Der Z7-Dauerbrenner
Die alljährliche Schweizer-Visite von Axel Rudi Pell fand in diesem Jahr Mitte Juni statt. Der blonde Klampfen-Maestro aus dem Ruhrpott und seine Mitstreiter zeigten eine gewohnt starke Performance. Wer jedoch bei einigen Besuchern für eine Überraschung sorgen konnte, war der Support-Act Praying Mantis. Dank einem überzeugenden Gig konnten die Briten zweifelsohne einige neue Fans dazugewinnen. Die Details gibt’s in den nachfolgenden Zeilen.
Greenfield Festival, Nova Rock, Eddie’s Beast, Damir’s Rising Force oder eben Axel Rudi Pell (ARP) – am heutigen Samstag könnte man sich wieder einmal problemlos in der ganzen Weltgeschichte verteilen. Das drohende Unwetter dürfte allerdings insbesondere den Kollegen in Interlaken ein bisschen in die Suppe spucken. Hoffentlich überstehen die Kollegen vor Ort die ganze Sache unbeschadet. Da bin ich ehrlich gesagt ziemlich beruhigt, dass mich mein Weg in den Prattelner Metal-Tempel führt. Zwar wäre die Summer Nights-Bühne bereits einsatzfähig, aber man hat sich trotzdem entschieden, Herrn Pell im Innern auftreten zu lassen. Aufgrund der Kapriolen, die der werte Thor momentan gerade veranstaltet, sicherlich eine sinnvolle Entscheidung.
Axel ist mit seiner Band eigentlich jedes Jahr mindestes einmal im Z7 zu Gast – und trotzdem schafft er es immer wieder, die Massen zu mobilisieren. Ich habe hier meines Wissens noch keine schlecht besuchte ARP-Show erlebt. Eventuell hat der ansehnliche Zuschaueraufmarsch auch etwas mit dem speziellen Anlass zu tun, denn der Deutsche und seine Truppe zelebrieren auf der laufenden Tour ihr 30-jähriges Bestehen. Für das Aufwärmprogramm werden die mir noch nicht bekannten Praying Mantis besorgt sein. Puh…, ziemlich schweisstreibende Angelegenheit in der Halle. Da muss zuerst einmal brav der eine oder andere Hopfentrunk vernichtet werden.
Praying Mantis
Zuerst bekommen wir es also mit New Wave Of British Heavy Metal (NWOBHM) aus London zu tun. Ich bin erstaunt, denn Praying Mantis existieren bereits seit 40 Jahren – aber auf meinem Schirm sind sie bisher noch nie aufgetaucht. Gemäss Sänger John «Jaycee» Cuijpers seien sie heute sogar zum allerersten Mal in der Schweiz zu Gast. Und die Truppe spielt ziemlich stark auf. Skandalös, dass vielen Nasen diese Perle bisher offenbar durch die Lappen gegangen ist. John verfügt über ein beeindruckendes Stimmorgan. Seine Kollegen aus der Instrumentalabteilung verstehen ihr Handwerk ebenfalls. Da wurde bei der Zusammenstellung des Tour-Packages definitiv alles richtig gemacht. Die Briten passen hervorragend ins Vorprogramm von Axel Rudi Pell. Stehlen sie dem Headliner am Ende vielleicht sogar noch die Show?
Lead-Gitarrist Tino Troy klärt uns vor «Dream On», darüber auf, dass dieser Song aus der Feder ihres ehemaligen Sängers stamme. Dieser lebe übrigens in der Schweiz (irgendwo in Basel). Troy habe ihm erst vor ein paar Wochen einen Besuch abgestattet. Beim Stück selbst handelt es sich um eine waschechte Power-Ballade. Zusammen mit «Restless Heart» ist diese Nummer zweifelsohne eines meiner persönlichen Highlights. Die Herrschaften agieren mit viel Spielfreude und haben dadurch die Zuhörerschaft rasch im Sack. Da stört es auch kaum jemanden, dass die Halle immer mehr zu einer Sauna mutiert. Nach rund 45 Minuten beenden Praying Mantis ihren gelungenen Arbeitseinsatz. Wer das verpasst hat, erhält Anfang Januar des kommenden Jahres nochmals Gelegenheit, die NWOBHM-Veteranen hierzulande live in Aktion zu erleben. Das Quintett wird nämlich am Ice Rock-Festival in Sumiswald vorbeischauen.
Axel Rudi Pell
Bevor der Headliner das Zepter übernimmt, gönnen sich meine Begleitung und ich noch eine kurze Abkühlung vor der Halle. Der heftige Regenschauer kommt definitiv wie gelegen. Jetzt sind wir bereit für die zweite Saunarunde – also nix wie hinein ins Schwitz-Vergnügen.
Zu den Klängen von «The Medieval Overture» vom aktuellsten Silberling «Knights Call» (den Kollege Kaufi ebenfalls auf dieser Homepage schon einmal ausführlich analysiert hat – zur Review) schreiten Ferdy Doernberg (Keyboards), Volker Krawczak (Bass), Bobby Rondinell (Drums) und Axel Rudi Pell – der Meister himself – zur Tat. Aber Halt! Da fehlt noch einer: Publikumsliebling und Stimmwunder Johnny Gioeli. Doch kaum denkt man an ihn, flitzt der US-amerikanische Wirbelwind bei Beginn des Tracks «The Wild And The Young» gewohnt energiegeladen auf die Bühne. Die ersten Publikumsinteraktionen lassen ebenfalls nicht lange auf sich warten. Der Sänger ist sich zudem nicht zu schade, auch ein paar Mal auf dem Boden herumzuturnen. Erst vor rund drei Wochen hat er an hiesige Stätte mit Hardline grossartig aufgespielt – und es sieht so aus, als ob ihm dies mit ARP heute abermals gelingen könnte.
Die beeindruckende Zahl von 17 veröffentlichten Studioalben macht die Zusammenstellung einer Setliste nachvollziehbarerweise nicht wirklich zu einer leichten und vor allem für alle Seiten gleichermassen zufriedenstellende Aufgabe. Welche Hits schaffen es aufs Papier und welche Hymnen müssen allenfalls über die Klinge springen? Allen Zuhörern kann man es sowieso nie recht machen. Doch ein 30-jähriges Jubiläum schreit selbstverständlich nach einem netten Querschnitt durch die eigene Diskographie. Der blonde Ruhrpott-Klampfer und seine Mitstreiter entscheiden sich schlussendlich für Stücke von acht verschiedenen Platten und zwei Cover-Versionen. (Diverse Parallelen zum Liedgut vom letztjährigen Gig an den Z7 Summer Nights sind jedoch nicht von der Hand zu weisen. Siehe dazu auch den dazugehörigen Bericht von Kollege Kaufi). «Northern Lights», einer meiner persönlichen Favoriten, bleibt leider auf der Strecke. Da ist jedoch eine kleine Welt unzufrieden, denn es gibt dafür diverse andere Meisterwerke auf die Lauscher. «Mystica», «Game Of Sins» oder «Masquerade Ball» sind beispielsweise fantastisches Akustik-Kino. Das Rainbow-Cover «The Tempel Of The King», welches dem legendären Ronnie James Dio gewidmet wird, vermag ebenfalls zu überzeugen.
Grossen Anteil an der Wirkung der einzelnen Tracks hat primär Johnny, der auch am heutigen Abend einfach wieder göttlich ins Mikro trällert. Er fühle sich in «seiner» Halle jedes Mal pudelwohl. Maestro Pells Kitzeleien seiner Saitenköniginnen sind natürlich auch keinesfalls zu verachten. Dieser Mann versteht sein Handwerk zweifellos. Die ganze Geschichte ufert glücklicherweise nicht in irgendwelchen, nie mehr enden wollenden Solo-Orgien aus, nein, Axel stellt sich vorbildlich komplett in den Dienst seiner Mannschaft. Genau so muss das sein. Ferdy tobt sich mit viel Elan und Engagement an seinen Tasteninstrumenten aus, Volker legt während der ganzen Show die im ABC des Bassisten festgehaltene Coolness an den Tag und Bobby darf, unter anderem während eines Drum-Solos bei «Mystica» zeigen, was er so alles auf dem Kasten hat. Nach rund zwei Stunden folgt mit «Rock The Nation» ein gelungener und passender Schlusspunkt.
Das Fanzit – Axel Rudi Pell
Der Z7-Dauerbrenner Axel Rudi Pell hat heute Abend bewiesen, dass er zurecht zum gefühlt hundertsten Mal in hiesiger Spielstätte auftreten durfte. Dem aktiven und brav mitmachenden Publikum wurde hochstehende Melodic Hard Rock-Kost serviert. Insbesondere die Leistung von Johnny Gioeli hat mir allerdings mit Hardline noch ein Spürchen besser gefallen. Das ist jedoch bereits Gejammere auf sehr hohem Niveau. Lieber Axel, Gratulation und auf weitere 30 Jahre würde ich meinen.
Ach ja, das ging jetzt beinahe vergessen. Bei diesem Event wurde uns allen wieder einmal in beeindruckender Manier gezeigt, dass es sich lohnt, der Vorgruppe jeweils ebenfalls Aufmerksamkeit zu zeigen. Praying Mantis haben mit ihrem NWOBHM nämlich bärenstark aufgespielt und sich dadurch eindeutig für weitere CH-Gastspiele empfohlen. (Fridu Gerber und Marco Forster haben dies verstanden und die Band – wie bereits weiter oben erwähnt – für das nächstjährige Ice Rock-Festival gebucht).
Setliste – Praying Mantis
- Captured City
- Praying Mantis
- Highway
- Restless Heart
- Dream On
- Keep it Alive
- Letting Go
- Children Of The Earth
Setliste – Axel Rudi Pell
- Intro – The Medieval Overture
- The Wild And The Young
- Wildest Dreams
- Voodoo Nights
- Oceans Of Time
- Hallelujah (Leonard Cohen-Cover)
- Only The Strong Will Survive
- Mystica (inklusive Drum Solo)
- The Temple Of The King (Rainbow-Cover)
- Game Of Sins / Tower Of Babylon (inklusive Keyboard-Intro)
- Long Live Rock
- The Line
- Eternal Prisoner
- The Masquerade Ball / Casbah*
- Rock The Nation*
*Zugabe