Mit dem «Metalized»-Virus infiziert
Die Luzerner Maxxwell zeigten im Rahmen Auftakts zur aktuellen Tour in der heimischen Schüür eine bärenstarke Show, die super bei der Masse ankam. Polonaise, Gerudere, Moshpits – so viele Aktivitäten habe ich von einem Schweizer Publikum schon lange nicht mehr erlebt. Support gab’s von den Lunatris-Bewohnern Infinitas. Sämtliche Details entnehmt ihr wie gewohnt den nachfolgenden Zeilen.
Der Todestag des ehemaligen Gotthard-Sängers Steve Lee jährt sich heute zum achten Mal. Das soll für heute allerdings die einzige, traurige Nachricht bleiben. Aufgrund dessen werde ich in der Schüür sicherlich das eine oder andere Glas zu Gunsten des Stimmwunders erheben. Dort ist anlässlich der heutigen Veranstaltung das Schweizer Duo Maxxwell und Infinitas zu Gast. Erstere rocken mit ihrem aktuellen Silberling «Metalized» zurzeit die Hitparaden. Bei den offiziellen CH-Charts reichte es für Platz 16 – und das ohne ein Label im Rücken. Allein dafür ist den Herrschaften schon einmal Respekt zu zollen. Die Scheibe besticht vor allem durch ihren Härtegrad, der gleichzeitig auch für gespaltene Meinungen bei den Fans gesorgt hat (siehe diesbezüglich auch unsere Metalinside-Plattenkritik). Mit dem ursprünglichen Sound des Quintetts hat das nicht mehr sonderlich viel zu tun. Stattdessen bewegen sie sich nun auf den Pfaden von Stone Sour oder Five Finger Death Punch. Ich bin gespannt, ob das neue Material live ebenfalls so wuchtig daherkommt.
Infinitas, die ihren melodiösen Metal gerne mit Elementen aus den Bereichen Thrash und Folk ergänzen, sind sowieso stets fleissig unterwegs. Egal, ob im akustischen Gewand oder mit geladenen Instrumenten, die Muotathaler sind echte Konzert-Langstreckenläufer. Beinahe schon skandalös, dass ich ihnen schon lange nicht mehr begegnet bin. Seit dem Auftritt Mitte September des vergangenen Jahres in der Met-Bar hat sich nämlich einiges getan. So erlebe ich die Truppe am heutigen Abend zum ersten Mal in der neuen Besetzung; sprich mit Violinistin Irina Melnikova und Bass-Mann Tinu Telli. Infinitas haben für den heutigen Gig sogar einen eigenen Fan-Bus organisiert. Somit darf also auf eine akzeptable Besucherzahl gehofft werden. Doch ehe der Konzertreigen startet, muss die eigene Kehle noch rasch befeuchtet werden. Für einen ersten Blick auf das Merchandise-Angebot reicht’s ebenfalls. Danach richten sich die Blicke jedoch so langsam zur Bühne.
Infinitas
Mit etwas Verspätung starten Infinitas schliesslich in ihr 40-minütiges Set. Dieses besteht komplett aus Songs des gelungenen Debütalbums «Civitas Interitus». Die Zuhörerschaft erlebt also klangvoll und in Farbe die Zerstörung der fiktiven Stadt Lunatris durch dämonische Mächte. Gemessen an den Personen, die vor der Bühne herumstehen, scheint es sich bei der Anreise wohl eher um einen kleinen Fan-Bus gehandelt zu haben. Schade, da wäre sicherlich mehr möglich gewesen. Der Fünfer zeigt sich davon glücklicherweise unbeeindruckt und liefert eine souveräne Performance ab. Dass Frontmädel Andrea Böll über eine fantastische Stimme verfügt, stellt sie abermals eindrücklich unter Beweis. Irinas Violinspiel vermag ebenfalls zu überzeugen. Passt irgendwie besser zur Musik von Infinitas als die zuletzt verwendete Flötenabteilung.
Showmässig tauchen ein paar Neurungen auf. So werden gewisse Stücke mit Verkleidungen, Masken oder – zur Not – beschrifteten Kartonschildern inszeniert. Das hat einen gewissen Charme und zeigt gleichzeitig, dass nicht immer die brutalsten Pyro-Effekte nötig sind, um das Publikum zu begeistern. Eben dieses mag zwar überschaubar sein, aber Stimmung ist nichtsdestotrotz insbesondere in den vordersten Reihen vorhanden. Bei Nummer wie «Samael» oder «Alastor» wird munter mitgefeiert. Während des Outros «A New Hope» reicht’s noch für ein gemeinsames Foto mit der Zuhörerschaft und anschliessend verschwinden die fünf Musiker gemächlich hinter der Bühne. Die grinsenden Antlitze von Klampfer Selv Martone und Fellklopfer Pirmin «Piri» Betschart spreche in Sachen Zufriedenheit Bände.
Maxxwell
Kurz vor 22 Uhr darf sich die Hauptattraktion des Abends dann über eine rappelvolle Schüür freuen. Maxxwell starten fulminant und nehmen den Fuss im Verlaufe der nächsten 90 Minuten bloss noch in Ausnahmefällen vom Gas. Bereits nach den ersten paar «Metalized»-Nummern wird klar, dass die neuen Stücke absolut live-tauglich sind. Für eine Abriss-Show, wie sie die Luzerner gerade zeigen, sind sie definitiv hilfreich. Fronter Gilberto «Gilbi» Meléndez’ kräftiges Stimmorgan macht Freude, der offenbar nicht ohne Kopfbedeckung leben könnende Hef Häfliger lässt seine Saitenkönigin unermüdlich kreischen und Rhythmusgitarrist Cyril Montavon mimt den Meister der Gesichtsverrenkungen. Die ganze Band hat richtig Bock und diese positive Attitüde färbt auch auf das Publikum ab.
Das Erfolgsrezept der heute gespielten Songs? Die Melodien sind überaus eingängig und man kann rasch mitsingen. Für Lacher sorgt Gilbi schliesslich, als er zu «Metalized» in einen silbernen Zwirn schlüpft. Ob diese Aktion wohl die Metallisierung verdeutlichen soll? Dann müssten die anderen Herren aber strenggenommen ebenfalls in ein solches Outfit schlüpfen, denn der neue Härtegrad hat alle fünf Musiker erfasst. Weshalb sich einige nach der Albumveröffentlichung über den Stilwechsel überrascht zeigten, ist mir nicht vollends klar. Schliesslich haben Maxxwell bereits in der Vergangenheit mit Songs wie «Independent» – der mich auch heute wieder wegknallt – gezeigt, dass sie bei Bedarf ordentlich draufhauen können. Allen Hatern seien an dieser Stelle folgende Worte gesagt: «Independent, shut the fuck up!». Zudem haben die Jungs ihren Hard Rock ja keinesfalls komplett aufgeben. Dies wird mit sehr kraftvollen Balladen wie «She’s Mine» oder «Nothing Changes My Mind» unter Beweis gestellt.
Señor Meléndez ist eine unglaublich charismatische Rampensau. Mit seinen frechen Sprüchen hat er die Masse rasch auf seiner Seite. Nickelback kriegen beispielsweise ihr Fett weg. Dann erkundigt er sich fair bei Infinitas nach ihren Merchandise-Erfolgen: «Händer scho öpis verchauft?». Die Gunst der Stunde nutzt Gilbi dann auch gleich, um sich beim Support-Act für deren Aufwärmprogramm zu bedanken. So agiert ein würdiger Headliner. Den Fans muss er praktisch keine Anweisungen geben. Unaufgefordert setzen sich einige bei einem Track plötzlich hin und beginnen zu rudern. Später wird ebenfalls noch eine Polonaise durch die ganze Schüür gestartet. Sehr zur Freude der gesamten Maxxwell-Truppe. So etwas hätten sie noch nie erlebt, gibt Gilbi lachend zu. Auch ich bin positiv überrascht über ein derart aktives Schweizer Publikum, chapeau! Das Publikum will die metallisierten Zentralschweizer gar nicht mehr gehen lassen. Zur Belohnung gibt’s gleich zwei Zugaben-Blöcke. Das verdiente Feierabendbier muss also noch etwas warten. Den endgültigen Schlusspunkt setzt die Hymne «Queen Of The Night», welche gerade im Refrain doch arg an «Guilty» von The Rasmus erinnert. Halb so wild, denn das ändert rein gar nichts an der Genialität des Songs. Nun sind wir definitiv alle «Metalized».
Das Fanzit
Infinitas lieferten souverän ab, hätten allerdings ganz klar ein paar Zuhörer mehr verdient gehabt. Was danach aber Maxxwell raushauten, war nochmals ein paar Stufen überragender – oder anders gesagt – schlichtweg Weltklasse. Ich lehne mich an dieser Stelle einmal aus dem Fenster und wage zu behaupten, dass die Luzerne auf einem sehr guten Wege sind, zu einer der aktuell besten Schweizer Band zu werden. Wir Metalinsider werden diese Entwicklung sicherlich im Auge behalten. An der Soundqualität in der Schüür gab’s abermals nix zu bemängeln. Sie zählt eindeutig zu besseren Konzert-Locations unseres Landes.
Setliste – Infinitas
- Morrigan
- Samael
- Rudra
- Skylla
- Labartu
- Alastor
- Outro – A New Hope