Schwooobe Dynamit
«Bring Back Stadium-Rock» – wenn eine Truppe zur Umsetzung dieses Vorhabens in der Lage ist, dann Kissin’ Dynamite. Das haben die Schwaben mit einer überzeugenden Show am Donnerstagabend im Z7 abermals bewiesen. Wie sie das angestellt haben, wird in den nachfolgenden Zeilen erläutert.
Im Rahmen ihrer «Europe in Ecstasy»-Tour legen Kissin’ Dynamite gemeinsam mit John Diva & The Rockets Of Love auch in der Nordwestschweiz einen Zwischenhalt ein. Für mich definitiv Grund genug, um nach Pratteln ins Z7 zu pilgern. Mittels Trailern wurde die ganze Angelegenheit im Vorfeld als bisher grösste Produktion der fünf Jungs angepriesen: Pyroeffekte, Gastauftritte etc. – man darf zurecht gespannt sein. Dieser Event ist übrigens alles andere als ein Geheimnis. Zum Ende ihres Auftritts als Support-Act von Powerwolf damals im November des vergangenen Jahres hielten die Schwaben dem Komplex 457-Publikum nämlich ein Schildchen mit der Aufschrift «Prattele» vor die Nase. Erstaunlich, wie rasch doch die Zeit manchmal vergeht, denn nun ist der Tag dieses nächsten Gastspiels auf helvetischem Grund bereits gekommen.
Im Innern der Konzertfabrik treffe ich schliesslich auf Kollege Kaufi, der mir stolz seinen Triple-A-Pass entgegenstreckt. Gemeinsam mit Ehegattin Nicky wird er der Band morgen und übermorgen ebenfalls noch nachreisen. Aber auch sonst sind wieder einige bekannte Gesichter vor Ort anzutreffen. Einige Besucher haben sogar die Glam-Klamotten aus ihren Schränken hervorgekramt. Mit Schloss-Gerstensaft in der Hand erwarten wir die Performance des mir (noch) unbekannten Support-Acts.
John Diva & The Rockets Of Love
Band Nummer eins kommt aus den USA (Amn. Kaufi: Zumindest wollen sie einem dies glauben machen…) und hat sich vollends dem 80s-Rock verschrieben. Der Sound von Akteuren wie Def Leppard, Mötley Crüe, Poison oder Whitesnake soll wieder erklingen und hochgelebt werden. Outfittechnisch sind John Diva & The Rockets Of Love zweifelsohne im Hair Metal-Bereich zu Hause. Die seit 2013 aktive Kapelle hat im Februar dieses Jahres mit «Mama Said Rock Is Dead» ihr Debütwerk veröffentlicht. Somit kommt man etwas weg von den Coverversionen und kann sein eigenes Material ins Rennen schicken. Da sind durchaus ein paar solide Hymnen mit dabei.
Mister Diva und seine Liebesraketen trumpfen vor allem in der ersten Auftrittshälfte stark auf. Manche sprechen von Parallelen zu Steel Panther – und dem kann ich grundsätzlich beipflichten. Allerdings kommt das Quintett ohne endloses Gelaber und feuchtfröhliche Perversionen aus. Für Kissin’ Dynamite steht hier sicherlich gerade die optimale Einheizer-Band auf der Bühne – auch wenn dieser mit der Zeit etwas die Puste auszugehen scheint. Weitaus schlimmer empfinde ich jedoch das lasche Verhalten des Publikums. Schweizer Passivität par excellence. Das MUSS beim Headliner unbedingt besser werden.
Kissin’ Dynamite
Die Schwaben und ihre Crew lassen sich nicht lumpen. Im Stile einer ganz grossen Truppe verstecken sie die Umbauarbeiten zuerst einmal hinter einem riesigen, schwarzen Vorhang. Somit muss sich die Zuhörerschaft mit der Betrachtung des KD-Logos begnügen. Die Zensurwand kommt schliesslich um 21.10 Uhr zu Fall. Sofort stechen einem die bestens bekannten, markanten Deko-Dynamitstangen neben Andi Schnitzers Drumset ins Auge. Begonnen wird mit dem neuen Track «I’ve Got The Fire» von der aktuellen Scheibe «Ecstasy». Nicht nur wegen des Namens schreit der Song eigentlich nach Feuer und Flammen. Aber leider bleiben allfällige Pyro-Effekte aus. Offenbar seien für die heutige Show gar keine eingeplant (Anm. Kaufi: Ja, auf diesem letzten Teil der Tour wird auf die Flammenwerfer verzichtet, weil die Hallen – ausser wohl dem Z7 – deren Einsatz nicht zulassen). Schade, aber beim nächsten Mal klappt’s bestimmt. Schmälert dies die Wirkung des Songs? Nicht wirklich – die Jungs aus Tübingen geben Gas und haben das Publikum vollends im Griff. Jetzt kommt hier Stimmung auf! Rund ein Drittel der Locations dieser Tour durften bisher den «Sold Out»-Status vermelden. Pratteln mag zwar nicht dazuzählen, aber nichtsdestotrotz gehen insbesondere die vordersten paar Reihen äusserst engagiert zur Sache.
Die Setliste macht Freude. Mit «Money, Sex & Power» (braucht man sonst noch etwas um glücklich zu sein?), «Love Me, Hate Me» und «She Came She Saw» folgen bereits recht früh ein paar meiner Lieblings KD-Lieder. Basser Steffen Haile und Gitarrist Jim Müller lassen sich erneut auf gar keinen Fall anleinen. Unermüdlich flitzen sie durch die Gegend und nutzen jeden Zentimeter ihrer «Spielwiese» aus. Jim platziert sich gerne auf den Podesten, um in Kombination mit Scheinwerferlicht und Rauchsäulen für die knipsende Zunft ein interessantes Sujet darzustellen.
Bei «Ecstasy» holen sich die Jungs weibliche Verstärkung auf die Bühne. Hannes Braun teilt sich die Gesangsarbeit mit Anna Brunner von der Symphonic Metal-Band Exit Eden. Danach haut der Fronter ein paar ulkige Sprüche raus und outet sich dabei als echter Fettnäpfchen-König. Anna sei nicht ganz billig gewesen deswegen habe man sie gleich für zwei Nummern engagiert. Schwaben seien zwar sparsam, wollen aber nichtsdestotrotz auch Profit machen. Aufgrund dessen darf Anna bei «Sleaze Deluxe» ebenfalls mitwirken. Ganz ehrlich, mich persönlich haut sie jetzt nicht wirklich aus den Socken. Gesangstechnisch ist das Mädel kein Überflieger. Hannes und Co. hätten diese beiden Stücke sicherlich auch ohne «Featuring» bestens hinbekommen.
Facettenreicher Auftritt? Definitiv. Bei «Heart Of Stone» kommt nämlich ein Piano zum Einsatz. Diese sei gemäss Hannes ebenfalls teuer gewesen. Während er klimpert und singt, sorgt das Publikum mit Smartphones und Feuerzügen für eine wunderschöne Licht-Show. Danach geht’s aber wieder zurück in härter Gefilde. Stellvertretend hierfür ist sicherlich «Steel Of Swabia» zu erwähnen. Der geht richtig gut ab! Zuvor macht Hannes bei «Waging War» noch den Fahnenschwinger. Die Darbietung von «I Will Be King» – ebenfalls einer meiner Favoriten – wird aufgewertet. (Fettnäpfchen-)König Hannes hat nun einen persönlichen Diener, der ihm seinen Mantel hinterher trägt. Zudem wird hinter dem Schlagzeug ein Thron aufgebaut, auf welchem der Sänger seinen Allerwertesten platzieren darf. Auf diesen Abstecher in royale Gefilde folgt der Zugaben-Block. Beim finalen «Flying Colours» darf auch Anna nochmals mitmischen. Meines Erachtens ist das die Hymne, die dem Motto «Bring Back Stadium-Rock» ganz klar am ehesten entspricht. Der Mitgröl-Part sorgt einfach jedes Mal für Hühnerhaut-Momente. Mit ihrer typischen Scorpions-Gedenk-Pyramide verabschieden sich Kissin’ Dynamite nach rund 110 Minuten von ihren Fans.
Das Fanzit
Sympathisch, energiegeladen, unterhaltsam und ziemlich rockig – die fünf Schwaben von Kissin’ Dynamite boten eine fantastische Leistung und überzeugten die Zuhörerschaft mit einem überragenden Auftritt. Wer weiss? Vielleicht werden wir das Quintett in Zukunft effektiv einmal in einem grossen Stadion live erleben Die Hymnen dafür hätten sie jedenfalls definitiv parat. John Diva und seine Liebesraketen waren ebenfalls nicht übel. Besonders lobenswert zu erwähnen ist sicherlich wieder einmal die geniale Soundqualität im Z7, die unsere Gehörgänge verwöhnt hat.
(Anm. Kaufi: Ein ausführlicher Tourreport von den Shows im Z7, in München und in Stuttgart folgt in Kürze auf diesem Kanal)
Setliste – John Diva & The Rockets Of Love
- Get It On
- Whiplash
- Lolita
- Blinded
- Wild Life
- Drum Solo
- Rock N‘ Roll Heaven
- Toxic
- Dance Dirty
- Rocket Of Love
Setliste – Kissin’ Dynamite
- I’ve Got The Fire
- Somebody’s Gotta Do It
- Money, Sex & Power
- Love Me, Hate Me
- She Came She Saw
- DNA
- Sex Is War
- Ecstasy (feat. Anna Brunner von Exit Eden)
- Sleaze Deluxe (feat. Anna Brunner von Exit Eden)
- Breaking The Silence
- Heart Of Stone
- Waging War
- Steel Of Swabia
- Six Feet Under
- I Will Be King
- Still Around*
- You’re Not Alone*
- Flying Colours (feat. Anna Brunner von Exit Eden)*
*Zugabe