Gitarrengott und Stimmwunder machen gemeinsame Sache
Diese Kollaboration hört auf den Namen Slash Feat. Myles Kennedy & The Conspirators. Die Truppe war am Donnerstagabend in der ausverkauften Samsung Hall zu Gast. Das Vorprogramm wurde von den Herrschaften von Bishop Gunn bestritten. Ob es der Zylinder tragende Guns N’ Roses-Klampfer mit seinen Soli übertrieben hat, verraten euch die nachfolgenden Zeilen.
Veranstalter Good News Productions AG hat einen echten Lauf, denn die heutige Veranstaltung ist restlos ausverkauft. Allerdings kaum verwunderlich, wenn man ständig solch angesagte Künstler in die Schweiz holt. Wann zur Hölle war ich eigentlich letztmals in der Samsung Hall? Muss auch schon wieder ein paar Monate her sein. Nach der Abholung des Pressetickets gibt’s zuerst einmal einen kurzen Schwatz mit Kollege Steve. Er ist während der Show für die Beschaffung des Bildmaterials zuständig. Anschliessend geht’s für mich in die oberen Stockwerke, da man mir einen Platz auf dem Balkon zugewiesen hat. Aufgrund der fantastischen Sicht auf die Bühne habe ich jedoch überhaupt nix dagegen einzuwenden. Ausserdem entgeht man so dem Gewusel im Stehplatz-Bereich. Dieses Mal darf mich sogar meine kühle Blondine hinein begleiten – sehr gut. Mit Ungemach wird sich an den hiesigen Gig von Marilyn Manson zurückerinnert. Damals mussten die Getränke entweder draussen bleiben oder bereits die Speiseröhre hinab geplätschert sein, wenn man den Konzertsaal betreten wollte.
Was passiert, wenn die Stimme von Alter Bridge und der Saitenhexer von Guns N’ Roses zusammenarbeiten? Korrekt, daraus resultiert die Gruppe Slash Feat. Myles Kennedy & The Conspirators. Während man den Sänger entweder mit Band oder Solo ab und an hierzulande antreffen kann, sind Begegnungen mit dem «Flinkefinger» an der Gitarre eher eine Seltenheit. Dem Letzigrund-Auftritt der Knarren und Rosen Anfang Juni 2017 konnte ich blöderweise nicht beiwohnen. Deshalb bin ich umso glücklicher, am heutigen Abend in den Genuss von ein paar virtuosen Slash-Soli zu kommen.
Bishop Gunn
Ein paar Stunden vor Showbeginn kam es zu einer Spielplan-Anpassung. Deswegen starten Bishop Gunn bereits um 19.45 Uhr in ihr Set. Das Quartett stammt aus Natchez im US-Bundesstaat Mississippi und hat sich der rockigen Mucke verschrieben. Fronter Travis McCready tänzelt fröhlich in seinen «Hippie-Hosen» durch die Gegend. Beim zweiten Track greift er zudem auf die Unterstützung der «Schnörregiige» zurück. Diese dürfte für meinen Geschmack ruhig ein bisschen lauter eingestellt sein.
Während auf der Bühne bereits Betrieb herrscht, suchen um mich herum immer noch ein paar Besucher im Dunkeln nach ihren Sitzplätzen. Liebe Leute, bitte schaut doch, dass ihr jeweils rechtzeitig eintrudelt. Herumfuchtelnde Smartphones mit Taschenlampen-App stören nur die Atmosphäre.
Weshalb auf den Verstärkern kleine Dinosaurier-Figuren stehen, kann ich beim besten Willen nicht eruieren. Vielleicht müssen die Musiker damit spielen, falls es ihnen einmal zu langweilig werden sollte. Momentan scheint kein Bedarf zu bestehen, denn die Amis drehen in der zweiten Gig-Hälfte auf. Jetzt ist’s besser und rockiger. Phasenweise erinnert der Gesang von Travis durchaus an denjenigen von Mister Kennedy. Mit «Bank Of The River» und einem Gruss an die Heimat beenden Bishop Gunn schliesslich ihre halbstündige Darbietung. Nun passt auch die Lautstärke der Mundharmonika.
Slash Feat. Myles Kennedy & The Conspirators
Um 20.40 Uhr wird’s laut in der Halle. Die wichtigsten Akteure des heutigen Abends dürfen nun zeigen, was sie können. Ehe der Fokus zu sehr auf Slash und Myles Kennedy abdriftet, wollen wir die Gunst der Stunde nutzen, und euch kurz die Konspirateure vorstellen: Hinter der Schiessbude sitzt Brent Fitz, die zweite Gitarre wird von Frank Sidoris gespielt und die Tieftöner-Parts übernimmt Todd Kerns. Die laufende Tour steht im Zeichen des im September des vergangenen Jahres veröffentlichten Silberlings «Living The Dream». Das Albumcover kann heute Abend zudem als gigantisches Backdrop bestaunt werden. Während ich bei Bishop Gunn noch ein paar Lücken in den Publikumsreihen ausmachen konnte, ist die Samsung Hall nun bis unters Dach gefüllt. So kommt natürlich Stimmung auf.
Die Setliste wird allerdings nicht ausschliesslich von der neuen Scheibe dominiert. Es gibt auch ein paar Slash-Solo-Songs auf die Lauscher. Leider ist Myles Kennedy bei uns im Balkon-Sektor – ausser bei den Balladen – nicht wirklich gut zu hören. Keine Ahnung, was da mit seinem Mikro los ist. Hoffentlich können die Herren Tontechniker dies noch richten. Todds Stimme ist beispielsweise absolut sauber abgemischt. Die Akteure haben die komplette «Spielwiese» zur Verfügung und wissen diese auch zu nutzen. Slash ist äusserst munter unterwegs und versucht sich allen Zuschauern von seiner besten Seite zu präsentieren. Der Kerl ist schon ein verdammt cooler Rockstar – das muss man neidlos anerkennen.
Im Mittelteil erhält Myles eine kurze Pause. Bei den Tracks «We’re All Gonna Die» und «Doctor Alibi», welches dem verstorbenen Lemmy Kilmister gewidmet wird, kümmert sich Todd um den Gesang. Wow, er macht einen genialen Job und krönt damit seine tolle Leistung, die er ehrlich gesagt schon den gesamten Abend lang zeigt. Gitarren-Junkies kommen schliesslich bei «Wicked Stone» voll und ganz auf ihre Kosten. Der Meister platziert sich mit seinem Zylinder, der ihm auch heute wieder regelrecht an seinem Schädel festzukleben scheint, auf dem Podest in der Bühnenmitte und legt ein unfassbares Monster-Gitarren-Solo aufs Parkett. Unermüdlich gleiten seine Finger locker über die Saiten. Slash zeigt mit dieser Aktion eindrücklich, weshalb er einer der besten seiner Zunft ist. Das mag sich jetzt vielleicht nach jammern auf hohem Niveau anhören, aber mir übertreibt er es mit dieser Einlage beinahe ein bisschen zu sehr. Um mich herum schauen einige schon auf ihre Uhren. Ein über zehnminütiges Herumgezupfe ist eben nicht für alle gleichermassen interessant. Die Meinungen darüber gehen jedenfalls ziemlich auseinander.
Im letzten Drittel der Show sorgt der Guns N’ Roses-Klassiker «Nightrain» für jubelnde Massen. Im Balkonsektor hält es auch einige nicht mehr auf den Sitzen. Endlich hört man Myles nun auch deutlich besser. Nach «World On Fire» verduften die Herrschaften erstmals kurz hinter der Bühne. Das Publikum hat noch nicht genug. Zeit für den Zugaben-Block! Mit «Avalon» und «Anastasia» wird ein letztes Mal mit vollem Elan abgerockt. Meister Slash kitzelt wirklich alles aus seiner Saitenkönigin heraus. Über eine zu knappe Spielzeit kann sich heute Abend sowieso niemand beklagen. Die Show dauert insgesamt stolze 125 Minuten.
Das Fanzit
Es war zweifelsohne eine geniale Rock-Show die jedoch trotzdem nicht über die gesamte Dauer überzeugen konnte. Slash hat erneut eindrücklich bewiesen, dass er ein fleischgewordener Gitarrengott ist. Allerdings würde ich versuchen, bei einer nächsten Darbietung die Soli-Exzesse ein kleines bisschen zu reduzieren. Der bis zum letzten Auftrittsdrittel unsauber abgemischte Myles Kennedy war ebenfalls ein Ärgernis. Dies geniale Stimme MUSS einfach zur Geltung kommen. Dagegen agierte Basser Todd Kerns äusserst überzeugend. Die Setliste hat ebenfalls gepasst. Die Band hat bewiesen, dass es auch ohne «Sweet Child O’ Mine» funktionieren kann. Bishop Gunn sorgten insbesondere in der zweiten Hälfte ihres Auftritts für ein gelungenes Einheizer-Programm.
Setliste – Bishop Gunn
- Silver Street
- Baby What You Want Me To Do
- Shine
- Anything You Want
- Makin it
- Bank Of The River
Setliste – Slash Feat. Myles Kennedy & The Conspirators
- The Call Of The Wild
- Halo
- Standing In the Sun
- Ghost (Slash-Song)
- Back From Cali (Slash-Song)
- My Antidote
- Serve You Right
- Boulevard Of Broken Hearts
- Shadow Life
- We’re All Gonna Die (Slash-Song) (Todd Kerns übernimmt Gesang)
- Doctor Alibi (Slash-Song) (Todd Kerns übernimmt Gesang)
- The Great Pretender
- Wicked Stone (mit «Monster»-Gitarren-Solo von Slash als Outro)
- Mind Your Manners
- Driving Rain
- By The Sword (Slash-Song)
- Nightrain (Guns N’ Roses-Cover)
- Starlight (Slash-Song)
- You’re A Lie
- World On Fire
- Avalon*
- Anastasia*
*Zugabe