Ein neues Festival auf der Metal Weltkarte
Winnenden. Ein verschlafener Ort, etwas nördlich von Stuttgart. Hier findet zum ersten Mal das WGM Festival statt: Winnenden Goes Metal!
Nicht überall stiess die Ankündigung, dass in Winnenden ein Heavy Metal Festival stattfinden soll, auf Zuspruch. Scheint so, als ob es da doch noch viele Leute gibt, die Angst vor der totalen Zerstörung durch schwarzgekleidete und langhaarige Horden haben… Nun: Diese Leute werden spätestens am Tag danach den Unterschied zwischen Metalfans und Fussballhooligans kennen. Denn die ganze Veranstaltung verlief absolut friedlich, fröhlich und ohne irgendwelche Zwischenfälle. Halt genauso, wie es auch sein soll!
Das Festival
Das erste WGM Festival findet in der Hermann-Schwab Halle statt. Ein älteres Gebäude, bei dem der Saal überraschend gross ist und problemlos für über 1‘000 Leute Platz bietet. So voll wird es heute allerdings kaum werden… Draussen stehen Tische und Bänke, man kann das schöne Herbstwetter geniessen, es ist (noch) sonnig und angenehm warm. Ein Bierwagen und ein Grillstand sind natürlich auch vorhanden. Man muss zwar zuerst Wertmarken kaufen, damit man dann auch an Food und Drinks rankommt. Ist aber kein grosses Problem und der Rest lässt sich auch problemlos retour tauschen. Die Security ist freundlich, die Helfer sind es ebenfalls, die ganze Organisation ist tiptop – da kann eigentlich nichts schiefgehen! Man kann sich also beruhigt dem musikalischen Teil widmen: Fünf Bands plus Pausenmusik stehen auf dem Programm…
Blaas Of Glory
Als „Zwischenmusik“ fungieren Blaas Of Glory. Den Holländern ist es vorbehalten, das Festival musikalisch zu eröffnen. Mit Tuba, Banjo, Wandergitarre, Trommel, Pauke, Glockenspiel und Akkordeon bewaffnet, marschieren die acht Musiker durch die Halle nach draussen, während sie „The Final Countdown“ spielen. Klamottentechnisch sieht die Truppe noch verrückter als Steel Panther aus – soundmässig darf man das jedoch keinesfalls vergleichen. Blaas Of Glory spielen Rock Klassiker wie „Jump“ oder „Highway To Hell“ und die ersten Fans zücken auf dem Platz sofort auch ihre Handys. Ich finde dieses Klamaukzeugs (geht wohl in die Richtung Mambo Kurt“) nicht wirklich toll, zumal die Band bei ihren insgesamt vier Kurzauftritten offenbar immer die gleichen Songs spielt. Dass im Internet tags darauf von den „heimlichen Stars“ zu lesen ist, finde ich ziemlich unfair gegenüber den Bands, die sich mit RICHTIGEM Metal den Arsch aufreissen. Ich bräuchte solche Spassbands nicht – manch einer sieht das natürlich anders, und BOG haben bei ihrem letzten Auftritt um halb neun Uhr schon eine stattliche Zuhörerschaft auf dem Platz.
In Dreams Of Reality
Noch ist der Publikumsaufmarsch in der Halle recht überschaubar, als In Dreams Of Reality kurz nach 15 Uhr den Auftakt machen. Einige Fans der Band sorgen jedoch schon für gute Laune, das mag man den Siegenern auch gönnen. Doch die Mucke – Metalcore. Ich kann nur sagen, dass die Truppe engagiert zu Werke geht, dann bluten meine Ohren und ich muss raus. Kollege Dutti hätte hier vielleicht mehr Freude gehabt – für mich ist das einfach nichts, sorry!
Draussen treffe ich wieder auf die Jungs von SpiteFuel. Bei Sonnenschein und Bier diskutieren und philosophieren wir über Musik, Metal, Konzerte – und so verpasse ich prompt mit My Merry Machine auch die zweite Band des Tages. Der letzte Faux-Pas, versprochen!
SpiteFuel
Meine dritte SpiteFuel Show in diesem Jahr – und die dritte Person am Mikro! Jungs, das lassen wir aber nicht zur Tradition werden, dass ich mich jedes Mal wieder orientieren muss…!
Die Heilbronner haben bislang ein strubes Jahr hinter sich. Zuerst die Veröffentlichung des bockstarken Albums „Dreamworld Collapse“, dann der Ausstieg von Fronter Stefan Zörner, die Suche nach Ersatz, Ersatzshows mit Sängerin Jasmin Zimmermann, die Ausladung beim Metal Crash Festival, dann endlich die Präsentation des neuen Mannes am Mikrofon. Phil Stahl nennt sich der schwer tätowierte Kerl – und eins darf man schon verraten: Der Name ist Programm!
Nicht nur ich bin sehr gespannt auf das, was SpiteFuel der zahlreich anwesenden Spite Family hier bieten wird! Der Saal ist äusserst anständig gefüllt, ich schätze mal, dass bei Konzertbeginn sicher so an die 300 Fans hier sind. Mit „Purifed“ startet die Show und sofort zeigt sich, dass hier keinesfalls eine Kopie des Vorgängers am Werk ist: Phil präsentiert sich als komplett anderer Sängertyp wie Stefan. Ausser der sprühenden Energie und der guten Laune gibt es kaum Gemeinsamkeiten. Phil ist härter, rauer, irgendwie böser – das gibt den Songs auch einen ganz anderen Kick. Ein Song wie „Whorehouse Symphony“ kommt jetzt völlig anders um die Ecke! Ich will nicht sagen „besser“ oder „schlechter“ – es ist einfach „anders“… Mir gefällt’s jedenfalls!
Die Zuschauer sehen das wohl ähnlich, die Band wird nach allen Regeln der Kunst abgefeiert. Egal ob neuer Stoff der Sorte „Under Fire“ oder das bärenstarke „Devil’s Darling“: SpiteFuel rocken den Laden. Den Spass, den sie haben, ist vor allem Timo (wieder mal mit seiner genialen Lynch-Mob-Wicked-Sensation-Klampfe!) und dem hochmotivierten Phil anzusehen – Basser Matze macht hingegen mehrheitlich auf „Mr.Cool“. Was aber nicht heisst, dass er keinen Spass hat! Drummer Björn hingegen ist heute aufgrund der grossen Bühne so weit entfernt, dass er kaum Gelegenheit zu den obligaten „Metalinside-Fotografen-Beleidigungsgesten“ erhält… Tja BJ – Pech gehabt! Leider gibt’s dafür für einmal auch keine Bilder von dir – sorry…
Unter den strengen Augen von Manager Markus hauen SpiteFuel während 45 Minuten alles heraus. Sogar alte Strangelet Songs sind im Set zu finden! „Tainted“ wird lauthals mitgesungen und „Brick By Brick“ wird der Laden auseinander genommen. Doch plötzlich rennt die Zeit davon! Phil kündigt eigentlich schon „Sleeping With Wolves“ an – doch fällt wirklich kurzfristig der vorgeschrittenen Uhr zum Opfer. „Privilege Of Power“, der zweite Strangelt Song heute, bildet somit der umjubelte Schlusspunkt. Ja, in der Tat: Kein Schlaf mit den Wölfen! Eigentlich geht sowas ja gar nicht, meine Herren… Als einmaligen Ausrutscher lassen wir das jetzt halt mal durchgehen… 😉
Beeindruckend – diese Show heute ist sicher die grösste, die ich bislang von SpiteFuel sehen durfte. Der Fünfer überzeugt von A bis Z und wenn man bedenkt, dass es erst der zweite Auftritt von und mit Phil ist, dann verdient das einfach Respekt. Der neue Fronter lässt sich jedenfalls allfällige Nervosität kaum anmerken, er zeigt sich ebenfalls äusserst erfreut und glücklich über die Publikumsreaktionen! Kein Wunder ist die Laune auch Stunden nach der Show bei allen Beteiligten bestens…
Setliste SpiteFuel
- Purified
- Iconic Failure
- Under Fire
- Whorehouse Symphony
- Tainted
- Brick By Brick
- The Secret
- Never Surrender
- Devil’s Darling
- Privilege of Power
Winterstorm
Auf die nächste Band bin ich nun sehr gespannt. Winterstorm kenne ich a) nur von ein paar Youtube Clips und b) hat Kollege Friedemann die auf dem Metalacker gesehen und sie als seine persönliche „Überraschung des Jahres“ bezeichnet. Nun ja – Power Metal geht natürlich immer, also mal schauen, was mich da erwartet!
Die fünf Bayreuther stürmen in blauem Licht (…) getunkt die Bühne – und ich höre nur Schlagzeuger Jonas. Und das dermassen überlaut, so dass es mir beinahe die Stöpsel aus den Ohren jagt! Was ist hier passiert? Sowohl In Dreams Of Reality wie auch SpiteFuel (und auch der anschliessende Headliner) hatten guten Sound, auch gut abgemischt – doch hier ist jetzt einfach ein fürchterlicher Soundbrei. Keinen Plan, wie das auf der Bühne für die Band ist – die lassen sich jedenfalls von allfälligen Sorgen nicht beeinflussen und gehen angeführt von Fronter Alex mit viel Power ans Werk. Wenn man – wie ich – jedoch mit den Songs nicht vertraut ist, dann ist es grad sehr schwer, so ein Konzert zu geniessen respektive mal eine neue Band kennenzulernen. Schade – aber ich muss nach gut zwanzig Minuten raus, mir verjagt es wirklich fast das Trommelfell, denn auch weiter hinten ist es nicht wirklich besser. Nun gut – ich hoffe, dass ich Winterstorm bei anderer Gelegenheit mal genauer unter die Lupe nehmen kann, denn eigentlich ist das schon was, was mir gefallen sollte. Dann einfach mit besserem Sound…
Battle Beast
Es ist kurz vor 21 Uhr und bevor der Headliner startet, gibt’s noch eine Scheckübergabe. Denn das WGM spendet 1.50 pro verkauftem Eintritt an den „Winnender Tafel e.V.“. Dieser Verein hilft bedürftigen Menschen mit günstigen Lebensmitteln, dürfte mit der Caritas in der Schweiz zu vergleichen sein. Jedenfalls eine schöne Geste der Veranstalter, welche 915 Euro überreichen können.
Gut 600 Fans sind somit also angereist und wohl jeder dürfte sich nun in der Halle befinden, welche bis zum Mischpult richtig gefüllt hat. Es ist Zeit für den Headliner – Zeit für Battle Beast!
Mit „Straight To The Heart“ brechen die Finnen – flankiert von heftigen CO2-Spritzen – über Winnenden herein und im Publikum gibt es kaum ein Halten mehr. Es ist die letzte Show der „Bringer Of Pain“-Tour, wie uns Noora später erklärt. Kein Wunder, ist die Band bis in die Haarspitzen motiviert. Ich sehe Battle Beast ja wahrlich nicht zum ersten Mal, und ich weiss, dass sie eine hervorragende Live Band sind. Und doch: Heute wirkt alles irgendwie NOCH spritziger, NOCH härter, NOCH besser, einfach mit mehr Wucht. Noora ist stimmlich in Hochform und auch ihre fünf Jungs spielen, als ob es kein Morgen gäbe. Das Publikum bedankt sich damit, dass es unglaublich laut ist, mitsingt und die Band bejubelt. Ganz ehrlich – solche Zuschauerreaktionen würde man sich ab und zu auch in der Schweiz mal wünschen…
Im Zentrum des Programms steht natürlich immer noch das letzte Album, welches mit sagenhaften NEUN Songs vertreten ist! Das zeigt allerdings auch die Qualität und die Langlebigkeit des Werkes, welches (im Gegensatz zu manch einer Scheibe der Konkurrenz) kaum an Glanz verliert, eher das Gegenteil ist der Fall. Songs wie „Lost In Wars“ (erneut ein grosses Highlight!), „Familiar Hell“ und natürlich „Bastard Son Of Odin“ sind bereits jetzt fast unverzichtbar und auch das geile „Beyond The Burning Skies“ hat sich zum perfekten Rausschmeisser gemausert. Irgendwie schon verrückt, dass schlussendlich gerade mal fünf ältere Songs den Weg in die Setlist finden. Hier sticht vor allem „Iron Hand“ heraus, welches unglaublich hart daher kommt. Die Screams von Noora sind einfach nicht von dieser Welt – was sie beispielsweise auch bei „Let It Roar“ eindrücklich beweist!
Zum Tourende darf man auch mal noch etwas die Sau rauslassen. Keyboarder Janne muss ein Bier exen – und wenig später macht Noora einen taktischen Fehler. Sie fragt „Noch ein Bier?“ – und nun kann sich jeder selbst vorstellen, was passiert. Sabaton haben es geschafft, dass diese Rufe endlich abnehmen, jetzt geht’s bei anderen Bands los…? Müsste eigentlich nicht sein. Jedenfalls holt die Fronterin schlussendlich zwei weibliche Fans auf die Bühne, welche ein „Date“ mit den beiden Singles in der Band gewinnen – und sich mit denen im Biertrinken messen müssen! Schlussendlich wäre ein weiterer Song zwar wünschenswert, aber hey – Tourabschluss, da schaut man auch mal über sowas weg…
Disco-Metal! Das eigentlich fürchterlich kitschige „Touch In The Night“ sorgt für grossartige Stimmung – und zwar für so viel, dass die „Noch ein Bier“-Rufe erneut starten und jetzt auch die Sängerin einen Hopfentee gereicht bekommt! Dies soll noch Folgen haben…„Out Of Control“ lässt jedoch zuvor die gut 600 Leute nochmals richtig austicken, einfach geil!
Es folgen die obligaten Zugaben. Zuerst „King For A Day“, somit nochmals etwas Disco-Metal (wenn auch etwas abgeschwächt), dann das finale „Beyond The Burning Skies“. Und hier vergisst Noora einen Moment lang tatsächlich den Text – was sie auf das Bier vorhin zurückführt! Doch auch solche kleinen Aussetzer werden natürlich mit Humor genommen, sowohl von Band wie auch vom Publikum. Dem spektakulären Ende mit CO2 Spritzen, Rauchsäulen und Konfetti tut dies natürlich keinen Abbruch, die letzten 90 Minuten der „Bringer Of Pain“ Tour sind vorbei und Battle Beast dürfen sich noch minutenlang von den Fans feiern lassen.
Setliste Battle Beast
- Straight to the Heart
- Bringer of Pain
- Familiar Hell
- We Will Fight
- Let It Roar
- Black Ninja
- Far from Heaven
- Lost in Wars
- Iron Hand
- Bastard Son of Odin
- Touch in the Night
- Out of Control
- King For A Day*
- Beyond The Burning Skies*
*Zugaben
Das Fanzit
Ein neues Festival auf der Landkarte – und kaum ein Grund zur Kritik! Aller Anfang ist oftmals ja schwer, aber die Macher des WGM haben eigentlich alles richtig gemacht.
Konzept? Zugkräftiger Headliner mit eher kleineren (lokalen) Bands aus verschiedenen Genres. Location? Prima. Organisation? Tiptop. Umfeld? Schick. Presse- und Bandbetreuung? Kein Grund zur Klage. Licht? Akzeptabel, ist halt wirklich keine einfache Sache. Sound? Auch hier mehrheitlich ok, einzig die totale Lärmattacke bei Winterstorm war alles andere als toll. Der Kauf von Wertmarken für Essen und Trinken ist ein System, mit dem man leben kann und welches soweit auch problemlos klappte.
Bleibt noch die Musik. Schlussendlich habe ich (leider…) nur zwei Bands komplett gesehen. Während Battle Beast und SpiteFuel restlos überzeugten (abgesehen vom Sound würde dies wohl auch auf Winterstorm zutreffen), ist die Verpflichtung von so Spassbands wie Blaas of Glory halt ein zweischneidiges Schwert. Als lassen wir das als einmaligen Joke mal durchgehen. Alles in allem ein toller Event, bei dem man sich eine Neuauflage mit ähnlich gutem Programm wünscht!