Schweizer Hardrock als Exportartikel
Crystal Ball, Black Diamonds, Gods Of Silence – drei Schweizer Hardrock-Bands gehen zusammen auf Tour. Und keine Show in der Heimat? Nun, wenn das so ist, dann gibt’s halt einen Wochenendtrip in die Frankenmetropole Nürnberg!
Die Jungs der Black Diamonds haben es uns gegenüber am Bang Your Head!!! mal angetönt – und als meine Frau Nicky und ich die Tour-Ankündigung dieses Packages dann gesehen haben, war klar: DAS dürfen wir nicht verpassen! Etwas überraschend war zwar die Tatsache, dass hier ausschliesslich unsere nördlichen Nachbarn zum Handkuss kommen, aber egal: man reist ja gerne herum. Heisst: Hotel buchen, Züge reservieren und schon steht dem rockigen Weekend in Nürnberg nichts mehr im Weg.
Auf der Fahrt durch Süddeutschland erreicht uns die Meldung, dass der Headliner heute bereits um 20.30h auf die Bühne muss. Das ist in der Tat sehr früh – Erklärungen dazu folgen später. Für uns hingegen bedeutet die obligate Verspätung bei der DB („Sänk ju for träwelling wiss se Deutsche Bahn!“) etwas Hektik, aber wir schaffen es dann doch, dass wir pünktlich um 16h im Club sind – gerade rechtzeitig zum Soundcheck von Crystal Ball, die uns danach herzlich begrüssen.
Nicky und ich dürfen heute für einmal auch einen Blick hinter die Kulissen werden. Die Stimmung ist relaxed, die Jungs von Black Diamonds freuen sich auch über den Besuch aus der Schweiz und Gods of Silence Gitarrist Sammy erklärt uns die Personalsituation seiner Band für diese Tour. Auch hier folgt später mehr dazu.
Die Götter und die Diamanten wechseln auf dieser Tour ihre Positionen ab. Heute werden die Gods eröffnen, demzufolge sind nun die Rheintaler mit dem Soundcheck dran. „We Want To Party“ kriegen wir somit ziemlich exklusiv um die Löffel gehauen – und nicht nur wir kriegen den Wurm nicht mehr aus den Ohren. Jemand – ich glaube, es ist Sammy – läuft herum und meint, dass ihm das schon am Vortag passiert sei…. Gute Voraussetzungen!
Noch ein Wort zum Club. Der nennt sich Matrixx und befindet sich ausserhalb des Zentrums, man kann wohl sagen, dass es hier Industriegebiet ist. Der Laden selbst bietet Platz für vielleicht 200 Leute, ist also verhältnismässig klein. Dafür hat’s eine grosse Nische, in der Tom, der „Mann für Alles“, den Merchstand einrichten kann.
Wie angetönt müssen heute die Kristallkugeln früh auf die Bühne, und natürlich gilt gleiches für die Supportacts, die heute beide mit gerade mal 35 Minuten Spielzeit auskommen müssen. Der Grund hierfür ist eine Doppelbelegung des Clubs, denn ab 23 Uhr findet hier eine – kein Scheiss! – Fetischparty statt! Nun ja… Doch die Bands darf das natürlich nicht stören, die müssen einfach ihr Bestes geben!
In der Zwischenzeit überbrücken sowohl Musiker wie auch wir die Zeit mit Warten, Quatschen und Philosophieren, bevor wir dann von Crystal Ball Main–Man Scott Leach in den Tourbus geführt werden: Zeit für unser Interview mit der wohl aktivsten Schweizer Truppe der letzten Jahre. Dies könnt ihr ebenfalls auf unserer Page nachlesen. Steven, Tony und natürlich Scott stehen uns Red und Antwort und auch als das Band längst abgeschaltet ist, diskutieren wir bei einem (oder zwei…) Bierchen noch lange weiter über grosse und kleine Bands, über grosse und kleine Festivals, über Kreuzfahrten oder über das Image und die Musik von Ghost… Und so verpassen wir tatsächlich den Showbeginn! Es ist bereits kurz vor 19 Uhr – also husch an die Arbeit!
Gods Of Silence
Die Gods Of Silence sind mir eigentlich erst seit der Rocknacht in Tennwil ein Begriff. Maxxwell Fronter Gilbi ist auch hier zuständig für den Gesang. Doch wo ist der Glatzkopf eigentlich? Gitarrist Sammy erklärt mir vor der Show, dass es terminliche Konflikte gab und der Sänger zurzeit mit seiner Stammband Maxxwell unterwegs ist. (Dies hätte man auch selbst rausfinden können, wenn man sich im Vorfeld etwas informiert hätte – Schande über mich…). Seine Vertretung ist der Finne Christian Palin, der ansonsten auch mit Sammy zusammen bei Panorama spielt. Beeindruckend: Palin, gebürtig in Uruguay, hat gerade mal zwei Proben mit seinen neuen Bandkumpels auf dem Buckel, heute spielt er die zweite Show…
Zugegeben: Ich kenne mich mit dem Songmaterial der Basler nicht aus. Insofern lasse ich mich einfach mal überraschen. Zweifellos sind die Götter die härteste Band des Billings. Die Mucke geht teilweise schon in Richtung Powermetal – was mir ja eigentlich entgegenkommt. Jedenfalls gehen die Jungs sehr engagiert und mit Spass ans Werk, auch wenn der Laden noch spärlich gefüllt ist. Vielleicht 30 Leute haben sich bislang eingefunden – und die bestaunen die Action nicht mit dem „Schweizer Sicherheitsabstand“: Nein, der Einheimische steht NOCH weiter weg von der Bühne! Das hindert allerdings vor allem den Fronter nicht daran, richtig Vollgas zu geben! Denn EINEN Vorteil hat er gegenüber Gilbi: Die Frisur! Christian Palin lässt seine Mähne immer mal wieder propellermässig rotieren, was durchaus auch zum Sound passt. Inwiefern es sonst noch Unterschiede gibt, vermag ich nicht zu beurteilen. Mir hat’s in Tennwil gefallen und mir gefällt’s heute – und auch die Zuschauer spenden schlussendlich anständig Applaus. Ein guter Start in den Abend, ich muss mir wohl wirklich mal noch mindestens die aktuelle CD der Truppe besorgen…
Setliste Gods Of Silence
- Army of Liars
- You mean nothing More
- Neverland
- Demons
- All My Life
- Full Moon
- Against the Wall
- Phoenix
Black Diamonds
Crystal Ball sind durchaus ein Grund für (weite) Reisen. Doch wenn dann noch die Black Diamonds ebenfalls mit dabei sind, dann werde ich zittrig – denn ganz ehrlich: Die Rheintaler machen die Art von Musik, die mich einfach umhaut. Im positiven Sinn. Glam Metal in der Tradition der alten 80er Bands. Das ist einfach meins!
Leider darf das Quartett heute auch nur 35 Minuten rocken, drei Songs müssen daher von der Setliste gestrichen werden. Unter anderem wieder einmal „Not Going Home“ – mein persönlicher Favorit, zu dem die Band übrigens einen spassigen Videoclip gedreht hat! Basser Andi meint zum Fehlen dieser Nummer, dass das Taktik sei, damit ich immer wieder an die Shows komme… Tja – ich würde vielleicht an mehr Konzerte kommen, wenn ihr ihn immer spielen würdet, ätsch…! Mitte November im Hall of Fame in Wetzikon – die nächste Chance, Jungs! 😉
Die Zuschauermenge ist etwas gewachsen und ganz vorne stehen ein paar Leute mit Shirts des Black Diamonds Fanclub Bavaria! Und nicht nur die haben Freude, als Mich & Co mit dem saugeilen „We Want To Party“ den Auftritt beginnen. Einfach die perfekte Art, eine Show zu beginnen! „Romeo & Juliet“ ist der erste Titel, der gekippt werden muss. Nach „Judgement Day“ überzeugt „I’ll Be Ok“ auf ganzer Linie – was für ein Refrain, was für eine Melodie! Bei „Thrillride“ übernimmt wie gewohnt Andi den Job am Mikrofon, während ich mein Versprechen einlöse und mir endlich ein Black Diamonds Shirt kaufe. Merchman Tom muss zwar ein Weilchen in den Schachteln suchen – Lieferung in die Reihe 1 ist danach Service am Kunden…
Kleidungsmässig passend ausgerüstet wird das Triple „Vampires Of The Night“, „Hands Of Destiny“ sowie das Chuck Berry-Cover „Rock And Roll Music“ abgefeiert. Mich, Andi, Dee und Manu geniessen augenscheinlich jede Sekunde, genauso wie die Fans im Club, welche den Sicherheitsabstand nun doch zumindest auf Schweizer Niveau verkürzt haben. Hier kann man in der Tat sagen, dass das Publikum für den Headliner aufgewärmt wurde!
Setliste Black Diamonds
- We Want to Party
- Judgment Day
- I’ll Be Ok
- Thrillride
- Vampires of the Night
- Hands of Destiny
- Rock And Roll Music
Crystal Ball
Was kann man noch gross über Crystal Ball sagen? Seit Scott Leach die Band vor ein paar Jahren reaktiviert und mit Steven Mageney einen fantastischen Sänger geholt hat, geht’s eigentlich nur vorwärts. Die sympathischen Luzerner vermögen sowohl auf Konserve wie auch auf der Bühne zu überzeugen – weniger als 100% gibt’s nicht.
Wenn mich Setlist.fm nicht anlügt, dann ist das heute mein zehntes Konzert der Kristallkugeln, wovon das siebte innert den letzten zwei Jahren. Schlechte Erinnerungen? Fehlanzeige. Egal ob als Headliner wie heute oder „nur“ als Support von Bands wie Pretty Maids: Spass und Spielfreude sind allgegenwärtig bei CB. Es ist schon sehr beeindruckend, wie eingespielt die Truppe mittlerweile ist. „Das Kollektiv steht im Vordergrund“ – die Aussage, die Steven im Interview macht, ist keine leere Phrase.
Das bestens aufgelegte Publikum jubelt lautstark, als Marcel, TC, Chris, Scott und schlussendlich auch Steven die Bühne kurz nach halb neun Uhr betreten. Tragisch ist allerdings der Sound: Während bei beiden Vorbands alles prima war, versinkt „Crystallizer“ in einem Soundbrei. Sowohl Gesang wie auch Gitarren werden gnadenlos von Drums und Bass überfahren. Das ist insofern komisch, als dass ich a) am gleichen Ort stehe wie zuvor und b) beim Soundcheck alles prima war. Ich kann nicht urteilen, ob es weiter hinten besser ist – am Bühnenrand ist es zu Beginn wahrlich nicht optimal.
Aber dies ist nun wirklich der einzige Kritikpunkt, den man anbringen kann! Denn sonst zocken die fünf einmal mehr ein starkes Set. Die kleine Bühne scheint zudem Drummer Marcel zu beflügeln – da er für einmal nicht weiss der Geier wie weit hinten hocken muss, kann er immer wieder mal prima für die Kameras posen. Gut so, denn die Drummer sind oftmals zwangsläufig nicht so sehr im Spotlight anzutreffen. Ebenfalls mal speziell erwähnt werden muss Basser Chris. Der steht ab und zu im wahrsten Sinne des Wortes direkt vor meiner Nase – und als Nicht-Musiker bin ich schon beeindruckt, wie der sein Instrument bearbeitet. Durchaus möglich, dass die vorhin erwähnte Soundqualität ihm auch in die Karten spielt, aber heute fällt mir das Bassspiel wirklich auf – im positiven Sinne.
Dass in einem kleinen Club keine Riesenshow möglich ist, versteht sich von selbst. Doch für das Backdrop, die beiden grossen Kristallschädel rechts und links der Drums sowie die vier Rauchmaschinen (die heute auch mal ihre Macken zu haben scheinen) hat’s immer Platz! Ansonsten verzichten Crystal Ball auf jeglichen Showelemente: Weder die Flagge bei „Hold Your Flag“ noch das Schweizer T-Shirt bei „Hellvetia“ kommen zum Einsatz. Das Outfit in schwarz / weiss bei Steven (inklusive Schuhe) ist hingegen geblieben.
16 Songs sind heute im Programm, welches wohl auch leicht gekürzt sein dürfte. Denn schliesslich wollen alle danach noch an die Fetisch-Party, meint Steven gleich zu Beginn mit einem Grinsen… Oder vielleicht auch nicht – eine Rock’n’Roll Party dürfte mehr Spass machen! Und eine solche wird jetzt auch gefeiert. Im Vergleich zur Headliner-Show im Frühling hat beispielsweise „Symphony Of Life“ den Weg ins Programm gefunden – ein Favorit des Sängers. Umgekehrt fehlen heute unter anderem „Dr. Hell No“, „LifeRider“ und meine heissgeliebten „Gods Of Rock“. Insgesamt sind allerdings Abwechslungen in der Setliste grundsätzlich ja eine gute Sache, vor allem für die Fans, die den Bands immer mal nachreisen!
Wenn es heute Songs gibt, die besonders herausragen, dann sind dies „Gentleman’s Agreement“ sowie der mächtige Stampfer „Death On Holy Ground“. Und daneben sind natürlich all die Faves des Publikums: „Hellvetia“, „Mayday!“ und selbstredend die beiden bockstarken Zugaben „Déjà Voodoo“ und „Paradise“. Und genau damit verabschieden sich Crystal Ball nach gut 80 Minuten von ihren Fans, nur um Minuten später am Merchstand aufzutauchen und bereitwillig Autogramme zu verteilen. Das ist gelebte Fannähe!
Setliste Crystal Ball
- Crystallizer
- Anyone Can Be a Hero
- Curtain Call
- Hold Your Flag
- Gentleman’s Agreement
- Symphony of Life
- Eye to Eye
- Death on Holy Ground
- Let Her Go with Love
- Hellvetia
- Mayday!
- Director’s Cut
- Suspended
- Alive for evermore
- Déjà Voodoo*
- Paradise*
*=Zugaben
Es sind kaum 15 Minuten vergangen, seit die Show zu Ende ist. Sowohl Crystal Ball wie auch die Diamonds tummeln sich inmitten der Fans – die aber bereits äussert bestimmt nach draussen gebeten werden, indem man einfach die Absperrung im Club weiter Richtung Ausgang schiebt. Denn vor der Tür warten schliesslich ein paar Fetisch-Freaks, die hier rein wollen… Bilder, die man irgendwie nicht sehen will!
Später diskutieren wir noch lange mit Manu, dem Drummer der Black Diamonds. Einhellige Meinung: Doppelbelegungen sind Mist, eine gescheite Rock’n’Roll Party im Anschluss wäre die bessere Entscheidung gewesen! Aber das liegt natürlich nicht in unseren Händen – schade ist dieser Rauswurf allemal. Zumal die Bands ja den Kontakt mit den Fans zweifellos sehr schätzen!
Das Fanzit
Eine lange Reise, die sich gelohnt hat! Schweizer Hardrock als Exportschlager? Wenn es um die Qualität der drei Bands geht, kann die Antwort nur „JA“ lauten – bei der Quantität besteht hingegen noch Luft nach oben, etwas mehr Zuschauer würden alle jedoch zweifellos verdienen! Doch auch so haben die Götter der Stille, die schwarzen Diamanten und die Kristallkugeln eine prima Zeit zusammen, die sie ganz offensichtlich geniessen. Und während drinnen die Fetisch-Party losgeht und hinter der Absperrung in einem anderen Laden eine Halloween-Party steigt, unterhalten Nicky und ich uns noch lange mit den Musikern. Christian Palin klinkt sich dann plötzlich aus und hilft beim Raustragen und Einladen des Equipments – man will ja nicht als „fauler Sack“ gelten… Schliesslich helfen hier alle mit, und sogar der Schreiberling packt bei grossen Kisten noch mit an.
Es ist weit nach 23 Uhr, als wir uns endgültig verabschieden und uns auf den Weg ins Hotel machen. Für den Tourtross geht die Fahrt nun ganz hoch in den Norden – aber es ist ja Umstellung auf Winterzeit, somit bleibt eine Stunde mehr Zeit für den langen Trip.
Vielen Dank an dieser Stelle an die Gods of Silence, die Black Diamonds, Crystal Ball und im speziellen Scott Leach für die Unterstützung und die Gastfreundschaft! War der Plausch!