The Night Flight Orchestra - Dynamo Zürich 2018
Sa, 8. Dezember 2018

The Night Flight Orchestra, Black Mirrors

Dynamo (Zürich, CH)
03.01.2019
The Night Flight Orchestra - Dynamo Zürich 2018

Nachtflug über Zürich 

Dank The Night Flight Orchestra erfolgte am Samstagabend eine musikalische Zeitreise zurück in die 80er Jahre. Der Flug mit der schwedischen Airline verlief reibungslos und unterhaltsam. Zuvor wurde die Startbahn allerdings von den Black Mirrors – und insbesondere vom Schuhwerk des Bassers – ordentlich in Beschlag genommen. Alles Weitere entnehmt ihr wie gewohnt den nachfolgenden Zeilen. 

Wenn sonst eher für knallharte Mucke bekannte Künstler plötzlich ruhigere Töne anschlagen – ja, so könnte man die Mitglieder von The Night Flight Orchestra aus Schweden eigentlich am Besten beschreiben. Plötzlich war die Truppe da und surft seither munter auf der «Hype-Welle» ganz vorne mit. Im vergangenen Jahr waren die Schweden schon einmal hier im Dynamo zu Gast; allerdings fand der damalige Gig noch im Werk 21 statt. Da dieses problemlos gefüllt werden konnte, hat man sich für das heutige Gastspiel offenbar für den Saal des Jugendkulturhauses als Austragungsort entschieden. Mal schauen, ob es abermals eine solch enge Angelegenheit werden wird.

Die Abendkasse erreicht man erst nach dem Erklimmen der Treppenstufen. Meine Digicam sorgt beim Herrn von der Security für Abklärungsbedarf. Der deutschsprechende Tour-Manager höchstpersönlich muss das Gerät am Ende absegnen. Dies geschieht allerdings in unkomplizierter Manier und so darf ich den Saal schliesslich doch noch betreten. Die «No Flash»-Regel werde ich selbstverständlich befolgen (halte mich sowieso immer daran). Am Merchandise-Stand wird man von einer sympathischen Stewardess bedient. Ich sichere mir ein Exemplar der aktuellen Platte «Sometimes The World Ain’t Enough». Anschliessend geht’s umgehend retour vor die Bühne, denn bald wird der Support-Act Black Mirrors ins Rennen gehen.

Black Mirrors

Die vier Belgier drücken von Beginn mit Schmackes auf die Tube. Musikalisch sind sie nicht wirklich leicht einzuordnen. Ich würde das Gehörte am Ehesten als eine Mischung aus Indie, Blues und Alternative Rock bezeichnen. Ob Black Mirrors mit ihrer unglaublichen Energie nicht beinahe zu hart für das heutige Musikprogramm sind? Ich bezweifle stark, dass das Nachtflug-Orchester im Anschluss ähnlich heftig an die Sache rangehen wird. Allerdings lasse ich mich gerne eines Besseren belehren.

Aktivposten des Quartetts ist eindeutig der Herr am Tieftöner. Loïc Videtta lässt den Boden mit seinen Stampfattacken regelrecht erzittern. Sein Spagat zwischen Absperrgitter und Bühne ist ebenfalls äusserst sehenswert. Ausserdem lässt sich der belgische Duracell-Hase im letzten Drittel der Show sogar zu einem Ausflug in die noch spärlich besetzten Publikumsreihen hinreissen. Seine Kollegin und Sängerin – Marcella Di Troia – punktet derweil mit ihrer beeindruckenden Stimme. Die Spielfreude der Truppe scheint von Minute zu Minute zu wachsen. Sie zeigen sich überaus dankbar für diese Auftritts-Chance.

Der Debütsilberling «Look Into The Black Mirror» ist seit Ende August dieses Jahres erhältlich. Die Gruppe hat auch den Schneid, auf dieses eigene Material zu setzen. Einzige Ausnahme hierbei bildet das MC5-Cover «Kick Out The Jams». Da hat sich Napalm Records zweifelsohne wieder einmal ein sehr leistungsstarkes Pferdchen in den Stall geholt. Ich bin davon überzeugt, dass auf das heutige erste Schweizer Gastspiel noch einige weitere folgen werden.

The Night Flight Orchestra

Boarding-Time: 21 Uhr. Im Publikum gibt’s keine Unterscheidung zwischen der Business- und Economy-Klasse. Alle müssen mit dem Stehplatzsektor vorliebnehmen. Begleitet von etlichen Jubelrufen betreten die insgesamt acht Musiker die Bühne. Hui, dass die damals im Werk 21 ausreichend Auslauf gehabt haben sollen, kann ich ehrlich gesagt kaum glauben. Heute ist dies jedoch kein Problem. Aufgeteilt ist die ganze Geschichte in zwei 4er-Gruppen: Im hinteren Bereich befinden sich Jonas Källsbäck (Drums), Richard Larsson (Keyboard) und die beiden Stewardessen Anna-Mia Bonde und Anna Brygård (Backing Vocals). Vorne sorgen Sebastian Forslund (Gitarre, Schlaginstrumente), David Andersson (Gitarre), Sharlee D‘ Angelo (Bass) und Björn Strid (Vocals) für Furore. Wir sind definitiv alle «ready for take off!».

Wie erwartet können die Schweden nicht wirklich mit dem Tempo der Black Mirrors mithalten. Das bedeutet aber keinesfalls, dass ihre Darbietung nicht überzeugend ist. Im Gegenteil, das Oktett agiert äusserst souverän. Anhänger von AOR und Classic Rock kommen hier ganz klar auf ihre Kosten. Die beiden aktuellsten Scheiben «Amber Galactic» (2017) und «Sometimes The World Ain’t Enough» (2018) werden ordentlich gepusht und sind mit insgesamt 12 Tracks in der heutigen Setliste vertreten.

Da meine Wenigkeit das Licht der Welt im Jahre 1989 erblickt hat, habe ich von der damaligen Musik verständlicherweise kaum irgendetwas mitbekommen. Deshalb ist es um so schöner, dass mir dank The Night Flight Orchestra eine Reise zurück in die 80er ermöglicht wird. Das Schaffen der Truppe bezeichne ich sowieso gerne als «Miami Vice»-Mucke. Der weisse Anzug, den Sharlee trägt, würde jedenfalls hervorragend dazu passen. Aber auch Björn ist mit seinem lilafarbenen Zwirn und der stylischen Sonnenbrille ein echter Blickfang. Notabene: Die beiden genannten Herren sind sonst für Soilwork respektive Arch Enemy tätig. Aber ihr Nebenprojekt, welches hier gerade das Zürcher Publikum verzaubert, sollte man definitiv ebenfalls auf dem Radar haben.

Der Fronter erkundigt sich mehrmals beim Publikum, ob dann auch alle ihre «dancing shoes» mitgebracht hätten. Und in der Tat wird im Saal munter das Tanzbein geschwungen. Einmal artet das Ganze sogar in einer Polonaise aus. Doch, Stimmung ist effektiv vorhanden. Björn streut zudem ab und an Glitzerpulver auf seine Kollegen. Die «Glamness» soll schliesslich nicht zu kurz kommen. Ob ich mir diesen Streuer einmal für ein kommendes Black Metal-Konzert ausleihen soll? Als er dann zu arg ins Schwitzen gerät, greifen umgehend die beiden «Airline Annas» ein. Stirn abtupfen und einen neuen Drink servieren – prompt ist der Sänger wieder einsatzfähig. Bei meiner Konzertkadenz würde ich einen solchen Service ehrlich gesagt auch begrüssen. Freiwillige Dutti-Stewardessen dürfen sich gerne bei mir melden.

Die Zeit schreitet unerbittlich voran. Im Zugaben-Block trumpft das Orchester nochmals auf – unter anderem mit dem coolen «This Time». Der Landeanflug wird initialisiert. Zu «West Ruth Ave» ist der Vogel schliesslich endgültig gelandet. Beschweren kann sich nach dieser 80-minütigen Reise kaum jemand. Ich persönlich würde diese schwedische Fluggesellschaft jederzeit wieder buchen. Dutti over and out.

Das Fanzit

Beide Truppen konnten am heutigen Abend auf ihre Art und Weise überzeugen. Sowohl mit den Black Mirrors als auch dem The Night Flight Orchestra wird es für mich sicherlich in Zukunft ein Wiedersehen geben. Der Dynamo Saal war jedoch bloss mittelmässig besucht. Offenbar sind die Schweden doch noch nicht ganz bereit, Locations dieser Grösse füllen zu können. Vielleicht wäre ja beim nächsten Gastspiel eine Zwischenlandung in der Wetziker Hall Of Fame eine Option?

Zum Abschluss noch ein Tipp: Es existiert bereits ein bestätigtes Schweizer-Datum für das kommende Jahr. Wer bereits Mitte Januar Bock auf The Night Flight Orchestra hat, sollte unbedingt beim Ice Rock Festival im Emmental vorbeischauen. Am 10.01.2019 (Donnerstagabend) werden sich die Schweden dort die Bühne mit Chickenhouse und Shakra teilen.

Setliste – Black Mirrors

  1. Intro
  2. Shoes For Booze
  3. Günther Kimmich
  4. Funky Queen
  5. The Mess
  6. Inner Reality
  7. Moonstone
  8. Mind Shape
  9. Lay My Burden Down
  10. Kick Out The Jams (MC5-Cover)
  11. Burning Warriors

Setliste – The Night Flight Orchestra

  1. Sometimes The World Ain’t Enough
  2. Living For The Nighttime
  3. Speedwagon
  4. Midnight Flyer
  5. Turn To Miami
  6. Star Of Rio
  7. Gemini
  8. Something Mysterious
  9. Josephine
  10. Paralyzed
  11. Can’t Be That Bad
  12. 1998
  13. This Time*
  14. Lovers In The Rain*
  15. West Ruth Ave*

*Zugabe


Wie fandet ihr das Konzert?

03.01.2019
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