Unbestritten – die alten Helden dominieren auch 2018 die Metalszene
Metallica. Iron Maiden. Judas Priest. Allesamt spielten sie in diesem Jahr überragende Konzerte. Allen voran Maiden, deren Show ist schlicht nicht zu übertreffen. Da ich die jedoch leider nur einmal sehen konnte auf der aktuellen Tour, gibt’s halt einen sommerlichen Abstecher nach Wien zu den Metal Gods! Gute Entscheidung…
Das Priest Konzert in Wien ist mir aus einem anderen Grund auch noch ins Auge gestochen. Im Gegensatz zu den (zumindest in meinen Ohren) eher langweiligen Megadeth, bietet unser östlicher Nachbar mit Accept und Battle Beast ein Support Programm nach meinem Gusto! Somit: Reservation machen und los geht die fast achtstündige Fahrt in die österreichische Hauptstadt. Mit im Gepäck: Die Autobiographie von Bruce Dickinson. Ist zwar nicht Priest, aber dieses Buch sei jeden Maiden-Jünger wärmstens empfohlen! Ich hab mehrmals losgelacht, die Leute im Zug schauten schon komisch…..
Irgendwann am Abend treffe ich also in der Venue ein. Die Stadthalle ist gross, sehr gross: Ich schätze mal, dass hier die Dimensionen eines Hallenstadions erreicht werden, allerdings mit deutlich weniger Sitzplätzen. Der hintere Bereich ist zudem abgetrennt, sodass schlussendlich wohl um die 6’000 Zuschauer anwesend sein dürften. Dafür herrscht auch hier Zweiklassengesellschaft: Tickets mit „Front Row“ dürfen in einen relativ grossen Bereich vor der Bühne, der Rest (auch ich…) muss sich mit grossen Distanzen begnügen. Unschön. Genauso unschön schlussendlich der Einlass. Um ca. 18.40h öffnen sich die Tore, pünktlich um 19h (oder sogar noch kurz davor) beginnt die Show. Zu diesem Zeitpunkt stehen noch dutzende, hunderte Fans draussen – während des ganzen Auftritts von Battle Beast kommen immer mehr Leute daher…
Battle Beast
Zugegeben: Irgendwie wirken Battle Beast auf diesem Billing vielleicht wie ein Fremdkörper. Von einem Legendenstatus, wie ihn die beiden anderen Acts des Abends haben, sind die Finnen noch etwas entfernt. Doch das ist Noora und ihren fünf Mannen sowas von egal. Denn wie gewohnt kennen sie nur eines: Vollgas nach vorne! Da heute der Altersdurchschnitt im Publikum deutlich über dem der Band liegen dürfte, gibt es die Mission „alte Säcke überzeugen“. Die zur Verfügung stehenden 30 Minuten für diese Aufgabe werden perfekt genutzt – nämlich mit einer in diesem Fall praktisch perfekten Setliste. Mitten in die Kauleiste der Beginn mit „Straight To The Heart“. Der Doppelpack „Familiar Hell“ / „Bastard Son Of Odin“ rockt die Halle und wird nur durch „Black Ninja“ unterbrochen, welches doch einen gewissen Bekanntheitsgrad hat. Mit „King For A Day“ zeigt der Sechser auch ihren „Disco-Metal“ Part (glücklicherweise nicht mit „Touch In The Night“ – DAS wäre dann vielleicht eine Spur zu viel gewesen…), das epische und eingängige „Beyond The Burning Skies“ bildet den perfekten Abschluss.
Zwar scheinen viele Zuschauer die Band respektive deren Songs nicht zu kennen, doch der Mehrheit scheint‘s zu gefallen. Auch wenn das „Mitsingen“ noch nicht so klappt, der Jubel und Applaus nach den Songs ist jeweils mehr als nur anständig! Noora & Co erspielen sich hier fraglos neue Fans. Mit einer passenden Songauswahl und natürlich mit einer energetischen Bühnenshow. Dass die Nordlichter nach einer halben Stunde mit einem riesigen Smile und klatschnass am Bühnenrand stehen, hat allerdings dann fraglos auch mit den tropischen Temperaturen in der Halle zu tun… So oder so: Ein perfekter Start in den Abend, so darf es weitergehen!
Setliste Battle Beast
- Straight To The Heart
- Familiar Hell
- Black Ninja
- Bastard Son Of Odin
- King For A Day
- Beyond The Burning Skies
Accept
Eine Legende eröffnet für eine Legende. Vor einem Publikum, welches zum grössten Teil mit den Legenden aufgewachsen ist. Ganz ehrlich: Nach dem überragenden (legendären…?) Auftritt von Accept am Bang Your Head!!! Festival bin ich extrem gespannt, was die Truppe heute zeigen resp. spielen wird. Über musikalische Fähigkeiten zu sprechen, ist hier müssig. Die Deutschen (oder besser gesagt die Deutsch-Amerikaner) sind seit Jahren (wieder) eine Macht auf der Bühne. Das zeigten sie im Vorprogram von Sabaton, auf ihrer Headliner Tour und auf den Festivals. Und darum mach ich es kurz und schmerzlos: Warum?
Warum spielen heute Accept die totale Sicherheitskarte aus? 80% Standards, (gefühlte) tausendmal gehört! Der Anfang mit „Die By The Sword“ und „Pandemic“ ist noch ok. Doch dann folgt praktisch eins zu eins die Setliste, welche sie auf der Sabaton Tour gezockt haben. Warum nur? Lieber Wolf Hoffmann: Ihr spielt heute Abend mit fuckin‘ JUDAS PRIEST! Das Publikum kennt Euch genauso wie es die Priester kennt! Hier müsst ihr niemanden von Euren Qualitäten überzeugen – die Crowd heute WEISS, was ihr könnt! Warum gebt ihr diesen Leuten nicht auch „Salves To Metal“, „Objection Overruled“, „Starlight“, „Burning“, „T.V. War“? Ich kann nachvollziehen, dass ihr bei einem Publikum wie auf der Sabaton Tour eine Klassiker Set spielt. Aber hier ist das einfach nur falsch am Platz – ich bin überzeugt, die Jubelstürme wären enorm bei den selten gespielten Songs!
Natürlich: Handwerklich gibt’s nichts zu motzen. Wie gesagt: Die Truppe ist perfekt eingespielt und hat grossen Spass bei dem was sie macht. Und der eine oder andere Fan (zugegeben – das ist vielleicht etwas untertrieben) freut sich natürlich auch über Klassiker der Marke „Restless & Wild“ oder das unsterbliche „Princess of the Dawn“. Möglich, dass ich Accept auch etwas (zu) oft gesehen habe in den letzten Jahren und von daher gerne etwas Abwechslung hätte. Schlussendlich versöhnen mich Mark & Co noch etwas, indem nach „Balls To The Wall“ immerhin wie am BYH!! noch „I’m A Rebel“ nachgeschossen wird. Immerhin!
Setliste Accept
- Die By The Sword
- Pandemic
- Restless And Wild
- Princess Of The Dawn
- Up To The Limit
- Fast As A Shark
- Metal Heart
- Teutonic Terror
- Balls To The Wall
- I’m A Rebel
Judas Priest
Wenn es um die GANZ grossen Acts geht, hab ich in meinem Leben noch nicht allzu oft zwei Shows der gleichen Tour erlebt. Das kam mal bei Maiden vor („Maiden England“ vor ein paar Jahren in Hamburg und Zürich), sonst würde mir grad niemand einfallen. Nun also darf ich zum zweiten Mal die Metal Gods auf der aktuellen „Firepower“ Tour sehen. Ich bin gespannt, ob es Unterschiede gibt zu Zürich…
Der Jubel in der nun sehr anständig gefüllten Halle ist enorm, als „War Pigs“ von Black Sabbath als Intro gespielt wird und mit „Firepower“ der Vorhang fällt. Die Lichtshow ist erneut gigantisch. Richie Faulkner präsentiert sich wiederum als die ultimative Rampensau und seine Soli – einfach nur geil! Alleine was er bei „Sinner“ aus seinen Saiten holt, lässt manchen Kiefer mit dem Boden in Kontakt kommen.
Und Rob Halford? Meine Fresse, was der Kerl aus seiner Stimme herausholt! Da staunen viele Fans, denn dies ist der erste Auftritt in Wien seit sieben Jahren. Da haben einige im Vorfeld wohl nicht mit so einer Leistung gerechnet… Der Fronter scheint heute vielleicht auch deswegen besonders motiviert. Natürlich: So wie Bruce Dickinson rennt er auch heute nicht rum. Aber im Vergleich zur Show in der Schweiz scheint er zackiger zu marschieren und kommt sehr oft und schon sehr früh immer mal wieder an den Bühnenrand, wo er von den Fans nach allen Regeln der Kunst abgefeiert wird.
Eine kleine Hoffnung hatte ich, dass eventuell der eine oder andere Song ausgetauscht wird. Doch Judas Priest haben auf dieser Rundreise ihr einstudiertes Programm, welches sie Abend für Abend einfach durchziehen – und zwar perfekt durchziehen! Dazu gehören auch die passenden Videoclips („Ripper“! „Saints In Hell“!) und wie bereits erwähnt die geniale Lichtshow.
In der Halle wird es derweil warm und wärmer. Die Priester heizen aber auch richtig ein: „Bloodstone“, „Saints In Hell, oder das neue „Lightning Strikes“ – alles wird perfekt dargeboten und lautstark bejubelt. Als das „Turbo“ Cover auf dem Video Screen erscheint, explodiert die Halle förmlich: „Turbo Lover“ entpuppt sich als DER Publikumsliebling heute, da stehen später selbst Klassiker wie „Freewheel Burning“ hinten an!
Die Hitze lässt offenbar bei einigen Zuschauern auch etwas die Hirnzellen schmelzen. Selten habe ich so viele wirklich stark betrunkene Typen gesehen, die schwankend einfach alles aus dem Weg räumen, was sich ihnen in denselbigen stellt. Auch das Rauchverbot wird von Dutzenden Fans einfach ignoriert – es lebe der Egoismus… Etwas Abkühlung gibt’s dafür zumindest musikalisch von den Briten mit dem wunderbaren „Night Comes Down“. Doch das währt nur kurz, denn als Rob Halford bald darauf mit Lederpeitsche im Mund und Töff auf die Bühne fährt, brodelt es natürlich erneut: „Hell Bent For Leather“!
Drummer Scott Travis soll heute auch nicht unerwähnt bleiben: Sogar ein Kartonschild für ihn („Best drummer in the World!“) kann man entdecken. Dementsprechend ist auch seine Leistung! Und so liegt es also an Travis, den letzten Song anzusagen: „Painkiller“. Immer wieder der Knackpunkt für Rob Halford – doch auch heute löst er diese Aufgabe perfekt. Die Screams sind messerscharf, das geht einem richtig unter die Haut. Wirklich unglaublich, was dieser Mann in seinem Alter noch drauf hat – Respekt!
Der erste Musiker, der für die Zugaben auf die Bühne kommt, ist auch heute wieder Glenn Tipton. Unter grossem Jubel der Fans zockt es das Riff zu „Metal Gods“. So schwer ihm wohl einiges fällt: Den Spass und die Lust am Metal lässt sich der Kerl einfach nicht nehmen! Klar, er ist nun der Dreh- und Angelpunkt für die letzten drei Songs, bei denen sich sowohl Richie Faulkner wie auch Tipton-Ersatz Andy Sneap angenehm etwas aus dem Spotlight zurückziehen.
Bei „Living After Midnight“ werden schlussendlich Livebilder aus den vordersten Reihen auf den Videoscreen projiziert. Da stehen gestandene Altrocker neben Nachwuchs-Headbangern, die Priest heute sehr wahrscheinlich zum ersten Mal erleben. Generationenübergreifender Heavy Metal! Warum man aber in der ersten Reihe lieber das Handy hochhält anstatt einfach die Momente zu geniessen, werde ich nie verstehen. Naja – ich bin halt wohl auch ein alter Sack…
Mit dem erwähnten „Living After Midnight“, tausendfach mitgesungen, beenden Judas Priest ihren Arbeitstag. Minutenlanger Applaus, Standing Ovation auf der Tribüne – und nochmals aufbrausender Jubel, als auf dem Videobildschirm das obligate „The Priest Will Be Back!“ erscheint. Was für eine Show, was für eine Band – es ist zu hoffen, dass die Metal Gods noch lange weitermachen werden und werden können! Priest! Priest! Priest!
Setliste Judas Priest
- Intro – War Pigs (Black Sabbath)
- Firepower
- Grinder
- Sinner
- The Ripper
- Lightning Strike
- Bloodstone
- Saints In Hell
- Turbo Lover
- Tyrant
- Night Comes Down
- Freewheel Burning
- Guardians (Intro)
- Rising From Ruins
- You’ve Got Another Thing Comin‘
- Hell Bent For Leather
- Painkiller
- Metal Gods (mit Glenn Tipton)*
- Breaking The Law (mit Glenn Tipton)*
- Living After Midnight (mit Glenn Tipton)*
*Zugaben
Das Fanzit
Die alten Helden der Metalszene lassen sich einfach nicht vertreiben – und das ist gut so! Accept mit einer starken Performance (das Thema „Setliste“ lass ich jetzt weg), Judas Priest mit einer überragenden Darbietung. Es scheint wirklich kaum zu glauben, zu was vor allem die Priester heutzutage immer noch in der Lage sind! Schön zu sehen, dass aber auch der Nachwuchs wirklich in den Startlöchern steht. Wenn es auch stilistisch nicht ganz vergleichbar ist, aber Battle Beast haben mit ihrer Art, ihrem Sound und ihrer Power durchaus das Potenzial, irgendwann mal in ähnliche Regionen zu stossen. Es wäre ihnen zu gönnen! Insgesamt hat sich der Trip nach Wien gelohnt, keine Frage!