Von Ritualen und bösen Pits
«Rituals» nennt sich das aktuelle, letztes Jahr veröffentlichte Album von Soulfly. Als Ritual könnte man auch schon fast den Fact bezeichnen, dass die brasilianische Band dem Zürcher Dynamo im Sommer immer wieder gerne einen Besuch abstattet.
Erst letztes Jahr, ebenfalls im Juli, fand nämlich das letzte Soulfy-Konzert in der Schweiz genau hier, im Saal des Dynamo, statt. Mit Expellow als Vorband sorgte die Truppe um Max Cavalera für einen genialen Abend (siehe Review). Auch zuvor spielten Soulfly schon Sommer-Konzerte in dieser Location.
Auf dem Weg vom Hauptbahnhof zum Dynamo geht es mir in etwa so, wie Luke in seinem Bericht zu Agnostic Front genau diesen Weg beschreibt. Es ist heiss und man sehnt sich nach Abkühlung; und rund um die Limmat und die Sihl kann man nirgendwo hinblicken, ohne Leute in Badehose und Bikini zu sehen. Doch der geneigte Metaller trägt ein Metal-Shirt.
À propos Shirt: Dem genauen Beobachter fällt vielleicht auf, dass sich überdurchschnittlich viele Pantera-Shirts an dieses Konzert verirrt haben. Grund dafür ist wohl ein stiller Protest gegen die mehrfachen Location-Wechsel und die schlussendliche Absage des Auftritts von Phil Anselmo & The Illegals, welche heute in Zürich hätten spielen sollen. Ob Soulfly für den Dynamo sogar eine Art Ersatz darstellen? Schliesslich wurde die Truppe um den Ex-Fronter von Pantera auch für das Dynamo angekündet, und der Soulfly-Gig erst relativ kurzfristig und nach der endgültigen Phil-Zürich-Absage… Wie dem auch sei, auch wenn Phil und die Illegalen live sehr überzeugt hätten, geht es heute um Serpentyne und Soulfly!
Serpentyne
Die Band aus London kombiniert Symphonic Metal mit Folk-Einflüssen und passt somit eigentlich nur bedingt hierhin. Dies mag neben der gewaltigen Hitze – im Saal ist es zwar erstaunlich erträglich – ein Grund dafür sein, dass die Band ihren Auftritt vor nicht mehr als zwei Dutzend Besuchern beginnen muss. Insbesondere gleich nach der Front Row gibt es eine riesige Lücke, denn die nächsten Leute stehen erst auf Höhe des Mischpults. Da hätte Fronterin Maggiebeth Sand ruhig eingreifen und die Leute nach vorne bitten dürfen.
Dass sie dies nicht tut, passt hingegen sehr zu ihrer eher zurückhaltenden Art. Der Auftritt ist sowieso irgendwie speziell. Einerseits ist die Abmischung noch auf einem schrecklichen Niveau, aber auch was auf der Bühne passiert, mag nur bedingt zu überzeugen. Serpentyne bestehen aus fünf Musikern nicht ganz jungen Semesters: Sängerin Maggiebeth Sand, welche stimmlich bestimmt einiges drauf hat, aber in Sachen Kommunikation mit dem Publikum ein bisschen hinterherhinkt; Drummer John Haithwaite, dessen Schlagzeug aufgrund von Platzmangel auf der Bühne neben seinen Mitmusikern steht und welcher sich so sehr auf sein Spiel fokussiert, dass er weder mit seiner Band noch mit dem Publikum eine Verbindung eingehen kann; und Gitarrist Lee Wilmer sowie Bassist Nigel Midleton, welche sich auf der anderen Bühnenseite aufhalten und da auch nicht wirklich auffallen. Ah, und Nummer 5 wäre Dudelsackbläser Vaughan Grandin, der aber nicht anwesend ist und dessen Spuren deshalb eingespielt werden.
Das Bühnenbild hingegen ist durchaus ansprechend. Die Soulfly-Tarnnetze, welche während dem Auftritt der Vorband grünlich beleuchtet werden, tauchen das Dynamo in das richtige Ambiente für eine Band, die doch den einen oder anderen folkigen Einfluss hat. Insbesondere bei der zweitletzten Position auf der Setliste, während welcher Maggie einen schamanischen Gesang improvisiert und dazu auf einer Art Handtrommel trommelt, wird der wahrscheinliche gewünschte Effekt gut erzielt. Während den letzten drei Songs ist auch die Abmischung schon viel besser und die Musik kann sich doch zeigen lassen. Nach dem nur ein bisschen mehr als eine halbe Stunde dauernden Auftritt verlasse ich den Saal Richtung Toilette/Bar also mit gemischten Gefühlen, werde der Band aber bestimmt eine zweite Chance geben.
Soulfly
Als ich mit einem Bier in der Hand zurückkomme – die Schlange an der Bar war um einiges länger als sonst und beim Zapfen gab es irgendwelche Probleme mit der Zapfanlage – geht gleich das Licht aus und erste Intro-Töne erklingen. Der Saal des Dynamo ist jetzt rappelvoll und auch der letzte Geniesser der warmen Sonnenstrahlen hat (hoffentlich) den Weg hierher gefunden.
Auch wenn die Bandbesetzung immer wieder mal wechselt und der einzige Fixpunkt eigentlich Max Cavalera ist, kreuzen Soulfly heute mit denselben Musikern wie im vergangen Jahr auf: Max an Gitarre und Gesang, sein Sohn Zyon Cavalera am Schlagzeug, Marc Rizzo an Gitarre und Mike Leon an Bass. Losgelegt wird sogleich mit «The Summoning». Einige der anwesenden Besucher haben leider offensichtlich zu viel Alkohol (und auch anderes) getankt, und so ist der Pit vor allem während der ersten beiden Songs ein Ort mit kickenden und schlagenden Vollidioten, welchen man wohl lieber meidet. Nach einigen Songs beruhigt sich diese Situation aber und es wird auch hier drin wieder angenehmer.
Soulfly finden in Sachen Songauswahl einen guten Mittelweg zwischen den altbekannten Pflichtsongs und Songs vom neuen Album «Ritual». Für meinen Geschmack dürfte die 2010-er Scheibe «Omen» noch ein bisschen mehr berücksichtigt werden – heute kommt leider kein einziger Track dieses Meisterwerks zum Zuge (auch wenn «Rise Of The Fallen» auf der Setliste stand…). Auffällig ist, wie es die Band vermag, die Grenzen zwischen den einzelnen Songs zu vermischen. Vom Outro des einen Songs geht es weiter über Gitarrengeschreddere oder irgendeinen Mitsing-Chor zum nächsten Song, und wenn man denkt, der Song wäre eigentlich schon lange vorbei, wird dessen Refrain plötzlich wieder aufgenommen. Dass «Jumpdafuckup» nur ganz kurz mit dem Intro und dem ersten Refrain angespielt wird, ist schade, aber absolut verständlich, denn ohne Corey Tailor würde beim Rest des Songs einfach etwas fehlen. Statt diesen Überhit zu beenden wird also gleich nahtlos an «Eye For An Eye» angeknüpft, und würde man die Songs nicht kennen, bekäme man auch diesen Wechsel nicht wirklich mit.
Nach diesem Song-Duo, das den Zugabeblock abschliesst, und einer kurzen Vorstellung der Musiker ist die Show dann nach nicht einmal einer Stunde und zwanzig Minuten vorbei. Viel zu kurz, könnte man meinen, doch ein grosser Teil des Publikums ist ziemlich ausgepowert. Wer noch Lust auf mehr Max hat, kann sich direkt am Merch-Stand für 75 Franken ein Meet & Greet im Tourbus erstehen. Ich begnüge mich mit einem Shirt und mache mich auf den Heimweg, wo ich – wer hätte es gedacht – noch auf den einen oder anderen Bon Jovi-Fan treffe.
Setliste Soulfly
- The Summoning
- Under Rapture
- Fire
- Porrada
- Bleed / Plata O Plomo
- Prophecy
- Arise Again
- Babylon
- No Hope = No Fear
- I And I
- Tribe (mit Berimbau Intro)
- Ritual
- Dead Behind The Eyes
- Back To The Primitive*
- No*
- Jumpdafuckup / Eye For An Eye*
*Zugaben
Das Fanzit – Soulfly
Serpentyne passten aufgrund ihres Stils nicht so ganz in den Slot vor Soulfly und dank des erst gegen Ende überzeugenden Auftritts war das «Aufwärmen» irgendwie nicht so richtig gegeben. Dafür ging bei Soulfly ab dem ersten Ton richtig die Post ab. Tatsächlich hätte man sich von beiden Bands etwas mehr Spielzeit wünschen können. Ansonsten bleibt nicht viel zu sagen, ausser: «Oleee, olé olé olé, Soulflyyy, Soulflyyy!»