Tremonti und sein Solo-Projekt sind nun bereits beim vierten Album angelangt und touren mit diesem wieder um den Erdball, bevor es für Mark Tremonti dann im nächsten Jahr wieder darum geht mit den Musikern von Alter Bridge ein neues Album einzuhämmern. Die beiden Supportslots besetzen am heutigen Abend Disconnected aus Frankreich und The Raven Age aus England. Ort des Geschehens: Komplex 457 in Zürich.
Disconnected
Der Komplex ist noch fast leer als die Franzosen loslassen. Dies tut jedoch der guten Musik, welche da aus den Boxen dröhnt, keinen Abbruch. Auch den Bandmitgliedern ist nichts anzumerken, es rockt los, als gäbe es kein Morgen mehr. Die Musik reisst einen mit; harmonische und disharmonische Gitarrenriffs wechseln einander ab, das Gesamtgefüge stimmt absolut. Ein sehr sympathischer Ivan Pavlakovic am Mikrofon gibt sein Bestes, um das bereits anwesende Publikum in Stimmung zu bringen und überzeugt mich mit einem emotionalen Auftritt. Allgemein gesehen bestechen die Jungs durch ihre aktive Art sich auf der Bühne zu bewegen. Ich stelle folgendes fest: Ein Supportslot kann immer wieder dazu führen, dass man sich vorher nicht bekannte Bandnamen notiert, um sich dann im Nachgang der gehörten Musik noch genauer zu widmen. Bravo, Disconnected hat das heute definitiv geschafft. Toller Opener!
The Raven Age
Diese Band ist wohl auch nicht vielen Lesern von metalinside.ch bekannt. Das Interesse ist vielleicht plötzlich da, wenn man am Rande erwähnt, dass der Sohn von Steve Harris, namentlich George Harris in dieser Formation seine musikalischen Künste zum Besten gibt. An der Gitarre fungiert er seit 2009 und gehört somit auch zur Urformation der Briten.
Auch dieser zweite Support-Act passt perfekt zum heutigen Abend. Der Komplex füllt sich nun laufend und dies kommt den Engländern natürlich sehr positiv zu Gute. Der mitreissende Sound kommt beim Publikum sehr gut an und wird ordentlich abgefeiert.
Wie es dazu kommt? Sänger Matt James hat sicher einen ordentlichen Anteil daran, denn seine Bühnenpräsenz ist unglaublich hoch. Zudem sorgt er mit seinen Ansprachen und Bewegungen auf der Bühne dafür, dass nicht nur dem Gehör sondern auch dem Auge jederzeit etwas geboten wird.
Der Sound repräsentiert für mich eine überaus spannende Mischung aus Melodic / Modern Metal gemixt mit einem Quäntchen Metalcore. Den Metalcore-Anteil welchen ich ausmache zeigt sich vor allem über geniale Breakdowns und Gitarrenriffs im Stakkato, welche so richtig in den Körper einfahren. Die Lautstärke ist aus meiner Sicht an der oberen Grenze, dies ist vor allem betreffend Drums gemeint, welche die Halle richtiggehend zum Zittern bringen. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen, scheint die Musik in Fleisch und Blut überzugehen. Ein sehr ansprechender Auftritt, welcher zum Schluss von den Zuschauern gebührend verdankt wird. The Raven Age haben ihre Aufgabe perfekt erfüllt und wünschen viel Spass mit dem folgenden Headliner: Tremonti.
Tremonti
Bereits erquickt durch die zwei perfekten Vorbands macht das Warten auf den Hauptact des heutigen Abends bedeutend mehr Spass und lässt die Zeit im Fluge vergehen.
Die Band startet mit „Cauterize“. Sofort werden die Stimmbänder des Publikums gefordert und der Refrain des ersten Songs wird lauthals mitgesungen. So soll es sein. Auch heute habe ich von Anfang an das Gefühl, dass es absolut Sinn macht, dass Gitarrengott Tremonti in den Pausen von Alter Bridge mit seiner eigenen Band umhertingelt. Die Riffs, welche da gezockt werden sind hart und trotzdem sehr melodisch, die Schnelligkeit hoch, aber trotzdem nicht im obersten Speedbereich. Tremonti kann mit seiner eigenen Band die vollen künstlerischen Fähigkeiten ausspielen. Dies merkt man ihm auch an, den immer wieder huscht ein Lächeln über sein Gesicht und es macht ihm sichtbar Freude auf der Bühne zu stehen.
Doch was ist das? Gitarrist Eric Friedmann sitzt zum Spielen?! Geht es ihm nicht gut? Oder ist er das Stehen leide? Ich bin glaube ich nicht der einzige Zuschauer, welcher sich das fragt. Mark Tremonti klärt im Verlaufe des Konzertes auf; Eric sei leider gestürzt und könne leider vor Schmerzen heute nicht stehen. Ok, alles klar. Ob stehend oder sitzend, ich finde die Background-Vocals (2. Stimme) von Friedmann einfach geil, sein Stimmvolumen übertrifft aus meiner Sicht die Gesangsleistung von Tremonti um Längen. Wobei ich auch gleich beim einzigen Kritikpunkt bin: Mark Tremonti kann Gitarre spielen, gar keine Frage. Der Gesang ist auch absolut ok, aber aus meiner Sicht die Schwachstelle. Einige Male scheint es mir, als ob Mark den einen oder anderen Ausweg nimmt, damit er vor allem die hohe Stimmlage umgehen kann. Anyway, die Flitzefinger an der Gitarre gleichen diesen kritischen Punkt längstens aus.
Nebst dem aktuellen Album „A Dying Machine“ ist die Setlist (siehe weiter unten) auch heute eine Tour durch die verschiedenen Werke des Projektes. Auch Songs vom Debutalbum (z.B. „All i was“) wurden in die Setlist eingebaut und wiederspiegeln die Anfänge und die musikalische Entwicklung der vier Herren auf der Bühne.
Wer am heutigen Abend nicht das Zucken in Armen, Beinen und Kopf bekommt, der ist wohl zu Müde oder psychisch und physisch nicht wirklich anwesend. Tremonti schaffen es mit jedem einzelnen Song das Publikum zu mobilisieren. Die Energie, die harten Riffs und das musikalische Level sind überwältigend, eine würdige und sympathische Darbietung.
Am Rande noch zu erwähnen ist, dass die Band den Kontakt zum Boden nicht verloren hat. Wer ein Shirt oder ein Goodie der Band kauft bekommt die Möglichkeit die Herren – insbesondere Mark Tremonti – nach der Show am Merchandising-Stand zu besuchen, eine Unterschrift zu holen und ein paar Worte mit dem Idol zu wechseln. Toll, dass es noch so erdige Persönlichkeiten und Bands gibt, die sich bei ihren eigenen Fans so wohl fühlen.
Das Fanzit
Ein in jeder Hinsicht perfekter Abend. Drei Bands von professionellem Format, ein Hauptact der sich einmal mehr von der besten Seite zeigt. Publikum, das mitgeht und sichtlich einen genussvollen Metal-Abend verbringt. Musiker, die Freude am Spielen und Performen haben. Ein Komplex, der voll, aber nicht überfüllt ist (auch schon erlebt). Musikalisch wurde heute Kost vom Feinsten geboten.
Setliste Tremonti
- Cauterize
- You Waste Your Time
- Another Heart
- Take You With Me
- My Last Mistake
- The Things I’ve Seen
- Desolation
- Trust
- Catching Fire
- So You’re Afraid
- Flying Monkeys
- Radical Change
- Bringer of War
- Dust
- Throw Them to the Lions
- A Dying Machine
- Wish You Well