Metalinside.ch - Infinitas - Gaswerk Winterthur 2019 - Foto Friedemann
Sa, 6. April 2019

Eluveitie (Album-Release-Show), Infinitas

Gaswerk (Winterthur, CH)
/ 17.04.2019

Ruhmreiche Heimkehr der metallischen Helvetier 

Okay, sie waren zugegebenermassen nie weg, aber in Zusammenhang mit der Taufe ihres neusten Werks «Ategnatos» haben sich Eluveitie etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Ein Konzert im Gaswerk Winterthur – einer für ihre Verhältnisse inzwischen eher kleine Location. In der Eulachstadt wurde die tolle Karriere der Folk Metaller vor 17 Jahren lanciert. Ob das Heimspiel am Samstagabend als Erfolg verbucht werden konnte und wie sich der Support-Act Infinitas angestellt hat, wird im nun folgenden Bericht erläutert. 

Beim Durchstöbern der sozialen Netzwerke kann man bezüglich des heutigen Konzerts zurecht von einem Hype sprechen. Obwohl der «Sold Out»-Status schon länger feststeht, suchen nach wie vor etliche Fans nach Tickets, um dem bevorstehenden Spektakel beiwohnen zu können. Wer für diese Massenhysterie verantwortlich ist? Na, die erfolgreichste Schweizer Metal-Band unserer Ära höchstselbst. Sind diese Zeilen etwa zu parteiisch? Klar, eine ordentliche Dosis Stolz mischt durchaus mit. Als Winterthurer hat man diesbezüglich sowieso gar keine Wahl. Allerdings unterstreichen auch die diverse Meilensteine den Erfolg der Band: Zahlreiche Konzerte an allen Ecken der Welt, Auftritte an den grössten Festivals unseres Planeten, in diesem Jahr eine exklusive «Listening-Session» auf der 70’000 Tons Of Metal-Cruise und jede Menge hammermässige Alben.

Wenn ich unserem Metalinside-Boss pam Glauben schenke – und das tue ich eigentlich in den allermeisten Fällen (pam: so hoffe ich doch) – dürfte es sich auch beim neusten Streich «Ategnatos» um ein fantastisches Werk handeln. Seine überaus lesenswerte Plattenkritik findet ihr hier. Dementsprechend ist meine Vorfreude auf den heutigen Gig riesig. Bin ja einmal gespannt, ob meine Gehörgänge ebenfalls mit furzenden Einhörnern und bombastischen Riff-Gewittern in Berührung kommen werden. Ende Oktober 2017 wurde den Fans mit «Rebirth» ja bereits ein vielversprechender Vorgeschmack auf den neuen Silberling vor den Latz geknallt. Weitere Stücke konnte ich mir bisher leider nicht anhören. Da muss heute nun die Live-Feuertaufe herhalten. Studioalbum Nummer acht wird aber beim Merchandise-Stand abgegriffen – das steht definitiv fest. Dass die Musiker die Exemplare ihres Neugeborenen nach der Show signieren werden, ist dann gleich nochmals ein zusätzliches Kaufargument.

Die Vergabe des Support-Slots ist ebenfalls eine lobenswerte Sache. Für das Aufwärmprogramm werden nämlich Infinitas aus dem Muotathal besorgt sein. Die inzwischen auch schon seit einer Dekade aktive Truppe machte zuletzt mit einem tödlichen Schnupftabak-Video und einer innovativen «Tausch & Unterstützen»-Aktion für ein geplantes Konzeptalbum von sich reden. Der Sound der Schwyzer wurde in der Vergangenheit des Öfteren mit demjenigen von Eluveitie verglichen. Parallelen mögen zwar vorhanden sein, aber am Ende ziehen die «Infinitösen» dann schon ihr eigenes Ding durch.

Vor dem Gaswerk hat sich erwartungsgemäss eine riesige Warteschlange gebildet. Wir überbrücken die Wartezeit mit dem Verzehr des einen oder anderen Hopfentees und dem Geniessen der angenehmen Temperaturen. Im Innern angekommen, bahnen wir uns einen Weg durch das Gedränge auf die linke Raumseite. Hier hat man eigentlich jedes Mal ausreichend Platz – so auch am heutigen Abend. In der Menge erspähe ich schliesslich auch Kollege Friedemann, der sich bei beiden Konzerten in den Fotograben stürzen und fleissig Bildmaterial sammeln wird.

Infinitas

Für Infinitas ist es zweifelsohne eine grosse Ehre im Vorprogramm ihrer populären Landsleute antreten zu können. Personell hat sich im Gegensatz zu meiner letzten Begegnung mit der Band wieder etwas getan. Irina und Martin sind raus. Ihre Positionen an der Violine beziehungsweise am Bass übernehmen temporär die beiden Session-Musiker Savannah Childers und Marcel «Camel» Koller.

Gestartet wird mit dem Track «Morrigan». Frontmädel Andrea Böll betritt die Bühne mit einer Maske, die mich sogleich an Sauron oder den Hexenkönig von Angmar («Lord Of The Rings» lässt grüssen) erinnert. Dem wird sogleich das beliebte «Samael» hinterhergeschoben, bei welchem das Publikum einmal kurz zum Hüpfen animiert wird. Trotz drehendem Personal-Karussell wirkt das Quintett äusserst eingespielt.

Ein weiteres Highlight des Sets ist zweifelsohne der nigelnagelneue Song «Avnas». Auf dem letzten Werk «Civitas Interitus» haben uns Infinitas ja mit einem sogenannten Cliffhanger zurückgelassen. Dem Protagonist, dessen Heimatstadt von dämonischen Mächten dem Erdboden gleich gemacht wird, gelingt die Flucht über das offenen Meer. An diese Stelle soll die neue Scheibe anknüpfen. Gemäss Andrea werde die Figur durch ihre persönliche Hölle gehen müssen. Wir sind jedenfalls gespannt. «Avnas» macht definitiv Lust auf mehr.

Nach rund 35 Minuten haben die Innerschweizer ihre Schicht erfolgreich absolviert. Ein abschliessendes Foto mit den Fans muss verständlicherweise noch sein. Die ausverkaufte Hütte gibt sicherlich ein tolles Sujet ab. Diesen Abend wird die Band sicherlich lange Zeit in bester Erinnerung behalten.

Eluveitie

Punkt 22 Uhr folgt der grosse und sehnlichst erwartete Moment. «Unsere» Helden sind zurück in der Heimat. Zwar lebt inzwischen meines Wissens keiner der neun Musiker mehr in Winterthur, aber nichtsdestotrotz werden Eluveitie auf ewig mit dieser Stadt auf eine spezielle Art und Weise verbunden sein. Hier nahm damals 2002 alles seinen Anfang. Wer hätte gedacht, dass das ursprünglich rein fürs Studio angedachte Projekt eines Tages zum bekanntesten und besten Aushängeschild der Schweizer Metal-Szene werden würde?

Gestartet wird mit «Ategnatos». Ausgesprochen wird der Titel-Track des frisch veröffentlichen Silberlings übrigens «Atechnatos» – was in der gallischen Sprache so viel wie «Wiedergeburt» bedeutet. Damit machen die Folk Metaller auch irgendwie die eigene Bandgeschichte zum Thema. In der neuen Besetzung – also sprich mit Fabienne Erni, Michalina Malisz, Matteo Sisti, Alain Ackermann und Jonas Wolf – ist die Kapelle nämlich erst seit drei Jahren unterwegs. Zwar wurde mit dieser Mannschaft bereits ein Album («Evocation II – Pantheon») veröffentlicht, aber ich bin davon überzeugt, dass die Helvetier nicht unbedingt an diesem Akustik-Werk, sondern eher an der erst gestern rausgehauenen Starkstrom-Scheibe gemessen werden.

Sofort fällt auf, dass das Nonett inzwischen zu einer richtigen Einheit zusammengewachsen ist. Alle Akteure scheinen am selben Strang zu ziehen und agieren mit viel Freude und Lust an der Sache. Resultat dieser ausgezeichneten Bandchemie ist eine hervorragende Show, die vom Publikum frenetisch bejubelt wird. Die Setliste enthält Elemente aus beinahe allen Eluveitie-Alben – sprich, es kommen auch genügend ältere Hymnen der Marke «Tegernakô» (wo haben sie den dann wieder ausgegraben?) oder «Gray Sublime Archon» (ebenfalls länger nicht mehr gehört) zum Handkuss. Fabienne-Zweifler dürften spätestens nach «Quoth The Raven» Ruhe geben. Ihr Gesang und auch der markante Schrei im letzten Song-Drittel klingen fantastisch. Das hat eine gewisse Anna Murphy damals kaum besser hinbekommen. Zudem macht man der Strahlefrau an der Harfe in Sachen Charisma so schnell nix vor.

Klappt wirklich alles reibungslos? Nicht ganz. Zumindest bei uns auf der linken Raumseite ist der Sound lange Zeit ausbaufähig. Allerdings sind Elu (ja, das ist die anerkannte Kurzform des Bandnamens, die jetzt auch einmal verwendet werden möchte) mit ihren zahlreichen Instrumenten sowieso der Albtraum eines jeden Mischers. Glücklicherweise klingts mit der Zeit immer besser. Chrigel hat als einziger noch mit Problemen zu kämpfen. Scheint irgendetwas mit seinem In-Ear-System zu tun zu haben. Nach rund einer Stunde wird die Show rasch unterbrochen, um die Sache wieder ins Lot zu bringen. Violinistin Nicole Ansperger sorgt derweil für entspannte Pausen-Musik.

Frei von technischen Hindernissen kann schliesslich die zweite Gig-Hälfte in Angriff genommen werden. In dieser darf unter anderem Alain mit einem Drum Solo zeigen, was er auf dem Kasten hat. Nun wird auch das ominöse «Ambiramus» vorgetragen. Ja, das Stück ist für Elu-Verhältnisse sicherlich etwas poppig, aber speziell das wilde Geflöte und Gefidel packt einen trotzdem. Da bleibt definitiv etwas in den Ohrmuschen kleben. Regenbögen kackende Einhörner oder hüpfende Katzenbabys entdecke ich jedoch keine – sorry (pam: Ach komm jetzt, hast einfach nicht gut genug geschaut). Mit «Helvetios» endet der offizielle Teil der Darbietung. Die Kirsche auf der Torte wird allerdings bald schon hinterher serviert. «Rebirth» und «Inis Mona» – ein Duo, das sowohl die Band als auch die Zuhörerschaft nochmals in Ekstase versetzt.

Das Fanzit

Unsere Folk Metaller und Exportschlager präsentierten sich während ihres zweistündigen Auftritts in bestechender Form. Schön zu sehen, dass sie ihre Wurzeln nicht vergessen haben. Sie machen je länger je mehr de Eindruck eines eingespielten und stets vor Spielfreude strotzenden Teams. Glücklicherweise konnten die technischen Probleme bei Chrigel im Rahmen eines kurzen Unterbruchs rasch behoben werden. Der neue Silberling «Ategnatos» und seine Songs konnten dem Publikum eindeutig schmackhaft gemacht werden. Allerdings wurden auch die Klassiker sehr überzeugend vorgetragen.

Komplimente haben sich jedoch ebenfalls Infinitas verdient. Die Muotathaler brachten das Publikum auf die gewünschte Betriebstemperatur und lieferten mit «Avnas» einen interessanten Vorgeschmack auf ihr kommendes Album, das übrigens den Namen «Infernum» tragen soll. Bleibt zu hoffen, dass sie unter anderem aus der bereits erwähnten Tauschaktion genügend finanzielle Mittel für die Realisierung des neuen Werks zusammenbekommen werden.

Zum Schluss noch ein Wunsch meinerseits: Chrigel und Co., wie wäre es 2019 eigentlich wieder einmal mit einem Eluveitie & Friends-Festival? Ich kann mir ehrlich gesagt keinen besseren Jahresausklang vorstellen. Meinetwegen dürfte die Veranstaltung natürlich gerne in Winterthur stattfinden.

Setliste – Infinitas

  1. Morrigan
  2. Samael
  3. Rudra
  4. Skylla
  5. Avnas (neuer Song)
  6. Alastor
  7. A New Hope

Setliste – Eluveitie

  1. Ategnatos
  2. King
  3. Nil
  4. Death Walker
  5. Black Water Down
  6. Quoth The Raven
  7. Rose For Epona
  8. Lvgvs
  9. Artio
  10. Epona
  11. Worship
  12. A Cry In The Wilderness
  13. Kingdom Come Undone
  14. Alesia
  15. Drum Solo
  16. Havoc
  17. Ambiramus
  18. Breathe
  19. Gray Sublime Archon
  20. Tegernakô
  21. Helvetios
  22. Rebirth*
  23. Inis Mona*

*Zugabe

Fotos Eluveitie, Infinitas – Gaswerk Winterthur 2019 (Friedemann)


Wie fandet ihr das Konzert?

/ 17.04.2019
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