Vom kleinen Bub zum Maiden-Sänger
Dominik: 2018 erschien Bruce Dickinsons Autobiographie «What Does This Button Do?». Aktuell ist der Sänger von Iron Maiden auf einer ‘Solo-Tour’ und hält auf der ganzen Welt verteilt Lesungen. Thema: Sein Leben!
Was läuft denn hier heute genau?
Dominik: Ich nähere mich dem Volkshaus und beobachte interessiert das anwesende Publikum. Teilweise bietet sich mir ein ganz gewohntes Bild: Metalheads, mit und ohne Kutten, mit und ohne Lederstiefel. Bunt daruntergemischt befinden sich aber auch ‘normale’ Leute. Denn Bruce Dickinson ist schliesslich nicht ‘nur’ Sänger und Frontmann einer der erfolgreichsten Heavy Metal-Bands der Welt. Er ist gleichzeitig Linienpilot und Autor, Unterhalter und Fechter.
So gilt auch gleich vorwegzunehmen: Der heutige Anlass dreht sich – wie schon die Biographie – keineswegs nur um Iron Maiden. Dickinson beleuchtet auch (und vor allem) andere Ecken seines Lebens und stellt sich dabei jeweils in den Kontext der Zeit und seines jeweiligen Umfelds. Wie ähnlich der heutige Inhalt zum Inhalt der Biographie ist, kann ich nur schwer beurteilen; ich habe nämlich erst vor kurzem mit der Lektüre begonnen. pam, was sagst du dazu?
pam: Also vorab, wer eine sture Lesung von Bruce aus seinem Buch erwartete, wird von der ersten Sekunde enttäuscht. Das Buch bleibt schön hinter den Kulissen bzw. auf dem Schoss und Taschen der Besucher – denn alle kriegen zusammen mit dem Eintritt ein signiertes Buch. Den fetten Schinken vor dem Auftritt schnell zu lesen, dürfte ein zu ehrgeiziges Unterfangen sein. Das habe ich Monate zuvor ausgiebig gemacht – siehe meine Review.
Bruce macht schliesslich das, was er am besten kann: Unterhalten. Und das im besten Stil eines Stand-up Comedian. Es wirkt alles sehr spontan erzählt – immer mit dem Schalk eines kleinen Lausbuben – und es gibt einige Lacher. Auch eher ernste Themen wie seine nicht immer so geglückte Wahl von schrillen Hosen; meist im Schritt so eng, dass man sich von seiner Manneskraft erschlagen fühlt. Das steckt er dann mit viel Selbstironie wie es halt nur die Briten können weg. Aber gleich vorweg, auch wenn es frisch von der Leber weg erzählt wirkt, so erfährt man heute (fast) nichts, was nicht schon im Buch steht. Und wie im Buch selbst, gibt es euch heute sehr viel über Klein-Bruce und relativ wenig über Maiden. Da wünschte man sich als Maiden Fan halt doch schon noch ein bisschen mehr – auch wenn es nur bestätigte Clichés von Rockstars-On-Tour wären – trotz seinem auch sonst sehr spannenden Leben auch ausserhalb von Iron Maiden.
Politics Rock n’ Roll F*cking People
Dominik: Ja, Bruce fühlt sich auch auf der kleinen Volkshaus-Bühne wohl und lässt seinem verbalen Witz freien Lauf. Den Anlass als Lesung zu bezeichnen, ist eigentlich falsch: Der Typ sitzt nie wirklich ab, das Buch hat er allerhöchstens zugeschlagen in der Hand und eigentlich erinnert das Ganze viel mehr an einen durch einige Fotos untermalten Comedy-Abend – nur dass da eben keine Witze erzählt werden, sondern wirkliche Anekdoten.
Beginnend bei seiner Kindheit und seiner Familie stellt Bruce schon ziemlich zu Beginn klar, dass er schon immer ein Problem mit Autorität hatte. Dies sollte ihm dann später, im Zusammenhang mit einer riesigen Ladung dampfendem Pferdemist, noch massiv Ärger einbringen. Ein weiterer gleich zu Beginn aufgeführter Running Gag ist der ‘Moustache’, über welchen er sich in den verschiedenen Epochen immer wieder Gedanken macht.
Selbstkritisch macht er sich auch über sich selber lustig und hält fest, dass die Kombination klein und dickköpfig zu sein und dazu noch ein grosses Maul zu haben, nicht immer die gesündeste ist. Nicht nur er selber kriegt aber immer wieder mal etwas ab; auch mit Seitenhieben gegen einzelne Länder (z.B. Island) oder andere Bands (Beatles, Kiss, Manowar, Village People) geht der heutige Hauptdarsteller nicht besonders sparsam um.
Natürlich geht Bruce dann doch noch auf Iron Maiden ein. Er erzählt, wie er zur Band kam, dass er zuerst eigentlich nur Drummer werden wollte (pam: bei seiner allerersten Band war er der Bongo-Mann (DtS: Ups, meinte ich natürlich auch!)) und wie er dann doch den Weg ans Mikro fand. Auch seine Maiden-Pause, während welcher Blaze Bayley die Gesangsparts übernahm, wird zum Thema; mit dieser ist er nämlich überaus zufrieden! Bei der Fragenrunde steht für Bruce dann auch ganz klar fest, dass er sich fürs Singen entscheiden würde, wenn er eine Wahl zwischen Maiden-Sänger und Linienpilot treffen müsste.
Fragenrunde? Genau! Gemäss Facebook-Event hätte der Abend zweimal 45 Minuten dauern sollen, mit einer Viertelstunde Pause dazwischen. Stattdessen labert Paul (das ist sein erster Vorname!) ganze 100 Minuten durch. Nachdem er noch jede Menge andere Themen (u.a. das Verlieren seiner Jungfräulichkeit; daran erinnert er sich nämlich nicht) angeschnitten und uns das eine oder andere Foto auf der grossen Leinwand präsentiert hat, gibt es dann eine circa 20-minütige Pause. Als zweiten Teil gibt es eine Fragenrunde, in der Bruce auf Fragen aus dem Publikum eingeht – man konnte nämlich vor dem Beginn seine Frage auf eine Postkarte schreiben und abgeben. Dauer? Erneut eine volle Stunde!
In diesem zweiten Block geht es dann noch einmal im Zickzack durch sein Leben, und es hagelt noch mehr Anekdoten. Die letzte Frage: Ob er Roussinis Ouvertüre zu Wilhelm Tell live interpretieren könne. Alleskönner Dickinson zögert natürlich nicht und klopft diese als Abschluss auf seinen Wangen.
pam: Auf meine Frage, welche andere Band er nebst Maiden auch auf deren Tour um die Welt fliegen würde, meint er kurz und knapp: Alle die bezahlen. Tja, Mr. Dickinson ist nicht nur ein begnadeter Entertainer, sondern auch ein guter Business-Mann. Das haben er und Steve Harris einfach im Blut. Die Fragerunde ist, für die die das Buch schon gelesen haben, der spannendere Teil. Hier kommt doch noch die eine oder andere Anekdote oder Info, die man noch nicht kennt.
Das Fanzit
Dominik: Der Abend war so vielseitig wie die Thematik selber. Bruce Dickinson zeigte viele verschiedene Facetten seines Lebens und Schaffens auf. Die Vorfreude auf die Lektüre des unterschriebenen Buches, welches beim Kauf eines Tickets inklusive war, hat er mit diesem Abend sehr erfolgreich nach oben getrieben. Nicht nur ich bin positiv überrascht, der Kanon beim Herauslaufen spricht für sich selbst.
pam: Der Abend war köstlich, keine Frage. Wie das Buch im allgemeinen sehr kurzweilig, aber auch mit den aus meiner Sicht gleichen Schwächen: Zu viel Kindheit, zu wenig Maiden. Aber so oder so ist Bruce der gute Kumpel, mit dem man gerne einfach mal in einem Pub ein paar Pints trinken möchte. Das hat er heute einmal mehr bestätigt.