Beste Gitarren-Unterhaltung im Z7
Beinahe exakt zwei Jahre nach ihrem letzten Auftritt in Prattelns Konzerttempel, schauten Johnny Gioeli und seine Mitstreiter von Hardline am Samstag erneut in der Nordwestschweiz vorbei. Die zu etwa einem Drittel gefüllte Halle durfte sich an einer bockstarken Hard Rock-Darbietung erfreuen. Schande über all diejenigen, welches sich dieses Spektakel durch die Lappen gehen liessen. Als Support waren die Baselbieter Fire Rose mit von der Partie. Konnte sich ihre Show ebenfalls sehen lassen? Die Antwort folgt in den nachfolgenden Zeilen.
Der Wettergott zeigt sich noch etwas von seiner mürrischen Seite. Am Bahnhof Pratteln wird man deshalb zuerst einmal von einem Gewitter begrüsst. Nach kurzem Hagelschauer und heftigem Donnergrollen zieht das Unwetter jedoch glücklicherweise weiter. Nun aber nix wie los ins Z7. Sonst überlegt sich’s der Kerl da oben am Ende nochmals anders – und auf ein komplett durchnässtes Dasein habe ich ehrlich gesagt keinen Bock.
In der Halle angekommen wage ich zuerst einen Abstecher an die Merchandise-Ecke. Oha, sieht ausnahmsweise tatsächlich nach Schonfrist für meine Geldbörse aus, denn das Shirt-Angebot vermag nicht wirklich zu überzeugen. Zudem befindet sich die aktuelle Hardline-Scheibe «Life» bereits in meinem Besitz. Schade, denn ich hatte darauf gehofft, mir allenfalls endlich ein Exemplar des legendären «Double Eclipse»-Werks aus dem Jahre 1992 sichern zu können. Schliesslich preisen bis heute viele Szenekenner das Debüt der Amis als fantastisches Werk an. Tja, dann muss wohl Plan B – sprich das World Wide Web – für eine Bestellung herhalten.
Wieso bin ich heute Abend überhaupt hier? Naja, selbst auf die Gefahr hin, dass ich mich nun vielleicht mit Blick auf vergangene Hardline-Reviews wiederhole, aber wenn eine der aktuell besten Gesangsstimmen des rockigen Sektors unseren Gefilden einen Besuch abstattet, darf man das keinesfalls verpassen. Der 2017er-Gig hat mich schlichtweg aus den Latschen kippen lassen. Das war eine überragende Geschichte, die sich am heutigen Abend meinetwegen überaus gerne wiederholen dürfte. Für das Aufwärmprogramm gehört die grosse Bühne allerdings erst einmal «unseren» Jungs von Fire Rose. Mal schauen, mit welchen Mitteln sie die dem Publikum einheizen werden. Bereits vor zwei Jahren ging der Support-Slot übrigens an eine Schweizer Band. Die Berner 2Bad machten damals jedenfalls einen grundsoliden Job.
Fire Rose
Die seit 2005 aktiven Feuerrosen starten um 20.15 Uhr in ihr Set. Eine Mischung aus Hard Rock und Schwermetall steht auf dem musikalischen Speiseplan. Boah! – und das wird bärenstark vorgetragen, wie ich staunend feststellen muss. Das Quintett erwischt einen ausgezeichneten Abend: Spielfreude, Soundqualität und Songauswahl – es scheint effektiv alles zu passen. Die Jungs spielen wie die grossen Routiniers. Selbst das Publikum macht gar nicht einmal so schlecht mit. Da hatten andere Truppen an dieser Stelle schon weitaus mehr Mühe, die Zuhörerschaft irgendwie aus der Reserve locken zu können.
Massgeblich verantwortlich für die packende Performance ist Fronter Philipp Meier. Seine Markenzeichen? Ein überzeugendes Rockröhren-Stimmorgan und jede Menge Rampensau-Allüren. Bei letzterem Punkt dürfte er sich unter anderem wohl auch durch den heutigen Headliner inspirieren lassen haben. Mister Gioeli steht bekanntermassen ebenfalls nur äusserst selten still. Dazu aber später mehr.
Stücke wie «We Are Wild», «Wheels On Fire» oder «Devil On High Heels» (letzterer Track gar mit fast nicht mehr enden wollendem Publikums-Chor) sorgen für Spass und gute Laune. Des Weiteren geben die Sissacher mit «Get It All» einen komplett neuen Song zum Besten – und dies in frecher Manier direkt zum Auftakt. Gelungene Live-Premiere würde ich meinen. Während diesen sackstarken 40 Minuten wird klar, dass sich Hardline für heute Abend keinen bessere Einheizer-Truppe hätten wünschen können.
Wer diesem Jahr dem Rock The Ring-Festival in Hinwil beiwohnt, sollte einen Besuch der B-Stage definitiv in Erwägung ziehen. Fire Rose werden dort nämlich am Samstag, 22. Juni, für Furore sorgen.
Hardline
Melodiöser Hard Rock und AOR gehören die 80er-Jahre? Nix da, Hardline setzten auch 2019 nach wie vor auf diese Stilrichtungen und können das Publikum damit problemlos begeistern. Gründungsmitglied Johnny Gioeli gibt von der ersten Sekunde an Vollgas. Der Typ ist nicht zu stoppen. Keine Ahnung, was die dem kurz vor Showbeginn noch alles gespritzt haben. Philipp von Fire Rose agierte ja schon mit einer ordentliche Kadenz, aber Johnny legt da locker nochmals eine Schippe drauf. Er ist zweifelsohne die ultimative Rampensau. Ist das nicht verflucht anstrengend? Das Dauergrinsen des Fronters scheint zumindest nicht darauf hinzudeuten. Allerdings beherrscht der gute Mann nicht nur das über die Bühne flitzen, sondern ist ebenfalls ein exzellenter Sänger. Überragendes Stimmorgan, wow!
Zu Hardline gehören allerdings noch vier weitere Mitglieder. Tastenklimperer Alessandro Del Vecchio und Bassistin Anna Portalupi (mit «Hingucker-Hotpants») sind bereits vertraute Gesichter. An den Positionen der Gitarre und des Schlagzeugs hat es jedoch offensichtlich personelle Änderungen geben. Die Soli stammen neu aus den Fingern von Mario Percudani und für das Felle-Dreschen ist Marco Di Salvia zuständig. Die Zusammenarbeit mit Josh Ramos hat man scheinbar aufgrund von persönlichen Differenzen (was je bekanntermassen alles Mögliche bedeuten kann) beendet und Francesco Jovino dürfte unter anderem mit Primal Fear ausreichend ausgelastet sein. Die beiden Neulinge machen jedenfalls einen hervorragenden Job und sind mit viel Elan bei der Sache. Insbesondere Marco eskaliert phasenweise regelrecht hinter seiner Schiessbude. Die geniale Chemie unter den fünf Musikern wirkt sich ebenfalls positiv auf das Publikum aus. Johnny macht einige Witze auf Kosten von Anna, aber das einzige Mädel der Band weiss sich durchaus in amüsanter Manier zu wehren.
Das legendäre «Double Eclipse»-Scheibchen dominiert die heutige Setliste. Kann man es den Amis mit italienischen Wurzel verübeln? Kaum, denn auf diesem Silberling befinden sich effektiv zahlreiche Hits. «Takin’ Me Down», der Liebesdoktor («Dr. Love») oder «Life’s A Bitch» sind beispielsweise schon ziemliche Hausnummern. Zwei meiner persönlichen Favoriten befinden sich allerdings auf einer aktuelleren Platte. Sowohl die mitreissende Hymne «Where Will We Go From Here» oder das emotionale «Take You Home», welches Johnny im Duett mit Alessandro in Angriff nimmt (liebe Grüsse an dieser Stelle an meine Hühnerhaut), sind auf dem 2016er-Album «Human Nature» beheimatet. Die Zeremonie, bei welcher eine Band vor dem Zugaben-Block jeweils hinter der Bühne verschwindet, empfindet der Frontmann übrigens als absolut unnötig. Bei ihnen werde eine Show ohne Unterbruch durchzogen. Hardline beenden mit dem genialen Doppelpack «Fever Dreams» und «Rhythm From A Red Car» schliesslich nach rund 90 Minuten ihren umjubelten Auftritt.
Das Fanzit
Beide Bands bestachen heute Abend durch gelungene und bärenstarke Shows. Da fragt man sich erneut, weshalb das Z7 lediglich zu einem Drittel gefüllt war. Sowohl Hardline als auch der geniale Support-Act Fire Rose hätten definitiv mehr Publikum verdient gehabt. Solch ein Abstecher in die Welt des ‘80s-Rock würde der jüngeren Generation gelegentlich sicherlich nicht schaden.
Ärgert ihr euch jetzt, dass ihr diesen tollen Event verpasst habt? Wie bereits angetönt wären Fire Rose sonst auch noch am Rock The Ring-Festival anzutreffen. Und Hardline? Jep, auch die Amis werden in diesem Jahr erneut auf helvetischem Grund aufschlagen. Markiert euch doch schon einmal die Rocknacht Tennwil in euren Agenden. Johny und Co. werden dort nämlich am Freitag, 20. September, zu Gast sein. Herrn Gioeli kann man zudem bereits Mitte Juni gemeinsam mit Klampfen-Maestro Axel Rudi Pell abermals im Z7 live in Aktion erleben.
Setliste – Fire Rose
- Intro
- Get It All (Live-Premiere)
- Fire ‚N‘ Ice
- We Are Wild
- Touch Down
- Fades To Grey
- Wheels On Fire
- Rain Falls Down
- Devil On High Heels
Setliste – Hardline
- Place To Call Home
- Takin‘ Me Down
- Dr. Love
- Take A Chance
- Where Will We Go From Here
- Page Of Your Life
- Life’s A Bitch
- In The Hands Of Time
- Take You Home
- Everything
- Hot Cherie (Danny Spanos-Cover)
- Fever Dreams
- Rhythm From A Red Car