Das Z7 wird zur Burg Kamelot
Zu Gast waren am Sonntagabend allerdings nicht König Artus und seine Ritter, sondern drei metallische Truppen aus den Bereichen Power, Viking und Symphonic Metal. Der Headliner aus den USA lieferte in der ihm bestens vertrauten Halle abermals eine starke Performance ab. Mein persönlicher Tagessieger war jedoch eine der Vorgruppen. Wer das gewesen ist, könnt ihr den nachfolgenden Zeilen entnehmen.
Für mich endet der Monat September im Metal-Tempel Z7. Das Abendprogramm präsentieren drei mir bestens vertraute Truppen. Die Nachwehen der gestrigen Lotrify-Plattentaufe erweisen sich zwar als hartnäckig, aber als professioneller Konzertgänger werde ich schon irgendwie damit fertig werden. Die Konzertfabrik öffnet ihre Pforten heute bereits um 18 Uhr. Dies mag für die einen vielleicht zu früh sein, aber für einen Sonntag erachte ich dies als angemessen. So haben auch die auf den öffentlichen Verkehr angewiesen Besucher eine Chance, sämtliche Shows in voller Länge geniessen zu können. Ein ähnliches Time-Management wäre ehrlich gesagt ebenfalls jeweils unter der Woche – zumindest ab drei oder mehr Bands – durchaus wünschenswert.
Die Halle ist bereits jetzt gut besucht. Kamelot scheinen zweifelsohne Publikumsmagneten zu sein. Gespannt bin ich jedoch auch auf Leaves‘ Eyes, die am diesjährigen Wacken eine verdammt überzeugende Performance abgeliefert haben. Wiederholung absolut wünschenswert. Visions Of Atlantis mussten kurzfristig personell umstellen. Stammsänger Siegfried «Sigi» Samer ist berufsbedingt an diesem Wochenende nicht für Gigs verfügbar. Sein Ersatz kommt aus Italien und heisst Michele Guaitoli – seines Zeichens Mikrofonhüter bei der Modern Melodic Metal-Kapelle Temperance. Bald werden wir herausfinden, was der gute Mann so alles auf dem Kasten hat. Zuerst muss aber erst einmal eine kühle Dosen-Blondine am Bartresen abgeholt werden.
Visions Of Atlantis
Punkt 19 Uhr geht’s los. Die österreichische Truppe setzt an der Gesangsfront auf ein italienisch-französisches Duo. Über Michele haben wir ja bereits gesprochen. An seiner Seite steht die zierliche Clémentine Delauney, die mit einem genialen Stimmorgan ausgestattet ist. Mit gewohnter Theatralik geht sie auf der Bühne zu Werke. Die Dame aus Lyon ist heute Abend klar das beste Mitglied von Visions Of Atlantis. Anfang des Jahres im Hall Of Fame wirkte das alles deutlich überzeugender. Ist Micheles Mikro überhaupt eingeschaltet? Er kommt irgendwie überhaupt nicht auf Betriebstemperatur. Selbiges gilt auch für das Publikum. Stimmungsflaute par excellence. Hoffentlich können die anderen beiden Gruppen das Ruder herumreissen. Nach dieser halben Stunde bleibt die versunkene Stadt nämlich weiterhin unter Wasser.
Leaves‘ Eyes
Leaves’ Eyes ist eigentlich nix anderes als die gesamte Atrocity-Belegschaft plus Sängerin. Doch Alexander Krulls anderes Projekt ist heute Abend kein Thema. Auf der musikalischen Speisekarte stehen ein Mix aus Symphonic und Viking Metal sowie diverse Tracks vom Silberling «Sign Of The Dragonhead». Ehe die Bandmitglieder zur Tat schreiten, platziert sich eine Horde Wikinger auf der Bühne. Die Mythen und Sagen der Nordmänner bilden stets einen wichtigen Bestandteil der Leaves’ Eyes-Songtexte. Begonnen wird dem Titeltrack der aktuellen Platte. Oha, da kriegen Visions Of Atlantis direkt Anschauungsunterricht in Sachen Stimmung erzeugen. Die blonde Schildmaid Elina Siirala und Berserker Alexander haben die Zuhörerschaft sofort im Sack. Auftritte von Leaves’ Eyes bieten effektiv das volle Mitmach-Programm. Hüpfen, klatschen, tanzen, feiern, mitgrölen – die Festspiele sind eröffnet! Bei Songs wie «Across The Sea», «Riders On The Wind» oder «Hell To The Heavens» kannst du auch schlichtweg nicht einfach bloss ruhig herumstehen.
Als Nachfolgerin von Liv Kristine musste Elina in grosse Fussstapfen treten, aber sie hat sich zweifelsohne prächtig entwickelt und spielt mittlerweile im Ranking der Symphonic Metal-Sängerinnen weit vorne mit. Eventuell liegt das musikalische Talent aber auch in der Familie, denn die Finnin ist eine Cousine zweiten Grades von Nightwish-Mastermind Tuomas Holopainen. Sie erinnert mich ausserdem immer ein wenig an Lagertha (gespielt von Katheryn Winnick) aus der TV-Serie «Vikings». In dieser könnte von der Optik her ihr Kollege Alexander sicherlich ebenfalls problemlos mitspielen. Bei der Nummer «Blazing Waters» schlüpft er schliesslich wieder in seine Kriegerrüstung – ein beeindruckender Anblick. Seine mächtigen Growls sind auch nicht von schlechten Eltern. Mit «Hopp Schwiiz!» und «Huren geil» hat Alexander zudem die passenden Ausdrücke aus unserer Landessprache mit im Gepäck.
Nach der Show stürmen nicht nur mein Kollege und ich in Richtung Merchandise-Ecke. Dies grandiose Performance muss definitiv mit dem Kauf eines (oder mehreren) Leaves’ Eyes-Artikeln belohnt werden. Somit bin ich nun stolzer Besitzer der Scheibe «Sign Of The Dragonhead» (entgegen meiner Vermutungen befand sich diese nämlich noch nicht in meinem Besitz). Ein Wunsch für die nächste Begegnung mit den metallischen Wikingern auf helvetischem Boden? Ganz klar – ein Headliner-Auftritt muss her!
Kamelot
Der Headliner ist gefordert und muss liefern. Die nachfolgenden 90 Minuten zeigen allerdings, dass die Amis damit keine Probleme haben. Im Z7 fühlen sich Kamelot sowieso pudelwohl. Wenn ich es richtig im Kopf habe, müsste das heute Abend ihr inzwischen sechstes Gastspiel in Pratteln sein. Die Setliste wird primär durch die letzten beiden Werke «Haven» (2015) und «The Shadow Theory» (erschienen Anfang April dieses Jahres) dominiert. Selbstverständlich kommt aber auch der eine oder andere Klassiker zum Zug. An der Bühne wurde ein kleiner Laufsteg angebaut, den insbesondere Sänger Tommy Karevik regelmässig nutzt, um mit dem Publikum auf Tuchfühlung zu gehen. Daran haben vor allem die weiblichen Besucher ihre helle Freude. Aber es tut mir leid werte Damen, der Schwede ist vergeben. Jetzt mutieren wir kurz von Metalinside zu «Metalintouch» und decken den Klatschpresseteil ab. Tommy turtelt mit Kobra Paige, der Frontfrau von Kobra And The Lotus. Noch mehr Gossip gefällig? Oliver Palotai – der kamelot’sche Tastenmann – ist der Ehegatte von Epica-Sängerin Simone Simons. Gut, das genügt meines Erachtens vorerst, kommen wir wieder auf den Auftritt zu sprechen.
Kamelot haben bei ihren Tourneen eigentlich immer eine Gastsängerin mit an Bord. In der Vergangenheit waren dies unter anderem Damen wie Elize Ryd, Alissa White-Gluz, Charlotte Wessels oder Noora Louhimo. Aktuell kümmert sich Lauren Hart von Once Human um die weiblichen Gesangsparts, welche sich bei ihr hauptsächlich in den gutturalen Gebieten abspielen. Ein echtes Power-Mädel! Allerdings hält sie sich mehrheitlich im Hintergrund und überlässt Sean Tibbetts (Bass), Thomas Youngblood (Gitarre) und Tommy den vorderen Bühnenbereich.
Es ist schon beeindruckend, mit welcher Perfektion sich das Sextett durch sein Set spielt. Kamelot kannst man als Veranstalter einfach jedes Mal als sicheren Wert einstufen. Die Zuhörerschaft zeigt sich begeistert und jubelt den Musikern frenetisch zu. Mister «Nice Guy» Karevik singt heute Abend überragend und lässt mit dieser Leistung wohl auch die letzten Roy Khan-Diskussionen verstummen. Im letzten Show-Drittel folgt dann noch je ein Keyboard und Drum-Solo, welche man auch hätte weglassen können. Nicht wirklich berauschend. Dafür geht’s direkt im Anschluss wieder souverän mit Hymnen wie «Sacrimony (Angel Of Afterlife)» oder «Forever» souverän weiter. Letzteres Stück wird zwecks Bandvorstellung ziemlich in die Länge gezogen. Als Finale gibt’s schliesslich ein fulminantes «Liar Liar (Wasteland Monarchy)» als Zugabe obendrauf.
Das Fanzit
Visions Of Atlantis waren durchzogen und Kamelot haben abermals souverän abgeliefert. Als meine persönlichen Gewinner des Abends entpuppten sich allerdings Leaves’ Eyes und ihre kleine Wikingerstreitmacht. Ein überragender, stimmungsgeladener Auftritt. Beim nächsten Aufeinandertreffen erwarte ich die Truppe dann in der Headliner-Position. Einzig beim ersten Act kam es zu ein paar Soundproblemen. Insgesamt war die Veranstaltung sehr gut besucht, was ich der Z7-Crew absolut gönne.
Setliste – Visions Of Atlantis
- The Deep & The Dark
- New Dawn
- Ritual Night
- Words Of War
- Passing Dead End
- The Last Home
- Return To Lemuria
Setliste – Leaves’ Eyes
- Intro
- Sign Of The Dragonhead
- Across The Sea
- Swords In Rock
- Edge Of Steel
- Riders On The Wind
- Hell To The Heavens
- Beowulf
- Blazing Waters
- Outro – Haraldskvaedi
Setliste – Kamelot
- Intro – Knight’s March
- Phantom Divine (Shadow Empire)
- Rule The World
- Insomnia
- The Great Pandemonium
- When The Lights Are Down
- End Of Innocence
- Veil Of Elysium
- Here’s To The Fall
- Ravenlight
- March Of Mephisto
- Karma
- Amnesiac
- Keyboard & Drum Performance / Solo
- Manus Dei
- Sacrimony (Angel Of Afterlife)
- Burns To Embrace
- Forever
- Liar Liar (Wasteland Monarchy)*
- Outro – Ministrium (Shadow Key)*
*Zugabe