Sludge-Könige im Gewölbe
Crowbar gelten in unserer Szene als eine der schwersten Bands überhaupt. Das bezieht sich allerdings keinesfalls auf die Körpergewichte der einzelnen Mitglieder, sondern auf die harten und schleppenden Riffs, mit denen die Amis jeweils die Gehörgänge ihrer Anhänger heimsuchen. Kirk Windstein und seine Mannen gastierten am Mittwochabend im Zürcher Dynamo. Für das Aufwärmprogramm waren die beiden Schweizer Truppen shEver und WardHill besorgt.
Kontrastprogramm ahoi! Aufgrund der hochsommerlichen Temperaturen haben sich viele Leute in der Nähe des Jugendkulturhauses versammelt, um sich mit einem Sprung in die Limmat ein bisschen abzukühlen. Aus dieser Badehosen- und Bikini-Masse sticht jedoch eine schwarzgekleidete Gruppe hervor. Das Interesse dieser Gestalten gilt viel eher dem musikalischen Programm, welches Veranstalter Roadrage-Booking heute im Werk 21 durchführen wird. Befürworter von Sludge- und Doom-Klängen werden zweifelsohne auf ihre Kosten kommen. Mit Crowbar wird nämlich DAS Aushängeschild dieser Stilrichtungen die Wände des Gewölbes erzittern lassen. Die beiden Support-Acts shEver und WardHill haben es bisher hingegen nicht auf mein Radar geschafft. Beide Bands sollen jedoch aus der Schweiz stammen. Somit wird also auch die lokale Szene phasenweise unterstützt – tolle Sache!
Ich hole mir rasch den Stempel und eine kühle Blondine ab, um anschliessend ebenfalls noch das fabelhafte Wetter vor der Location geniessen zu können. Man hört ja dann schon, wenn’s losgeht. Ah, kaum ausgesprochen, wird in der Facebook-Veranstaltung die Running Order gepostet. Perfekt, jetzt kann effektiv nix mehr schiefgehen. Neben mir unterhält man sich auf Französisch. Offenbar sind also auch Metalheads aus der Romandie bis nach Zürich gepilgert.
WardHill
Punkt 20 Uhr steht die erste Band auf der Matte. Ah, jetzt wird mir auch klar, neben wem ich vorhin draussen mein Bierchen gekippt habe. Das Trio stammt aus Genf und tobt sich bevorzugt in den Sektoren Sludge und Stoner Metal aus. Zu Beginn müssen WardHill noch mit wenig Publikum auskommen, aber glücklicherweise verirren sich mit der Zeit immer mehr Zuhörer in den Bühnenraum. Mit seinem Schnäuzer und Brille erinnert mich Fronter Julien ein wenig an Ned Flanders aus der Zeichentrickserie «The Simpsons». Dazu ein kleiner Fun-Fact: Mit Okilly Dokilly existiert in den USA effektiv eine Metalcore-Band, die sich in ihrem musikalischen Schaffen komplett mit Springfields einzig wahrem Vorzeige-Christen befasst.
Aber genug davon. Kommen wir wieder auf die Performance von WardHill zu sprechen. Der Gesang von Julien dürfte ruhig lauter sein. Ansonsten gibt’s soundtechnisch jedoch nix zu bemängeln. Die ersten Headbanger-Momente lassen nicht lange auf sich warten. Langsam und schwerfällig prügeln die Melodien auf die anwesenden Nackenmuskeln ein. Es gibt ausschliesslich neue, frisch zusammengewerkelte Nummern auf die Lauscher. Deswegen seien leider auch noch keine Songtitel vorhanden. Sackstark, wie Trommler Peg beim Finale konstant das Tempo reduziert. Die Genfer mausern sich zu einem soliden Opener. Nach diesen 30 Minuten ist klar, dass ich mir diese Kapelle definitiv merken werde.
shEver
Der helvetische Doom Metal-Act, der ebenfalls gerne todesmetallische Parts in seine Werke einfliessen lässt, wurde ursprünglich als reine Frauen-Band ins Lebe gerufen. Im Verlaufe der Jahre (und der einen oder anderen Umdrehung des berühmt-berüchtigten Line Up-Karussells) ist der Mädels-Anteil auf 50 Prozent geschrumpft. Alexandra ist für den Gesang zuständig und Jessica übernimmt sowohl die Gitarren-Arbeit als auch die Background-Vocals. Unterstützt werden die beiden von Heiko an den Drums und Basser Jörg.
Knipser und Smartphone-Hobbyfotografen dürften bei diesem Gig kaum an brauchbares Material herankommen, denn die Musiker agieren beinahe komplett im Dunklen. Halb so wild, dann kann man sich mehr auf den Sound konzentrieren. Und der dröhnt bei shEver verdammt druckvoll aus den Boxen. Ohne Gehörschutz würden meine Trommelfelle hier wohl arg in Mitleidenschaft gezogen. Alexandras Stimmorgan braucht sich keineswegs vor irgendwelchen männlichen Sängern zu verstecken. Insgesamt haben mir WardHill ein Spürchen besser gefallen. Nichtsdestotrotz kann ich euch shEver ebenfalls sorglos weiterempfehlen.
Crowbar
Der Headliner schreitet um Punkt 22 Uhr zur Tat. In der Umbauphase haben Maestro Kirk Windstein und seine Kumpels brav mitgeholfen. Lobenswerte Geschichte! Nun stellen sie bereits mit dem ersten Stück «All I Had (I Gave)» beide Vorgruppen in den Schatten. Das ist keinesfalls böse gemeint. «Unsere» Schweizer Bands waren – wie weiter oben erwähnt – alles andere als schlecht, aber jetzt spielt einfach nochmals ein ganz anderes Kaliber. Material von mehr als der Hälfte aller bisher veröffentlichten Alben der Sludge-Pioniere findet den Weg in die Setliste. Diese Riffs und Grooves lassen niemanden kalt. Hinzu kommt noch die grobe Stimme von Mister Windstein, den ich in einem anderen Bericht aufgrund seines Aussehens auch schon einmal als teuflische Version des Nikolauses bezeichnet habe. Damals waren Crowbar übrigens ebenfalls hier im Dynamo zu Gast – allerdings ein paar Etagen weiter oben im Saal. Sie teilten sich die Bühne mit Overkill, Desecrator und Shredhead.
Drei Jahre später folgt nun also die Rückkehr in die Limmat-Stadt. Dieses Mal gebührt den US-amerikanischen Brecheisen der Headliner-Status. Deswegen stehen sie auf der Popularitätsskala ganz oben. Das Werk 21 ist zwar nicht rappelvoll, aber das Quartett darf sich trotzdem an einem anständigen Publikumsaufmarsch erfreuen. Keine Selbstverständlichkeit, denn draussen herrscht nach wie vor bestes Bade- und Grill-Wetter. Allerdings konnten die Fans ja während den jeweiligen Pausen zwischen den einzelnen Gigs frische Luft schnappen. Jetzt liegt der Fokus einzig und alleine auf Crowbar.
Die Truppe setzt sich neben Fronter Kirk aus den folgenden Persönlichkeiten zusammen: Tommy Buckley an Drums, Matthew Brunson an der Klampfe und Shane Wesley am Tieftöner. Letztgenannter kommt hauptsächlich bei Live-Auftritten zum Einsatz. Der eigentliche Bassist Todd Strange gehört eigentlich immer noch zum Line Up der Band, aber er hat sich im vergangenen Jahr aus dem Touring-Bereich zurückgezogen. Shane ist jedoch zweifelsohne ein guter Ersatz auf der Bühne. Er liefert sich immer wieder unterhaltsame Duelle mit Kirk. Bei den letzten beiden Nummern «Planets Collide» und «Like Broken Glass» erreicht schliesslich auch die Stimmung im Publikum den Höhepunkt. Die Eskalation äussert sich schliesslich in einem kleinen Mosh Pit in der Mitte des Kellergewölbes. Fulminantes Finale einer bärenstarken Performance.
Das Fanzit – Crowbar
Besten Dank an die Roadrage-Booking-Crew! Neben Konzerten von Misery Index und Jungle Rot war das Gastspiel von Crowbar bereits der dritte gelungene Event, welchem ich im Werk 21 beiwohnen durfte. Da hat jemand zweifelsohne ein Händchen für interessante Truppen und Gigs. Heute Abend sich die beiden helvetischen Kapellen WardHill und shEver definitiv nicht schlecht angestellt. Was der Headliner aus dem Ami-Land im Anschluss zeigte, war dann aber schlichtweg überragend. Crowbar rules!
Setliste – shEver
- Hagazussa
- Je suis née
- Smile
- Waiting
Setliste – Crowbar
- All I Had (I Gave)
- …And Suffer As One
- To Build A Mountain
- The Cemetery Angels
- Walk With Knowledge Wisely
- To Carry The Load
- Conquering
- Existence Is Punishment
- High Rate Extinction
- Planets Collide
- Like Broken Glass