Beste Hard Rock-Unterhaltung made in Switzerland
Diese gab’s am Sonntag im Zürcher Dynamo zu bestaunen – zumindest in Zusammenhang mit der Show des Headliners. Die Vorgruppe Redeem sorgte leider nicht wirklich für Furore. Die schwächste Partei des Abends war allerdings das Publikum. Phasenweise herrschte gar Unklarheit darüber, ob man sich in einer Kirche oder an einem Rockkonzert befand.
Leo Leoni bringt den Kern von Gotthard nach Zürich. Auf der aktuellen Mini-Helvetien-Rundreise legt der Tessiner Saitenhexer mit seinem Herzensprojekt einen Zwischenhalt in der Limmatstadt ein. Ich bin der Truppe zuletzt im November des vergangenen Jahres im Hall Of Fame begegnet. Nach dieser hammergeilen Show war ein nächstes Wiedersehen bloss eine Frage der Zeit. Heute ist es endlich soweit. Bestens gelaunt pilgere ich in Richtung Dynamo. Dieses traumhafte Wetter möchte man zwar nicht unbedingt in einem dunklen Saal erlebe, aber für irgendwelche Open Air-Veranstaltungen müsste das Quecksilber dann schon nochmals um ein paar Grad Celsius steigen.
Im oberen Stock angekommen, folgt der obligate Abstecher an die Bar. Allerdings reicht die Lust vorerst bloss für einen kleinen Hopfentee. Leber und Schädel sind von der gestrigen Mabon-Plattentaufe noch ein bisschen angeschlagen. Ui, keine Absperrung vor der Bühne? Ist in diesem Hause nicht wirklich Usanz. Insbesondere die knipsende Zunft dürfte aufgrund dessen kaum Luftsprünge machen. Bleibt zu hoffen, dass Kollegin Nicky trotz dieser Herausforderung ein paar brauchbare Schnappschüsse gelingen. Da offenbar einige Besucher mit Sonne tanken beschäftigt sind, geniesst man bisher glücklicherweise ziemlich viel Bewegungsfreiheit. Eventuell haben ein paar Nasen vielleicht sogar die Zeitumstellung verpeilt.
Redeem
Die Alternative Rocker mit Mitgliedern aus diversen Ecken der Schweiz starten um 19 Uhr in ihr Set. Sie waren bereits im November als Support von CoreLeoni mit von der Partie. Gemessen an der damaligen Leistung im Hall Of Fame hätte ich mir heute Abend lieber die zweite Einheizer-Kapelle – Underskin –in Aktion gewünscht. Naja, vielleicht schaffen es Stefano Paolucci und seine beiden Kumpels beim zweiten Anlauf, mich von ihrem musikalischen Schaffen zu überzeugen.
Die Voraussetzungen dazu sehen jedoch nicht wirklich rosig aus, denn der Fronter gibt rasch zu, dass sein Stimmorgan im Eimer sei. Deshalb also der blaue «Italia»-Pullover. Habe mich schon gewundert, weshalb Stefano so dick eingepackt auf der Bühne steht. Mir fehlt beim Sound des Trios einfach der «Pfupf». Da existiert keine Nummer, die einen durchgehend fesselt. Einzige Ausnahme bildet – wie schon in Wetzikon – der finale Track «Lost» von der 2011er-Scheibe «999». Dieser «eh oh»-Mitmach-Part hat definitiv das gewisse Etwas. Leider tun die Zuhörer der Band mit ihrer passiven Art keinen Gefallen. Da stecken einige im «faulen-Sonntag»-Modus fest. Befinden wir uns an einem Rockkonzert oder einem Gottesdienst in der Kirche?
Immer wieder fliegen Papierfetzen von der Decke hinunter. Ob das wohl die Vorboten einer anstehenden Konfetti-Party sind? Stefanos Worte zum Abschied nach der 50-minütigen Darbietung: «Hoffentlich haben wir euch genug eigeheizt, denn sonst schimpft der Leo wieder mit uns.»
CoreLeoni
20.15 Uhr. Primetime! Und genau jetzt darf der Headliner zur Tat schreiten – und wie er das tut. Von Anfang an servieren Leo Leoni (Gitarre), Jgor Gianola (ebenfalls Gitarre), Mila Merke (Bass), Ronnie Romero (Gesang) und Alex Motta (Drums; er ersetzt nach wie vor Hena Habegger) beste Hard Rock-Unterhaltung. Da steht jetzt ein ganz anderes Kaliber auf der Bühne. Die sind inzwischen effektiv zu einer bärenstarken, sympathischen Einheit zusammengewachsen. Man hat sichtlich Spass zusammen. Immer wieder können kleinere Blödeleien beobachtet werden.
Beim Blick auf meine Notizen erkenn ich sofort, dass heute Abend dieselbe Setliste wie damals in Wetzikon zum Zug kommt. Halb so wild, denn die vorgetragenen Nummern sind allesamt absolut hörenswert. «Fist In Your Face» könnte gerade so gut aus der Feder von Accept stammen – ist mir bis jetzt gar noch nie so richtig aufgefallen. Jgor und Leo lassen streicheln munter ihre Saitenköniginnen. Das Hauptaugenmerk gilt jedoch wieder primär dem Herrn am Mikro, der Dank seines überragenden Stimmorgans abermals äusserst überzeugend agieren kann. Hinzu kommt noch eine ordentliche Prise Latino-Charme und schon hat man das Publikum – insbesondere den weiblichen Anteil davon – im Sack. Ronnie verrät uns dann ein interessantes Geheimnis. Im Sommer soll nämlich das neue CoreLeoni-Album aufgenommen werden. Alles klar, ist notiert.
Ein Stück, welches das Quintett stets gerne performt, hört auf den Namen «Firedance». So erklingt es auch am heutigen Abend. Höhepunkte sind definitiv die Abstecher von Leo und Jgor ins Publikum. Den Grossteil des Songs verbringen die beiden Gitarren-Maestros somit inmitten der Fans. Als Ronnie vom Jacke ausziehen auf die Bühne zurückkehrt, wirkt er bezüglich der Aktion seiner beiden Mitstreiter etwas verwirrt. Die seien doch nicht ganz dicht. Zudem fügt er an, dass Signore Gianola heute Abend Geburtstag feiere, was natürlich umgehend die obligaten «Happy Birthday»-Ständchen zur Folge hat. Leo kontert frech: «Das ist auf dieser Tour jetzt schon das sechste Mal, dass Jgor Geburtstag hat.» Ihr seht, CoreLeoni-Gigs sind sowohl musikalisch als auch komödiantisch eine unterhaltsame Angelegenheit.
Unglücklicherweise will die Mehrheit des Publikums während der Show einfach nicht aus dem Tiefschlaf erwachen. Das hat einmal zur Folge, dass – mit Ausnahme von Ronnie – alle Bandmitglieder hinter der Bühne verduften. Ronnie muss die Massen nun komplett auf sich allein gestellt aus der Reserve locken. Mit einem kleinen Auszug aus «Heaven» (inklusive Widmung an den leider nicht mehr unter uns weilenden Steve Lee) klappt das schon einmal ganz gut. Bald schon kehren Leo und Co. zurück und die Show kann weitergehen. Trotzdem an dieser Stelle rasch eine kleine Warnung meinerseits an die Zuhörerschaft: Andere Bands haben schon Shows abgebrochen, wenn die Resonanz aus den Publikumsreihen zu schwach war.
Im letzten Drittel gibt’s mit «Mountain Mama» einen weiteren Über-Hit auf die Lauscher. Anschliessend soll über Sex gesprochen werden. Leo wird allerdings von Ronnie ermahnt, dass da ein kleines Mädchen im Publikum sei und er sich somit die schmutzigsten Sprüche für später aufheben solle. «She Goes Down» wird selbstverständlich trotzdem gespielt. Für den finalen Song bedient sich der Fünfer bei den legendären Led Zeppelin und holen beim «Immigrant Song» nochmals alles aus sich heraus. Jgor hantiert beispielsweise plötzlich mit dem Mikrofonfonständer an seiner Klampfe herum und Leo spielt seine Gitarre hinter dem Kopf. Tolles Spektakel – grosses Kino. Ich freue mich schon jetzt auf die nächste CoreLeoni-Show.
Das Fanzit
Aufgrund des Auftritts des Headliners hat sich der Besuch des Dynamo heute Abend eindeutig gelohnt. CoreLeoni konnten erneut von A bis Z überzeugen. Die Chemie zwischen diesen fünf Musikern scheint einfach zu stimmen. Die gute Laune war abermals ansteckend. Nicht mit Ruhm bekleckern konnten sich dagegen die Vorgruppe Redeem und die Mehrheit des Publikums. Eine solch passive und unmotivierte Zuhörerschaft hat keine Band auf diesem Planeten verdient. Im Hall Of Fame war die Stimmung damals um Längen besser. Zum Abschluss gebührt Veranstalter Good News Productions AG Lob für den gut gewählten Spielplan. Dank Konzertende um circa 21.45 Uhr kam man nämlich zu einer humanen Zeit ins Bett.
Setliste – Redeem
- Insanity
- Splendid
- Dreams You’ve Lost Along The Way
- 999
- Somebody Out There
- Inside
- Murder
- Beauty Of A Lie
- Black Monday
- Lost
Setliste – CoreLeoni
- Higher (Gotthard-Cover)
- Standing In The Light (Gotthard-Cover)
- Downtown (Gotthard-Cover)
- Get It While You Can (Gotthard-Cover)
- Fist In Your Face (Gotthard-Cover)
- Walk On Water
- Firedance (Gotthard-Cover)
- All I Care For (Gotthard-Cover)
- Let It Be (Gotthard-Cover)
- In The Name (Gotthard-Cover)
- Tell No Lies (Gotthard-Cover)
- Make My Day (Gotthard-Cover)
- Mountain Mama (Gotthard-Cover)
- She Goes Down (Gotthard-Cover)
- Ride On (Gotthard-Cover)
- Here Comes The Heat (Gotthard-Cover)
- Immigrant Song (Led Zeppelin-Cover)*
*Zugabe