Wahnsinns-Performance von Behemoth
Die Polen Behemoth lieferten am Dienstagabend im Zürcher Komplex 457 ein regelrechtes Spektakel ab. Minutiös durchgeplante Performance, diverse Effekte, Kostüme und eine unglaubliche Intensität. Sogar die sonst in dieser Location stets kritisch beäugte Soundqualität hat gehalten. Support gab’s von den Truppen At The Gates und Wolves In The Throne Room. Detaillierte Erläuterungen zu den einzelnen Darbietungen entnehmt ihr den nachfolgenden Zeilen.
Veranstalter Good News Productions AG hat die «Ecclesia Diabolica»-Tour nach Altstetten geholt. Das wird für das Komplex-Gebäude heute ein echter Härtetest, denn wer Behemoth kürzlich live erlebt hat, weiss, wozu die polnischen Death/Black Metaller in der momentanen Verfassung in der Lage sind. An die Show vom letztjährigen Summer Breeze Open Air erinnere ich mich beispielsweise überaus gerne zurück. Das war damals eine echte Machtdemonstration – und ehrlich gesagt der beste Auftritt des gesamten Festivals. Wiederholung unbedingt erwünscht.
Bezüglich der Support-Act gibt’s bei mir unterschiedliche Wissensstände. Die Schwarzmetaller Wolves In The Throne Room aus den USA hatte ich bisher noch überhaupt nicht auf dem Schirm. Anders sieht’s da bei At The Gates aus. Es ist eine Ehre, eines der Aushängeschilder der Göteborger Schule des Melodic Death Metal wieder einmal in unseren Gefilden willkommen zu heissen. Mal schauen, wer das Publikum besser auf Betriebstemperatur bringen kann.
Wolves In The Throne Room
Metalinside-Kollege Steve flitzt an mir vorbei in den Fotograben. Er wird den heutigen Abend für euch in Bildern festhalten. Als erstes posieren die Wölfe vor seiner Linse (Anm. d. Red.: Posieren ja, leider fast ohne Licht und drum auch keine Fotos …). Da die Bühne bereits zu einem grossen Teil mit dem Material des Headliners zugestellt ist, muss das Quintett aus dem US-Bundesstaat Washington mit verhältnismässig wenig Platz auskommen. Nichtsdestotrotz gelingt es den Akteuren, ihren atmosphärischen Black Metal gut herüberzubringen. Da wird geschickt zwischen schnelleren und langsameren Parts variiert. Die Räucherstäbchen-Geschichten, die bei einem Track zum Einsatz kommen, sorgen bei einigen Besuchern für munteres Naserümpfen. Wenn man eine halbe Stunde lediglich mit drei Songs füllen kann, müssen über deren Länge eigentlich keine weiteren Worte verloren werden, oder? Für meine Freunde und mich sind Wolves In The Throne Room jedenfalls die Entdeckung des Abends. Danke für diese schwarzmetallische Horizonterweiterung.
At The Gates
Aufgrund seiner Kopfbedeckung und seinem Bart sieht Tomas Lindberg wie der typische Truck-Fahrer aus, den man aus Filmen und TV-Serien kennt. Bekannt ist der gute Mann jedoch eigentlich für seinen Job am Mikro der schwedischen Truppe At The Gates. Seine Stimme klingt bei den ersten Nummern zwar noch ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber es wird glücklicherweise rasch besser. Die Pioniere des Melodic Death Metal scheinen für den heutigen Gig bevorzugt auf Material der beiden Scheiben «Slaughter Of The Soul» (1995) und «At War With Reality» (2014) zu setzen. Insbesondere die erstgenannte Platte enthält diverse prägende Hymnen für diese Stilrichtung. Und exakt diese Klassiker verlangen der Zuhörerschaft einiges an Nackenfitness ab. Stücke wie «Suicide Nation» und «Blinded Fear» haben auch heutzutage noch eine unglaubliche Wirkung. Nach 45 Minuten räumen die Schweden das Feld und die Massen warten gierig auf den Auftritt des Headliners.
Behemoth
Die Bühne verschwindet erst einmal hinter einem schwarzen Vorhang. Auf den Aussenseiten versagt die geplante Zensur jedoch und man erhält einen hübschen Einblick in das emsige Werkeln der Roadies. Dann wird’s plötzlich dunkel im Saal. Der Umriss der Schweiz – selbstverständlich dekoriert mit einem Petruskreuz – wird in die Mitte des Vorhangs projiziert. Aus den Boxen dröhnt das Intro «Solve». Kinderstimmen geben folgende Worte wieder: «Jesus Christ, I shall not forgive». Möge die finstere Messe beginnen!
Die Polen schicken gleich einmal die «Wolves Ov Siberia» vom aktuellsten Werk «I Loved You At Your Darkest» ins Rennen. Erste Flammensäulen werden an die Raumdecke gejagt. Im Hintergrund ist eine dreieckige Videoleinwand im Einsatz. Zudem werden mittels Raucheffekten weitere umgedrehte Kreuze erzeugt. Drummer Inferno drischt gnadenlos auf seine Felle ein. Chef Nergal, standardmässig mit Kapuze und bemaltem Antlitz unterwegs, gibt derweil seinen fiesen Gesang zum Besten. Sein bestens bekannter, mit zweifachen Kobraschlangen und dem Emblem von der Rückseite des «The Satanist»-Albums verzierter Mikrofonständer, ist erneut ein echter Hingucker. Bereits nach den ersten paar Minuten ist klar, wohin die Reise gehen wird: Abriss und Machtdemonstration lassen grüssen. Da dürfte für Kollege Steve im Graben ebenfalls der eine oder andere spektakuläre Schnappschuss drin liegen.
Viele Worte richten die Herrschaften nicht wirklich ans Publikum. Sie lassen lieber ihre Musik sprechen. Einmal lässt sich der Fronter allerdings zurecht zu einer kleinen Massregelung hinreissen, denn diverse Zuschauer verfolgen das Treiben auf der Bühne praktisch mit dem Bildschirm aus dem Hosensack vor der Nase. Darunter leidet leider die Stimmung. Ich habe ja grundsätzlich nix gegen das Festhalten von ein paar Erinnerungen an einen gelungenen Konzertabend, aber dieses ununterbrochene Filmen und Geknipse muss nicht sein. Kleiner Tipp meinerseits: Wenn schon Impressionen her müssen, dann macht diese doch bitte vom Seitenrand aus. Hier stört ihr beim Hochhalten eurer Geräte immerhin keine Sau. Aber ganz wichtig: Konzert geniessen dabei nicht vergessen. Schliesslich spielen sich da gerade vier schweissgebadete Musiker ihre Seele aus dem Leib. Und diese Leistung verdient verdammt noch mal Respekt!
Massenhaft Pyroeffekte, Masken, Rauchsäulen – das Gezeigte ist effektiv ein echtes Spektakel. Wer nicht gerade am Mähne schütteln ist, versucht seinen Kiefer irgendwie wieder vom Boden hochzuheben. Eine Nummer wird von einem Konfettiregen begleitet. Das hätte jetzt nicht zwingend sein müssen. Ist am Ende nur Futter für die kritischen Personen, die sowieso der Ansicht sind, dass Behemoth im echten schwarzmetallischen Sektor nix zu suchen haben. Wie heisst es so schön? «Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich verdienen.».
Mit der abwechslungsreichen Setliste sammeln Nergal, Inferno, Orion und Seth ebenfalls massenhaft Punkte. «Daimonos» und «Lucifer» zählen beispielsweise nicht gerade zu den Dauerbrennern. Insbesondere erstgenannte Hymne wird vom Publikum sehr wohlwollend aufgenommen. Mit «Decade Of Therion», «Blow Your Trumpets Gabriel» und «Slaves Shall Serve» ist aber auf der anderen Seite auch ein echtes Kracher-Trio am Start. Der Erzengel kann heute Abend noch lange nach Hilfe tröten. Es wird nichts bringen. Die düstere Messe hat gesiegt. Allerdings endet die ganze Sache nach «Coagvla», bei dem alle vier Musiker trommelnd auf der Bühne stehen, etwas arg abrupt. 80 Minuten sind nicht wirklich eine rekordverdächtige Headliner-Spielzeit. Bei der gezeigten Intensität kann man den Polen dies allerdings nicht wirklich verübeln. Sie haben wirklich alles gegeben. Man könnte in diesem Zusammenhang Airbourne als Vergleich heranziehen. Die Australier geben bei ihren Gigs auch immer Vollgas und irgendwann sind die Batterien dann eben schlichtweg leer. Nichtsdestotrotz fühlt sich der Zuhörer bei beiden Gruppen stets bestens unterhalten.
Das Fanzit
Wer oder was hat heute brilliert? Bevor wir auf irgendwelche Bands zu sprechen kommen, ist unbedingt die Soundqualität zu erwähnen. Für Komplex-Verhältnisse war dies nämlich eine äusserst feine Angelegenheit. Mit Wolves In The Throne Room habe ich eine neue, interessante Truppe für meine persönliche Sammlung entdeckt. Aber auch sie konnten am Ende dem grandiosen Auftritt von Behemoth nicht das Wasser reichen. Während der Show der Polen hätte ich mir jedoch eine etwas ausgelassenere Stimmung in den Publikumsreihen gewünscht.
Setliste – Wolves In The Throne Room
- Angrboda
- The Old Ones Are With Us
- Born From the Serpent’s Eye
Setliste – At The Gates
- Intro – Der Widerstand
- To Drink From The Night Itself
- Slaughter Of The Soul
- At War With Reality
- A Stare Bound in Stone
- Cold
- Daggers Of Black Haze
- El Altar Del Dios Desconocido (Interlude)
- Death And The Labyrinth
- Heroes And Tombs
- Suicide Nation
- The Book Of Sand (The Abomination)
- Blinded By Fear
- The Night Eternal
Setliste – Behemoth
- Intro – Solve
- Wolves Ov Siberia
- Daimonos
- Ora Pro Nobis Lucifer
- Bartzabel
- Ov Fire And The Void
- God = Dog
- Conquer All
- Ecclesia Diabolica Catholica
- Decade Of Therion
- Blow Your Trumpets Gabriel
- Slaves Shall Serve
- Chant For Eschaton 2000
- Lucifer*
- We Are The Next 1000 Years*
- Outro – Coagvla*
*Zugabe