Der Untergang der Nackenmuckis
Das Trio Hierophant, Carnation und Deserted Fear brachte die Wände der Luzerner Schüür am Dienstagabend ordentlich ins Wackeln. Die Performances der einzelnen Truppen vermochten zu überzeugen. Der Publikumsaufmarsch liess hingegen leider zu wünschen übrig. Was sonst noch an diesem Metal Storm Concerts-Event vorgefallen ist, entnehmt ihr den nachfolgenden Zeilen.
Die Thüringer Todesmetaller Deserted Fear führen zurzeit ihre erste Headliner-Tournee durch. Glücklicherweise haben sie dabei auch einen Zwischenstopp in der Innerschweiz eingeplant. Für mich eindeutig Grund genug, heute nach Luzern zu reisen. Mein Kumpel und ich überstehen die von viel Sonnenschein begleitete Autofahrt ohne grössere Blechlawinen-Hindernisse. Für passenden Einstimmungs-Sound ist ebenfalls gesorgt. Ich bleibe dabei: Konzertvorfreude ist immer noch die schönste Freude.
Wir treffen circa um 19.30 Uhr vor Ort ein. Optimales Timing. Nach einem kurzen Abstecher auf die Toilette geht’s hinauf in den ersten Stock an die Bar. Ui, die Location ist aber noch beängstigend leer. Naja, immerhin könne wir uns dadurch problemlos direkt vor der Bühne platzieren. Ich bin ja sonst nicht wirklich die «front row»-Hure, aber bei wenig Publikum liegt immer einmal wieder eine Ausnahme drin. Die Künstler sollen sich schliesslich unterstützt und willkommen fühlen.
Hierophant
Wie es sich für ein klassisches Drei-Gänge-Menü gehört, wird das Dessert erst zum Schluss serviert. Deshalb beginnen wir mit der Vorspeise – und diese kommt heute Abend aus Italien. Allerdings scheint das Herrichten in der Küche länger als geplant zu dauern, denn zum ursprünglich geplanten Show-Beginn steht noch kein Mensch auf der Bühne. Diese Verzögerung verschafft mir ein bisschen Zeit, um die platzierten Dekorationen genauer unter die Lupe zu nehmen. Drei Gebilde in Form von Petruskreuzen und mit Totenschädeln oben drauf. Mein Kollege und ich sinnieren schon über einen passenden Ort in unseren Wohnzimmern. Diese Deko hätte eindeutig Stil.
Um 20.05 Uhr finden die Gedankenspielereien ein Ende. Die drei Italiener schreiten zur Tat. Basser Fabio Carretti und Klampfer Lorenzo Gulminelli teilen sich die Gesangsarbeit. Wobei hier wohl «Gekrächze» die passendere Bezeichnung wäre. Jep, das musikalische Schaffen des Trios bloss dem Death Metal-Genre zuzuordnen, wäre schlichtweg falsch. Da stecken auch Elemente aus den Bereichen Black, Doom und Sludge drin. Somit nehmen Hierophant im heutigen Billing die Aussenseiterrolle ein.
Fabio fordert uns regelmässig dazu auf, die Fäuste in die Luft zu recken. Drummer Ben Tellarini nutzt die ruhigeren Parts dazu, um mit seinen Sticks ein unheiliges Kreuz zu formen. Das düstere Erscheinungsbild der Italiener wird durch dreckverschmierte Visagen zusätzlich verstärkt. Erinnert durchaus ein bisschen an Watain. Im Fokus der Setliste steht die 2016er-Scheibe «Mass Grave». Das Ding könnte man sich nach der Show eigentlich gönnen – sofern sie ein paar Exemplare mitgebracht haben. Nach rund 35 Minuten räumen Hierophant das Feld. Vollends vom Hocker konnten sie die Mehrheit der eindeutig auf Death Metal eingestellten Zuhörerschaft leider nicht hauen.
Carnation
Brav verdaut? Gut, denn nun folgt die Hauptspeise unseres metallischen Menüs. Warnhinweis: Um leicht verdauliche Kost handelt es sich dabei eindeutig nicht. Der Sound von Carnation ist unverkennbar durch Grössen wie beispielsweise Bolt Thrower beeinflusst. Eine knüppelharte Geschichte! Im Vergleich zum Hierophant-Gig ist das Publikum deutlich aktiver. Da werden munter Mähnen geschüttelt und etliche Nackenmuskeln an ihre Grenzen gebracht. Aufgrund des bärenstarken Auftritts der Belgier ist dies allerdings kaum verwunderlich.
Angeführt wird das Quintett von Sänger Simon Duson. Gesicht und Hände sind bei ihm komplett mit roter Farbe (oder müssen wir hier schon von Kunstblut sprechen?) bedeckt. Zudem trägt er zwei fette Ketten mit sich herum. Dieses Erscheinungsbild führt dazu, dass ich ihn fortan als «roten Hulk» bezeichne. Die Fernbedienung für die Nebelmaschinen hat er sich um sein Handgelenk gewickelt. Somit ist ausschliesslich Simon verantwortlich für diese Show-Elemente. Bleiben mir noch rasch bei der Personal-Thematik. Am Tieftöner agiert nicht Yarne Heylen, sondern Joeri Van de Schoot von den Evil Invaders. Der Ersatzmann leistet ausgezeichnete Arbeit.
Carnation bin ich vor zwei Jahren zum ersten Mal begegnet. Damals durften sie sich auf der Camel Stage des Summer Breeze Open Airs austoben. Der Auftritt war nicht übel, aber was die Jungs hier und heute in der Schüür zeigen, ist schlichtweg ein genialer Abriss. Das Debütwerk «Chapel Of Abhorrence», das am 17. August 2018 veröffentlich wurde, scheint die Truppe nochmals beflügelt zu haben. Mein nächster Abstecher an den Merch-Stand steht bereits fest.
Deserted Fear
Dessert beziehungsweise Nachspeise-Zeit. Das Beste kommt bekanntermassen zum Schluss. Fairerweise muss ich jedoch zugeben, dass auch schon der Hauptgang nicht von schlechten Eltern war. Moment, stünde jetzt eigentlich nicht nochmals eine Dosis Todesmetall auf dem Programm? Das nun erklingende Intro lässt daran zumindest den einen oder anderen Zweifel aufkommen. «You Give Love A Bad Name» von Bon Jovi – da kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Die Jungs haben definitiv Humor. Die hartgesottenen Metalheads in den Publikumsreihen beweisen viel Textsicherheit – da fehlt jede Spur von irgendwelchem Scheuklappen-Denken.
Als Manuel Glatter (Gesang/Gitarre), Fabian Hildebrandt (Lead-Gitarre), Simon Mengs (Drums) und Seppl (Bass) die Bühne betreten, folgt mit «Battalion Of Insanities» umgehend die Rückkehr zu härteren Klängen. Hoffentlich haben alle anwesenden Nacken die kurze Erholungsphase nach Carnation gut genutzt, denn während der nächsten Stunde müssen sie erneut Höchstleistungen vollbringen. Die Mannen aus Thüringen setzen auf eine ausgeglichene Setliste. Aufgrund dessen kommt von allen vier Studioalben Material zum Handkuss. Taktisch scheint mir dies gar kein allzu schlechter Schachzug zu sein. Personen, die zuvor noch nie etwas von Deserted Fear gehört haben, können sich dadurch ein gutes Bild vom musikalischen Angebot der Truppe machen.
Der Vierer strotzt nur so vor Spielfreude und Sympathie. Manuel kann sich das Gegrinse zwischen den Growls kaum verkneifen. Saitenhexer Fabian gilt sowieso immer als Strahlemann. Auf seine Haarpracht kann man allerdings bloss neidisch sein. Er ist eindeutig das Rapunzel der Band. Ich habe ja schon in meinem Bericht zum letztjährigen W:O:A erwähnt, dass L’Oréal oder Schwarzkopf unbedingt einmal mit ihm einen Werbespot drehen sollten. Danach würden sich die Verkaufszahlen ihrer Produkte bei der metallischen Zunft sicherlich steigern.
Apropos Wirtschaft – zu diesem Thema schüttelt Manuel ein paar unterhaltsame Anekdoten aus dem Ärmel. Er benutze in einem anderen Land stets die «Döner-Umrechnungsmethode» um die Preisunterschiede eruieren zu können. Bei ihnen in Deutschland koste das türkische Fleischgericht so um die vier Euro. Hier in der Schweiz seien es hingegen stolze 15 Euro. Ups! Zudem habe er auf seinem Smartphone ausserhalb einer W-Lan-Zone aus Versehen kurz das Data-Roaming aktiviert. Das habe den Fronter beinahe ruiniert. Tja, hoffen wir einmal, dass die Tour gut läuft. Dann sollte am Ende Manuels Haushaltskasse auch wieder stimmen. Fabian schickt anschliessend als Ausgleich noch einen positiven Aspekt ins Rennen: «Dafür habt ihr hier wunderschöne Landschaften». Diese sympathischen Jungs muss man einfach mögen. Spätestens seitdem ich Marcus Bischoff von Heaven Shall Burn das erste Mal quasseln gehört habe, geniesst der Thüringer Dialekt bei mir sowieso Kultstatus.
Mit dem Kracher-Trio «All Will Fall», «Bury Your Dead» und «Nocturnal Frags» beenden die Jungs aus den Eisenbergen schliesslich ihren absolut überzeugenden Auftritt. Meine Nackenmuskeln – und sie werden wohl nicht die einzigen sein – könnten jetzt definitiv eine Massage vertragen. Hoffentlich lässt das nächste Wiedersehen nicht allzu lange auf sich warten. Kleiner Werbeblock zum Abschluss: Wer die Band gerne noch etwas besser kennenlernen möchte, dem sei das YouTube-Video «Die DEATHMETAL WG – Bei DESERTED FEAR zu Hause» vom dunklen Parabelritter wärmstens empfohlen.
Das Fanzit
Abermals ein gelungener Event von Metal Storm Concerts. Ein paar Zuschauer mehr hätte es ruhig geben dürfen, aber ansonsten hat alles gepasst. Von den Bands haben insbesondere Carnation und Deserted Fear etliche, bleibende Eindrücke hinterlassen.
Setliste – Hierophant
- Spawned Abortions
- Execution Of Mankind
- Forever Crucified
- Mass Grave
- Sentenced To Death
- In Decay
- Trauma
- Eternal Void
Setliste – Carnation
- The Whisperer
- Hellfire
- Plaguebreeder
- Disciples Of Bloodlust
- Necromancer
- Sermon Of The Dead
- Hatred Unleashed
- Chapel Of Abhorrence
- Fathomless Depths
Setliste – Deserted Fear
- Intro 1 – You Give Love A Bad Name (Bon Jovi-Song)
- Intro 2 – Erster Track des «Drowned By Humanity»-Albums
- Battalion Of Insanities
- Mortal Reign
- Kingdom Of Worms
- Wrath On Your Wound
- Across The Open Sea
- Welcome To Reality
- Face Our Destiny
- The Final Chapter
- Field Of Death
- My Empire
- Interlude (Dead Shores Rising)
- The Carnage
- All Will Fall
- Bury Your Dead
- Nocturnal Frags