Den Blick auch einmal auf das Tessin richten
Talentierte Metal-Truppen stammen in unseren Gefilden nicht ausschliesslich aus der Deutschschweiz. Die Romandie und das Tessin sind diesbezüglich ebenfalls gar nicht einmal so schlecht bestückt. Ein Beispiel dafür sind die Melodic Death Metaller Soulline.
Das Quintett ist seit 2001 aktiv und konnte bereits zahlreiche Live-Erfahrungen sammeln. In Sachen Albumproduktion sind die Herrschaften auch alles andere als faul. Mitte September dieses Jahres wird über das Label Profane Records nun das fünfte Werk «The Deep» erscheinen. Ob die Tessiner da etwas Brauchbares zusammengebastelt haben, soll in der nachfolgenden Albumkritik genauer thematisiert werden.
Das Album – «The Deep»
Begonnen wird mit «Leviathan». In der jüdisch-christlichen Mythologie ist das die Bezeichnung für ein Seeungetüm. Entsprechend monströs kommen auch Frontmann Ghebros Vocals um die Ecke. Es geht richtig aggressiv zur Sache. Begleitet wird er von den eingängigen Riffs seiner Kollegen Marco und Lore. Erste melodiöse Parts sind ebenfalls zu vernehmen. In der zweiten Hälfte wird zudem einiges an klar gesungenen Passagen beigesteuert. Genialer Opener. Das ist Melodic Death Metal aus dem Lehrbuch, der in gekonnter Manier vorgetragen wird. Auf der Plattform YouTube kann sich bereits jetzt ein Lyric-Video zu diesem Song reinziehen.
Nachdem sich der Zuhörer aus den Fängen des Monsters befreien konnte, werden seine Haare von einer «Cool Breeze» erfasst. Abermals sind unterschiedliche Stimmlagen hörbar. Drummer Matt gibt hier eindeutig den Takt an. Im letzten Drittel darf die Saitenabteilung beweisen, dass sie ihr Handwerk zweifelsohne versteht. Soundtechnisch erinnert das Ganze an einen Mix aus Trivium (man vergleiche es beispielsweise mit «In Waves») und Dark Tranquillity (wegen den melancholischen Abschnitten).
Bei unruhigem Schlaf hat man oftmals mit einem «Nightmare» zu kämpfen. Dieser wird im nun folgenden Stück besungen. Abermals wird das Tempo hochgehalten. Ghebro setzt wieder vermehrt auf Growls. Sein Gebrüll und das Gitarrenspiel seiner Kumpels passen erneut ausgezeichnet zusammen. Für einen kurzen Augenblick kann sogar Miles’ Bass ein erstes Mal so richtig herausgehört werden. Der epische, orchestral angehauchte Schluss stammt ebenfalls nicht von schlechten Eltern.
Der Melodie von «The Fall» haftet von Beginn weg etwas «Amorphis-haftes» an. Zudem macht der Soulline-Frontmann beim ersten Brüller beinahe auf Tomi Joutsen. Doch keine Angst. Plagiatsvorwürfe sind definitiv unangebracht. Die Inspirationsquellen der Tessiner sind zwar hörbar, am Ende ziehen sie trotzdem ihr eigenes Ding durch. Einmal mehr kitzeln Lore und Marco alles aus ihren Klampfen heraus. Das Ende kommt hier hingegen für meinen Geschmack ein bisschen zu abrupt.
«Filthy Reality» – jep, unsere Realität ist oftmals alles andere als sauber. Dreckig kommt der Song allerdings überhaupt nicht daher. Insbesondere die melodiösen Parts beim Refrain gehen einem direkt unter die Haut. Kurz nach der Hälfte kommen die Headbanger dann richtiggehend auf ihre Kosten. Dieser Track gehört bei künftigen Auftritten ganz klar in die Setliste.
«Into Life» ist mit einer Spielzeit von über sechs Minuten der längste Track des Albums. Gute Ansätze sind zwar vorhanden, trotzdem gelingt es der Nummer nicht, mich vollends zu packen. Für einmal bleibt der «Wow-Effekt» aus. «The Game» macht’s dann wieder besser. Der Auftakt lädt live sicherlich zu munterem Geklatsche ein. Abermals versucht sich Ghebro an abwechslungsreichen, tiefen Stimmlagen, was ihm sehr gut gelingt. Ein leicht italienischer Akzent in der englischen Aussprache lässt sich an den tempoarmen Stellen nicht verbergen. Dies bleibt allerdings eine Ausnahme, denn ansonsten hat sich mein sprachaffines Gehör bisher nicht gestört gefühlt.
«Deepest Me» lädt definitiv zum Eintauchen ein. Ein hübscher Kontrast bestehend aus dem Gebrüll des Mannes am Mikro und den schönen Melodien im Hintergrund. Abermals bekommen wir exzellente Gitarrenarbeit zu hören. Einmal ist gar der Ansatz eines Breakdowns zu vernehmen, der natürlich sofort alle Mähnen-Schüttler auf den Plan ruft. Beim anschliessenden Mini-Instrumental-Stück «The Deep End» geht’s komplett gemächlich zu und her. Ein bisschen Hühnerhaut wird ebenfalls erzeugt.
Schliesslich sind wir bei «Still Mind» angelangt – dem finalen Song des Albums. Die Tessiner geben nochmals Volldampf und ballern uns ein bombastisches Finale um die Lauscher. Die Nummer macht richtig Laune und ich konnte mich auch schon an Konzerten der Band von deren packenden Wirkung überzeugen. Neben «Leviathan» wohl der stärkste Song der gesamten Platte. Hörprobe wird absolut empfohlen.
Das Fanzit
Anhänger von fetzigem Melodic Death Metal können bei «The Deep» sorglos zugreifen. Soulline gehören in dieser Genre-Ecke hierzulande wahrscheinlich zu den besten ihres Fachs. Es lohnt sich als Deutschschweizer auch mal über den Tellerrand hinauszublicken und einen Blick in Richtung Romandie oder – in diesem spezifischen Fall – ins Tessin zu werfen. Bleibt zu hoffen, dass der Fünfer mit ihrer fünften Scheibe auch international endlich ordentlich für Furore sorgen kann. Material dazu wäre auf «The Deep» nämlich ausreichend vorhanden. In diesem Sinne: Grazie ragazzi!
Trackliste Soulline – The Deep
- Leviathan
- Cool Breeze
- Nightmare
- The Fall
- Filthy Reality
- Into Life
- The Game
- Deepest Me
- The Deep End
- Still Mind
Line Up – Soulline
- Guitar: Lore
- Guitar: Marco
- Vocals: Ghebro
- Bass: Miles
- Drums: Matt