Ein Rätsel, ein Feiertag und zwei kaputte Boxen
Morgen ist ein gesetzlicher Feiertag und somit arbeitsfrei. Das passt gerade gut, denn heute ist Konzert und damit ein metallischer Feiertag. Die beiden Gründe für die heutige Feier stammen aus dem weiten Süden und dem nahen Norden der Schweiz. Sie nennen sich Soulline und Expellow und gemeinsam wollen sie es im Ebrietas in Zürich als Co-Headliner richtig krachen lassen. Hoffentlich geht dabei nichts zu Bruch…
Etwas verwundert bin ich, als am Eingang zum Konzertkeller kein Eintritt verlangt wird. Ein Gratiskonzert von zwei Bands dieser Grössenordnung? Das ist schon sehr aussergewöhnlich, obwohl der Anlass von Soulline selber organisiert wird. Sei’s drum, ich und sämtliche restlichen Anwesenden sind startklar für die Show.
Soulline
Die fünf Herren von Soulline übernehmen entgegen den Vorabinformationen den Anfang des heutigen Abends. Publikum ist bereits in grosser Menge (so gross, wie sie halt in den Keller passt) anwesend, als das Quintett die Bühne entert und voller Elan mit „The Deep End“ und „Filthy Reality“ loslegt. Sänger Ghebro wendet sich gleich mal an die Zuschauer und holt das aktuelle Stimmungslevel ab. Bei diesem ist durchaus noch Luft nach oben vorhanden, aber der Abend hat ja erst begonnen. Beim heutigen Abend handelt es sich um meinen Erstkontakt mit der Melodic Death Metal-Band und es gefällt mir ganz gut, was ich da höre. Doch bereits nach einigen Minuten beginnt die Soundanlage zu streiken. Es scheint beinahe, als ob die Band zu heftig eingestiegen ist und die Boxen damit in die Knie gezwungen hat. Auf jeden Fall hören wir (oder hören eben nicht) nur noch den Ton aus dem auf der Bühne befindlichen Equipment ohne weitere Verstärkung. Der ist einerseits massiv leiser und natürlich von der Abmischung her nicht auf die Beschallung des Zuschauerraums ausgelegt. Die Toncrew schraubt und bastelt, so dass immer mal wieder ein Aufbäumen der Anlage zu vernehmen ist, das jedoch nie lange anhält.
So müssen Soulline ihren Auftritt unter erheblich erschwerten Bedingungen durchziehen. Das machen die fünf aber entweder mit einer bewundernswerten Professionalität oder aber sie bekommen von den ganzen Schwierigkeiten gar nichts mit über, was ich mir aber nicht vorstellen kann. Ihrem Auftreten tut dies sowieso keinen Abbruch und die Fans danken es ihnen, indem die vorderen Reihen headbangen und tüchtig mitmachen. Insbesondere „Anvils“, das auch mich am meisten mitreisst, sorgt richtig für Stimmung. Der zeitweise Blick nach hinten zeigt, dass es dort etwas ruhiger ist, aber das ist sich der erfahrene Konzertbesucher ja gewöhnt. Der Band scheint die Mitwirkung zu gefallen und nach „Leviathan“ und „Nightmare“ bedanken sich die Jungs aufrichtig und lösen auch noch ein kleines Rätsel auf: zum Gratiseintritt kamen wir schlicht, weil es im Rahmen der ganzen Vorbereitungen unterging, eine Kasse aufzustellen. Deshalb steht nun dort eine Schachtel für die Kollekte und wer möchte, darf gerne etwas beisteuern. Ist natürlich Ehrensache, dass wir da am Schluss noch etwas liegen lassen und ich hoffe, dass dies die restlichen Anwesenden genau so sehen, damit die beiden Bands ihre Unkosten wenigstens zum Teil decken konnten.
Expellow
Nach einer halbstündigen Umbaupause heisst es Bühne frei für Expellow und ich bin gespannt, ob sie ebenfalls mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen haben werden. Das scheint vorderhand nicht der Fall zu sein und so kann ich die Zürcher Metalcore Band heute zum dreissigsten Mal live geniessen. Das passt doch auch gerade als Feiertag. Sängerin Mik wird nach diesem Auftritt für längere Zeit abwesend sein, weshalb einige konzertfreie Monate anstehen bei den Zürchern. Deshalb lassen die anwesenden Fans heute nichts anbrennen und schütteln kräftig die Mähnen vom Beginn mit „We held the Line“, „Heavy Rain“ und „Cathedrals“ an. Textsicher zeigen sich die Anwesenden bei „Hometown“, „Pain and Anesthetics“ und zum Schluss hin „Game Insane“. Als besondere Überraschung haben uns Expellow heute einen Gast mitgebracht und zwar Lukas Villiger, der bei „A World Set Ablaze“ seinen Gesangspart vom Album übernimmt und der onehin guten Stimmung einen kräftigen Schub verleiht. Leider suchen sich die Boxen genau diesen Moment aus, um eine – in Anbetracht ihrer Leistung während des Auftritts von Soulline – überhaupt nicht wohlverdiente Pause einzulegen. So kommen wir nicht darum herum, äusserst genau hinzuhören, was sich als durchaus schwierig entpuppt, wenn gleichzeitig ein kleiner Circle Pit stattfindet.
Überhaupt werden die vorderen Reihen wilder je länger der Abend dauert, was die minimierte Bewegung auf der Bühne kompensiert. Jene kommt nicht etwa daher, dass Expellow faul geworden wären; insbesondere Schlagzeuger Moritz betreibt mal wieder Hochleistungssport hinter den Trommeln. Nein, ausschlaggebend ist vielmehr die Grösse der Bühne respektive die Anzahl Personen die darauf stehen und da bleibt bei fünf Bandmitgliedern halt nicht mehr viel Spielraum für Platzwechsel und ähnliche Aktivitäten. Schlimm ist das aber überhaupt nicht, denn das Quintett schafft es auch so, für ordentlich Stimmung zu sorgen und alleine durch ihre Musik zu überzeugen. Die ist ab dem nächsten Song auch wieder gut über die Boxen hörbar, diese scheinen sich also erholt zu haben. Bevor der Anlass zu einem gelungenen Ende kommt, folgt nochmals der berechtigte Hinweis auf die Kollekte und nach insgesamt rund zwei Stunden Spielzeit verlässt das Publikum zufrieden den Keller.
Soulline und Expellow – das Fanzit
Beide Bands haben heute ein tolles Konzert geboten und den Abend zu einem richtigen Feiertag gemacht. Soulline haben ziemlich Pech gehabt, was die Technik angeht, aus der Situation aber professionell das Beste gemacht. Expellow hatten mehr Glück, was den Sound betrifft, waren deswegen aber nicht minder professionell. Beim Publikum stiessen beide Bands auf regen Zuspruch und so bleibt nur noch festzuhalten, dass der Abend echt Spass gemacht hat.