Die blutende Welt ist getauft
Wer oder was forderte am Samstagabend die meisten Opfer? Wilde Moshpits? Zusammenstösse beim Mähne schütteln? Herumfliegende CD-Hüllen? Alles falsch. Der «Mörder» war eine gigantische Johnnie Walker Red Label-Flasche. Allfälligen Gedächtnislücken versuche ich mit den nachfolgenden Zeilen entgegenzuwirken. Wäre auch zu schade, wenn diese Plattentaufe komplett in Vergessenheit geraten würde.
Dutti auf Reisen. Es gilt wieder einmal eine für mich neue Location unter die Lupe zu nehmen: Die Event Bar Ölfleck in Frauenfeld. Also nix wie hin in den Kanton Thurgau. «Moscht» oder «Öpfelköniginnen» interessieren für einmal keine Sau. Heute Abend gilt der Fokus einzig und allein den Feierlichkeiten rund um das Album «The World Is Bleeding» – dem neusten Streich des thurgauischen Thrash-Monstrums Mabon. Stolze acht von zehn Punkten heimste das Ding im Rahmen meiner Kritik ein (siehe Review). Nun gilt es zu überprüfen, ob die neuen Tracks auch live Feuerwerke zünden und Nackenmuskeln gnadenlos in die Mangel nehmen können.
Das Ölfleck macht von Beginn an den Eindruck einer gemütlichen Location. Rund 200 Gäste sollen hier maximal reinpassen. Der Band würde ich eine volle Hütte selbstverständlich absolut gönnen. Wir decken uns sowohl am Bartresen als auch am Merchandise-Stand schon einmal brav ein. Erwähnenswert ist sicherlich auch das charmeversprühende Chalet für die «Glimmstängeli»-Fraktion. Bekannte Antlitze wo man nur hinschaut. Das könnte eine ziemlich familiäre Angelegenheit werden.
Der persönliche Konzertkalender wird an diesem 30. März zur grossen Qual. Manchmal sollte man sich einfach aufteilen oder klonen können – im besten Fall gleich mehrfach. (Ob ihr allerdings in einer Welt voller Duttis leben möchtet, sei an dieser Stelle euch überlassen). Wie? Ihr glaubt mir nicht? Ja dann werfen wir doch kurz einen Blick auf das heutige Musik-Angebot: Bloodbound (Z7), Hysteria (Big Ben Pub), Danko Jones (Gare de Lion), Ørefik (Met-Bar), The BossHoss (Samsung Hall) und Acherontas (Musigburg). Nichtsdestotrotz bin ich felsenfest davon überzeugt, dass ich meinen «Pro Mabon»-Entscheid keinesfalls bereuen werde.
Mabon
Vorbands? Kein Bedarf! Mabon setzen heute Abend auf eine «one-band»-Show. Vor zahlreich erschienenen Metalheads darf Thomi Bitterli zuerst seine Felle ordentlich heiss klopfen. Auftakt mit Drum Solo? Why not? Erlebt man schliesslich auch nicht alle Tage. Anschliessend geht’s mit stampfenden «Are You Blind?» von der 2006er-EP «Eye For An Eye» ans Eingemachte. Engagiert brüllen die Publikumsreihen die titelgebenden Zeilen mit – sehr zu Freude des Quintetts auf der Bühne. Die Musiker agieren mit viel Spielfreude, bitten jedoch bald schon um Nachsicht. Man habe die gestrige Veröffentlichung des neuen Silberlings trotz guten Vorsätzen im Verlaufe des heutigen Tages intensiv gefeiert. Wir sollen doch ein Auge (oder diesem Fall eher ein Ohr) zudrücken, falls während des Gigs nicht alle Töne wunschgemäss sitzen. Kein Problem Jungs, es sei euch verziehen. Zudem sind bisher keine Saitenentgleisungen oder Kehlkrämpfe auszumachen.
Songtechnisch bleiben Mabon vorerst bei der Vergangenheit ihrer Diskographie. Überraschungen gibt’s aber trotzdem zu bestaunen, denn zwei Stücke werden durch Gastauftritte aufgepeppt. Bei «Mad Mission» teilt sich Mabon-Fronter Roger «Badi» Badertscher die Mikrofonarbeit mit Tobias John Bänteli von Broken Fate. Gelungene Sache! Beim darauffolgenden «Chaos Of Life» erhalten die Thurgauer dann Unterstützung von ihrer ehemaligen Gitarristin Monika Hagmann. Gerade auf dieser Position erlebte die Truppe seit ihrem Bestehen etliche Rotationen.
Nach dem mitreissenden «Desert War» kündet der Fünfer eine kurze Verschnaufpause an. Doch davor soll der zweifelsohne wichtigste Akt des heutigen Events erledigt werden: Die Tauf-Zeremonie. Dazu rüsten Klampfer Marco «Schmöck» Schmocker und Thomi die vorderen Reihen mit Bechern aus. Diese werden anschliessend mit dem Inhalt eine riesigen Johnnie Walker Red Label-Flasche gefüllt. Da ich bereits am Vorabend einen mühsamen Whiskey-Absturz zu verzeichnen hatte, löst der kernige Geruch, der sich von meinem Trinkgefäss eine Weg ins Innere meines Riechorgans bahnt, nicht gerade Freudentänze aus. Aber Scheiss drauf! Die Mabon-Plattentaufe ist schliesslich nur einmal im Jahr. Prost meine Herren. Wir trinken auf die blutende Welt. Möge die Scheibe noch für viel Furore sorgen.
So – und jetzt Pause. Diese nutzen wir für den Besuch der sanitären Anlagen und danach einen kurzen Abstecher an die frische Luft. Anschliessend sehne ich mich doch wieder nach einer kühlen Blondine. Im inneren des Lokals dreht die Red Label-Flasche inzwischen munter ihre Runden. Einige Besucher gönnen sich meines Erachtens wirklich grosszügige Schlucke. Bin ja mal gespannt, ob diese Personen den Rest der Abendunterhaltung überhaupt noch erleben werden.
Die Musiker scheinen ebenfalls wieder Energie getankt zu haben und nehmen den zweiten Akt mit blutverschmierten Gesichtern in Angriff. Dieser Part steht nun – mit Ausnahme des Zugaben-Blocks – voll und ganz im Zeichen des neuen Albums. Nackenbrecher um Nackenbrecher wird der Zuhörerschaft um die Lauscher geballert. Sämtliche Tracks bestehen die Live-Feuertaufe bravourös. Badi unternimmt sogar den einen oder anderen Abstecher hinunter ins Publikum – zugebenermassen keine völlig unbekannte Aktion seinerseits. Bezüglich Bassist Tom Balmer bleibe ich meiner Meinung treu; zumindest optisch MUSS der Kerl einfach irgendwie mit Peter Tägtgren verwandt sein. Kurzer Blick auf die Zeitinformation am Handgelenk: Es ist 23.15 Uhr. Die TG-Drescher holen mit «Stampede» zum finalen Schlag aus. Bämm! – dieser aggressive Kracher poliert einem nochmals richtig die Kauleiste.
Das Fanzit
Das war eine tolle Leistung der fünf Maboner. Neben der Band konnte allerdings auch die Location überzeugen. Entspannte Atmosphäre, adäquate Soundqualität und freundliches Personal – was will man mehr? Mein Weg wird mich sicherlich wieder einmal in den Ölfleck führen. «The World Is Bleeding» wurde definitiv in einem angemessen Rahmen getauft. Was aus den paar «Red Label-Leichen» geworden ist, wird jedoch ein Geheimnis bleiben.
Setliste – Mabon
- Are You Blind?
- Killers
- Eye For An Eye
- Mad Mission (mit Tobias John Bänteli von Broken Fate)
- Chaos Of Life (mit Ex-Gitarristin Monika Hagmann)
- Desert War
- *Plattentaufe*
- In The Name Of God
- This World Is Bleeding
- Death Kiss
- Die
- Hero
- God Of War
- Village Of The Damned
- Reality
- Agro
- Enemy*
- Stampede*
*Zugabe