Die ultimative Thrash-Attacke
Alter Falter! Am Freitagabend wurde aber mit voller Wucht auf die anwesenden Gehörgänge im Kulturwerk 118 eingedroschen. Die Kuttenträger durften sich an einer dreifachen Helvetia-Abrissmaschinerie und mit dem furiosen Headliner – Crisix – aus Barcelona erfreuen. Da lachte das Thrasher-Herz definitiv gleich mehrmals.
Wenn der Verein Metal City Sursee ruft, hängt dies eigentlich praktisch immer mit einer lohnenswerten Konzertveranstaltung zusammen. Aufgrund dessen pilgere ich überaus gerne in den Kanton Luzern, um das anstehende Wochenende würdevoll einzuläuten. Da wird die eigene Birne sicherlich einige Male wackeln, denn man konnte die Spanier von Crisix in die Innerschweiz locken. War da nicht irgendetwas? Ja genau, diese wilden Hunde haben sich mit einem fulminanten Brett von Auftritt am letztjährigen Metal Scar-Festival wohl in so manches Herz eingebrannt. Ich bin überaus gespannt, ob das Gemäuer des «Kultis» dieser unglaublichen Energie standhalten kann.
Crisix müssen sich allerdings nicht mit der Rolle der Alleinunterhalter begnügen. Verstärkung gibt’s nämlich gleich von drei Schweizer Truppen. Mind Patrol, Contorsion und Comaniac – dieses Billing kann sich zweifelsohne sehen (und hören) lassen. Ich persönlich freue mich besonders auf Contorsion. Mit den Herrschaften aus dem Kanton Aargau hatte ich bisher nämlich noch nie das Vergnügen. Man hat mir jedoch des Öfteren versichert, dass das Gebotene ganz nach meinem Geschmack sein dürfte.
Mind Patrol
Den Auftakt bilden dann allerdings komplett andere Klangwelten. Packt eure besten Disco-Moves aus Freunde, die Bee Gees geben sich die Ehre. Also nicht ganz, aber zumindest dröhnt «Stayin‘ Alive» aus den Boxen. Was dem Gemächt eines Mannes widerfahren muss, um solche hohe Töne von sich geben zu können, möchte ich mir nicht einmal in meinen dunkelsten Träumen ausmalen. Aber genug jetzt. Ich habe euch im Einstieg Thrash Metal versprochen – und diesen gibt’s nun auch auf die Lauscher. Das ulkige Intro ist nämlich fixer Bestandteil der Setliste von Mind Patrol. Mit dem nun folgenden «Welcome To Hell» wird die Disco-Mucke schwupdiwups aus dem Gedächtnis gelöscht. Jetzt heisst es Nackenmuskeln lockern – und sofern genügend Haarpracht vorhanden ist – los propellern.
Zuletzt musste sich der Vierer in der Lenzburger Metbar mit mühseligen technischen Problemen auseinandersetzen. Heute Abend bleibt ihnen dies glücklicherweise erspart. Für Basser Emil, der mit seinen schrillen Outfits sowieso immer alle Blicke auf sich zieht, ist das heute Abend eine der letzten Shows mit Mind Patrol. Er könne künftig leider nicht mehr so viel Zeit für die Band investieren und habe sich deshalb für diesen Schritt entschieden. Wir werden das Energiebündel auf der Bühne sicherlich vermissen.
Die Songauswahl scheint beim Publikum bestens anzukommen, denn es können bereits erste Moshpits bestaunt werden. Der Circle Pit-Aufforderung wird ebenfalls brav Folge geleistet. Kompliment an die engagierten Fans. Nach «Till We Die» rät uns Fronter Yves noch zu einem Besuch am Merchandise-Stand. Ihre Shirts seien das Resultat feinster chinesischer Kinderarbeit und somit gute Ware. Seinen Humor kennt man nicht anders. Damit hat er die Lacher jedes Mal auf seiner Seite.
Contorsion
Viel Zeit für eine grosszügige Verschnaufpause bleibt nicht. Um 21.10 Uhr stehen bereits die nächsten Akteure in den Startlöchern. Auch sie setzen auf ein markantes Intro. «The A-Team»-Soundtrack – sehr geil! Episoden der Actionserie aus den 80er-Jahren mit unseren Lieblingssoldaten um John «Hannibal» Smith schaue ich mir auch heute noch immer wieder gerne an.
Heute Abend liegt der Fokus jedoch auf dem aargauischen «T-Team». Tarnanzughosen sind zwar ebenfalls am Start, aber die mächtigste Waffe der fünf Musiker ist eindeutig ihr überragender Thrash Metal. Bärenstark, was die Jungs hier abliefern. Frontmann Marc Torretti scheint neuerdings offenbar auf einen aerodynamischen Haarschnitt zu setzen. Zu meiner Verteidigung muss ich an dieser Stelle ergänzen, dass ich ihn – beziehungsweise sein Gesicht – bisher nur von Promo-Bildern kenne. Und dort war die Mähne noch lang. Aber hey, halb so wild. Ich komme schliesslich ebenfalls aus der Kurzhaarfrisur-Ecke. Des Weiteren hat das Aussehen ja keinen Einfluss auf solche Dinge wie beispielsweise den Gesang. Dieser erinnert bei Marc ziemlich stark an denjenigen von Chuck Billy (Testament). Beim Shirt setzt er hingegen auf Exodus. Insgesamt kann man so oder so festhalten, dass sich der Sound von Contorsion deutlich hörbar am legendären Bay Area-Sektor orientiert.
Nach dieser genialen Darbietung komme ich um einen Abstecher an den Merchandise-Stand gar nicht mehr herum. In meiner Sammlung befindet sich nun ein Exemplar der 2017er-Scheibe «United Zombie Nations» (siehe Review). Eindeutig eine lohnenswerte Investition. Nachschub ist übrigens bereits in Planung. Im Sommer geht’s ins Studio. Die daraus resultierende EP soll dann am 23. November in der Metbar vorgestellt werden. Ist hiermit notiert.
Comaniac
Und Schweizer Thrash zum Dritten. Comaniac sind in der hiesigen Szene definitiv kein unbeschriebenes Blatt. Die Aarauer sind seit bald einer Dekade aktiv. Tourneen gab’s sowohl national als auch international. Die Bühnen konnten sich die Jungs unter anderem schon mit Grössen wie Overkill, Napalm Death oder Metal Church teilen. Mangelnder Fleiss kann man den Thrashern eindeutig nicht vorwerfen. Bei mir ist der finale Funke leider bisher noch nicht herübergesprungen. Daran ändert unglücklicherweise auch die heutige Performance nichts. Instrumental wirkt das Ganze durchaus ansprechend, aber mit dem Gesang von Jonas Schmid werde ich einfach nicht warm. Da will irgendwie schlichtweg nicht ins Gesamtbild passen. Nichtsdestotrotz gibt’s auch während der Comaniac-Show etliche Pits zu bestaunen.
Auf einer anderen Ebene habe ich für Jonas jedoch übrigens stets lobende Worte übrig: Man sieht ihn jeweils als Besucher an verdammt vielen Shows von Schweizer Metal-Truppen. Überaus vorbildlich, wie er seine Kolleginnen und Kollegen so unterstützt. Davon könnte sich noch so manche Person eine Scheibe abschneiden.
Crisix
Der Zeitplan hat sich inzwischen ein bisschen verschoben. Die Uhr zeigt 23.30 Uhr, als Crisix zum Dienst antraben. Genau wie damals in Sachseln fackeln die Katalanen auch heute Abend nicht lange und legen los wie die Feuerwehr. Wer soll dieses Thrash-Ungetüm bloss stoppen? Zumindest im «Kulti» hat verständlicherweise niemand wirklich Interesse daran. Stattdessen werden wieder munter Haare durch die Luft gewirbelt. Die Besucher kommen in den Genuss eines überragenden Abrisses.
Crisix berücksichtigen in ihrer Setliste sämtliche vier Studioalben. Mit «Ace Of Spades» gibt’s ausserdem ein Motörhead-Cover auf die Lauscher. Zwar solide vorgetragen, aber ich frage mich, weshalb sich die Musiker ganz allgemein nicht auch einmal an ein anderes Stück von Lemmy und Co. wagen. Material wäre bekanntermassen mehr als genug vorhanden. Es dürften zum Beispiel gerne ruhig auch einmal ein «Brotherhood Of Man» oder «Metropolis» sein.
Die Herren aus Katalonien ziehen ihr Set unbeirrt und souverän durch. Nach rund 60 Minuten folgt mit «Ultra Thrash» nochmals ein grandioses Ausrufezeichen zum Abschluss. Publikums-Eskalationen inklusive! Crisix scheinen sich in der Schweizer immer wohler zu fühlen, denn im November werden sie bereits das nächste Mal hierzulande vorbeischauen. Am 3. November figurieren sie in der Luzerner Schüür als einer der Support-Acts von Legion Of The Damned. Das sollte man keinesfalls verpassen!
Das Fanzit
Ein Thrash Metal-Abend, wie er im Buche steht. Mit Ausnahme von Comaniac konnten alle Truppen durchgehend überzeugen. Die Location war zwar nicht bis unters Dach gefüllt, aber die anwesenden Metalheads haben nichtsdestotrotz unermüdlich für gute Stimmung gesorgt. So manch einer wird die kommenden Tage wohl mit schmerzenden Nackenmuckis in Angirff nehmen.
Setliste – Mind Patrol
- Intro – Stayin’ Alive (Bee Gees)
- Welcome To Hell
- Warfare
- Machine Society
- All In
- Drinking Song
- Doomsday
- Till We Die
Setliste – Contorsion
- Planet Parasite
- Betrayers Of Humanity
- Gone Too Far
- The Privilege Of War
- This Lying Breed
- Unconditional Hate
- Rise And Fall
- The Plague Of Virtuality
- United Zombie Nations
- Insurrection
- Thrash Metal Domination
Setliste – Crisix
- Leech Breeder
- Rise… Then Rest
- Bring ‚Em To The Pit
- Conspiranoia
- Frieza The Tyrant
- G.M.M. (The Great Metal Motherfucker)
- Ace Of Spades (Motörhead-Cover)
- Get Out Of My Head
- Ultra Thrash