Nicht totzukriegende Grabschaufler
Grave Digger und die Burning Witches sorgten am Sonntag für einen lauten Konzertabend im Z7. Die Hexen hatten bei ihrem Heimspiel das Publikum eindeutig auf ihrer Seite. Im Anschluss zeigten Chris Boltendahl und seine Mannen dann mit einer genialen Show und interessanten Setliste, dass sie keinesfalls eingerostet sind. Die weiteren Details entnehmt ihr den nachfolgenden Zeilen.
Mein Metalinside-Kollege Kaufi hat heute einen langen Arbeitstag vor sich. Nach seinem regulären Job schnappt er sich seine Kamera und pilgert direkt ins aargauische Würenlingen. Dort findet im Vinyl-Laden «rille.ch» eine ganz spezielle Vernissage statt. Unsere gemeinsame Kollegin Liane Paasila präsentiert einige ihrer tollsten Schnappschüsse mit dem Motto: «Analoge Werte – Digitale Formate». Weshalb ich auf diesen Event zu sprechen komme? Tja, als Gäste sind unter anderem auch Grave Digger-Fronter Chris Bolthendahl und die beiden Metal-Hexen Seraina Telli und Jay Grob eingeladen. Die Künstler werden im Anschluss schnurstracks nach Pratteln düsen, da sie dort am Abend auf der Bühne des Konzerttempels stehen werden. Ab diesem Zeitpunkt wird dann auch meine Wenigkeit ins Spiel kommen. Leser, die nun noch mehr über die Vernissage wissen möchten, können sich überaus gerne den dazugehörigen Bericht von Kaufi zu Gemüte führen.
Wer nach zwei intensiven Tagen am Meh Suff! Winter-Festival zusätzlich noch ein Konzert nachschiebt muss einfach des Wahnsinns sein – oder eine unglaubliche Passion für die metallische Musik und die ganze Szene haben. Urteilt selbst, welche Eigenschaft eher zu meiner Person passen könnte. Aber die angebotene Affiche lockt mich trotz Katerstimmung und zerstörter Nackenmuskulatur in die Nordwestschweiz. Man könnte zurecht von einem Generationentreffen sprechen: Auf der einen Seite die seit 1980 für Furore sorgenden deutschen Metal-Veteranen Grave Digger und andererseits «unsere» Mädels von den Burning Witches, die sich erst vor vier Jahren formiert haben. Ich bin jedenfalls gespannt auf die anstehenden Darbietungen. Nach dem Konsum des einen oder anderen Softdrinks sollte es bei mir dann bald wieder zum standardmässigen Hopfentee reichen.
Burning Witches
Die für den Metal brennenden Hexen starten Punkt 20 Uhr in ihr Set. Dies geschieht mit «Executed», einem Track ihres zweiten Ablegers «Hexenhammer». Leider hat mich diese Scheibe bisher (noch) nicht so gefesselt, wie der Debütsilberling. Ich empfinde die alten Songs, die heute glücklicherweise die Setliste dominieren, einfach als stärker. Nichtsdestotrotz ist Ober-Hexe Seraina Tellis Stimmorgan zwingend hervorzuheben: Abermals bärenstark, was sie da alles ins Mikro schreit, growlt und singt. Da stellen sich einem die Härchen auf der Haut zurecht auf.
Es ist deutlich erkennbar, für wen die Massen heute in den Metal-Tempel gepilgert sind. Die Hexen werden frenetisch abgefeiert und scheinen ihr Heimspiel ziemlich zu geniessen. Mit Ausnahme von kurzzeitigen Boxen-Problemen bei zwei Stücken gibt’s an der Soundqualität nichts auszusetzen. Gegen Ende des Auftritts folgt dann die Nummer «Open Your Mind». Hier trifft meine eingangs getätigte Aussage nicht zu, denn dieser neue Song ist schlichtweg überragend. Auch im Live-Gewand erweist er sich als echter Kracher. Ausserdem soll er gemäss der Frontdame eine wichtige Botschaft vermitteln: «Nein zu Rassismus!».
2019 scheint für die Mädels ein fantastisches Jahr zu werden. Die aktuelle Europarundreise als Support-Act von Grave Digger ist ihre erste grosse Tour. Zudem sind im Sommer einige Festivalauftritte (u.a. am Baden Im Blut und Summer Breeze Open Air) geplant. Dadurch können sie sicherlich wieder zahlreiche Erfahrungen und Eindrücke sammeln. Wenn die Hexen weiterhin mit dieser Kadenz am Ball bleiben, dürfte eine Headliner-Tournee in ein paar Jahren gar kein so unrealistisches Unterfangen mehr sein.
Grave Digger
Da kann es jemand wohl kaum erwarten. Bloss 20 Minuten nach dem Gig der Witches steht bereits der Headliner im Einsatz. Die Grabschaufler gehen mit «Fear Of The Living Dead» vom Mitte September des letzten Jahres erschienen Werks «The Living Dead» und ein paar Pyro-Effekten ins Rennen – not bad. Das Cover des neusten Eisens auf der Grave Digger-Schmiede figuriert als gigantisches Backdrop. Des Weiteren stehen die darauf zu sehenden Zombies als Pappfiguren auf der Bühne. Somit dürfte Kaufi sicherlich das eine oder andere spannende Sujet vor der Linse haben. Der Fotograben sieht allerdings ziemlich gut gefüllt aus. Scheint wohl wieder die halbe Medienlandschaft aus der Umgebung anwesend zu sein. Etwas anders sieht’s diesbezüglich in den Publikumsreihen aus. Die haben sich tatsächlich ein bisschen gelichtet. Wer sich dieses Spektakel entgehen lässt, ist jedoch selbst schuld.
Chris Boltendahls raues Stimmorgan ist immer wieder beeindruckend. Mit passenden Ansagen hat er das Publikum stets Im Griff. Lobende Worte gibt’s für die Location. Man würde sich im Z7 einfach immer wohlfühlen. Diese Aussage habe ich inzwischen schon von mancher Truppe gehört. Aber auch als Gast kehre ich immer wieder gerne in die Konzertfabrik zurück. Die hiesige Crew scheint somit vieles richtig zu machen. Freche Sprüche hat der Grave Digger-Fronter ebenfalls auf Lager. Bassist Jens Becker sei nicht so alt wie er aussehe – oder doch? Der Angesprochene quittiert die Aussage mit einem Grinsen. Für Begeisterungsstürme sorgt zudem Klampfer Axel Ritt. Der beweist immer wieder, dass er seinen Spitznamen «Ironfinger» zurecht trägt. Sagenhaft, was der gute Mann aus seiner Saitenkönigin, welche mit einem auffälligen Zebramuster verziert ist, unermüdlich herausholt.
Kollege Kaufi kommt regelmässig jubelnd an mir vorbei. Offenbar enthält die heutige Setliste zahlreiche Perlen und Songs, die er schon lange nicht mehr (oder noch nie) live gehört hat. Schön zu sehen, dass eine seit bald vier Dekaden aktive Truppe wie Grave Digger nicht darauf angewiesen ist, bloss auf Nummer sicher zu gehen und bekannten Hit an Hit zu reihen. Logisch, Geschichten wie «Rebellion (The Clans Are Marching)» (inklusive Dudelsack-Solo vom «Reaper») und «Excalibur» dürfen keinesfalls fehlen. Aber dem stehen wie gesagt seltenere Angelegenheiten der Marke «The Bruce (The Lion King)» oder «The Curse Of Jacques» gegenüber (Anm. Kaufi: In der Tat! Endlich beweist einer dieser älteren Truppen Mut! Man schmeisst jahrelange Klassiker raus und bringt genau solche Perlen, wie die von Dutti genannten Beispiele – sehr löblich).
Für gespaltene Meinungen sorgt seit seinem Erscheinen der zweitletzte Track des Abends: «Zombie Dance». Die Gruppe Russkaja und Polka verbindet man jetzt nicht unbedingt als allererstes mit Grave Digger, aber sie haben es trotzdem getan. Chris meint dazu: «So ist das im Metal. Wir machen, was wir wollen.». Grosse Teile des Publikums bringen die Deutschen mit dieser nicht ganz ernstzunehmenden Nummer jedenfalls zum Tanzen. Das anschliessende Finale mit «Heavy Metal Breakdown» besänftigt dann auch wieder alle kritischen Gemüter.
Das Fanzit
Beide Truppen zeigten an diesem schwermetallischen Abend tolle Leistungen. Über die sackstarke Performance von Grave Digger war ich besonders erfreut. Eine Spielzeit von 105 Minuten ist heutzutage keine Selbstverständlichkeit. Ich hätte ihnen definitiv noch ein paar Zuhörer mehr gegönnt. Allenfalls hätte man aus Sicht des Z7 die Spielzeiten für einen Sonntagabend ein bisschen nach vorne schieben können. Bei lediglich zwei aufspielenden Truppen und einer Türöffnung um 19 Uhr müsste der Konzertreigen ja nicht zwingend erst eine Stunde später beginnen.
Setliste – Burning Witches
- Executed
- Metal Demons
- We Eat Your Children
- Hexenhammer
- Bloody Rose
- Save Me
- Black Widow
- Open Your Mind
- Holy Diver (Dio-Cover)
- Burning Witches
Setliste – Grave Digger
- Fear Of The Living Dead
- Tattooed Rider
- The Clans Will Rise Again
- Lionheart
- Blade Of The Immortal
- Lawbreaker
- The Bruce (The Lion King)
- The Dark Of The Sun
- Call For War
- The Curse Of Jacques
- War God
- Season Of The Witch
- Highland Farewell
- Circle Of Witches
- Excalibur
- Rebellion (The Clans Are Marching)
- Healed By Metal*
- Zombie Dance*
- Heavy Metal Breakdown*
*Zugabe