geschwungen wird, scheint das noch zu untermauern. Vielleicht sollte ich mich jetzt etwas über die Historie der Band schlau machen. Irgendeinen Hintergrund muss das ja haben.
Aber eigentlich egal, die Band und die Leute davor – zumindest die, die nicht einfach mit offenem Mund und grossen Augen dastehen – scheinen den Plausch zu haben. Und höre ich da jetzt grad Dead Kennedys? Der Refrain «Smoke Pot» (?) hört sich verdammt nach Pol Pot von «Holiday in Cambodia» an. Als wäre das nicht schon alt genug, fragt Sänger – in seinem zu engen, sackigen Kurzhösli und Wampen-Shirt – ob wir jetzt einen wirklich alten, einen Old School Song hören wollen? Wie immer ist das eine rein rhetorische Fragen. Natürlich wollen das immer alle. Was gibt’s? «Mama … uuuuuuhuuuuunuuuuuuhuuu»; «Bohemian Rhapsody» Queen. Anschliessend gibt’s eine speedige Version von «We Will Rock You». Nebst «Born To Be Wild» als Cover live ein absolutes No-Go. Zu ausgelutscht. Aber in diesem Tempo habe ich den «Ich-Bin-jetzt-auch-ein-Rocker»-Brüller noch nie gehört. Und das ist doch schon wieder OK.
Hm, habe ich jetzt wieder richtig gehört? See you Zlatan? Referenz an den selbsternannten Fussball-Gott aus Schweden als Remisenz an «City Of Satan»? Na ja, ich bin da irgendwie überfordert vom Ganzen. Es schwankt zwischen verdammt geil bis zu peinlicher geht nicht mehr. Aber grad das ist Programm bei Turbonegro. Passt aber nicht so ganz zu den doch eher schon fast bünzli-gestylten Töffli-Turbo-Jugend. Einenweg, bevor wir noch schnell zu Uriah Heep um die Ecke wechseln, gibt’s noch «I Got Erection» Das kennt man doch. Man doch und nicht «Mann» doch. Ich mein den Song. Der ist doch noch cool. Den nehmen wir noch mit.
Setliste Turbonegro
- Part II: Well Hello
- Part III: Rock N Roll Machine
- City of Satan
- Bohemian Rhapsody (Queen Cover)
- I Got Erection
- Hot for Nietzsche
- All My Friends Are Dead
- Wasted Again
- John Carpenter Powder Ballad
- Selfdestructo Bust
- Special Education
- The Age of Pamparius
- Get It On
Uriah Heep – Sweden Stage
Im perfektem Timing erwisch ich grad noch die Lady in Schwarz. Es mag an meiner nicht 100% soundtechnisch idealen Position liegen, aber das hört sich jetzt ein bisschen gar schepper an. OK, ich verschieb mich mal 20 Meter nach links in Richtung Bühnenmitte, Mischpult. Etwas besser. Aber ich glaub, da habe ich heute nicht viel verpasst. In Wacken vor ein paar Jahren hat das ganze irgendwie mehr Drive.
Fotos Uriah Heep (Friedemann)
Da passt doch grad ein erstes Résumé …
Zwischenfanzit
Bevor Ozzy unser Herz erwähnt, habe ich noch etwas Zeit, ein paar weitere Zeilen zum Festival selbst zu schreiben. So ein Zwischeneindruck von der ersten Hälfte des Sweden Rock Festival. Das mit den sauberen WCs inklusive Spülung habe ich glaub schon erwähnt. Sind ja auch schon einige Leseminuten seither. Wenn, dann sicher auch, dass die WC-Anlagen sehr konzentriert sind und somit Wildpinkeln Schwedens Volkssport Nummer 1 zu sein scheint.
Das Gelände selbst liegt sehr nah am Meer. Ist eigentlich der verlängerte Strand. Das wird einem vor allem am Morgen bewusst, wenn man aufwacht, und sich die Nase bzw. der Inhalt so anfühlt, als hätten man den halben Abend geschnupft. Durch die Trockenheit liegt viel Sand in der Luft. Der leicht sandige Boden hat sicher auch den Vorteil, dass es beim Regen nicht zu schlammig wird. Aber wie das genau wäre, wollen wir eigentlich gar nicht wissen und wir geniessen weiterhin das perfekte Festivalwetter.
Auf dem kompakten Gelände hat es wenig Sitzgelegenheiten. Eigentlich nur auf den WC-Schüsseln. Darum und wegen dem sehr hohen Durchschnittsalter – das SRF sei das einzige Festival der Welt, bei dem das Durchschnittsalter jedes Jahr ansteigt – hat wohl auch die Hälfte der Besucher einen Klapp-Stuhl dabei. Sowas habe ich noch auf keinem Festival-Infield gesehen. Und ich weiss noch nicht so genau, ob ich das cool finde oder nicht. Eigentlich stören die ja nicht. Wer in bühnennähe auf seinem Stühlchen sitzenbleibt, der schaut wortwörtlich in den Arsch (der Leute vor ihm). Die Sitzeler befinden sich vor allem in dem Zentrum des Geländes – zwischen der Festival- und Rock-Stage. Die bewegen sich da kaum, drehen sich einfach jeweils 180°, um das nächste Konzerte der jeweiligen gegenüberliegenden Bühne zu sehen. Noch praktisch. Wie lange geht’s wohl, bis jemand einen Drehstuhl mitbringt? Das wäre noch etwas praktischer.
Das Durchschnittsalter ist zwar hoch, wohl über 40, doch zu meiner Überraschung hat es deswegen nicht weniger Sturzbetrunkene. Auch das kann man wörtlich nehmen. Die Schweden torkeln nicht einfach nur so rum, sie knallen sich einfach Flach auf den Boden. Und als mehrfache Eishockey-Weltmeister sind sie die geborenen Checker. Ich wurde noch nie so oft angerempelt und das Wort «Tschuldigung» kennen die nicht. Scheint ein einziges Bodycheck-Trainingslager zu sein. Passt irgendwie nicht ganz zu den sonst doch sympathisch-freundlichen Schweden. Irgendwie hat man das Gefühl, dass beim Sweden Rock Festival viele Familienväter, -Mütter, -Eltern einmal im Jahr die Sau rauslassen können. So wie bei uns in der Innerschweiz während der Fasnacht. Zwar weniger rumgegröhle als bei Festivals mit jüngerem Publikum, aber dafür umso torkelnder.
Was man bevorzugt, sei jetzt mal dahingestellt. Beides kann von amüsant bis mühsam ausarten.
Auch zuschauermässig ist es nicht ganz so familiär, wie ich mir das aufgrund der vielen Schwärmereien vorgestellt hatte. Grad am ersten Festivaltag war es ziemlich voll auf dem Gelände. Die Organisation hat mir dann auch bestätigt, dass man noch nie so viele Leute an einem Tag am Sweden Rock hatte. Maiden waren da ein sehr starkes Zugpferd und so waren es anstelle der üblichen 30’000 rund 40’000 Nasen auf dem Gelände. Also schon nicht mehr ganz so cozy. Nun, für Maiden nimmt man es gerne in Kauf, aber unter einem familiären Festival stelle ich mir was anderes vor. Die folgenden Tage waren dann etwas weniger voll, aber immer noch sehr gut besucht. Das gute Wetter hat natürlich nebst dem genialen Line-up auch dazu getragen. Aber wer nicht nach Wacken fährt, weil es ihm zu viele Leute hat, sollte bei diesen Voraussetzungen auch nicht ans SRF. In Wacken sind es zwar doppelt so viele, aber die verteilen sich dafür auch besser und die Deutschen sind noch besser organisiert auf einen solchen Ansturm.
Ozzy
Nun, man könnte noch mehr ins Detail gehen, aber ich glaub, das reicht mal für einen ersten Festivalüberblick und somit stehen wir – wie ich selten – schon sehr früh in den vorderen Reihen bei Ozzy. Es wird auch bald etwas getuschelt. Nicht wegen uns, sondern wegen einer scheinbar schwedischen Langlauflegende, die mehrere Olympia-Goldmedaillen gewonnen haben soll. Man stelle sich Dario Cologna mittendrin der Masse im Greenfield vor. Na gut, den Altersunterschied hatten wir schon. Also man stelle sich einen torkelnden Cologna … OK, lassen wir es. Und der Olympiasieger hat übrigens (noch) nicht getorkelt, bevor jetzt da falsche Schlüsse gezogen und Gerüchte in den Umlauf gebracht werden.
Die Reihen füllen sich nahdisnah auch beträchtlich und so sind Klappstühle im Einsatz auch für die Hardcore-SRFler keine Option mehr. Zumindest im vorderen Bereich.
Und als dann Ozzy himself auf die Bühne kommt, gibt’s eh keine Halten mehr. Wenn der sich schon bewegt, dann sollten wir das alle auch. Wobei bei Ozzy frag ich mich immer, ob der überhaupt mitkriegt, was da grad mit ihm geschieht. Wie ein orientierungsloser Bär tigert er immer ein, zwei Meter links und rechts von seinem Mikständer hin und her. Aber nie, ohne möglichst schnell wieder zu seinem rettenden Hafen, seiner Insel – ebendiesen Mikrofonständer – zurück zu kehren und diesen mit beiden Händen fest zu halten. Ich werde die Vorstellung einfach nie los, dass Ehefrau Sharon ihren Ozzy hinter der Bühne fernsteuert.
Doch alles andere wäre nicht Ozzy und wie bei Black Sabbath kann er sich auf Hammermitmusiker verlassen. Und auf seine markante Stimme. Der Rest sei ihm und seinem Rockstarleben verziehen. Ich hatte mal das Vergnügen Ozzy mit Black Sabbath im Hallenstadion vom Fotograben direkt vor der Bühne abzulichten. Und es ist ein Phänomen, wie man seine Augen während 90 – 120 Minuten ohne einmal zu Blinzeln so weit aufsperren kann. Da wird wohl das eine oder andere Pilleli mithelfen. Oder sind seine Augen gar zu und die Iris auf die Lider aufgemalt?
Nun, auch seine Ohren scheinen zu zu sein: «I can’t fucking hear you!» Als dann die Masse zu diesem typischen Ozzy-Anpeitscher aufheult, sagt er schon fast erleichtert: «Ah, there you are.» Was die These mit den aufgemalten Augen untermauert … 😉
Wie auch immer, Ozzy schafft es wie auch immer mit wenigen Gesten und unrhythmischen Bewegungen die Massen zu verzaubern, zum Klatschen und Winken zu animieren. Da sind seine Sinne nicht mehr so gefragt.
Soundmässig ist es jedoch leider nicht ganz so top wie erwartet. Der Bass wummert zu viel des Guten und was schon bald ins nervige übergeht, sind die endlosen Dauersoli von Mister Zakk Wylde. Der Gitarrero ist zwar eine Wucht anzuschauen, irgendwo unter all den Kopf- und Gesichtshaaren vermutet man sein Gesicht, aber es wird immer mehr zur Zakk feat. Ozzy Show. Das Dauergefrickle bei jedem Song, bei jedem Riff geht mir schon fast auf den Sack. Der Typ mag für Viele eine Legende sein und seine Axt sicher beherrschen, aber wenn jeder Song schon fast verhunzt wird, dann verlier ich den Respekt von all seinen Fähigkeiten. Das minutenlange Soli bei «War Pig» von Black Sabbath lässt wohl nicht nur bei mir den Geduldsfaden reissen. Soli hinter dem Kopf. Check. Soli mit den Zähnen. Check. Soli im Fotograben und somit unsichtbar für mehrere Minuten. Check. Und als er dann endlich, endlich wieder mal auftaucht und eine Pause macht … kommt das Drumsolo. Ach stimmt, der darf natürlich auch noch, nur Schade, dass das einzige was man davon hört, die wummernde Bassdrum ist.
Und wo ist eigentlich die ganze Zeit der Herr, um den es eigentlich heute geht? Der auf SEINER Abschiedstour ist? Ozzy scheint grad in der Massage zu sein. Oder schnell nach Hause nachschauen, ob die Kochplatten ausgeschaltet sind.
Und was folgt auf eine Drumsolo? Na klar doch, ein Gitarrensolo. Wieder ewig lang bei «Shot In The Dark». Das Schlimmste dabei? Es hört sich alles immer gleich an. Dito bei «Crazy Train» – selbst dieses markante Riff wird verfrickelt als ging es um einen Gitarrencontest oder was hält länger, die Saiten von Zakk Wylde’s Gitarre oder unsere Nerven? Beides wird definitiv überstrapaziert. Zakk ist viel zu überaktiv, weniger wäre da Einiges mehr gewesen. Und wenn Ozzy längere Pausen braucht, dann sollen sie doch einen Black Label Society Song oder sonst irgendein Cover zocken.
Nun, ich will euch damit jetzt nicht gleich langweilen, wie die Soli, die ich grad über mich ergehen lassen muss. Falls doch, dann könnt ihr jetzt mitfühlen.
Im Hintergrund steht ein riesiges Kreuz, dass immer wieder mit Lichteffekten strahlt. Dass dann plötzlich Ozzy draufsteht, hat bei einer Abschiedstour schon einen etwas makabren Charakter. Aber ich glaub Ozzy wird uns eh alle überleben. Und wenn er dann mal Zakk Wylde nach oben oder unten mitnehmen will, will ihn eh keiner.
Entschuldigt, ich bin wieder bei der gleichen Leier. Ihr lest einfach meine grosse Enttäuschung. Kein Vergleich mit Black Sabbath vor ein paar Jahren im Hallenstadion. Da war es eine Band und Ozzy ein wichtiges Puzzleteil. Aber heute war es eine One-Man-Show mit einer ferngesteuerten Marionette. Da können auch die Zugaben «Mama, I’m Coming Home» und «Paranoid» nichts mehr rausholen. Bei Letzterem, dem Übersong, wummert einmal mehr nur der Bass und was man von der Gitarre hört, war zu schrill, zu abgehackt, zu wenig Tony Iommi. Da wird einem bewusst, dass der Black Sabbath Sound wirklich kein anderer besser beherrscht, als sein Schöpfer.
Nach knapp 90 Minuten trottet Ozzy von der Bühne. Ich hätte das heute lieber nicht erlebt und ihn mit Black Sabbath in Erinnerung behalten. Zeit fürs Camper-Bett. Ich hoffe, dass ich dann nicht von einem Bärtigen träume, der mir endlose, sich immer wiederholende Soli vorspielt …
Setliste Ozzy
- O Fortuna (Intro)
- Bark at the Moon
- Mr. Crowley
- I Don’t Know
- Fairies Wear Boots (Black Sabbath)
- Suicide Solution
- No More Tears
- Road to Nowhere
- War Pigs (Black Sabbath)
- Miracle Man / Crazy Babies / Desire / Perry Mason (Instrumental Medley + Zakk Wylde Solo)
- Drum Solo
- I Don’t Want to Change the World
- Shot in the Dark
- Crazy Train
- Mama, I’m Coming Home*
- Paranoid* (Black Sabbath)
- Changes (Outro)
*Zugaben
Weitere Bandfotos Tag 3 (Friedemann) von Vixen, Skindred, Pretty Maids, Madam X, Inglorious, Baroness
Tag 4 – Samstag, 9. Juni 2018
Unser Raclette-Bestand neigt sich dem Ende zu und so auch das Festival. Gut, unsere Bäuche werden nochmals mächtig mit Käse gefüllt und so sind wir bereit für weitere musikalische Highlights begleitet von dem einen oder anderen Bierli.
Apropos, Bierli … schon fast peinlich, dass heute schon früh am Nachmittag der Biervorrat des Hauptsponsors – Falcon – zu Ende geht. Tja, das schöne Wetter macht durstig. Was es aber übrigens in Schweden nicht macht: Surfig. Ich habe bisher noch keinen Crowdsurfer erlebt. Gut, hat sicher auch mit dem Alter des Publikums zu tun, aber trotzdem, eher überraschend. Das würde unser Kaufi sicher freuen.
The 69 Eyes – 4Sound Stage
Etwas fies, wenn man als Dark Rocker – selbstredend mit entsprechender schwarzer Kluft – kurz nach Mittag gegen die brennende Sonne spielen muss oder darf. Doch Style kommt (meist) kurz vor dem Hitzetod. Vor allem Elvis-Reinkarnation und Sänger Jyrki 69 schaut, dass der Reissverschluss von seiner – natürlich schwarzen – Biker-Lederjacke ja immer bis zum letzten Zahn hochgezogen ist. Der müsste ja drunter Kochen, pfeift jedoch zum Ohrenvergnügen nicht aus dem letzten Loch, sondern singt gewohnt tief wie es der King fast nicht besser konnte. OK, der Vergleich ist jetzt schon sehr deftig, aber die Stimme von Jyrki ist auch mit sehr viel Coolness gesegnet und hört sich auch noch gut an.
Das war doch ein vielversprechender Einstieg in den letzten Festivaltag. Gerne weiter so.
Fotos The 69 Eyes (Friedemann)
Pain – Rock Stage
Eine der Bands, die ich mehr oder weniger nur vom Namen her kenne. Die Schweden spielen zwar früh, aber ihr Heimspiel ist dennoch sehr gut besucht. Da muss doch was dran sein und Kollege Roman schwärmt schon fast von denen. Also nix wie in die Masse rein.
Juhuii! Gleich zu Beginn eine Fötzeli-Kanone. Wer bis jetzt durchgelesen hat, weiss was ich davon halte. Schon mal ein Minuspunkt, aber wie Kreator bewiesen hat, kann dies mit einer starken Performance und Hammersongs kompensiert werden.
Aber was ich da höre, wird’s schwer haben die Papierfetzen zu rechtfertigen. Die Drums extrem getriggert und allgemein viel zu viel Elektro-Einschübe für meinen Geschmack. Der seichte Gesang à la Prong zwar eher, aber irgendwie passt das – zumindest live – alles nicht so zusammen. Die Drums sind mir zu dominant. Vielleicht aber halt einfach nicht mein Stil. Fötzeli haben gewonnen, ich kapituliere zugunsten von Slade, die gleich um die Ecke spielen (ich liebe diese Formulierung).
Slade – Sweden Stage
Wer sich jetzt fragt, warum die auf der Sweden Stage und Pain auf der Rock Stage spielen … die Sweden Stage hat etwas mehr Platz vor der Bühne und Pain zieht zu Hause wohl mehr. Wobei auch die nicht mehr ganz so jungen Glam-Rocker aus einer anderen Zeit auch nicht grad alleine vor sich hinträllern.
Ich schaffs gerade rechtzeitig zur grossen Party bei «Far Far Away». Es ist pumpenvoll nachmittags um 15.15 Uhr. Und das Schöne dabei, es ist generationsübergreifend was wir hier an Klassikern erleben. «My Baby Left Me» von 1977 … nun, dafür kam ich ja dann (auf die Welt). «Mama Weer All Crazee Now». Diese Songs würden jedes Festzelt zum Bersten bringen. Warum können nicht solche Bands an Oktoberfesten & Co. Spielen? Das meine ich jetzt nicht despektierlich, sondern weil mir die aufgesetzte Party- und Après-Ski Musik so auf den Senkel geht – grad auch weil es ja wirklich genug richtige Musik gibt, die auch Stimmung macht.
Die Jungs auf der Bühne sind alle sehr gut drauf. Schon cool zu sehen und hören, dass man als Band nach über 5 Jahrzehnten immer noch so viel Spass am Live-Spielen haben kann (gut mit Unterbrüchen und auch nicht mehr ganz originalem Line-up). Und das auch ausgiebig zelebriert. Als hätten sie ihren wöchentlichen Auslauf vom Altersheim erhalten. Da könnten sich einmal mehr viele junge Bands eine fette Scheibe davon abschneiden.
Schön hühnerhautmässig, wenn vom 5 bis 70jährigen, vom Rocker bis Black Metaller alle «Let’s sing together my oh my» singen. Einmal mehr besser als jede Religion. Egal was du machst, was du tust, von wo du kommst, wir singen alle zusammen in Peace.
Und gleich weiter geht’s mit der gemeinsamen Singstunde mit «Cum On Feel The Noize». Grad in Schweden, wo in jedem ein Sänger steckt und die Texte nicht nur gemurmelt werden. Krass diese Stimmen bei diesem Song. Mehr Gekreische würde wohl die SUVA auf den Plan rufen.
Das war jetzt aber richtig, richtig geil.
Setliste Slade
- Gudbuy T’Jane
- Take Me Bak ‚Ome
- Lock Up Your Daughters
- Look Wot You Dun
- Everyday
- Coz I Luv You
- Run Runaway
- Far Far Away
- My Baby Left Me
- Mama Weer All Crazee Now
- Get Down and Get With It
- My Oh My
- Cum On Feel the Noize
Fotos Slade (Friedemann)
Steelheart – Festival Stage
Weil man sonst nicht grad beschäftigt ist, gilt wieder mal Horizonterweiterung im Sinne unseres Dutti. Die Ami-Hardrocker Steelheart zocken die Hauptbühne. Da muss doch was dran sein. Zumindest die Stimme hat was von Vince Neil. Allgemein erinnern sie vom Sound her an Mötley Crüe. Scheint aber eher ein Insider zu sein. Trotz der grossen Bühne, ist der Auftritt spärlich besucht. Aber gross Mitleid habe ich mit dem intensivkaugummikätschenden (!) Sänger nicht. Seine Arroganz brauchte wohl den Platz der Hauptbühne und alles davor. Das ist kaum mehr Platz für was anderes.
Ich bin weg. Weg zu den Mädels von Girlschool.
Girlschool – 4Sound Stage
Ah, da sind all die Leute. Vor der kleinsten Bühne des SRF. Die zwar nicht mehr ganz so «Girlies» – zumindest vom Alter und Fassaden her – sehen nicht nur besser aus, als Steelheart, sind auch viel sympathischer und hören sich auch noch um Welten besser an. Ich habe die Mädels schon mal in Wacken erleben dürfen. Old School Heavy Metal meets Punkrock. Live genau mein Ding und kein Wunder fand damals auch Lemmy Gefallen an der Band.
Fotos Girlschool (Friedemann)
Lacuna Coil – Rock Stage
Hm, die sind dann wieder eher schwach besucht. Da hätte ich jetzt bei den Italienern mehr erwartet. Sind ja schon nicht mehr grad eine Insider-Band. Aber wie schon erwähnt, sind heute auch allgemein weniger Leute am Start. Wohl am wenigsten aller drei Tage, trotz noch einigen Perlen die wir erleben dürfen.
Mal schauen, ob mich Lacuna Coil heute auch mal live richtig packen. Bisher haben sie das nie 100% geschafft. Ob es mit dem neuen Look der aktuellen Tour klappt? Nicht mehr ganz zwangsjackenmässig in weiss, sondern schon fast blackmetalmässig inklusive Blutspuren auf Kleidern, Händen und Gesicht komplett in schwarz. Cristina dazu mit ungewohnt blond gebleichten Haaren. Nun, schwarz find ich besser. Weil wir Frauen auf der Bühne halt immer mehr nach dem Äussern beurteilen als Männer, wird auch getuschelt, ob sie eventuell schwanger sei. Ein kleines Bäuchlein ist sichtbar. Nun, die gebleichten Haare sprechen eher dagegen. Wer wissen will warum, liest eines meiner Interviews mit Tarja …
Egal, mir gefallen sie heute definitiv besser als auch schon. Doch auch heute schaffen sie es mit ihrem Gothic Rock/Metal bei mir nicht restlos, mich aus den Tretern zu hauen. Vielleicht liegt’s halt auch einfach den Songs, die mich nicht vollends packen. Da Finnland gleich neben an liegt und Stratovarius vom Land der 1’000 Seen gleich auch nebenan spielt, mach ich jetzt mal einen Abgang.
Fotos Lacuna Coil (Friedemann)
Stratovarius – Sweden Stage
Hm, die Finnen gehören ja schon zu den Legenden und Neu-Deutsch Influenzern im Power Metal – vor allem dem nordischen Stil. Ich habe Stratovarius vor über 20 Jahren zum ersten Mal im Z7 u.a. zusammen mit den damals aufstrebenden Rhapsody live erlebt. Es sollte aber auch das bis heute letzte Mal bleiben. Mir war damals – insbesondere live – das Ganze zu keyboardlastig.
Und so ergeht es mir auch heute. Der markante Gesang und die zurückhaltenden Gitarren gehen dabei komplett im Elektrosmog unter. Allgemein dünkt mit die Abmischung sehr unglücklich. Obs an meiner – eigentlich nicht so schlechten – Position liegt? Ich verschieb mich 20 Meter nach links näher zum Mischpult. Wie erwartet ist es dort ein bisschen besser und so kommt der mir bekannteste Strato-Song «Hunting High And Low» doch schon sehr gut. Aber ansonsten ist das Dargebotene eher lau und in der schwedischen Hitze finnisch unterkühlt.
Yes – Festival Stage
Wieder so ein Klassiker – von dem ich ausser dem Namen nicht wirklich viel kenne. Da wüsste unser guter Kaufi wohl einiges mehr zu berichten. Mir ist es jedoch viel zu sülzig, inklusive des goldigen Umhangs des omnipräsenten Keyboarders – oder nennt man diesen bei älteren Bands noch Orgelspieler? So oder so ist uns das gebotene viel zu lahm und irgendwie hat man das Gefühl, dass die kaum vom Fleck kommen und Stunden später noch auf der Bühne stehen.
Primordial – 4Sound Stage
Auch wieder eine solche Band, die ich noch nie live erlebte, aber aufgrund einer spannenden Review vor X Jahren mal eine CD gekauft habe. Die hat mich dann nie wirklich gepackt und verstaubt etwas vor sich hin.
Ui, der Sänger Alan «Naihmass Nemtheanga» Averill hat sich ja ganz schön angepinselt. Black meets Gothic Metal. Seine Bandkumpels sparen sich die ganze olle Malerei. Soundmässig erinnern sie mich an Celtic Frost. Der einlullende Death/Pagan Metal lädt wunderbar für einen Powernap auf der ansteigenden Wiese ein. Ein guter Moment von einer bezaubernden Göttin zu träumen …
Fotos Primordial (Friedemann)
Tarja – Rock Stage
Und der Traum wird wahr. Zusammen mit Maiden und Judas mein persönliches Highlight. Gut, ist ja nicht meine erste Begegnung mit dem finnischen Stimmwunder … wird wohl irgendwo so um die Nummer 20 rum sein. Schon zu Nightwish-Zeiten hat mich ihre einzigartige Bühnenpräsenz, Ausstrahlung und vor allem Stimme fasziniert, in ihren Bann genommen und nie mehr losgelassen. Ich gebs zu, ich habe mich aber auch nicht fest gewehrt. Wer würde das bei einer Göttin denn schon tun?
Tarja hat mich denn auch noch nie enttäuscht. Natürlich gab es auch bei ihr bessere und noch bessere Konzerte. Doch heilige Festivalmütter, was ist das denn? Nach ihrem ersten Ton, habe ich nur noch Hühnerhaut. Und natürlich auch wie immer optisch eine absolute Augenweide. Dennoch so rockig komplett im schwarzen Leder habe ich die Finnin noch nie gesehen. Schön figurbetont und die ist noch besser als in den letzten Jahren. Tarja scheint abgenommen zu haben. Leute, das sind jetzt Nuancen. Tarja ist immer ein Traum. Aber heute einfach noch ein paar Traumen mehr.
Wie gesagt, ich habe sie ja schon sehr oft erlebt. Aber sie und ihre Band sind heute verdammt gut drauf. Nicht nur ihr Outfit ist Metal – da verblasst ja schon fast der Metal-God der gleich anschliessend seinen Auftritt haben wird – sondern auch der Sound ist verdammt heavy. Tarja will heute nicht einfach Rock spielen, sie will die meisten Bands des Festivals auch in Sachen Härte an die Wand spielen. Und an Ausstrahlung, Stimme, Songs, Heavyness ist sie heute definitiv kaum zu toppen. Sie ist 1:1 mit der Band. Klar, Tarja wird immer in erster Linie Tarja mit teilweise auch Sessionmusiker sein, aber heute ist es Tarja, die Band.
Die Band darf während einem kurzen Break der Sängerin auch wie gewohnt ihr ausgeprägtes Können beweisen. Sei es am Bass, Cello, Drums und Gitarre. Das ist verdammt geil. Kein Vergleich mit dem langweiligen Rumgefrickle von Zakk Wylde bei Ozzy gestern Abend.
Nachdem Solo kommt das Cover von Muse («Supremacy»). Ab CD find das jetzt nicht so der Hammer … aber Leute, live haut’s mich aus den Festivallatschen. Es ist der absolute Wahnsinn. Stimmlich geht’s nicht mehr besser. Überirdisch! Ich komme beim Schwärmen grad in Kauf’sche Gefilde. Entschuldige meine Emotionalität, aber ich kann nicht in Worte fassen, was da grad abgeht. Die erste Hälfte des Konzerts ist mein Konzerthighlight 2018!
Wenn wir grad am Covern sind: «There was a time, when I was in a band …» (Tarja, du bist grad jetzt wieder in einer Topband, der einzige Unterschied, es ist deine Band) … es folgt «Ever Dream» von Nightwish. Für mich zum ersten Mal seit Tarja gezwungenermassen Solo unterwegs ist, ist der obligate Nightwish-Song nicht der Höhepunkt. Ihre eigenen Songs funktionieren heute grad so gut. Hm, oder hatte ich das schon bei meinem letzten Tarja Konzert-Review geschrieben?
Die zweite Hälfte ihres Auftritts ist nicht mehr ganz so ein einziger Höhenflug. Bei «Victim Of A Ritual» gibt’s Probleme mit ihrem Mikro, das trübt ihre bisher so gute Laune etwas. Doch die Band überbrückt die Panne souverän. Und auch Tarja lässt sich nicht viel anmerken, auch wenn es eine Perfektionistin wie sie es ist, innen natürlich schon etwas zum Kochen bringt.
Tarja und ihre Band verabschiedet sich mit dem Gary-Moore-Nightwish-Cover «Over The Hills And Far Away». Auch dieser sonst Hammersong geht im Tarja-Strauss von heute fast etwas unter. Aber das sind jetzt nochmals Nuancen. Die Finnin ist nebst Maiden für mich das absolute Highlight am Sweden Rock Festival 2018. Nicht ganz unerwartet, aber auch nicht ganz so in dieser Klarheit. Ich freu mich jetzt schon auf das Konzert im Kofmehl im Herbst 2018.
Setliste Tarja
- No Bitter End
- 500 Letters
- Demons in You
- Love to Hate
- Calling from the Wild
- Supremacy (Muse cover)
- Tutankhamen / Ever Dream / The Riddler / Slaying the Dreamer (Nightwish cover)
- Victim of Ritual
- Innocence
- Die Alive
- Until My Last Breath
- Over the Hills and Far Away (Gary Moore cover)
Fotos Tarja (Friedemann)
Judas Priest – Festival Stage
Der Headliner vom dritten Tag steht an. Ich bin zwar noch ganz kribbelig und sockenlos von Tarja, aber der Metal-God und seine Gefährten inklusive unzähligen Klassikern des Metals im Rucksack wird definitiv auch ein Highlight. Ganz klar einer der Gründe warum nicht nur wir, sondern dieses Jahr auch eine Rekordzahl an Festivalbesuchern da sind.
Zu Ehren einer Metal-Legende spielt als Intro eine Metal-Legende «War Pigs» von Black Sabbath. Wenn wir schon bei Legenden sind, fehlt leider einer auf der Bühne: Glenn Tipton, der scheinbar nach seiner bereits 10jährigen Parkinson-Erkrankung nicht mehr live bzw. ganze Konzerte und Tourneen spielen kann. Nach K.K. Downing ist er also auch nicht mehr dabei bei Judas Priest. K.K. Downing wurde ja schon vor Jahren durch Richie Faulkner bestmöglich ersetzt. Als Ersatz für Glenn Tipton auf dieser Tour ist Andy Sneap dabei – der Produzent von Firepower und aktueller Gitarrist von Hell. Und gleich vorweg, er macht seinen Job hervorragend. Hervorragend, weil er sich nicht zu fest in den Vordergrund drängt, ganz Judas-Like komplett in Leder und Nieten darauf gehüllt ist und perfekt spielt. Richie selbst ist schon fast eine Institution bei Judas. Er hat sich nahtlos in die Metallegende eingefügt und K.K. Downing sehr gut ersetzt.
Somit sind vom legendären (das Wort Legende kann bei Judas nicht genügend oft vorkommen) Line-up nur noch Basser Ian Hill und natürlich Rob Halford – sowie Drummer Scott Travis (seit Painkiller im Jahre 1990) – auf der Bühne. Und Rob – auch bekannt als Metal-God – ist von Anfang an top. Und ich notiere mir nach den ersten Minuten: «Und irgendwann macht er sicher auch die Augen auf …».
Rob präsentiert wie immer seinen Kleiderschrank und wechselt im Schnitt bei jedem dritten Song seine Kutte. Diese sind oft dem entsprechenden Song entsprechend gestaltet und meist zu gross geschnitten. Ich hab’s schon früher erwähnt, wäre Rob nicht mit dieser 4 ½-Oktaven-Stimme und seinen kreissägenden Screams gesegnet und somit der Metal-God, dann ginge das gar nicht. Aber Rob darf alles. Er ist ja eben der Metal-Gott.
Das Bühnenbild ist im Vergleich mit Maiden einfach gehalten. Auf dem grossen Screen im Hintergrund werden zu den Songs passende Bilder eingeblendet. Warum bei «Lightning Strike» das Matterhorn zu sehen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass die Briten Schweden nicht mit der Schweiz verwechselt haben …
Zum 40jährigen Jubiläum vom Album «Stained Class» gibt’s «Saints In Hell», während «Turbo Lover» auch ohne Jubiläum fix zum Standard-Live-Repertoire von Judas gehört. Und wie immer wird hier kräftig mitgesungen, die erste Mitsing-Hymne der heutigen Setliste. Auch Standard ist, dass Rob zu «Hell Bent For Leather» mit Harley, Ledermütze und Lederpeitsche im Mund auf die Bühne fährt. DAS darf definitiv nur der Metal-God.
Einen absoluten Faux Pas passiert mir, als ich ausgerechnet zum Drum-Intro von «Painkiller» am Bierstand stehe. Das Timing hätte nicht schlimmer sein können. Schliesslich brachte mich als Thrasher damals dieser Song und die gleichnamige Scheibe zu Judas und somit dann mit den Jahren auch vermehrt zu deren Klassikern.
Zu weiteren Klassikern und Zugaben kommt dann der gleichzeitig emotionalste und traurigste Moment heute Abend: Ein von seiner Krankheit sichtlich gezeichneter Glenn Tipton kommt auf die Bühne – passend zum Song «Metal Gods». Denn in der Mehrzahl gehört er absolut dazu. Während er ganz vorne am Bühnenrand die eher langsameren drei letzten Songs mit maximaler Beherrschung von Parkinson mitspielt. Andy Sneap begibt sich dazu in den Hintergrund und überlässt dem ganz grossen Meister der typischen Judas-Gitarren seinen verdienten Auftritt. Glenn spielt mit einem Lächeln auf dem Gesicht nebst Metal Gods noch «Breaking The Law» und «Living After Midnight» – der obligate Rausschmeisser.
Man schwankt bei diesem Anblick zwischen Mitleid und Freude, dass er doch noch seinen verdienten Auftritt hat. Aber schon sehr krass, wie in relativ kurzer Zeit er nicht mehr fähig ist, die Mehrheit seiner eigenen Songs live zu spielen. Das erinnert auch ein bisschen an Malcolm Young, der jedoch an Demenz litt und sich schlicht nicht mehr an seine Songs erinnern konnte. Unsere Helden werden definitiv älter.
Zu den oben erwähnten drei letzten Songs gabs eine der wenigen Ansagen von Rob – also eigentlich nur eine «We are Judas fucking Priest». Mehr braucht es wohl auch nicht. Zu Metal Gods trägt er eine lange Jeans-Kutte mit Metal-Patches drauf. Jede Band die hier verewigt ist, darf sich was einbilden. Wenn der Metal-God zu Metal Gods diese Kutte trägt, dann gilt das ja schon fast als Ritterschlag für die entsprechenden Bands. Ja Kaufi, Sabaton ist da auch vertreten.
Living After Midnight wird knapp vor Mitternacht beendet und somit der Auftritt von Judas Priest. Es war wie erwartet verdammt geil. Auf der Setliste hätte ich mir natürlich noch ein paar mehr Klassiker wie «Electric Eye» gewünscht, aber ist ja auch cool, dass nicht immer die ewig gleichen Songs gespielt werden. Die neuen Songs von Firepower kommen alle live sehr gut. Von dem her gibt’s eigentlich nichts zu bemängeln. Ich freu mich schon auf ein baldiges Wiedersehen in ein paar Wochen in der Samsung Hall bei Zürich.
Setliste Judas Priest
- War Pigs (Black Sabbath song)
- Firepower Intro
- Firepower
- Grinder
- Sinner
- The Ripper
- Lightning Strike
- Bloodstone
- Saints in Hell
- Turbo Lover
- Prelude
- Tyrant
- Night Comes Down
- Freewheel Burning
- You’ve Got Another Thing Comin‘
- Hell Bent for Leather
- Painkiller
- Guardians*
- Rising From Ruins*
- Metal Gods**
- Breaking the Law**
- Living After Midnight**
*Zugabe
**Zugabe/mit Glenn Tipton
Fotos Judas Priest (Friedemann)
Backyard Babies – Sweden Stage
So, das war es wohl mit dem Sweden Rock. Oder doch nicht? Gibt’s ein Leben nach Mitternacht? Aber klar doch, denn es spielen noch die schwedischen Glam-Punkrocker Backyard Babies, bevor die Tore des Infields für dieses Jahr geschlossen werden. Backyard Babies haben übrigens keine 12 Stunden vorher am Greenfield Festival in Interlaken gespielt. Sie sind so quasi auf einem Zwischenstopp auf der Heimreise …
Das Quartett gibt’s sich Rotzfrech wie immer; die Mötley Crüe aus dem Norden, angereichert mit einer fetten Prise Punk. Sie sind der perfekte Closer vom SRF 2018. Nochmals geben all die besoffenen und anderen Schweden alles. Der Bereich vor der Sweden Stage ist nochmals komplett gefüllt und es wird wieder fleissig mitgesungen. BB haben definitiv ein Heimspiel und nutzen die Gunst der späten Stunde.
Einen besseren Abschluss hätten wir uns nicht wünschen können.
Das Fanzit
Grösser als erwartet. Weniger familiär, viele torkelnde Altrocker und ein unschlagbares Line-up. Das war für mich das Sweden Rock Festival 2018. Zwei Drittel der Headliner haben meine hohen Erwartungen erfüllt: Iron Maiden – mehr geht fast nicht mehr – und Judas Priest. Enttäuscht haben Ozzy bzw. nicht er selbst, sondern Zakk Wylde. Die immergleichen und nie endenden Soli und das Dauergefrickel war für mich mehr als nur zu viel des Guten. Absolut top waren für mich auch Tarja und Kreator. Und nicht zuletzt meine Schweden Gang. War ein sehr cooles Schweden-Reisli mit euch und unseren beiden Camper. Sehr gerne wieder. Auch an Sweden Rock Festival.