Der Berserker setzt sich nicht komplett durch
Die schwedischen Melodic Death Metal-Veteranen Amon Amarth werden am 03. Mai mit «Berserker» ihr elftes Studioalbum veröffentlichen. Erneut haben die Herrschaften aus Stockholm ein paar Geschichten aus der Wikinger-Ära und der nordischen Mythologie zusammengetragen und diese auf einen Silberling gepresst. Der Albumtitel passt zumindest schon einmal hervorragend zu den Schweden. Welche Armee wünscht sich nicht den einen oder anderen Berserker, der es problemlos mit mehren Gegnern gleichzeitig aufnehmen kann und sich gnadenlos durch die feindlichen Linien metzelt?
Das Cover löste kurz nach dessen Veröffentlichung einige Copyright-Diskussionen aus, denn es sieht demjenigen des Albums der deutschen Truppe Asenblut aus dem Jahre 2016 verdammt ähnlich. Diese Scheibe hört übrigens ebenfalls auf den Namen «Berserker». Soundtechnisch sind bei den beiden Bands ebenfalls Parallelen erkennbar, aber am Ende bleiben nichtsdestotrotz Amon Amarth die Chefs auf dem Drachenboot. Nun gilt es herauszufinden, ob Johan Hegg und Co. diesen Status mit ihren zwölf neuen Kompositionen beibehalten und untermauern können.
Das Album – «Berserker»
Wie so oft verlangen Amon Amarth gewisse Erläuterungen aus der nordischen Mythologie. Dies ist beim Opener «Fafner’s Gold» nicht anders. Fafner (oder auch Fáfnir) ist ein Zwerg, der aufgrund eines verfluchten Schatzes und geblendet von Gier seinen Vater Hreidmar ermordet und sich anschliessend mit dem Gold in eine einsame Höhle zurückzieht. Dort nimmt er mit der Zeit die Gestalt eines Drachen an. Auf die Fortsetzung dieser blutigen Familienfehde möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Das erste Stück der neuen Platte ist exakt diesem Goldschatz gewidmet. Auf ein akustisches Klampfen-Intro folgen schon bald die altbekannten Amon-Riffs. Ausserdem gibt Fronter Johan Hegg erstmals seine Growls zum Besten. Typischer geht’s nicht. Genau für Songs dieser Art lieben wir das Quintett.
Für die nächste Nummer «Crack The Sky» existiert auf dem Videoportal YouTube bereits ein Clip. Eine äusserst stampfende Angelegenheit. Der Fokus liegt wieder einmal auf dem Donnergott höchstpersönlich: «Thor! Let your hammer fly. Let the lightning crack the blackened skies.». Solide Geschichte. Einzig im letzten Drittel kommt ein bisschen Verwirrung auf, als Johan kurzzeitig ein paar zahme, fast schon klargesungene Töne ins Rennen schickt.
Offenbar beissen sich die Schweden etwas an der Thor-Thematik fest, denn im nächsten Stück wird dessen Werkzeug – der Hammer Mjölnir – intensiv angepriesen. Abermals spielen Amon Amarth hier die Sicherheitskarte aus. Diese Nummer würde gerade so gut auf «Twilight Of The Thunder God» oder «Jomsviking» ihren Platz finden. Muss sich diese Truppe wirklich neu erfinden? Aus meiner Sicht nicht unbedingt. Die Schweden liefern seit Jahren ansprechende Ware ab. Im Vergleich zu den allerersten Alben ist ebenfalls im Produktionsbereich eine deutliche Qualitätssteigerung erkennbar. Fairerweise muss man an dieser Stelle jedoch zugeben, dass sich die Studiotechnik seit den 90er-Jahren konstant weiterentwickelt hat. «Mjölner, Hammer Of Thor» kann live sicherlich überzeugen.
«Berserker» lässt leider nichtsdestotrotz bisher den ganz grossen Hit vermissen. Eventuell kann «Shield Wall» ja diesbezüglich Abhilfe schaffen. Endlich wird auch einmal diese typische Wikinger-Schlachtformation besungen. Würde mich nicht wundern, wenn wir an künftigen Amon-Konzerten anstatt irgendwelcher Moshpits diese Schildmauer sehen werden. Eigentlich eine weitere, grundsolide Komposition, die jedoch im textlichen Sektor ein bisschen dünn und abgedroschen daherkommt. Der finale Funke will einfach nicht herüberspringen.
Schicksalsgöttinnen werden in der nordischen Mythologie als Walküren bezeichnet. Ihnen ist der nun folgende Song gewidmet. Ob das zu Beginn hörbare «Take one» wirklich gewollt auf der Scheibe gelandet ist? Ich habe da so meine Zweifel. «Valkyria» klingt ebenfalls lange Zeit nach Sicherheitsgeschichte. Lediglich das gefühlvolle Piano-Outro lässt den Zuhörer nochmals aufhorchen.
«Raven’s Flight» lieferte schon Ende März einen ersten Vorgeschmack auf die neuste Platte der Melodic Death Metaller. Und Melodie ist in diesem Zusammenhang ein ausgezeichnetes Stichwort, denn diese kommt aus meiner Sicht bei diesem Stück überaus gut zur Geltung. Schade nur, dass man bei der Albumversion das überragende Intro, welches sie übrigens jeweils auch als Einstieg in ihre Live-Konzerte verwenden, gekillt hat.
Zwei Dinge sind beim darauffolgenden «Ironside» erwähnenswert: Der spezielle, leicht progressive Einstieg und Johans kurzweiliger Klargesang im letzten Song-Drittel. Über die Durchschnittsmarke kommt die ganze Sache trotzdem nicht hinaus. Das sieht bei der nächsten Nummer «The Berserker At Stamford Bridge» schon anders aus. Nein, mit dem Stadion des Fussball-Clubs Chelsea London hat die Hymne nix zu tun. Gemeint ist viel eher die Schlacht zwischen Engländern und Wikingern aus dem Jahre 1066, die für Letztgenannte zum Ende ihrer Ära führte. Endlich! Da ist der von mir so sehnlichst herbeigesehnte Hit. Man kann sich regelrecht in die Haut des Berserkers versetzen und fühlen, wie er die englischen Truppen kampfeslustig mit seiner Axt erwartet. Die Wahl des gemächlichen Tempos ist hier übrigens alles andere als unpassend.
Dafür geht’s bei «When Once Again We Can Set Our Sails» dann gleich wieder rasanter zur Sache. Angestachelt von Johans mächtigen Growls setzt man sich ohne zu zögern ans Ruder und segelt in Richtung des nächsten Beutezuges. Olavi Mikkonen und Johan Söderberg kitzeln dabei fetzige Soli aus ihren Saitenköniginnen heraus. Aber irgendwie werde ich einfach das Gefühl nicht los, diesen Song beziehungsweise dessen Strukturen schon einmal auf einer älteren Scheibe der Schweden gehört zu haben.
«Skoll And Hati» – in der nordischen Mythologie sind das die Namen zweier Wölfe, welche die Sonne respektive den Mond verfolgen und fressen möchten. Passend zu dieser Thematik bleibt der Fuss bei diesem Lied brav auf dem Gaspedal. Die headbangende Zunft wird’s freuen. Selbes gilt für das anschliessende «Wings Of Eagles». Aufgepasst auf das emotionale Finale in Form von «Into The Dark»! Hier greifen Amon Amarth zu Beginn sogar auf orchestrale Unterstützung zurück. Episch! Die gefühlvolle Nummer weist durchaus Parallelen zu «One Thousand Burning Arrows» und «Embrace Of The Endless Ocean» auf.
Das Fanzit
«With Oden On Our Side» (2006), «Twilight Of The Thunder God» (2008) und «Jomsviking» (2016) – aus meiner Sicht müssen sich künftige Amon Amarth-Werke mit exakt diesen drei Scheiben messen, denn diese sind momentan zweifelsohne die besten Erzeugnisse der Schweden. Schafft es der Berserker nun ebenfalls aufs Podest? Nein, Album Nummer elf ist definitiv kein absoluter Karriere-Höhepunkt der Melodic Death Metaller. Allerdings sind wir aber auch weit von einem Totalausfall entfernt.
«Berserker» ist ein grundsolider, auf hohem Niveau produzierter Silberling, der jedoch die ganz grossen Hits leider vermissen lässt. Einzige Ausnahme hierbei bildet wohl «The Berserker At Stamford Bridge». Andere Stücke weisen zwar ebenfalls Potenzial auf, allerdings kommt es einem so vor, als hätte man bessere Versionen davon schon einmal auf älteren Scheiben der Wikinger gehört. Diesbezüglich gleichen Amon Amarth ein bisschen den legendären AC/DC. Den Aussies hat man schliesslich ebenfalls regelmässig vorgeworfen, dass sie das Rad mit ihrem musikalischen Schaffen nicht wirklich neu erfinden würden. Nichtsdestotrotz wagen Johan Hegg und seine Mitstreiter auf «Berserker» vereinzelte Experimente. Die klargesungenen Parts konnten mich jedoch kaum überzeugen. Der Fronter sollte seinen Growls besser treu bleiben.
Abschliessend kann man sagen, dass die Herren von Amon Amarth einen Vorteil geniessen: Dank ihrer enormen Fähigkeiten können sie selbst mit einem nicht vollends überzeugenden Album immer noch eine anständige Bewertung einheimsen. Beim nächsten Werk muss aber trotzdem eine Leistungssteigerung her. Andernfalls werden die Pforten von Walhalla für sie wohl oder übel verschlossen bleiben.
Empfehlenswerte Hörproben: «Crack The Sky», «The Berserker At Stamford Bridge», «Skoll And Hati»
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Trackliste Amon Amarth – Berserker
- Fafner’s Gold
- Crack The Sky
- Mjölner, Hammer Of Thor
- Shield Wall
- Valkyria
- Raven’s Flight
- Ironside
- The Berserker At Stamford Bridge
- When Once Again We Can Set Our Sails
- Skoll And Hati
- Wings Of Eagles
- Into The Dark
Line Up – Amon Amarth
- Johan Hegg – Vocals
- Ted Lundström – Bass
- Johan Söderberg – Guitar
- Olavi Mikkonen – Guitar
- Jocke Wallgren – Drums