Ein progressiver Hall Of Fame-Abend
Der Schweizer Prog Metal-Verein Eleven Rock gastierte am Samstagabend mit seinem Event im Wetziker Rock-Club Hall Of Fame. In der diesjährigen Ausgabe wirkten die Bands Influence X, Ethernity, DGM und Icefish mit. Trotz schwachem Publikumsaufmarsch hinterliessen einige Akteure positive Eindrücke. Um wen es sich dabei gehandelt hat, könnt ihr den nachfolgenden Zeilen entnehmen.
Anhänger des progressiven Metal werden oftmals klischeehaft als elitäre Menschen abgestempelt, die sich die häufig komplexen Melodien bevorzugt im heimischen Sessel und mit einem Gläschen Rotwein in der Hand zu Gemüte führen. Doch dies muss nicht permanent auf alle zutreffen. Besuche von Konzerten liegen nämlich ebenfalls drin. Obwohl man heute Abend nicht darauf kommen könnte, denn das Hall Of Fame wirkt beinahe ausgestorben. Ohje, hoffentlich gibt’s noch ein bisschen Zuwachs bei der Zuhörerschaft. Andernfalls müssen die Bands mit einer erbärmlichen Kulisse vorliebnehmen. Für mich wird es jedenfalls eine ziemliche Horizonterweiterung geben. Ausser Influence X ist mir nämlich keine der Kapellen ein Begriff. Im vergangenen Jahr fand die Veranstaltung noch im Z7 in Pratteln statt. Damals hauten mich insbesondere die Schweden Evergrey voll und ganz vom Hocker. Mal schauen, ob es heute Abend ähnlich überzeugende Darbietungen hageln wird.
Influence X
«Schön das alle da sind, dann können wir ja anfangen», meint Sänger Ramin Dänzer mit leicht ironischem Unterton in der Stimme. Während sich die übrigen Besucher eher im hinteren Raumbereich aufhalten, wage ich mich ganz nach vorne ans Gitter. Irgendjemand muss ja schliesslich für Stimmung sorgen und die lokalen Musiker unterstützen. Diese Aufgabe nehme ich selbstverständlich dankend an. Aufgrund der ständigen, teilweise abrupten Rhythmuswechsel taucht beim Progressive Metal eigentlich immer das nachfolgende Problem auf: Man fällt beim Mähnenschütteln gerne rasch auf dem Takt, was dann jeweils ein bisschen doof aussieht. Dies bleibt jedoch die einzige Schwierigkeit, denn ansonsten läuft der Gig des Quintetts aus Siebnen absolut glatt ab.
Die Setliste besteht aus Stücken von diversen Werken der metallischen Influencer. Der aktuellste Silberling «Quantum Reality» brilliert mit einem 25-minütigen Monster-Track, der allerdings in zehn einzelne Parts aufgeteilt ist. Dies ermöglicht es den Jungs, jeweils einzelne Puzzleteile herauszupicken und vorzutragen. Heute sind dies «Asymmetry», «Downfall To The Abyss» und «Finis Opus Coronat». Ramin trumpft dank seines facettenreichen Stimmorgans abermals auf. Den Titel des Entertainers sichert sich jedoch Tastenmann Vito Staedler mit seinen Grimassen und dem gelegentlichen Herumgehüpfe. Genau wie sein Sänger bevorzugt er übrigens die überaus aerodynamische Frisurenvariante. Nach 40 Minuten beenden Influence X ihre Schicht und bedanken sich nochmals beim Mini-Publikum. Es sei schön zu sehen, dass auch wenige Zuhörer für Stimmung sorgen können.
Ethernity
Vom Kanton Schwyz geht die Reise weiter nach Belgien. Dort sind die Progressive Melodic Metaller Ethernity beheimatet. Mitte September haben sie mit «The Human Race Extinction» ihre neuste Scheibe veröffentlicht. Leider hat Sängerin Julie Colin der Band kurz davor den Rücken gekehrt. Sicherlich ein herber Schlag für die ambitionierte Truppe. Aber wozu hat man denn Freunde, die in solchen Notsituationen gerne aushelfen? So stehen heute Abend keine geringeren als die Französin Maggy Luyten (Nightmare) und der Schwede Kelly Sundown Carpenter (Civil War) auf der Bühne. Das nenn ich doch einmal ein geniales Gesangs-Duo. Eine unerwartete, aber zweifelsohne gelungene Überraschung. Beide haben zwar einen Spickordner dabei, aber die Songs sitzen schon ziemlich gut. In Sachen Publikumsanimation muss man ihnen sowieso nichts mehr beibringen. Ich bin derart begeistert, dass ich mir wünsche, dass aus der notgedrungenen Line Up-Anpassung ein fixes Engagement wird.
Das Tempo ist hoch und die Melodien kommen ziemlich kraftvoll um die Ecke. Ethernity sind für mich bisher definitiv die Entdeckung des Abends. Die 45 Minuten gehen viel zu schnell vorbei. Meines Erachtens hätte das Septett, welches die HoF-Bühne in Sachen Kapazität an ihre Grenzen bringt, gerne noch ein bisschen länger machen dürfen. Das Feierabendbier – auf welches sich insbesondere Maggy und Kelly freuen – haben sie sich redlich verdient. Sollte das nächste Album in genau dieser Besetzung produziert werden, werde ich es mir sicherlich kaufen.
DGM
Die Italo-Proger DGM gehen als nächste Gruppe ins Rennen. Fronter Mark Basile mag körperlich kein Hüne sein, aber mit seinem Stimmorgan braucht er sich vor niemandem zu verstecken. Klampfer Simone Mularoni ballert ununterbrochen Plektren in die inzwischen ein kleines bisschen angewachsene Menge vor der Bühne. Da bekommt beinahe jeder Fan eines für seine Sammlung. Auf längeren Tourneen dürfte der Gitarrist nicht so verschwenderisch mit seinen Plättchen umgehen. Sonst stünde er dann wohl plötzlich ohne Zupfhilfe da.
Hinter mir steht inzwischen die gesamte Ethernity-Besatzung, welche den Auftritt ihrer Genre-Kollegen aus Rom gespannt mitverfolgt. Als DGM plötzlich durstig werden, ist man sich auch nicht zu schade, dass Bier untereinander zu teilen. Gut geölt spielt sich das Quintett weiterhin souverän durch sein Set. Egal, ob Balladen oder Tempo-Nummern, da ist definitiv viel gutes Material dabei. Ein Plattenkauf meinerseits wird immer realistischer. Nach der Show muss ich effektiv einen Blick auf das Merch-Angebot werfen.
Icefish
Bezüglich des Headliners wurde im Vorfeld der heutigen Veranstaltung speziell um die Personalie an den Drums ein grosses Tamtam gemacht. Dieser Virgil Donati muss ein echter Star seiner Zunft sein. Nur scheint dies irgendwie noch nicht bis zu mir durchgedrungen zu sein. Vielleicht werde ich nach den kommenden 75 Minuten anders über ihn sprechen. Icefish haben als einzige Truppe des heutigen Abends die gesamte HoF-Bühne zur Verfügung. Der Vierer wirkt auf dieser Spielfläche fast schon etwas verloren. Im Vergleich mit DGM müssen sie zudem mit weniger Publikum auskommen. Mich überzeigt das Dargebotene jedenfalls nicht restlos. Es fehlen schlichtweg die Wow-Effekte. Doch spätestens beim Drum-Solo verstehe ich den Hype, der da um Virgil gemacht wird. Hui, ist der schnell! Phasenweise kann man seinen Sticks und Armen kaum noch mit blossem Auge folgen. Ganz grosses Kino! Schade nur, dass Mister Donati im Plexiglaskäfig sitzen muss. Das raubt ihm die Nähe zu den Fans. Seine Solo-Einlage bleibt am Ende tatsächlich der einzige Höhepunkt der Show. Ansonsten lässt mich der Icefish leider ziemlich kalt.
Das Fanzit
Organisationstechnisch war das ein gelungener Abend. Drei von vier Bands vermochten zu überzeugen. Gewinner des Abends waren aus meiner Sicht Ethernity aus Belgien mit ihren beiden Gastsängern Maggy Luyten und Kelly Sundown Carpenter. Enttäuschend war dagegen abermals der schwache Publikumsaufmarsch. Ich bin davon überzeugt, dass die CH-Prog Metal-Szene grösser ist als die wenigen Nasen, die sich heute Abend ins Zürcher Oberland verirrt haben.
Setliste – Influence X
- Asymmetry
- Determined
- Mindtrap
- Downfall To The Abyss
- Finis Opus Coronat
- Existence
- Paranoise
Setliste – Ethernity
- The Human Race Extinction
- Mechanical Life
- The Code
- Grey Skies
- Redefined
- Artificial Souls
Setliste – Icefish
- Solitude
- Paralyzed
- Revolution
- It Begins
- Your Eyes
- 5 Years
- Show Me How To Live (Audioslave-Cover)
- What Would You Do (Instrumentale Version mit Drum Solo)
- Lost
- Human Hardware
- The Pieces
- Animate (Rush-Cover)*
*Zugabe