Die Schüür wird zum Horror-Haus
Vier Truppen angeführt von Carach Angren, die sich primär den düsteren Melodien verschrieben haben, trotzten am Dienstagabend den saunaähnlichen Verhältnissen in der Luzerner Schüür und boten dem Publikum ansprechenden Unterhaltungswert mit viel Headbanger-Potenzial. Wer sich dabei wie angestellt hat, wird in den nachfolgenden Zeilen erläutert.
Ende Juni. Viele Bands halten sich in diesem Zeitraum eigentlich vermehrt an irgendwelchen Festivalveranstaltungen auf. Da wir in der Schweiz diesbezüglich leider nicht sonderlich viele Angebote haben, muss gezwungenermassen auf Club-Shows ausgewichen werden. Nichtsdestotrotz bin ich jedes Mal aufs Neue dankbar, dass dadurch viele Bands auch im Sommer einen Zwischenstopp in der Schweiz einlegen. Dieses Gigs erweisen sich zwar stets als äusserst schweisstreibend, aber lohnenswert sind sie schlussendlich allemal.
Heute Abend hat Veranstalter Metal Storm Concerts vier Truppen nach Luzern eingeladen. Nevalra und Thy Antichrist vertreten die USA, Wolfheart übernehmen den Part des finnischen Vertreters und der Headliner stammt aus dem Land von Tulpen und Windmühlen. Das Viererpaket versetzt Europa zurzeit unter dem Banner der «Pitch Black Summer 2019»-Tour in Angst und Schrecken. Insbesondere auf Carach Angrens Horrow-Show darf man zurecht gespannt sein. Damit mein Flüssigkeitshaushalt keine Schwächen aufweist und den anstehenden Darbietungen gewachsen ist, decke ich mich am Tresen zuerst einmal mit einem Hopfentrunk ein.
Nevalra
Extreme/Melodic Blackened Death Metal – mit dieser Bezeichnung charakterisiert das US-amerikanische Trio sein musikalisches Schaffen. Ziemlich rasch wird klar, dass diese Beschreibung wie die Faust aufs Auge passt. Nevlara präsentieren sich stark und temporeich. Einmal sogar zu heftig für die Soundanlage, die kurzzeitig den Geist aufgibt. Glücklicherweise kann diese Angelegenheit schnell behoben werden. Der Kreisch-Gesang von Bandleader und Klampfer Scott Eames geht einem direkt durch Mark und Bein.
Die ursprünglich als Ein-Mann-Projekt angedachte Geschichte hat sich inzwischen zu einer durchaus interessanten Sache entwickelt. Das Debütwerk «Conjure The Storm» ist erst seit Anfang dieses Monats erhältlich. Beim Mixen hatte übrigens ein gewisser Dan Swanö seine Finger im Spiel. Szenekenner wissen, dass eigentlich so ziemlich alles, was dieser Typ in die Hand nimmt, zu Gold wird. Bands wie Opeth, Dark Funeral oder Omnium Gatherum können davon ein Liedchen trällern.
Nevlara machen in den 30 Minuten, die sie zur Verfügung haben, viel Dampf und empfehlen sich dadurch für weitere Auftritte. Diesen Namen muss man sich wohl oder übel merken. Vielleicht liegt dann beim nächsten Mal auch eine grössere Zuschauerschar drin. Für Scott wird der Arbeitsalltag im Anschluss übrigens nahtlos weitergehen, denn er figuriert bei Thy Antichrist ebenfalls als Gitarrist.
Thy Antichrist
Ein Bandname, der geradezu nach Satansverherrlichung schreit. Auch diese Künstler sind aus den Vereinigten Staaten angereist. Prägende Gestalt in den Reihen des Quintetts ist Frontmann Andrés Vargas (besser bekannt unter seinem Pseudonym «Antichrist 666»). Der ehemalige Psychologiestudent ist zeitgleich auch Manager der Truppe. Mit seiner Musik möchte er Stärken und Schwächen des menschlichen Verhaltens aufzeigen und zudem die Konsequenzen unseres Handelns darstellen. Zweifelsohne ein interessanter Ansatz. Er selbst könnte vom Erscheinungsbild definitiv als Dämon durchgehen. Das markante Corpsepaint ist wirklich furchteinflössend. Mit der rechten Hand zeigt er praktisch ohne Unterbruch die Metal-Horns. Respekt an seine ausdauernden Finger! Stimmlich ist der Sänger – wie bereits zuvor Scott bei Nevlara – ebenfalls ziemlich diabolisch unterwegs.
Nach der Show folgt ein Abstecher zum Merchandise-Stand. Beide Vorgruppen aus dem Ami-Land haben es sich redlich verdient, dass man sie unterstützt. Mit den T-Shirt-Designs werde ich leider nicht wirklich warm. Dafür wird meine persönliche CD-Sammlung um zwei weitere Scheibchen erweitert. Und jetzt muss ich vor dem Wolfheart-Gig unbedingt rasch meinen Schädel ein bisschen durchlüften.
Wolfheart
Winter Metal – so nennen die Finnen ihren Sound auf ihrer Facebook-Seite. Aufgrund der aktuell vorherrschenden Bedingungen hierzulande könnte diese Bezeichnung eigentlich kaum unpassender sein. Schliesslich steht den Wölfen aus Lahti eine schweissgebadete Menge gegenüber. Wobei, mit Saunas sollten sich die Finnen ja eigentlich auskennen. Lassen wir uns überraschen.
Ich habe Wolfheart im Vorfeld als Line Up-Exoten eingestuft und war nicht wirklich sicher, ob sie zu all diesen schwarzmetallischen Kapellen passen würden. Allfällige Zweifel werden jedoch rasch ausgemerzt, denn bereits bei den ersten beiden Nummern «Everlasting Fall» und «Aeon Of Cold» verfalle ich in einen regelrechten Kopfschüttel-Rausch. Stark, was Tuomas Saukkonen und seine Gefährten hier abliefern. Ich bin positiv überrascht.
Die Ansagen zwischen den Songs übernimmt primär Basser Lauri Silvonen. Offenbar möchte Tuomas seine Stimme – wenn immer möglich – schonen. Oh, an der Lead-Gitarre erblicke ich ebenfalls ein vertrautes Gesicht. Das ist doch das ehemalige Rotting Christ-Mitglied Vagelis Karzis. Keine Ahnung, wie der griechische Schönling jetzt genau bei den Finnen gelandet ist. Wahrscheinlich fokussiert sich der eigentliche Wolfheart-Gitarrist Mika Lammassaari zurzeit lieber auf sein eigenes Projekt Mors Subita.
Carach Angren
Nun hat der Headliner eine Stunde Zeit, diesem ohnehin schon gelungenen Konzertabend endgültig die Krone aufzusetzen. Carach Angren – dieser Name steht für erstklassigen Horror Metal aus den Niederlanden. Wer sich jetzt darunter nicht wirklich etwas vorstellen kann, dürfte wohl mit der Genre-Bezeichnung Symphonic Black Metal etwas mehr anfangen können. Die Schüür wird jetzt nämlich zum Spukhaus mutieren.
Zu den angsteinflössenden Klängen von «Electronic Voice Phenomena» betreten Seregor (Gesang), Ardek (Keyboards), Namtar (Drums) und Bastiaan Boh (Gitarre) die Bildfläche. Anschliessend geht’s mit «The Sighting Is A Portent Of Doom» dann erstmals richtig zur Sache. Die wilde Fahrt mit der holländischen Geisterbahn kann beginnen. In Sachen Corpsepaint macht diesen Musikern sowieso keiner etwas vor. So geschminkt würde wohl manch ein Zuhörer gerne herumlatschen. Bei diesen hitzigen Temperaturen muss man allerdings aufpassen, dass einem die Farbe nicht bereits nach den ersten paar Nummern vom Antlitz tropft.
Im Vergleich zu anderen Carach Angren-Shows sind doch ein paar Änderungen auffällig. Seregor verzichtet beispielsweise auf seinen markanten Sensen-Mikrofonständer und das Tasteninstrument von Ardek kommt für einmal ohne wilde Drehbewegungen aus. Dass auf die in die Höhe fahrenden Podeste verzichtet wurde, ist definitiv nachvollziehbar. Sonst hätten sich die Akteure an der Decke wohl oder übel den Kopf gestossen.
Leidet unter den zuvor genannten Punkten die Showqualität? Nein, keinesfalls. Carach Angren sorgen auch so für beste Unterhaltung. Primär dafür verantwortlich ist Frontmann Seregor. Der stolziert beispielsweise beim Track «General Nightmare» effektiv wie ein General durch die Gegend. Ein kurzer Crash-Kurs in der holländischen Sprache kommt ebenfalls zum Zug. Im Namen des Teufels heisst nämlich «In de Naam van de Duivel». Wenig überraschend bereitet die Aussprache dem Schweizer Publikum kaum Probleme. Seregor kann zudem exzellent mit dem Messer umgehen, was eine Schaufensterpuppe auf der Bühne gleich mehrmals zu spüren bekommt. Da ist wohl ein kleiner Serienkiller an ihm verlorengegangen. Erinnert phasenweise ein bisschen an den Heath Ledger-Joker aus dem Film «The Dark Knight». Das Kunstblut der Puppe wird dann frech ins Publikum gespritzt. Passend dazu ertönt die geniale Hymne «Blood Queen». Beim darauffolgenden «Pitch Black Box» hat dann auch wieder die altbekannte, königliche Totenkopfmaske ihren grossen Auftritt.
Der bärenstarke Gig wird schliesslich mit «Bloodstains On The Captain’s Log» beendet. Im Anschluss schauen nochmals alle Musiker beim Merchandise-Stand vorbei, nehmen sich Zeit für Fotos und ein paar Gespräche liegen ebenfalls drin. Nach der Unterhaltung mit Seregor wird wieder einmal klar, dass viele Musiker auf der Bühne zwar das pure Böse raushängen lassen, aber eigentlich fernab von Show-Elementen ganz normale Typen sind.
Das Fanzit
Danke Metal Storm Concerts! Wieder einmal durfte ich einen rundum tollen Abend bei euch in der Schüür erleben. Sämtliche vier Bands zeigten fantastische Leistungen und trotzten den Sauna-Verhältnissen. Besucht war der Event insgesamt zwar eher mittelmässig, aber es ist zugegebenermassen auch nicht ganz leicht, die Fans bei diesen hochsommerlichen Temperaturen für ein Hallen-Konzert zu begeistern.
Setliste – Nevalra
- Terror Throne
- …Of Ruination
- Amidst The Ivory Towers
- It Dies In Vain
- Conjure The Storm
- Prophet For Profit
Setliste – Thy Antichrist
- Intro
- Between God And The Devil
- The Great Beast
- Where Is Your God?
- Destruction Times
- Metal To The Bone
- Desolation
Setliste – Wolfheart
- Everlasting Fall
- Aeon Of Cold
- Strength And Valor
- Breakwater
- Abyss
- Zero Gravity
- The Hunt
- Ghosts Of Karelia
Setliste – Carach Angren
- Intro – Electronic Voice Phenomena
- The Sighting Is A Portent Of Doom
- General Nightmare
- The Carriage Wheel Murder
- Spectral Infantry Battalions
- In de Naam van de Duivel
- Blood Queen
- Charlie
- Pitch Black Box
- A Strange Presence Near The Woods
- Heretic Poltergeist Phenomena
- The Funerary Dirge Of A Violinist
- Bloodstains On The Captain’s Log