Tödlicher Vierer im Kammgarn
Wer seine Nackenmuckis und Gehörgänge am Donnerstagabend ordentlich strapazieren wollte, wurde im Schaffhauser Kammgarn mit den dafür notwendigen Trainingseinheiten beglückt. Die Drillinstrukteure hiessen Vader, Entombed A.D., Mortuary und Nihilo. Bei wem die meisten Schweissperlen flossen, könnt ihr den nachfolgenden Zeilen entnehmen.
Ich bin bekanntermassen überaus häufig in der Schweizer Metal-Konzertlandschaft unterwegs. Oftmals endet man dabei in denselben Locations. Doch ab und an steht auch ein neues Kennenlernen auf dem Programm. Heute pilgere ich nämlich erstmals nach Schaffhausen ins Kammgarn. Schade, dass es sich um einen regnerischen Oktoberabend handelt. Andernfalls hätte man es sich auf der Terrasse der Beiz gemütlich machen können. Tja, wird nix – ab ins Innere. Unser Ziel ist die Aktionshalle (so wird der Bühnensaal hier genannt). Rechts neben dem Eingang lächelt uns bereits ein ausgiebiges Merchandise-Angebot an. Insbesondere Vader und Entombed A.D. haben interessante Shirts dabei. Dies wird präventiv für später schon einmal in der eigenen Denkzentrale registriert. Hinter dem langen Tresen warten gut gelaunte Mitarbeiter auf Arbeit. Da können wir Abhilfe schaffen. Ein paar Bierchen müssen her. Anschliessend geht die Besichtigungstour weiter. Der Saal verfügt offenbar noch über eine obere Etage. Diese scheint heute allerdings nur für die Bands und ihre jeweilige Entourage zugänglich zu sein. Der Bereich wird wahrscheinlich als Backstage-Zone genutzt. Die Bühne bietet ausreichend Platz, um sich ausgiebig auszutoben. Der gesamte Raum wirkt generell ziemlich gross. Hier kann man sich zweifelsohne wohlfühlen und einen coolen Konzertabend verbringen. Wir beziehen auf der rechten Bühnenseite Stellung und warten gespannt auf den ersten Akteur.
Nihilo
Die erste Ladung Todesmetall stammt aus dem Kanton Bern und hört auf den Namen Nihilo. Vergesst sämtliche Klischees bezüglich der lahmen, gemächlichen Art unserer «Äuä»-Kollegen, denn diese fünf Jungs geben durchgehend Vollgas. Insbesondere Fronter Ragulan ist kaum zu halten. Immer wieder flitzt er wild gestikulierend durch die Gegend und brüllt dazu gnadenlos in sein Mikro. Die engagierte Leistung der Berne sorgt in den Publikumsreihen für die ersten herumfliegenden Mähnen. Leider bleibt der Massenansturm bisher aus. Schauen wir einmal, ob sich dies im Verlaufe des Abends noch ändern wird.
Nihilo nutzen ihr halbstündiges Set ebenfalls dazu, um ein bisschen Werbung zu machen. In genau acht Tagen wird ihr neustes Werk «Doom» erscheinen. Die dazugehörige Release-Show findet dann Mitte November im Berner Jugendzentrum Graffiti statt. Die heutige Setliste gewährt bereits einen ausgiebigen Einblick in die neuen Tracks. Hört sich sehr ansprechend an. Anhänger des Death Metal sollten Nihilo definitiv auf dem Schirm haben.
Mortuary
Der nächste Act treibt schon etwas länger sein Unwesen. Seit 1989 sind die Brutal Death Thrasher Mortuary aus der französischen Stadt Nancy im Business tätig. Ohne grosse Vorwarnung packen die Herrschaften die Abrissbirne aus und prügeln mit dieser 30 Minuten lang auf die Kammgarn-Bühne ein. Der Gesang von Patrick Germonville dürfte jedoch besser abgemischt sein. Im Vergleich zu den Instrumenten seiner Kollegen geht seine kräftige Stimme leider ziemlich unter. Zu hören gibt’s Material sämtlicher fünf Studioalben der Truppe. Im Gegensatz zu Nihilo dürfen sich die Franzosen an einer etwas grösseren Zuschauerschar erfreuen.
Entombed A.D.
Die erste Hauptattraktion der «European Chaos Co-Headlining Tour» steigt 21 Uhr in den Ring: Entombed A.D. aus Schweden. Lasst euch vom Gründungsjahr 2014 nicht täuschen. Die Musiker sind alte Hasen im Geschäft. Aufgrund eines Namensrechtsstreits mit einem ehemaligen Gründungsmitglied musste die aus Entombed hervorgegangene Splittergruppe in Entombed A.D. umbenennen. Seither sind die Nordmänner gerngesehene Gäste an Festivals und auch sonst spielen sie regelmässig Konzerte. Serviert wird der Masse eine grobe Dosis Oldschool Death Metal. Aufgrund des fehlenden Fotograbens kleben wir direkt am Bühnenrand und feiern das Quintett frenetisch ab.
Fronter L-G Petrov brüllt sich in gewohnter Manier die Seele aus dem Leib. Beeindruckend ist zweifelsohne Victor Brandts Haarpracht. Einige Zuschauer wirken regelrecht neidisch auf die Rapunzel-Mähne des Bassisten. Am Schlagzeug ersetzt Ronnie Bergerstål den für ein paar Shows verhinderte Olle Dahlstedt. Glücklicherweise tangiert der Namensstreit nicht die älteren Hymnen der Band. Somit dürfen Entombed A.D. diese nach wie vor nutzen. Es wäre auch zu schade gewesen, wenn wir auf Kracher der Marke «Revel In Flesh», «Wolverine Blues» oder «Left Hand Path» hätten verzichten müssen.
Vader
Hauptattraktion Nummer zwei kommt aus Polen und ist bekannt dafür, die Boxen bereits beim Soundcheck an ihre Grenzen zu bringen. Der aus massiven Ketten bestehende, mit einem Petruskreuz verzierte Mikrofonständer verrät es bereits: Der nächste Abriss steht unmittelbar bevor. Unter tosenden Applauswellen setzt der Todespanzer mit der Besatzung Peter (Gitarre/Gesang), Spider (Gitarre), Hal (Bass) und James (Drums) zu seiner Zerstörungsfahrt an. Ungebremst donnern die Polen durch das Kammgarn. Gemäss Info von Peter werden wir heute mit einem hübschen Querschnitt durch die Vader-Diskographie verwöhnt. Die Zuschauer müssen sich während der Show sowieso primär auf ihre Gehörgänge verlassen, denn aufgrund einer exzessiv laufenden Nebelmaschine bekommt man die Musiker nicht sonderlich oft zu Gesicht.
Vader sind ebenfalls Death Metal-Veteranen und existieren bereits seit 1983. Der grosse Durchbruch blieb ihnen allerdings bisher mittlerweile verwehrt. Heutzutage stehen sie ziemlich im Schatten ihrer Landsleute Behemoth. Aus meiner persönlichen Sicht ist der Abstand zwischen den beiden Gruppen allerdings nicht so gross, wie viele behaupten. Instrumental ist die ganze Geschichte verflucht stark. Dasselbe kann vom Gesang jedoch unglücklicherweise nicht behaupt werden. Peter ist kaum zu hören und den werten Herrn Tontechniker scheint dies nicht wirklich zu interessieren. Eventuell liegt’s aber auch an unserer Position auf der rechten Bühnenseite. Bei Entombed A.D. hat’s jedenfalls besser geklungen.
Die Setliste kann sich effektiv sehen lassen und die Musiker agieren mit viel Spielfreude. Songtechnisch vermisse ich eigentlich lediglich das einem Videospiel beziehungsweise einer Bücherreihe gewidmete Stück «Sword Of The Witcher». Zum Abschluss folgt das obligate «Darth Vader»-Outro. Ein Wiedersehen mit den Polen wird es in Bälde geben. Am Samstag des Meh Suff! Winter-Festivals werden Vader der Schweiz nämlich abermals einen Besuch abstatten. Vorfreude ist bereits zum jetzigen Zeitpunkt ganz klar vorhanden.
Das Fanzit
Das Kammgarn hat sich heute Abend bei mir definitiv für weitere Gastspiele empfohlen. Eine angenehme Grösse, lockeres Barpersonal und eine – abgesehen von ein paar kleineren Schwächen bei der Gesangsabmischung – solide Soundqualität. Vader und Entombed A.D. walzten alles und jeden nieder. Nihilo bewiesen uns, dass die Death Metal-Sparte auch in der Schweiz durchaus talentierte Vertreter aufweist. Bei Mortuary wäre mit besser hörbarem Gesang eine sicherlich noch bessere Leistung möglich gewesen. Sämtliche Truppen hätten zudem ein paar Zuschauer mehr verdient gehabt.
Setliste – Nihilo
- Abuse Of Confidence
- Death Prevails
- Infected
- Fueled By Suspicion
- Orange Hazard
- Deceptive World
- Deception Of Existence
- Antichrist
Setliste – Mortuary
- Only Dead Witness
- G.O.D.
- Empty
- Create
- Tube
- Exit
- Organ
- Televiolence
- Morbid Existence
Setliste – Entombed A.D.
- Midas In Reverse
- Stranger Aeons (Entombed-Cover)
- Second To None
- Eyemaster (Entombed-Cover)
- Dead Dawn
- Living Dead (Entombed-Cover)
- Out Of Hand (Entombed-Cover)
- Fit For A King
- Revel In Flesh (Entombed-Cover)
- Wolverine Blues (Entombed-Cover)
- Left Hand Path (Entombed-Cover)
- Supposed To Rot (Entombed-Cover)
Setliste – Vader
- Dark Age
- Vicious Circle
- Sothis
- Silent Empire
- Black To The Blind
- Testimony
- Kingdom
- Fractal Light
- Carnal
- Wings
- Epitaph
- Never Say My Name
- The Red Passage
- Prayer To The God Of War
- Triumph of Death
- Cold Demons
- Helleluyah!!! (God Is Dead)*
*Zugabe