Lupus Maximus
Dutti: Der Titel verrät es bereits; Powerwolf waren am Donnerstag im Komplex 457 das Mass aller Dinge. Mit diesem grandiosen Auftritt bewiesen die fünf Saarbrückener, dass sie in diesem Jahr nicht nur auf Festivalbühnen überzeugen können. Zur Vorspeise gab’s moderne Metal-Melodien aus Skandinavien und rockige Schwaben-Dynamitstangen. Ob sie dem Headliner das Wasser reichen konnten und was sonst noch vorgefallen ist, könnt ihr in den nun folgenden Zeilen nachlesen.
Dutti: Was gibt’s besseres als den Donnerstag mit der einzig wahren Heavy Metal-Messe zu beschliessen? (Anm. Kaufi: Nix!) Ja los, ich warte auf eure Gegenvorschläge. Wie? Keine vorhanden? Tja, dann werdet ihr wohl genau wie meine Wenigkeit heute Abend irgendwo im Komplex 457 herumstehen und euch auf ein vielversprechendes Dreierpaket freuen (Anm. Kaufi: Sag ich ja!). Powerwolf haben die Wolfsnächte-Tour nach Altstetten gebracht. «The Sacrament Of Sin» heisst das neuste Werk des Rudels. Erneut eine bärenstarke Scheibe, welche die Charts gehörig aufgewirbelt hat. Schlager- und Pop-Gesülz wurde brav verdrängt. Während des Sommers konnte man das neue Liedmaterial an diversen Festivals bestaunen. Der Auftritt am Summer Breeze war beispielsweise der Oberknaller. Dort vermochten einzig Behemoth den Wölfen die Show zu stehlen – wenn auch nur ganz knapp. Auf die Sprüche von Fronter Attila Dorn freue ich mich jedenfalls schon jetzt. Was mir hingegen ein bisschen Sorge bereitet, sind die Pyroeffekte. Im Komplex sind Flammenspiele eher eine Rarität oder aus Sicherheitsgründen gar nicht erst gestattet. Mal schauen, wie die Wölfe damit umgehen werden.
Zum «Sold Out»-Status haben aber sicher auch die beiden Support-Acts beigetragen. Ob Kissin’ Dynamite und Amaranthe heute Abend ihre Coverversionen von «Let There Be Night» beziehungsweise «Army Of The Night» vortragen dürfen? Zu hören sind diese Nummern übrigens auf «Communio Lupatum» – dem Special-Edition-Zusatz von «The Sacrament Of Sin». Neben den bereits genannten Künstlern sind unter anderem auch Epica, Eluveitie und Battle Beast auf dieser Bonusplatte vertreten. Falls ihr dieses Teil noch nicht in eurem Besitz habt, solltet ihr dies schleunigst ändern. Äusserst empfehlenswerte Sache.
Alleine muss ich die Berichterstattung nicht Angriff nehmen. Mit-Metalinsider Kaufi ist ebenfalls vor Ort und wird sich primär im Fotograben austoben. Aber so wie ich in kenne, kommt da sicherlich auch noch das eine oder andere Statement zu den einzelnen Darbietungen hinzu (Anm. Kaufi: Aber sowas von!). Ausverkaufte Hallen sind bekanntermassen überhaupt nicht mein Ding. Bisher kann man sich jedoch ziemlich frei durch die Gegend bewegen. Einzig vor dem Merch-Stand herrscht ziemliches Chaos. Dafür sehen die Mädels und Jungs an der Bar ein bisschen unterbeschäftigt aus. Das ändere ich mit dem allergrössten Vergnügen. Ein Blick auf die Uhr verrät, dass der erste Akteur demnächst loslegen wird. Juhui! Die Vorfreude ist gigantisch.
Kissin’ Dynamite
Dutti: Als die schwäbischen Jungs von Kissin’ Dynamite um 18.40 Uhr in ihr Set starten, ist das Komplex ziemlich gut bevölkert. Damit hätte ich aufgrund dieses verhältnismässig frühen Starts nicht unbedingt gerechnet. Es sei dem Quintett allerdings absolut gegönnt. Mit «I’ve Got The Fire» wird sogleich auf ein Stück des neuen Silberlings «Ecstasy» zurückgegriffen. Gute-Laune-Hard Rock, der von der Masse sehr gut aufgenommen wird. Strahlemann und Sänger Hannes Braun weiss genau, wie er die Zuhörerschaft um den Finger wickeln muss. Stopp! Wer hat jetzt hier gerade gemeint, dass er ein bisschen wie dieser Typ vom Tokio Bordell – äh… Hotel, ‘tschuldigung – aussieht? Solche Aussagen nehmen wir hier also nicht in den Mund. (Anm. Kaufi: Hä? Wie wer, bitte schön?? Ich bin immer wieder erstaunt, was du alles kennst…)
Jep, die zu Beginn ihrer Karriere oftmals als Möchtegern-Glam-Bubis verschrienen Musiker sind zweifelsohne erwachsen geworden. Wie ich den weiblichen Besuchern in der Nähme entnehmen kann, werden insbesondere die beiden Saitenhexer Ande Braun und Jim Müller auf der Attraktivitätsskala sehr hoch eingestuft. Erstgenannter stellt Teile seines Körpers auch heute wieder dank eines zerschnittenen Tanktops gerne zur Schau (Anm. Kaufi: Muss er ja – im «richtigen» Leben ist er Polizist, da wäre das eher ungünstig…). Hinter Trommler Andi Schnitzer sind riesige Dynamitstangen zu sehen. Er muss in der Bühnenmitte platznehmen, da heute Abend wohl nur Powerwolf die gesamte «Spielwiese» zur Verfügung haben werden.
Kissin’ Dynamite liefern in den ihnen zur Verfügung stehenden 40 Minuten eine sausympathische und geile Show ab. Man setzt allerdings nicht nur auf neues Material. «Love Me, Hate Me» oder «I Will Be King» kommen beim Publikum ebenfalls hervorragend an. Bei letztgenannter Nummer stolziert Hannes selbstverständlich wieder im Königsoutfit durch die Gegend – samt Zepter. Nach «Flying Colours» folgt noch die obligate Scorpions-Pose und dann sind die Jungs mit ihrer Schicht durch. Eine frohe Botschaft teilen sie uns aber noch mit. Am 11. April des kommenden Jahres werden sie im Rahmen einer Headliner-Show in «Prattele» vorbeischauen. Bitte einmal Agenda hervorkramen und vormerken, merci.
Kaufi: Was für ein Brett! Einmal mehr ist es überaus beeindruckend zu sehen, wie stark die Schwaben auf der Bühne mittlerweile sind. Und hier haben sie zudem noch mit extrem wenig Spielraum zu kämpfen: Die Aufbauten für Powerwolf sind sehr gross, so dass für die Support Acts grade mal vielleicht ein Meter Platz bleibt zwischen Kulisse und Monitorboxen. Doch auch diese widrigen Umstände vermögen die Spielfreude nicht zu trüben! Die Jungs haben Spass und die Fans machen ebenfalls gehörig Dampf. Später höre ich im Foyer einige Aussagen der Art «schon lange nicht mehr einen solch starken Support gesehen». Und das von Leuten, die heute das erste Mal mit Kissin‘ Dynamite in Kontakt kamen. Somit: Alles richtig gemacht!
Dass die Ankündigung einer Headliner-Show im Z7 bei mir (und auch bei meiner besseren Hälfte) zu kurzfristigen Eskalationen führt, versteht sich von selbst…
Amaranthe
Dutti: Über die Truppe gab’s im Vorfeld zahlreiche Diskussionen. Passen die wirklich ins heutige Billing? (Anm. Kaufi: Nein.). Eigentlich nicht, aber Amaranthe garantieren stets mitreissende Shows – wenn sie dann sauber abgemischt sind. Was bei Kissin’ Dynamite problemlos geklappt hat, scheint jetzt leider zum Problem zu werden. Soundbrei ahoi! Ich habe bisher erst gefühlte drei Mischer erlebt, bei denen die Modern Metaller gut geklungen haben. Am diesjährigen Wacken Open Air war’s nämlich sackstark. Davon sind wir heute Abend meilenweit. Das hübsche Frontmädel Elize ist kaum zu hören. Zudem übertreibt sie es meiner Meinung nach mit dem Freestyle-Gesang. Klingt blöderweise ziemlich schief. Was es mit ihrem roten Latexoutfit auf sich haben soll, ist mir ebenfalls ein Rätsel. Dafür gibt’s in Zürich eigentlich andere Plätze – aber lassen wir das…
«Helix» – das neuste Album der Truppe – gefällt mir sehr gut. Im Vergleich zum Vorgänger, bei welchem sie es mit den elektronischen Parts häufig schlichtweg übertrieben haben, scheint’s wieder in die richtige Richtung zu gehen. Aber eben, wenn das Ganze wegen des Tontechnikers live nicht rüberkommt, nützt alles nichts. Bei den Tracks «1.000.000 Lightyears» und «Drop Dead Cynical» gibt’s kurze Lichtblicke. Für diese ist hauptsächlich Henrik verantwortlich. Ohne seine mächtigen Screams und Growls würde der Sound der Truppe noch mehr in der Masse untergehen.
Genau wie Kissin’ Dynamite beehren auch Amaranthe im kommenden Jahr die Prattler Konzertfabrik. Nach dieser Darbietung bin jedoch alles andere als sicher, ob ich mir die ganze Geschichte so rasch wieder antun möchte. Wobei – Sound-Probleme sollten im Z7 eigentlich kein Thema sein, oder?
Kaufi: Amaranthe ist musikalisch absolut nicht mein Ding. Daher lasse ich auch sämtliche Kommentare weg. Aber warum bei Kissin‘ Dynamite hervorragende Lichtverhältnisse herrschten und die Skandinavier nun in dunklem rot und dunklem blau präsentiert werden, erschliesst sich mir nicht ganz. Nun ja – die ganze Fotogilde steht etwas ratlos vor der Bühne im Graben und fragt sich, wie man hier gescheites Material abliefern soll….
Ah, doch noch ein Wort zur allgemeinen Darbietung: Drei Sänger (inkl. -in) auf der Bühne, dafür wohl mehr als die Hälfte der Musik ab Band? Nun ja, wem das gefällt…
Powerwolf
Dutti: Punkt 21 Uhr – es ist Messe-Zeit! Selbstsicher gebe ich vor einem Kollegen an und erläutere grosskotzig, dass Powerwolf sowieso mit «Blessed & Possessed» ins Rennen gehen werden. Pha! Weit gefehlt. Jetzt beginnen die doch frech mit dem neuen «Fire & Forgive». Die erste Überraschung ist dadurch schon einmal geglückt. Genau eine solche Abwechslung habe ich mir zuletzt bei Gigs der Wölfe herbeigesehnt. Das neue Album macht’s offenbar möglich. Auf seine Flammenwerfer muss Attila Dorn jedoch verzichten. Sonst hätte er wohl direkt das gesamte Komplex abgefackelt. Danach werden die Zuhörer gefragt, ob sie seine Armee sein wollen. Natürlich lieber Attila, jederzeit. Zürich ist heute Abend deine «Army Of The Night». Der Rhythmus neu-alt-neu-alt wird auch bei den anschliessenden Nummern beibehalten. Auf «Incense And Iron» folgt «Amen & Attack».
Von wegen «nix Feuer». Bei «Let There Be Night» sind dann doch ein paar kleinere Flämmchen zu sehen. Einfach nur episch, wie Attila auf dem Podest in der Bühnenmitte steht und den starken Song mit seinem mächtigen Stimmorgan meistert. Flankiert wird er wie gewohnt von den Gitarren spielenden Greywolf-Brüden Charles und Matthew. Der hintere Bereich gehört Orgel-Meister Falk Maria Schlegel und Drummer Roel van Helden. Insgesamt erinnert der gesamte Bühnenaufbau stark an eine Kirchenruine.
Falk ist jedoch wie so oft viel unterwegs und klebt nicht ständig am selben Standort. Attila überlässt ihm die Ehre, das Publikum auf die nächste Nummer einzustimmen. Dies bereitet dem Tastenmann sichtlich Freude. Was nun folgt, ist meines Erachtens eine der geilsten Hymnen, die Powerwolf jemals rausgehauen haben: «Demons Are A Girl’s Best Friend». Überragend! (Anm. Kaufi: In der Tat wohl der beste Song, den die Band seit langem geschrieben hat!). Mister Dorn brilliert auch heute mit äussert witzigen Sprüchen. Ich verzichte jedoch darauf, diese hier einfach so wiederzugeben. Das muss man schlichtweg live erlebt haben. Er mausert sich immer mehr zu einem der besten Frontmänner der aktuellen Metal-Szene. Leicht zickig reagiert der Fronter erst, als einige vor «Armata Strigoi» den Mitsing-Part ohne Aufforderung seinerseits zum Besten geben. Aber das kennt man ja inzwischen nicht anders. (Anm. Kaufi: Zickig? Ich würde sagen «amüsiert»!).
Die neuen Songs, die heute Abend gespielt werden, sind Live effektiv allesamt bärenstark. «Where The Wild Wolves Have Gone» lässt mich vollends aus den Latschen kippen. Falk kommt dazu nach vorne und setzt sich an ein teilweise brennendes Piano. Dank dieser hammermässigen Ballade ist mein gesamter Körper nun mit Hühnerhaut übersät. Das epische «Stossgebet» ist ebenfalls ein echter Kracher. Damit beweisen Powerwolf, ähnlich wie bei «Kreuzfeuer», dass auch ihre deutschsprachigen Texte locker überzeugen können.
Durst bekommen? Kein Problem, denn dafür gibt’s ja das blutige Duo «All We Need Is Blood» und «We Drink Your Blood». Dazwischen skandiert das Publikum unermüdlich den Bandnamen. Die Wölfe lassen sich zurecht feiern. Eine Machtdemonstration sondergleichen. Leider muss jede Messe einmal ihr Ende finden. Attilas Segen kann man nur mit einer Hymne empfangen: «Lupus Dei». Meine Fresse ist das packend. Wie schon im Summer Breeze-Bericht erwähnt, gefällt mir dieses Lied jedes Mal besser. Ein würdevoller und passender Abschluss.
Was? Hat da irgendjemand Abschluss gesagt? Nix da. Die Wölfe dürstet es nach mehr und sie legen aufgrund dessen eine Zusatzschicht ein. Weshalb Attila verdächtig oft dazu aufgefordert wird sich auszuziehen, ist mir allerdings ein Rätsel. Da hab’ ich wohl irgendeinen Insider verpasst. Der Alphawolf stellt aber rasch klar, dass man ihn niemals nackt auf der Bühne sehen werde. Zu hochgekrempelten Ärmeln und dem Öffnen seiner zusammengebundenen Haarpracht lässt sich Attila dann aber doch bewegen. Der Zugaben-Block besteht aus «Sanctified With Dynamite», dem geweihten Hodensack («Coleus Sanctus») und «Werewolves Of Armenia». Kurz vor Schluss sind sogar ein paar Crowdsurfer zu sehen. Nach einer Spielzeit von 110 Minuten ist dann endgültig Schicht im Schacht. Fragen? Keine!
Das Fanzit
Dutti: Amaranthe zogen heute aufgrund von erheblichen Sound-Schwierigkeiten einen rabenschwarzen Abend ein. Dafür konnten Kissin’ Dynamite und insbesondere Powerwolf umso mehr überzeugen. Der Headliner hat wieder einmal eindrücklich gezeigt, dass er auf bestem Weg an die Metal-Spitze ist. Aufgrund von anhaltender Sprachlosigkeit fällt mir aktuelle nicht viel mehr dazu ein. Aber allenfalls möchte sich Kaufi noch dazu äussern.
Kaufi: Man kann über die Musik von Powerwolf denken, was man will. Natürlich ist das kein hochstehendes und progressives Gedudel – aber es passt zur Band, es macht Laune! Kombiniert mit ihrem einzigartigen Image, haben sich die Wölfe den Erfolg einfach hart erarbeitet und verdient. Und dafür gebührt ihnen Respekt!
Wie gross die Saarländer mittlerweile sind, zeigt sich auf dieser Tour. In Deutschland spielen sie in 6‘000er bis 7‘000er Hallen und sie sind selbst da in der Lage, den «Sold Out»-Status zu erreichen. Aus diesem Standpunkt: Unverständlich, dass sie hier in diesem kleinen Laden antraben. Dutti hat’s ja schon gesagt: Auch hier ist ausverkauft. Und das ist äussert mühsam. Nachdem ich die Kamera abgegeben habe, versuche ich fast verzweifelt irgendwo einen Platz zu finden, an dem man wenigstens etwas von der auch ohne Pyros tollen Bühnenshow sehen kann. Im übervollen Komplex ein Ding der Unmöglichkeit. Bei der Rundreise fällt mir dafür auf, wie extrem unterschiedlich die Soundqualität ist, je nachdem wo man steht. Ganz vorne an der Bühne ist’s top, an anderen Orten ist es fast leise und wieder woanders ist es ein Soundbrei. Zweifellos gibt es einfach bessere Örtlichkeiten für Konzerte…
Und sonst? Dutti hat zum Thema Powerwolf alles gesagt. Bärenstarke Truppe, höchst unterhaltsame Show, dazu ein spitzenmässiger Support. Ich gehe mal davon aus, dass eine nächste Messe der Wölfe in einer deutlich grösseren Halle (Halle 622?, Samsung Hall?, St. Jakobshalle?) stattfinden wird. Es ist zu hoffen, dass dies bald sein wird, denn auch die Schweizer Fans sollen in den Genuss der normalerweise feurigen Darbietung auf dieser Tour kommen…
Setliste – Kissin’ Dynamite
- Intro
- I’ve Got The Fire
- Somebody’s Gotta Do It
- Highlight Zone
- Love Me, Hate Me
- Waging War
- You’re Not Alone
- I Will Be King
- Flying Colours
Setliste – Amaranthe
- Intro
- Digital World
- 365
- 1.000.000 Lightyears
- Hunger
- Amaranthine
- GG6
- Helix
- Drop Dead Cynical
- Call Out My Name
- The Nexus
Setliste – Powerwolf
- Fire & Forgive
- Army Of The Night
- Incense & Iron
- Amen & Attack
- Let There Be Night
- Demons Are A Girl’s Best Friend
- Killers With The Cross
- Armata Strigoi
- Blessed & Possessed
- Where The Wild Wolves Have Gone
- Resurrection By Erection
- Stossgebet
- All We Need Is Blood
- We Drink Your Blood
- Lupus Dei
- Sanctified With Dynamite*
- Coleus Sanctus*
- Werewolves Of Armenia*
*Zugabe