Internationaler Rock-Treff im beschaulichen Tennwil
Ende September fand die 11. Rocknacht Tennwil am Hallwilersee statt. Nachdem das Zelt bei der letztjährigen Jubiläumsausgabe während drei Nächten gerockt wurde, gab es dieses Jahr, wie gehabt, nur zwei Konzertabende. Diese hatten es aber in sich! So konnten die Veranstalter neben den beiden Headlinern The Poodles und CoreLeoni viele Überraschungen präsentieren.
Freitag, 21. September
Erster Tag des kleinen Festivals: Umrandet von zwei Akustik-Sets (Degreed und Swissmayd) spielen heute Gods Of Silence, Crystal Ball und The Poodles. Der Auftritt von Souldrinker musste leider aufgrund einer Krankheit von Frontfrau Iris kurzfristig abgesagt werden. Leider konnten die Veranstalter auf die Schnelle keinen Ersatz mehr organisieren, dafür gibt es leicht längere Spielzeiten für die restlichen Bands.
Degreed
Der heutige Opener wartet mit einem Akustik-Set auf. Ich für meinen Teil bin noch weit hinten im Zelt, zeitweise auch kurz draussen, und unterhalte mich mit Bekannten. Degreed geben drinnen auf der Zeltbühne aber bereits mächtig Gas – soweit dies innerhalb einer Akustik-Show als Opener möglich ist. Viele Leute hat es nicht vor der Bühne, insofern haben Degreed heute also einen eher undankbaren Job erwischt. Ich bin mir aber sicher, dass sich dies im Verlauf des Abends noch ändern wird.
Gods Of Silence
Die Götter der Stille sind der zweite Act dieses Freitagabends. Mit ihrem Power Metal möchten die Schweizer das Zelt so richtig aufheizen. Leider spielen die sound-technischen Umstände überhaupt nicht in die Hände der früher KIRK genannten Band. Zu Beginn überschlägt sich der Sound, die Situation im Zelt ist für die Tontechniker wahrscheinlich alles andere als einfach. Ob man dies beim Soundcheck am Nachmittag noch nicht bemerkt hat? Mit der Zeit wird der Sound ein wenig besser, tatsächlich dauert es aber mehr als die Hälfte des Sets, bis man da von «gut» sprechen könnte. Gilberto Meléndez, welcher schon letztes Jahr zusammen mit Maxxwell auf dieser Bühne stand, und seiner Band scheint das Ganze aber wenig auszumachen. Professionell spielen sie ihre Songs und können bereits als erstes Highlight des Wochenendes verbucht werden – davon werden aber noch einige folgen.
Crystal Ball
Highlight? Für mich sind Crystal Ball die Headliner des Abends – was vor allem daher rührt, dass ich The Poodles nicht extrem mag und die restlichen Bands vorher nicht kannte. Wir begeben uns also in die erste Reihe und warten auf den Auftritt der Luzerner Power Metaller. Die Band um Gitarrist Scott Leach und Drummer Marcel Sardella lässt nicht lange auf sich warten und tut, was sie tun muss: Die Musiker rocken, was das Zeug hält. Mit einer bemerkenswerten Bühnenpräsenz schafft es die Band, in den vorderen Reihen eine wahre Welle der Euphorie auszulösen. Sänger Steven bewegt sich in seinem schwarz-weissen Outfit (er trägt sogar einen schwarzen und einen weissen Schuh!) über die ganze Bühne, und natürlich halten da auch die Saitenmusiker mit. Inzwischen ist auch der Sound glasklar. Hut ab, liebe Tontechniker! Schon nach viel zu kurzer Zeit ist dieser Gig zu Ende und Crystal Ball machen Platz für den tatsächlichen Headliner.
The Poodles
Die Glam-Metaller aus Schweden betreten die Bühne und bringen einen leichten Stilwechsel mit sich. Von astreinem Power Metal kippt die Musik in Richtung Glam Metal. Ich überlege mir, dass der heutige Abend eigentlich gar nicht so viel mit «Rock» zu tun hat, aber bei «Rock Am Ring» wird ja auch mehr anderes als Rock gespielt. Die Band, die unter anderem vom jetzigen HammerFall-Gitarrist Pontus Norgren gebildet wurde, schafft es aber – nach meinem subjektiven Empfinden – bei weitem nicht, die gleiche Begeisterung wie Crystal Ball ins Zelt zu bringen. Schade, aber insofern keine Enttäuschung, da ebendiese extrem stark vorgelegt haben. Trotzdem übermannt uns bald einmal die Müdigkeit und wir begeben uns auf den Marsch nach Hause (und verpassen so den letzten Akustik-Act Swissmayd).
Fotos Rocknacht Tennwil 2018 – Tag 1 (Nicky)
Samstag, 22. September
2. Akt: Heute ist wohl klar, wegen welcher Band viele Leute den Weg nach Tennwil gefunden haben. CoreLeoni, welche momentan eine riesige Tour durch Mitteleuropa absolvieren, beehren uns am Hölzliweg. Doch erst einmal kommen da noch einige andere starke Bands…
Rock Out
Den Anfang macht heute eine Band aus dem bernischen Lützelflüh, deren Durchschnittsalter nur knapp über 20 liegt. Die momentan ziemlich aktiven Rock Out legen heute das hin, was nicht vielen Vorbands gelingt. Von Anfang an überzeugen sie mit ihrem bluesig angehauchten Hard Rock die anwesenden Besucher – und haben garantiert mehr Publikum vor der Bühne als der gestrige Opener! Mit viel Elan und einer kaum zu fassenden Begeisterung bringen die Berner einen richtig starken Auftritt hinter sich. Weiter so!
Souls Revival
Zeit fürs Abendessen! Die Schweinsbratwurst und vor allem das Pommes-Frites-Gewürz ziehen meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich – und somit ein wenig weg vor der Bühne. Schade, denn was da vorne auf der Bühne gerade läuft, tönt ebenfalls extrem gut! Die Frage nach genaueren Berichten muss ich aber der guten Küche wegen leider ablehnen. Nachdem ich gesättigt bin, bleibe ich noch einen Moment hinten bei den Festbänken und nutze die Zeit, mich im Zelt umzuschauen.
Das Zelt, das Festival
Einschub, irgendwann muss ich ja noch etwas über das Festival selber erzählen! Neben der langen Bar gibt es einen Essensstand, bei welchem man eine grosse Auswahl an Speisen erwerben kann. Es gibt einen Aussenbereich, welche sich auch perfekt als «Ausgleichszone» eignet, und einige Stände, bei denen man sich mit Kleidern und Schmuck eindecken kann, darunter den Stand der Souls Of Rock Foundation.
À propos erwerben: für Getränke und Food gibt es dieses Jahr neu Wertkarten, welche man an einer zentralen Kasse im Tausch gegen Bargeld mitnehmen kann. Es gibt 20- und 50-Franken-Karten, auf welchen dann die jeweilige Konsumation abgestrichen wird. Am Ende des Tages kann man das restliche Guthaben wieder gegen Bargeld eintauschen. Um Essen zu kaufen, muss man aber weiterhin an der Bar zuerst einen Essensgutschein kaufen (wobei Geld auf der Wertkarte abgestrichen wird), um diesen dann am Essensstand einzulösen. Naja, das ginge vielleicht auch einfacher…
Tri State Corner
Zeit für Abwechslung: Kein Power Metal, kein simpler Rock, nichts Altbekanntes! Die jetzt auftretende Band versucht musikalisch aus dem bestehenden Rahmen auszubrechen – und schafft dies mit enormem Erfolg. Die multinationale Band, deren Mitglieder aus Deutschland, Polen und Griechenland stammen (deshalb der Bandname), lassen mit ihrem Bouzouki Rock so einige Kinnladen runterfallen. Mit ihrem neuesten Album «Hero» im Gepäck und orientalisch angehauchter Musik (diese erreicht die Band mithilfe der Darabouka, einer Djembe-ähnlichen Trommel, und dem griechischen Saiten-Instrument Bouzouka) lassen die Musiker die Besucher in eine völlig andere Welt eintauchen. Übrigens, Sänger und Darabouka-Trommler Vassilios «Lucky» Maniatopoulos ist der aktuelle Drummer der Power Metaller Rage, während der TSC-Drummer Christos Efthimiadis vor ihm den Posten bei Rage besetzte. Ach so, deshalb kamen mir die beiden so bekannt vor…
Für mich ist diese Truppe DIE Überraschung des Wochenendes und ich freue mich riesig, eine Band auf dem aktuell bekannten FMC VIII-Line Up gefunden zu haben, die ich auf dem Schiff ganz bestimmt mehrere Male sehen will! Yippie, ab ans Reinhören!
Coldspell
Nach diesem unglaublich starken Auftritt von TSC hängt die Messlatte für die schwedischen Coldspell nur ganz knapp unter dem Zeltdach. Genau dort oben schaffen es die Melodic Hard Rocker aber durchzuspringen. Mit toller Musik und einer coolen Performance heizen der nicht allzu grosse Frontmann Niclas Swedentorp und seine Mitmusiker noch einmal richtig ein, bevor der Headliner an der Reihe ist. Mit der Zeit ist der Auftritt dann eventuell ein wenig zu eintönig, aber das ist wohl nur eine subjektive Wahrnehmung meinerseits.
CoreLeoni
Zeit für ein Stück Schweizer Musikgeschichte! Daran ist die Band CoreLeoni zwar (noch) nicht direkt beteiligt, jedoch die Hard Rocker Gotthard, deren Songs sie interpretieren. Das Projekt wurde 25 Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Gotthard-Album von Gotthard-Gitarrist Leo Leoni und Gotthard-Drummer Hena Habegger ins Leben gerufen und mit hochkarätigen Musikern angereichert. Allen voran Ronnie Romero, der chilenische Sänger der spanischen Band Lords Of Black! Seit 2016 singt der Ausnahme-Sänger ebenfalls für die Kult-Band Rainbow (er ist also sozusagen ein Nachfolger von Ronnie James Dio) und seit neuestem eben für CoreLeoni. Das Line Up wird abgerundet vom italienischen Gitarristen Jgor Gianola, welcher 14 Jahre lang in den Diensten der deutschen U.D.O. stand, und Bassist Mila Merker der Tessiner MeloDeath-Band Soulline. Das im Februar erschienene Album «Greatest Hits Part 1», auf welchem ausschliesslich alte Gotthard-Songs zu finden sind, hat massiv beindruckt und lässt zusammen mit den zahlreichen positiven Konzertberichten auf einen imposanten Auftritt hoffen.
Tatsächlich legt die Supergroup eine beachtliche Leistung hin. Zwischen den Songs, welche allesamt perfekt und um einiges härter als von den aktuellen Gotthard gespielt werden, bleibt immer wieder Zeit für ein Witzchen. Leo Leoni und Ronnie Romero haben nicht nur die charakteristischen Namen gemeinsam. Sie sind ein gut zusammen funktionierendes Duo, bei welchem auch einstudierte Sprüche locker und spontan rüberkommen. CoreLeoni verkörpern effektiv das, was Gotthard inzwischen ein wenig fehlt. Wenn ich an den Gotthard-Auftritt im August in Schaffhausen zurückdenke, sind hier nur schon auf dieser Ebene der Spontaneität und des Charisma extreme Unterschiede auszumachen. Auch musikalisch: Vom weichen Sound kehren Leo und Hena zurück zu den ursprünglich härteren Klängen. Vernachlässigte Songs (Leo spricht die Ballade «All I Care For» an, welche nach den Releases von «One Life One Soul» und «Heaven» doch eher im Schatten ebendieser Songs stand, an) und grosse Hits aus alten Zeiten werden gleichermassen neu interpretiert.
Highlights der heutigen Setliste sind für mich «Fist In Your Face», mit welchem die Band schon ziemlich am Anfang durchgibt, auf welchem Niveau sie heute spielen wollen; der Ohrwurm «Walk On Water», der mir noch am nächsten Morgen nachläuft; das brachial hart gespielte «Here Comes The Heat»; und das finale «Anytime Anywhere».
Das Fanzit – Rocknacht Tennwil 2018
Erneut schlugen die Veranstalter der Rocknacht Tennwil zu und präsentierten dem Publikum einen Haufen bunt zusammengewürfelter Bands. Dabei musste sich keiner der Acts hinter dem Headliner CoreLeoni verstecken, alle haben auf ihre eigene Weise überzeugt. Trotzdem hat die Gruppierung um Guitarero Leo Leoni wohl als letzte Band noch einmal gezeigt, wie der Hase läuft, und Lust auf mehr ihrer Shows gemacht. Des Weiteren haben mich Rock Out aus Lützelflüh und Crystal Ball sehr überzeugt; ganz bestimmt weiter verfolgen werde ich die Jungs von Tri State Corner.
Ach ja, nächstes Jahr geht der Spass übrigens weiter: an der 12. Rocknacht Tennwil am 20./21. September 2019!
Setliste CoreLeoni
- Standing In The Light
- Downtown
- Fist In Your Face
- Walk On Water
- Firedance
- Get It While You Can
- Where Are You
- All I Care For
- Let It Be
- In The Name
- Tell No Lies
- Make My Day
- Mountain Mama
- She Goes Down
- Whammy Moto
- Ride On
- Here Comes The Heat
- Immigrant Song*
- Anytime Anywhere*
*Zugaben