Geheimtipp im Hall Of Fame – und (fast) keiner geht hin
Die niederländische Supergroup MaYan schaute Dank der Crown Metal-Booking-Agentur am Freitagabend im Hall Of Fame vorbei. Es war der Kick-off für die «Dhyana»-Tour. Für das Einheizer-Programm waren zwei Truppen aus Italien besorgt. Im Gegensatz zum Headliner konnten sie nur teilweise überzeugen. Für noch mehr Sorgenfalten sorgte jedoch der erschreckend schwache Publikumsaufmarsch.
Ach, Hall Of Fame, ich habe dich vermisst. Endlich gibt’s wieder einmal einen Abstecher in einen meiner Lieblings-Konzertläden. Der geniale Gig von Blues-Klampfer Kirk Flechter liegt ja doch auch schon wieder drei Monate zurück. Am Eingang werden die ersten Besucher bereits freudig vom Chef Pasquale Salatino begrüsst und hereingebeten. Dieser Aufforderung wird selbstverständlich gerne Folge geleistet, denn die Temperaturen laden aktuell nicht wirklich zum längeren Verweilen im Freien ein. Im Innern wird man dann auch von der restlichen HoF-Crew willkommen geheissen. Meine Kollegen und ich gönnen uns bei Bardame Jessi brav Flüssignahrung.
Hmm, von einer vollen Hütte kann bisher definitiv keine Rede sein. Ich könnte mich jetzt erneut darüber aufregen, aber das vertagen wir wohl besser auf später. Den Bands zuliebe hoffe ich jedenfalls auf etwas Publikumszuwachs. Logisch stehen heute Abend nicht gerade die populärsten Namen auf der Bühne, aber der Teufel steckt – speziell im Falle des Headliners – schlichtweg im Detail. Bei MaYan mischen unter anderem mit Merel Bechtold (Delain), Mark Jansen (Epica) und Henning Basse (Firewind) durchaus Akteure mit, die dem geneigten Metalhead eigentlich vertraut sein sollten. Die beiden Support-Acts New Horizons und Holy Shire dürften dagegen eher unbeschriebene Blätter sein. Aber ich lasse mich – wie so oft – gerne überraschen.
Holy Shire
Als Frischlinge sind Holy Shire nicht wirklich zu bezeichnen, denn schliesslich zelebrieren die Mailänder 2019 ihr zehnjähriges Bestehen. Die Kapelle aus Norditalien hat sich gemäss Angaben auf ihrer Facebook-Seite dem Fantasy Metal verschrieben. Also tanzen jetzt dann gleich Elfen, Zwerge und Orks durch die Gegend? Nicht ganz, die Musiker kommen alle ohne Verkleidungen daher. Cosplayer wären an diesem Wochenende sowieso im Nordwesten unseres Landes besser aufgehoben, da dort gerade die «Fantasy Basel» stattfindet.
Aber kommen wir zurück zu Holy Shire. An der Mikrofon-Front wird mit doppelter Frauen-Power agiert. Während Aeon eher die groben und dreckigen Gesangs-Parts abdeckt, kümmert sich ihre Kollegin Claudia Beltrame um die sanfteren Töne. Modisch hat sich letztgenanntes Mädel für ein gewagtes Experiment entschieden: Das kleine Schwarze ist zweifelsohne ein Hingucker, aber die Turnschuhe an den Füssen wollen dann irgendwie nicht wirklich ins Gesamtbild passen. Glücklicherweise bin ich auf diesem Gebiet kein Experte – das sollen andere übernehmen. Musikalisch vermag das Duo – vor allem in der zweiten Auftrittshälfte – durchaus zu überzeugen. Aeon streckt uns immer wieder ihre Zunge entgegen, während sie mit einem Totenschädel in der Gegend herumwedelt. Claudia wandelt dafür – nicht nur aufgrund ihrer rötlichen Haarpracht – auf den Spuren von Simone Simons.
Die Setliste besteht aus Tracks der beiden Studioalben «Midgard» (2014) und «The Legendary Shepherds Of The Forest» (2018). Damit füllen die Italiener ihren dreiviertelstündigen Slot und agieren dabei mehrheitlich solide. Einzig theMaxx scheint kurzzeitig ein bisschen am korrekten Takt vorbeizutrommeln.
New Horizons
Die Veranstalter servieren uns heute Abend ein buntgemischtes Genre-Paket. Vom Fantasy Metal wechseln wir nun hinüber in den progressiven Sektor. Dieser Übergang scheint für das leider immer noch überschaubare Publikum nur schwer verträglich zu sein. New Horizons reissen mit ihrer Darbietung kaum jemanden vom Hocker. Brauchbare Prog-Ansätze sind zwar vorhanden, aber nichtdestotrotz herrscht hier noch ziemlich viel Luft nach oben.
Mit «Inner Dislocation» haben die Herrschaften aus Pisa im Februar des vergangenen Jahres ihr Debütwerk veröffentlicht. Ihre soundtechnische Inspirationsquelle? Ganz klar Dream Theater. Vielleicht kämen sie in einem reinen Progressive Metal-Abend besser zur Geltung, aber im heutigen Billing figurieren New Horizons blöderweise als unpassende Exoten.
MaYan
Punkt 22 Uhr – Zeit für den Headliner. Bereits die ersten paar Töne deuten niveaumässig direkt einen massiven Unterschied zu den beiden Vorgruppen an. Mein Kiefer hat Bodenkontakt – MaYan klatschen hier einmal so rasch alles und jeden an die Wand! An der Gittern werden intensiv Haare herumgewirbelt. Man kommt beim Beobachten beinahe nicht hinterher. Immer wieder strömen von allen Seiten die einzelnen Gesangs-Akteure herbei. Insgesamt sind neun Personen im Einsatz. Kein Wunder also, dass man sich gegen das Fumoir als Austragungsort entschieden hat. Die kleine Bühne hätte diese Menge an Personal nämlich schlichtweg nicht schlucken können.
Mark Jansen und George Oosthoek – der unangefochtene Grimassen-König – sind die Growler der Truppe. Für die klar gesungenen Passagen hat man Marcela Bovio und Henning Basse am Start. Das ehemalige Stream Of Passion-Frontmädel sorgt mit ihrem überragenden Sopran-Organ für tonnenweise Hühnerhaut. Aber auch Henning braucht sich nicht zu verstecken. Den Track «Burn Your Witches» (nein, der ist nicht gegen unsere brennenden Metal-Hexen gerichtet) trägt der Deutsche bärenstark vor. Auf Platte haben mich MaYan – wie ich fairerweise zugeben muss – nie vollends gepackt. Was aber hier gerade bei dieser Live-Performance abgeht, ist einfach der Oberhammer!
Die Instrumental-Abteilung macht ebenfalls einen fantastischen Job. Epica-Trommler Ariën van Weesenbeek bearbeitet fleissig seine Felle. Kontrastprogramm gibt’s bei der Saitenfraktion: Die beiden Hünen Roel Käller (Bass) und Frank Schiphorst (Gitarre) stehen der zierlichen Delain-Klampferin Merel Bechtold gegenüber. Der kleine Wirbelwind ist jedoch wie gewohnt mit vollem Einsatz bei der Sache. Generell steht sämtliche Musikern die Spielfreude deutlich in die Gesichter geschrieben.
Mark geht es mit seinem Projekt wie Tobias Sammet und Avantasia. Da sämtliche Mitglieder häufig mit ihren eigenen Bands beschäftigt sind, verlangt die Planung und Durchsetzung einer gemeinsamen Tour Nerven wie Drahtseile. Umso dankbarer können die Fans sein, dass es für die Präsentation des aktuellen Werkes «Dhyana» wieder einmal für eine Zusammenkunft gereicht hat. In der Setliste findet sich allerdings ebenfalls Platz für Nummern der älteren Platten und Songs von ehemaligen Truppen der einzelnen Mitglieder (wie beispielsweise After Forever). Mit einem Zugaben-Block bestehend aus «Human Sacrifice» und «Bite The Bullet» beenden die Niederländer schliesslich ihren grandiosen Auftritt. Anschliessend bliebt noch Zeit für Gespräche und Fotos mit den Fans.
Das Fanzit
Das war ein 105-minütiges Symphonic Death Metal-Spektakel! MaYan haben definitiv bleibende Eindrücke hinterlassen und ich hoffe, dass die Band – sofern es planungstechnisch realisierbar ist – bald wieder einmal einen Abstecher in die Schweiz unternimmt. Von den zwei Support-Acts zeigten Holy Shire die bessere Darbietung. Soundqualität und Bewirtung waren wie so oft top. Schade nur, dass sich bloss etwa 20 bis 30 Nasen nach Wetzikon verirrt haben.
Und in Zusammenhang mit diesem Punkt möchte ich nun nochmals etwas Dampf ablassen: Werte Daheimgebliebene oder anderweitig Abwesende, es soll mir keiner von euch mit irgendwelchen heuchlerischen Aussagen kommen, falls das Hall Of Fame seine Pforten einmal schliessen müsste (was mir natürlich nicht hoffen). Die dortige Crew reisst sich stets den Allerwertesten auf, um euch einen gelungenen Konzertabend bieten zu können. Auch für die Musiker ist es alles andere als amüsant, in einer beinahe leeren Location zu spielen. Einige überlegen sich danach vielleicht, ob die Schweiz bei einer nächsten Tournee überhaupt berücksichtigt werden soll. Genau solche Geschichten könnt IHR verhindern. Also Hintern hochkriegen, Wohlfühl-Zone verlassen und Live-Konzerten in den hiesigen Locations besuchen – und damit meine ich jetzt nicht nur das Hall Of Fame. Sie alle sind auf eure Unterstützung angewiesen. Seid endlich mal ein bisschen offener, denn selbst wenn man nicht alle Bands (oder sogar gar keine) kennt, kann es trotzdem unterhaltsame Abende geben und – im Idealfall – eventuell zu lohnenswerten, musikalischen Horizonterweiterungen kommen. So, habe fertig!
Setliste – Holy Shire
- Intro – The Source
- Tarots
- Gift Of Death
- The Legendary Shepherds Of The Forest
- Danse Macabre
- Princess Aries
- Inferno
- The Gathering
- Greensleeves
- The Lake
Setliste – New Horizons
- Introspective
- Inner Dislocation
- Where Is The end?
- Born In The Future
- Inhuman Wrath
- Borderlands Part II
- The Trail Of Shadows
Setliste – MaYan
- The Rhythm Of Freedom
- Saints Don’t Die
- Rebirth From Despair
- Burn Your Witches
- The Power Process
- Devil In Disguise
- Paladins Of Deceit
- Maya – The Veil Of Delusion
- The Flaming Rage Of God
- Set Me Free
- Passion (Stream Of Passion-Cover)
- My Pledge Of Allegiance Part I (After Forever-Cover)
- Follow In The Cry (After Forever-Cover)
- Human Sacrifice*
- Bite The Bullet*
*Zugabe