Baden in Blut und Schweiss
Seit Jahren steht bei mir das Baden In Blut Metal Open Air auf der „To Do“-Liste. Das Open Air in Weil am Rhein ist nicht weit von der Schweizer Grenze entfernt und hat eigentlich bei den letzten Ausgaben immer ein gutes Line-Up gehabt, irgendwie hat es trotzdem nie geklappt mit einem Besuch von mir. Das soll sich nun dieses Jahr endlich ändern! Also geht es bei hochsommerlichen Temperaturen ab nach Süddeutschland.
Luke: Der Austragungsort ist in einem schönen Park, 10 Minuten zu Fuss vom Bahnhof Weil am Rhein entfernt. Speziell an diesem Festival ist: nur der eigentliche Konzert-Teil mit der Bühne ist innerhalb des abgesperrten Geländes. Die ganzen Stände für Essen, Getränke, Merch sowie auch diverse Anbieter von CDs, Platten, Patches, T-Shirts usw. sind ausserhalb des eigentlichen Geländes zu finden. Somit haben da auch Leute Zutritt, welche sich kein Eintrittsticket gekauft haben. Auch Sitzgelegenheiten gibt es auf diesem Vorplatz ausreichend, und so kommt da fast ein bisschen Volksfest-Stimmung auf. Habe ich so noch nie gesehen, finde ich aber gar nicht schlecht. Nur die Tatsache, dass es drinnen bei der Bühne nur einen Bierstand gibt – welcher auch noch schliesst während der Umbaupausen zwischen den Bands – verstehe ich nicht so ganz. Und auch der Weg zum Klo während Konzerten ist halt etwas weiter wenn man noch das Gelände verlassen und anschliessend wieder betreten muss. Ansonsten aber sehr schön gemacht, auch die grosszügigen Rasenflächen im Parkgelände laden zum gemütlichen Verweilen ein, man kann sich da gut irgendwo hinlegen und zwischen den Shows neue Energie tanken.
Da am Freitag bei uns noch das Open Air Rüchä Rock in Unterschächen auf dem Programm stand, schaffe ich es leider nicht zur Warm-Up Party am Freitag. Und auch der Beginn heute Samstag ist für uns mit 11.45 zu früh, schliesslich war die letzte Nacht kurz und die Distanz zwischen der tiefsten Innerschweiz und Süddeutschland ist auch nicht ohne… So treffen wir erst kurz nach 14 Uhr vor Ort ein. Nachdem wir uns einen groben Überblick verschafft, Bändel getauscht und Verzehr-Karten besorgt haben sind wir grad auf die zweite Schweizer Band des heutigen Tages, die Burning Witches, bereit. Zum Glück ist Kollege Dutti schon seit Beginn hier und hat die ersten drei Bands des Tages miterlebt.
Dutti: Yes, meine Freunde und ich schaffen es sogar noch vor Türöffnung am Ort des Geschehens einzutreffen. Doch ehe wir uns vollends auf das heutige Samstagsprogramm konzentrieren, möchte ich gerne noch rasch ein paar Worte über die gestrige Aufwärm-Sause verlieren. Diese wurde nämlich erstmals in der Geschichte des Baden In Blut Metal Open Air durchgeführt. Von den vier Truppen, die sich die Ehre gegeben haben, vermochten mich insbesondere die österreichischen Post-Black Metaller Anomalie und die belgische Maschinengewehr-Abrissbirne Aborted zu überzeugen. Während man bei den Erstgenannten noch gemütlich in sphärische Klangwelten eintauchen konnte, kamen die Nackenmuskeln beim knallharten Auftritt der Todes-Belgier ziemlich an ihre Grenzen. Nichtsdestotrotz war das am Ende ein absolut gelungener Festivalauftakt.
Und nun zurück in die Gegenwart und zum Haupt-Tag der Veranstaltung. Im Gegensatz zu gestern sind heute sämtliche Marktstände und Fressbuden in Betrieb. Wir decken uns zuerst einmal mit fester Nahrung ein. Köstliches Kellerbier werde ich erfahrungsgemäss im Verlaufe des Tages sowieso noch mehr als genug «vernichten». Anlässlich der hochsommerlichen Temperaturen könnte man die ganze Geschichte eigentlich problemlos in «Schwitzen In Blut» umtaufen. Aber wir Metallschädel sind bekanntermassen nicht sonderlich leicht aus der Fassung zu bringen. Zudem möchte ich die erste Kapelle keinesfalls verpassen. Wieso das denn? Tja, dies werde ich in den kommenden Zeilen gleich erläutern.
Pertness
Dutti: «Hopp Schwiiz!» Jep, richtig gelesen. Die Verantwortung für die Eröffnungsshow wird in die Hände einer Schweizer Truppe gelegt. «Unsere» Pertness-Jungs werden diese Herausforderung sicherlich bestens meistern. Da bin ich definitiv guter Dinge. Die Berner Oberländer dürfen übrigens hier auf der Bühne stehen, weil sie im März dieses Jahres den dazugehörigen «Blood Battle»-Contest für sich entscheiden konnten. Dabei hat sich das Quartett erfolgreich gegen die Bands Hellvetica, Spirit Of The Sun, Dark Zodiac und Malevolentia durchgesetzt.
Dass man um 11.45 Uhr noch nicht mit dem allergrössten Publikumsaufmarsch rechnen kann, ist eine absehbare Sache. Nichtsdestotrotz gibt sich die kleine Meute, die sich vor Ort versammelt hat, viel Mühe, die metallischen Kilt-Träger zu unterstützen. Die Jungs danken es dem Publikum mit einem absolut überzeugenden Auftritt. Pertness haben eindeutig Potenzial für mehr und ich würde den sympathischen «Swiss Highland Metalheads» den Durchbruch auf das nächste Level definitiv gönnen.
Der Vierer hat einige starke Hymnen über die Grenze geschmuggelt. Die Riffs und Melodien von «Frozen Time» oder «From The Beginning» beissen sich regelrecht in den Gehörgängen fest. Diese Ohrwürmer werde ich wohl nicht mehr so schnell loswerden. Soundtechnisch sind gewisse Parallelen zu Iced Earth nicht von der Hand zu weisen. Aufgrund dieses starken Auftritts wird die Pertness-Fangemeinde heute sicherlich Zuwachs erhalten. Ein Abstecher in die Lenzburger Met-Bar Ende November wird für mich immer wahrscheinlicher.
The Spirit
Dutti: Im Vergleich zu Pertness sind die nächsten Musiker ziemliche Grünschnäbel – zumindest gemessen an der Existenz-Dauer. The Spirit treiben nämlich erst seit vier Jahren ihr Unwesen in der Szene. Dem Quartett bin ich erstmals im Z7 als Support-Act von Kataklysm begegnet. Der Kontrollblick auf die Uhr verrät, dass es eigentlich noch viel zu früh für ein Gemisch aus Black und Death Metal ist. Der brennende Feuerball am Himmel macht die ganze Sache nicht wirklich besser. Trotzdem legen die Deutschen einen soliden Auftritt aufs Parkett. Phasenweise schimmert da schon durch, weshalb Szene-Riese Nuclear Blast die Truppe unter Vertrag genommen hat. Die Zuhörerschaft dürfte sich für meinen Geschmack ruhig noch ein bisschen aktiver verhalten. Eventuell sollten die Herren von der Security die durchgeschwitzten Körper mit einem Wasserschlauch oder so abkühlen (das wird dann später effektiv noch passieren).
Parasite Inc.
Dutti: Bei Band Nummer drei dürften die Herzen der Melodic Death Metal-Anhänger höher schlagen. Unsere Wege haben sich in letzter Zeit häufiger gekreuzt. Mit «Dead And Alive» haben die Aalener Mitte August des vergangenen Jahres eine saustarke Platte veröffentlicht. Die Feuertaufe am Summer Breeze ging zumindest souverän über die Bühne.
Und heute? Oha, diese Band weiss, wie man Bewegung in die Massen bringt. Erste Mosh und Circle Pits lassen nicht lange auf sich warten. Mit Spielfreude wird definitiv nicht gegeizt. Speziell Basser Jan Jansohn, der aktuell als Session-Musiker bei Parasite Inc. mitmischt, bekommt das Grinsen kaum mehr aus dem Gesicht. Erneut eine überragende Darbietung dieser Herrschaften. Ähnlich wie bei Pertness traue ich auch ihnen in Zukunft durchaus den einen oder anderen Durchbruch zu.
Ha! Dann kommt tatsächlich der Wasserschlauch zum Einsatz. Ich hab’s ja gesagt. Den Security-Mitarbeitern macht es sichtlich Spass, die Leute nass zu spritzen. Alle freuen sich über die dringend benötigte Erfrischung. Selbst wenn man ein bisschen weiter hinten steht, erreichen einen die Tropfen. Am Baden in Blut Metal Open Air kümmert man sich eben einfach hervorragend um die Bedürfnisse der Besucher.
Burning Witches
Luke: Auch wenn die Hexen unterdessen „nur“ noch zu drei-fünftel aus Schweizerinnen bestehen, ist man als helvetischer Metalhead doch immer noch ein kleines bisschen Stolz, wenn man sieht wie viele Leute da um halb drei bereits vor der Bühne stehen um „unsere“ Band zu sehen. Auch die Bandshirt-Dichte ist beeindruckend, die jungen Damen haben definitiv eine treue Fangemeinde. Für mich ist die Show heute das erste Konzert mit Sängerin Laura Guldenmond, welche im Juni Seraina Telli ersetzt hat. Auch wenn die Musik der Ladies nicht zu 100% mein Fall ist – rein vom Stil her – fand ich sie Live bisher immer ziemlich gut. Und so bin ich gespannt, was mich heute erwartet.
Leider wird aber recht schnell klar, dass das heute keine einfache Sache wird. Der Sound stimmt von Beginn weg überhaupt nicht. Bereits beim zweiten Song treten offensichtlich Probleme mit der Gitarre von Sonia Nusselder auf, und sie verschwindet mehrmals von der Bühne. Beim dritten Song rennt Band-Manager Schmier, der vorher ein paar Meter vor mir stand, plötzlich panisch hinter die Bühne. Irgendetwas scheint da heute definitiv nicht zu passen. Zwischendurch hat man zwar den Eindruck es klingt nun etwas besser, dann fallen aber für kurze Zeit mal plötzlich beide Gitarren aus. So hört man im Publikum zwischenzeitlich nur Bass, Drums von Vocals.
Unter solchen Umständen fällt es natürlich auch schwer die neue Sängerin fair zu beurteilen. Wirklich schlecht hat sie ihre Sache definitiv nicht gemacht, so richtig überzeugt hat sie mich aber auch nicht. Was durchaus auch an den generellen Problemen gelegen haben könnte… Ich warte lieber die nächste Show ab um mir ein definitives Urteil zu bilden.
Was man den Mädels aber hoch anrechnen muss: trotz aller Probleme ziehen sie Ihren Auftritt absolut professionell durch. Ich habe auch schon Musiker erlebt, die sich bei technischen Problemen wie Diven verhalten, die Show nur noch halbherzig zu Ende gespielt oder sogar abgebrochen haben. Nichts davon ist hier und heute passiert, die Band wirkt bis am Schluss spielfreudig und motiviert. Hut ab davor! Und auch dem Grossteil des Publikums scheint es trotz aller Widrigkeiten gefallen zu haben. So sind nicht nur die Reaktionen nach der Show gut, sondern auch die Autogrammstunde später scheint gut besucht zu sein. Es sei der Gruppe gegönnt.
Dutti: Da geht es mir genau wie Kollege Luke. Schade, dass sich «unsere» Mädels während ihres Auftritts mehrheitlich mit technischen Schwierigkeiten herumschlagen müssen. So kann ich leider keine brauchbare oder faire Leistungsbeurteilung abgeben. Glücklicherweise sind die Hexen in diesem Sommer fleissig auf Festival-Tournee. Aufgrund dessen dürfte es noch genügend Möglichkeiten für überzeugende Auftritte geben. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass gerade die älteren Stücke von Seraina jeweils eine Spur besser vorgetragen wurden. Jedoch muss man auch miteinbeziehen, dass Laura noch gar nicht lange Teil der Band ist. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit sieht das alles sicherlich ganz anders aus. Der neue Track «Wings Of Steel» knallt nämlich ordentlich rein.
Setliste Burning Witches
- Executed
- Metal Demons
- Bloody Rose
- Hexenhammer
- Black Widow
- Open Your Mind
- Wings Of Steel
- Burning Witches
Audrey Horne
Luke: Als nächstes folgen Audrey Horne aus Bergen, Norwegen. Die Band hat mich vor einer Woche am Bang Your Head mehr als nur überzeugt, ihr energetischer Auftritt war eines meiner absoluten Highlights. Und auch heute legt die Gruppe verdammt stark los. Man merkt am Anfang, dass wohl nicht allzu viele Leute wegen den Norwegern hier sind, aber nach wenigen Songs haben sie das Publikum im Sack. Der teilweise rotzige Hardrock mit gewissen metalischen Parts macht Live richtig Laune. Vor allem, weil mit Songs wie zum Beispiel „Audrevolution“ oder „Out Of The City“ wirklich starke Lieder im Repertoire stehen.
Die Mitglieder der Gruppe strotzen nicht nur vor Spielfreude, sondern zeigen sich auch im wahrsten Sinne des Wortes Fan-Nah. So begibt sich Sänger Torkjell Rød bereits Anfangs Show öfters mal ans Gitter vor der Bühne, Mitte der Show wagen sich die beiden Gitarristen Arve Isdal und Thomas Tofthagen mitsamt ihrer Instrumente sogar über die Abschrankung und ins Publikum. Vor dem zweitletzten Lied „Waiting For The Night“ macht es Ihnen Bassist Espen Lien nach, zuvor fordert er die Leute auf sich hinzusetzen. Im sitzenden Publikum stimmt er schliesslich den Song A-Cappella an, als die Band loslegt springen alle auf. Während desselben Liedes macht auch der Frontmann noch seinen ausgiebigen Ausflug in die Crowd, somit ist Ende Show Drummer Kjetil Greve das einzige Bandmitglied, welches die ganze Show auf der Bühne verbracht hat…
Die Musiker haben sichtlich Freude, und auch dem Publikum scheint der Auftritt sehr zu gefallen. Es herrscht eine ausgesprochen gute Stimmung, es ist sogar zweimal ein kleiner Moshpit zu beobachten, was ziemlich ungewöhnlich ist bei diesem Musikstil. Der sympathische Sänger zeigt sich in den Ansagen mehrmals erfreut darüber, nach einem Auftritt im kalten Norwegen heute im schwül-warmen Weil am Rhein auftreten zu dürfen und huldigt auch – wie schon in Balingen – seinem Lieblingsgetränk Underberg. Nach intensiven 55 Minuten ist die kurzweilige Show zu Ende, und man sieht rundherum nur strahlende Gesichter. So soll es sein!
Nun heisst es für uns erst mal neue Energie tanken. Das kulinarische Angebot ist wirklich vielfältig und auch die Preise sind absolut fair. Nur leider steht man den ganzen Tag praktisch immer etwas an fürs Essen, besonders zwischen den Bands und am meisten beim Grill-Stand. Aufgrund der kürzesten Schlange entscheiden wir uns dann für Pasta. Eine gute Wahl, noch nie habe ich an einem Festival so gute Teigwaren gegessen wie die Fusilli Pesto hier. Die grosse Portion ist jeden Cent der günstigen 6 Euro wert!
Dutti: Audrey Horne haben auch meine Wenigkeit bereits am Bang Your Head!!!-Festival von den Socken gehauen. Die heutige Performance ist sogar nochmals minim stärker. Und „Waiting For The Night“ bekomme ich in nächster Zeit eh nicht mehr aus meinen Gehörgängen raus. Diese tolle Truppe sollte man definitiv auf dem Schirm haben.
Setliste Audrey Horne
- This Is War
- Audrevolution
- Blackout
- Pretty Little Sunshine
- Out Of The City
- Straight Into Your Grave
- Blaze Of Ashes
- Waiting For The Night
- Redemption Blues
Decapitated
Luke: Nun ist es Zeit für technischen Death Metal mit den Polen von Decapitated. Obwohl ich die Band schon länger verfolge, habe ich sie bis heute nie Live gesehen. Im Oktober 2017 wäre ich zur Show in Zürich gegangen, nur wurden die Bandmitglieder kurz zuvor in den USA verhaftet und mussten in Folge dessen Ihre komplette Tour absagen. So muss meine Premiere bis heute warten, also mal schauen, was da auf mich zukommt.
Der Soundcheck dauert etwas länger als geplant, und so ertönt das Intro ein paar Minuten nach dem geplanten Showbeginn. Danach legt die Band los wie ein Gewitter. Die Anlage ist nun richtig aufgedreht, der Sound erscheint mir einiges lauter als bei den vorherigen Bands. Eventuell wirkt das aber auch einfach so weil die Musik halt eher brachial ist. Ab Showbeginn werden jede Menge Köpfe geschüttelt und bereits ab dem zweiten Song bildet sich auch ein gewaltiger Mosh Pit, der sich definitiv sehen lassen kann. Da es immer noch ziemlich heiss ist hier, und auch die Band ordentlich einheizt, sorgen die Security-Mitarbeiter vor der Bühne immer wieder mit einem Gartenschlauch für etwas Abkühlung im Publikum. Das tun sie schon den ganzen Tag und ist grundsätzlich auch eine gute Sache. Nur: teilweise wird der Schlauch etwas lange auf dieselbe Stelle gerichtet. Und diese Stelle ist im konkreten Fall schön am Rande des Moshpits. Durch den entstehenden Matsch gibt es nun bei vielen der zahlreichen Circle Pits einige spektakuläre Stürze inklusive Matsch-Spritzern. Und so wird man bei bestem Wetter doch noch etwas Open Air-typisch dreckig…
Frontmann Rafał Piotrowski springt derweil wie wild über die Bühne und schüttelt seine Eindrücklichen Dreads ordentlich durch. Die Setlist besteht grösstenteils aus eher neueren Songs, alleine 4 Stücke vom immer noch neusten Album „Anticult“ aus dem Jahr 2017 sind heute am Start. Gegen Ende des Sets werden dann aber doch auch noch ein paar ältere Stücke eingestreut, und den Abschluss der Show bildet schliesslich der Titeltrack vom Debüt „Winds Of Creation“. Somit kommen auch die älteren Fans noch auf Ihre Kosten. Alles in allem ein starker Auftritt der Polen, werde ich mir bei Gelegenheit auf jeden Fall wieder anschauen.
Setliste Decapitated
- Into
- One Eyed Nation
- Kill The Cult
- Pest
- Homo Sum
- Blood Mantra
- Day 69
- Never
- Earth Scar
- Spheres Of Madness
- Winds Of Creation
Alcest
Luke: Nach dem Death Metal-Abriss von Decapitated folgen Alcest aus Frankreich. Eine mir bisher unbekannte Band, und wenn ich bei der Recherche auf Stil-Bezeichnungen wie Post-Rock oder Post-Metal stosse nichts worauf ich mich besonders freuen würde. Bei mir läuten beim Begriff Post-Irgendwas immer die Alarmglocken, meist ist das nichts für mich. Gerne lasse ich mich aber eines Besseren belehren, also nochmals ein feines Keller-Bier geschnappt und ab zur Bühne.
Leider bestätigt sich meine Vor-Ahnung aber ziemlich schnell: das Ganze ist zwar gut gespielt und hat auch Atmosphäre, irgendwie packt es mich aber nicht so richtig. Die Songs sind ziemlich progressiv, ich erkenne aber immer wieder dasselbe Schema: schleppender Anfang mit cleanen Vocals, das Tempo steigert sich, die Vocals werden gegrowlt oder geschrien, es folgt der Höhepunkt – und dann kommt nochmals ein ruhiger Part bis der Song endet. Ist natürlich etwas vereinfacht ausgedrückt, aber ungefähr so wirkt das auf mich. Sehr viel ruhige Melancholie mit gelegentlichen Ausbrüchen.
Eventuell bin ich einfach zu blöd für diese Art Musik oder ein zu wenig guter Musiker, um gewisse Nuancen zu erkennen, bei mir zündet das einfach nicht. Zudem verstehe ich die Spielzeit der Band zwischen Decapitated und Sodom überhaupt nicht. Klar, nach dem ganzen Moshen kommt es für einige Leute grad richtig, um kurz runterzukommen. Ich hätte die Band trotzdem an den Schluss des Abends genommen. Zumal der Sound wohl auch bei Dunkelheit noch etwas mehr Atmosphäre hätte entfalten können.
Ich mache zwischendurch eine kleine Runde bei den Händlerständen und komme auf den Schluss nochmals zurück zur Bühne, es packt mich aber immer noch nicht. Ich kann absolut nicht sagen, dass das Gehörte schlecht war, und ein paar Parts haben auch mir gefallen. Im Grossen und Ganzen aber schlicht und einfach nicht meine Baustelle. Der Innenraum ist auch nicht so gut gefüllt wie bei den Bands vor und nachher, somit wird es wohl nicht nur mir so gegangen sein. Den vor der Bühne Anwesenden hat es aber soweit ich gehört habe gut gefallen.
Dutti: Korrekt, Alcest sollten eigentlich nur Auftritte während Sonnenuntergängen haben (oder die Bühne gar erst betreten, wenn diese längst untergegangen ist). Denn genau dann kommt der Sound, den die Franzosen zum Besten geben, ausgezeichnet zur Geltung. Eintauchen und geniessen ist angesagt. Der Mehrheit des Publikums ist die ganze Geschichte jedoch zu gemächlich – was ich mit Blick auf das heutige Line-Up durchaus nachvollziehen kann. Viele nutzen die Zeit, um Kräfte für die finalen Darbietungen zu sammeln oder für einen Abstecher zu den Merchandise-Ständen. Ich bleibe hingegen brav vor der Bühne und übergebe meine Seele in die Obhut von Neige und seinen Mitmusikern.
Sodom
Luke: Für mich folgt der Höhenpunkt des Abends im Anschluss: Mit Sodom kommt das absolute Kontrast-Programm zum vorangegangen Act. Anstatt ruhiger Töne und filigraner Songstrukturen gibt es nun Old School Thrash Metal mit ordentlich Härte und Gerumpel.
Sehr viele Bands aus dem Genre wären froh um einen Kracher wie „Agent Orange“ für den Zugabeblock, Sodom packen den Klassiker von 1989 gleich an den Anfang der Show. Mit „Sodomy And Lust“ und „Outbreak Of Evil“ folgen zwei weitere Songs von vor 1990. Gleich bei den ersten Ansagen zwischen den Stücken fällt auf, das Frank Blackfire definitiv (wieder) in der Band angekommen ist. Bei der letzten Besetzung hatte Tom Angelripper mit Bernemann zwar einen super Gitarristen an seiner Seite, der aber definitiv einiges zurückhaltender war… Blackfire ist eine Rampensau und tut der Band auch abseits des Gitarrenspiels gut, Tom ist nicht mehr der Alleinunterhalter.
Mit „The Crippler“ vom 1992er-Album „Tapping The Vein“ folgt für mich eine kleine Überraschung, der Song war bei keinem der letzten Gigs die ich gesehen hatte auf der Setlist. Sehr erfreulich, dass da wenigstens ein bisschen variiert wird. Das anschliessende „The Saw Is The Law“ hingegen ist ein Klassiker der nie fehlen darf, auch wenn das „Surfing Bird“-Intro der Bernemann-Makka Besetzung nun leider endgültig der Vergangenheit angehören dürfte. Schade eigentlich… Das Publikum geht bereits gut mit, wenn auch nicht ganz soo viel Bewegung wie bei Decapitated zu sehen ist. Ich habe aber auch den Eindruck, dass der Sound nun einiges leiser ist, und ich stehe praktisch an der gleichen Position wie beim Gig der Polen. Eventuell musste da aufgrund der späteren Spielzeit etwas zurück gedreht werden. Nichts desto trotz reichts zum ordentlich Headbangen.
Als nächstes holt Tom einen Maler auf die Bühne, welcher scheinbar ein Freund von Destruction-Frontmann Schmier ist und sein Gemälde vom Angelripper zeigen darf. Nun ja, solange der gute Mann nicht wie bei Kiss als Support auf der Tour mit dabei ist, habe ich daran nichts auszusetzen. Mit „Partisan“ folgt der erste der zwei neuen Songs von der letztjährigen EP, bevor es zurück zu einem weiteren Klassiker-Block geht. An dessen Ende steht „Tired And Red“, welches gemäss Tom das Lieblingslied des Verstorbenen Ex-Drummers Chris Witchhunter war und auch ihm gewidmet wird. Nach der anschliessenden Bandvorstellung durch den Chef folgt mit „Conflagration“ der zweite neue Track. Inklusive Aufforderung zur Wall Of Death und der Anmerkung, dass der Veranstalter das eigentlich verboten habe. Mit „Remember The Fallen“ sind wir beim dritten Song von „Agent Orange“, das folgende „Silence Is Consent“ aus dem Jahr 1994 ist das Dritt-neuste (!!) Lied in der heutigen Setlist. Als Rausschmeisser gibt es „Bombenhagel“ (ohne den Teil mit der Hymne), danach ist trotz lautstarker Forderung nach „Ausgebombt“ definitiv Schluss für heute.
Sodom haben einen gewohnt starken Auftritt gezeigt. Die Setliste war – wie zuletzt immer – sehr Oldschool-lastig. Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes, nur würde ich auch aus den Jahren 1995 bis 2016 gerne wieder einmal den einen oder anderen Song hören, denn auch in dieser Zeit sind einige starke Alben entstanden. Ich als langjähriger Fan hoffe auf ein gutes neues Album und eine anschliessende Tour mit einer etwas durchmischteren Songauswahl, welche nicht nur aus ganz alten und ganz neuen Tracks besteht. Das ist aber Meckern auf hohem Niveau, unter dem Strich war die Show wirklich gut und das Publikum ist voll auf seine Kosten gekommen.
Setliste Sodom
- Agent Orange
- Sodomy And Lust
- Outbreak Of Evil
- The Crippler
- The Saw Is The Law
- Partisan
- Nuclear Winter
- Basphemer
- Tired And Red
- Conflagration
- Remember The Fallen
- Silence Is Consent
- Bombenhagel
Wintersun
Luke: Für den Abschluss des Abends sind die Finnen von Wintersun zuständig. Im Gegensatz zu Sodom bin ich mit dem Schaffen dieser Herren nicht besonders vertraut, ich lasse mich aber gerne überraschen. Die Genre-Bezeichnung Melodic Death Metal tönt doch schon mal gar nicht soo schlecht…
Was mir sofort auffällt: Die Headliner-Position ist definitiv kein Zufall. Das Gelände ist praktisch gleich gut gefüllt wie bei Sodom zuvor, sehr viele Leute scheinen sich auf den Auftritt zu freuen. Unter grossem Jubel betreten die Musiker die Bühne und legen los. Der Sound erinnert mich entfernt ein bisschen an Children Of Bodom, allerdings mit einer um einiges grösseren Portion Bombast und einer guten Prise Power-Metal. Was mich ein bisschen stört: Falls sich hinter der Trennwand auf der Bühne nicht ein Paar versteckte Musiker befinden, kommt hier einiges ab Band. Ich sehe kein Keyboard, höre es aber ständig. Und auch Gitarren sind wie es mir scheint ab und zu mehr zu hören als auf der Bühne sind. Find ich immer etwas schwierig… Aber auch sonst ist das nicht so richtig mein Fall. Immer mal wieder kommen richtig geile Parts, die Songs nehmen dann aber eine epische Wendung in eine komplett andere Richtung. Wie wenn sich jemand nicht entscheiden könnte, ob er nun Death Metal oder Power Metal Songs schreiben möchte. Ein Kumpel von mir meint, so stellt er sich Sabaton mit Blastbeats vor. Nicht komplett an den Haaren herbeigezogen. Dem Publikum scheint das Ganze aber zu gefallen.
Da wir mit dem Zug hier sind und mich die Band nicht wirklich abholt, entschliessen wir uns Schlussendlich nach etwas mehr als einer halben Stunde Wintersun zu gehen. Bis zum Ende zu schauen würde aufgrund schlechterer Verbindung eine um fast 2 Stunden spätere Heimkehr bedeuten, das ist es mir nicht Wert.
Zum Glück ist Kollege Dutti ausdauernder als ich und zieht sich vom ersten bis zum letzten Ton alles rein. Respekt dafür!
Dutti: Hahaha, man tut, was man kann, werter Luke. Wenn eine finnische Band auf der Bühne steht, bin ich bekanntermassen nicht weit. Wintersun haben sich anlässlich des 15-jährigen Bestehens ihres ersten Albums etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Das erwähnte Debütwerk wird heute Abend nämlich von A bis Z durchgezockt. Da bekommen die Fans auch wieder einmal Hymnen auf die Lauscher geknallt, die man schon länger nicht mehr gehört hat. Dazu zählen beispielsweise «Beautiful Death» oder «Sadness And Hate». Personell wird mit der reduzierten Mannschaft agiert, denn Klampfer Asim Searah kann ich nirgends entdecken. Alles in allem zeigen die Nordmänner aber einen würdigen Headliner-Auftritt und sorgen so für einen gelungene Abschluss des diesjährigen Baden In Blut Metal Open Air.
Das Fanzit – Baden in Blut Metal Open Air 2019
Luke: Das Baden in Blut Metal Open Air ist definitiv eine Reise wert! Man merkt dem Event jederzeit an, dass er mit viel Herzblut organisiert wird. Die Preise sowohl für Eintritt, als auch für Essen und Trinken, sind mehr als Fair. Es hat genügend WCs und sogar für fliessendes Wasser in Trinkwasser-Qualität ist gesorgt. Auf dem schönen Gelände ausserhalb des Konzert-Areals findet man eigentlich immer einen Sitzplatz und auch einmal ein etwas ruhigeres Plätzchen zum Entspannen. Musikalisch wurde heute ebenfalls ein tolles Programm geboten, das vor allem auch vielseitig war und für jeden Geschmack etwas dabei hatte. Mich persönlich haben Sodom, Decapitated und Audrey Horne so richtig überzeugt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dies nicht mein letztes Baden In Blut Metal Open Air gewesen sein wird…
Dutti: Ein fettes Dankeschön gebührt dem Verein Metal Maniacs Markgräflerland e.V. Jedes Jahr führen die Mädels und Jungs ein familiäres Festival durch, welches stets mit einem genialen Line-Up und fairen Preisen punktet. Der Wettergott war der ganzen Geschichte ebenfalls äusserst wohlgesonnen. Für unsere Schweizer Delegation hat sich der Weg nach Weil am Rhein definitiv gelohnt. Wir kommen gerne wieder! Mich persönlich konnten von den Bands – unter Berücksichtigung beider Festivaltage – Anomalie, Aborted, Pertness, Parasite Inc., Alcest und Wintersun besonders überzeugen.